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THEMA:   Zwiespältigkeiten

 8 Antwort(en).

Katharina begann die Diskussion am 26.02.03 (06:30) mit folgendem Beitrag:

Eine großes Unternehmen möchte seine Marktanteile vergrößern, es gibt nur einen ernst zu nehmenden Konkurrenten. Eine PR-Firma wird engagiert.
Die PR-Firma findet rasch etwas Geeignetes: Der Konkurrent hat vor Jahren seine Arbeiter und Arbeiterinnen mit schwer gesundheitsschädlichen Stoffen arbeiten lassen, viele sind in der Folge verstorben, bzw. sind sie krebskrank.
Die PR-Firma tut ihre Arbeit und in den Medien finden sich berührende Berichte. Berichte, die auch wütend machen. Die Konkurrenzfirma sieht schlecht und schlechter aus. Sie richtet also eine Beratungsstelle für die Erkrankten ein, gibt früheres Versagen partiell zu,... - Ihr Image ist trotz allem beim Teufel. Das große Unternehmen steigert seine Marktanteile, ohne je (öffentlich) als Auftraggeber dieser Kampagne in Erscheinung getreten zu sein.

Das ist keine erfundene Geschichte, sondern nur ein ganz kleines Beispiel dafür, wie schwierig die Dinge in Wirklichkeit liegen. Ein Beispiel dafür, dass auch Menschlichkeit, Engagement usw. instrumentalisiert werden und das nicht zu knapp.


bernhard antwortete am 26.02.03 (10:40):

... womit Menschlichkeit und Engagement als dümmlich diffamiert werden sollen?


Barbara antwortete am 26.02.03 (10:50):

Wenn das geschädigte Unternehmen zum Ziel hatte, Krieg als politisches Mittel wieder hoffähig zu machen, habe ich keine Probleme mit der Arbeit der PR-Agentur.

Zumal die Beschuldigungen nach Deinem Bericht ja auf Tatsachen beruhten..... Um die Geschädigten bzw. Hinterbliebenen der Geschädigten hat sich das Unternehmen erst auf den Druck der Öffentlichkeit hin gekümmert. Insofern ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig Öffentlichkeit ist.


bernhard antwortete am 26.02.03 (11:03):

Auch Zeitungsverlage können Propagandisten sein, z.B. die Boulevardpresse in der Hand eines Murdochs:

Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,237737,00.html


katharina antwortete am 26.02.03 (11:24):

@bernhard: wenn du das denkst, ich denke es nicht. denn ich schrieb ja "funktionalisiert" und nicht "dümmlich". und dass zeitungen - wie alle medien - *die* instrumente für propaganda sind, da stimme ich dir absolut zu. es war ja auch nicht das "radio", das hitler den deutschen familien in die wohnungen setzte, sondern der "volksempfänger".

@barbara: das geschädigte unternehmen wollte - genauso wie das andere - möglichst viele marktanteile (es geht um dachziegel und verkleidungen) haben. um krieg (im engeren sinn) geht es hier mal nicht.
und ich denke auch, dass öffentlichkeit wichtig ist. aber das herstellen von öffentlichkeit ist eben auch ein geschäft und folgt in aller regel geschäftsinteressen. ich denke, dass immer irgendwer dran verdient. ich möchte wenigstens wissen, wer das ist.

als titel dieses threads habe ich "zwiespältigkeiten" gewählt, weil das meine haltung am deutlichsten zum ausdruck bringt. weil es natürlich einerseits gut ist, dass das unternehmen etwas tun musste, weil aber andererseits mindestens ein schales gefühl zurückbleibt, wenn man erfährt, wer und vor allem warum die weichen gestellt wurden, damit das passiert.

die antwort kann nicht der völlige rückzug aus den geschehnissen sein. aber so viel entfernung, dass blicke nach hinten, nach vorn, nach links und nach rechts noch möglich sind, braucht es meiner meinung nach schon.

grüße
katharina


Wolfgang antwortete am 26.02.03 (11:46):

für wichtiger halte ich es, sich zu engagieren, Partei zu ergreifen, nicht nur für sich selbst, sondern auch für die, die es schlechter getroffen haben, die z. B. in irgendeiner Notlage sind oder ausgebeutet werden oder denen Gerechtigkeit vorenthalten wird.

Es ist eine Gratwanderung... Wer zu nah dran ist, wird unproduktiv; wer sich zu weit entfernt von den Menschen und der eigenen Menschlichkeit, verliert sie schnell aus den Augen und stürzt selbst dabei ab. Die zweite Gefahr halte ich aber bei uns derzeit für die grössere. ;-)


Barbara antwortete am 26.02.03 (12:02):

@ Katharina,

es ist doch gut, wenn Unternehmen die Öffentlichkeit fürchten müssen. Wenn sie aus dieser Angst heraus menschenunwürdige Arbeitsbedingungen vermeiden, ist das doch in Ordnung.

Schlimmer finde ich, was z.B. der Firma Birkel vor Jahren passierte. Durch Artikel in der Presse über den Verbrauch angebrüteter Eier bei der Herstellung von Teigwaren, ging die Firma bankrott. Später stellte sich heraus, dass an der Geschichte nichts Wahres dran war.... Inzwischen konnte ein anderes Unternehmen die Firma zu einem Spottpreis übernehmen.

Journalisten tragen eine große Verantwortung. Wer leichtfertig Unternehmen in den Ruin treibt, müsste für den Schaden haften....


sofia204 antwortete am 26.02.03 (12:04):

die Menschlichkeit besteht derzeit darin,
sich aufgegeben zu haben, ohne es zu merken,
da von Dummheit umjubelt, uns das Funktionieren in der Gesellschaft wenigstens aktiv sein läßt.


Hanskarl antwortete am 26.02.03 (17:57):

Hallo Katharina,

sehr guter Beitrag! Ich kenne einen sehr ähnlichen Fall
aus meinem Umfeld in einer anderen Branche. Es scheint mir
besonders niederträchtig, wenn edle Motive für schmutzige
Machenschaften ausgenützt werden. Aber so waren und so sind
die Menschen eben.

In dem mir bekannten Fall war es so, daß die später unter-
legene Firma vorher auch mit miesen Tricks aggiert hatte.

Somit könnte man eine gewisse Gerechtigkeit unterstellen.

Jedenfalls hast Du vollkommen recht, mit der Feststellung,
daß wir Menschen in den allermeisten Fällen einen Sachverhalt
viel zu leichtfertig beurteilen.

Gruß Hanskarl