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THEMA: "Körperwelten" in München verboten
11 Antwort(en).
UrsulaB
begann die Diskussion am 31.01.03 (01:18) mit folgendem Beitrag:
Vom 22. Februar bis Mitte Juni 2003 sollte in München die Wanderausstellung "Körperwelten" stattfinden. Gestern Abend hatte die Stadt München unter Berufung auf das Grundrecht der Menschenwürde und das bayerische Bestattungsrecht ein Verbot der Ausstellung eingeleitet.
Soeben habe ich gelesen, dass der Veranstalter der Leichenausstellung "Körperwelten" juristisch gegen das Verbot in München vorgehen will. Das Verbot sei - so wörtlich - eine "einmalige Zensur seit der Renaissance".
Hier Ausschnitte des Artikels im Original:
Der Veranstalter der Leichenausstellung "Körperwelten" will juristisch gegen das Verbot der Schau in München vorgehen. Es würden "alle verfügbaren Rechtsmittel" ausgeschöpft, um die Ausstellung wie geplant vom 22. Februar bis 15. Juni stattfinden zu lassen, teilte das Institut für Plastination in Heidelberg mit. Das Verbot sei eine "einmalige Zensur der musealen Präsentation medizinisch-anatomischer Präparate seit der Renaissance".
Über den Widerspruch hat nun das Verwaltungsgericht zu entscheiden. ...
Der umstrittene Wissenschaftler und "Körperwelten"-Initiator Gunther von Hagens wollte in München in einer eigens umgebauten Halle des ehemaligen Katastrophenschutzamts im Stadtteil Schwabing seine Sammlung von rund 25 plastinierten Leichen sowie etwa 2000 präparierten Leichenteilen zeigen. Nach dem Startschuss 1996 in Japan zog die Wanderausstellung mit den konservierten Leichen unter anderem nach Mannheim, Basel, Berlin, Köln und Brüssel. Kritisiert wurde in der Öffentlichkeit vor allem, dass von Hagens die Leichen zu künstlerischen Objekten verfremdet hatte.
An den Präparaten wird das ursprüngliche Gewebe durch Silikonkautschuk oder Epoxydharz ersetzt, wodurch die Körper ihre natürliche Oberflächenstruktur behalten. Die sterblichen Überreste von Freiwilligen wurden so im Ganzen oder - zur besseren Anschaulichkeit - mit abgezogener Haut, ausgeklappten Organen oder auch scheibchenweise konserviert.
Ich bin gespannt, wie das Verwaltungsgericht entscheidet und bin fast sicher, dass von Hagens bis vors Bundesverfassungsgericht gehen wird, wenn er nicht Recht bekommt -was ich persönlich hoffe. für mich ist das Verarbeiten von Leichen zu Kunstwerken pervers, und juristisch müßte nach meinem Rechtsverständnis eine Verletzung der Menschenwürde vorliegen.
Ursula
Internet-Tipp: https://www.recht.de/
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Felix
antwortete am 31.01.03 (02:09):
Hallo UrsulaB
wir haben diese Thema schon ausführlich abgehandelt. Ich möchte mich z.B. nicht gern wiederholen. Lies vielleicht zuerst die z.T. kontroversen Beiträge im Archiv: /seniorentreff/de/diskussion/archiv1/a402.html /seniorentreff/de/diskussion/archiv6/a630.html
Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv6/a630.html
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Felix
antwortete am 31.01.03 (02:18):
Hallo Ursula ...
ich habe soeben festgestellt, dass du die gleiche Ursula bist, die mit uns damals schon über Körperwelten diskutiert hat. Ist der juristische Aspekt der Anlass, das Thema nochmals aufzurollen?
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schorsch
antwortete am 31.01.03 (09:34):
Angenommen, ich würde mit Erlaubnis der "Opfer" diese mit Spritzbeton überziehen und dann ausstellen, wäre das dann auch Kunst nach Dr. Hagens? Ich finde, makaber ist und bleibt makaber....
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UrsulaB
antwortete am 31.01.03 (09:52):
Hallo Felix,
ich hatte keineswegs vergessen, dass hier über dieses Thema schon früher diskutiert worden ist - zumal ich mich (wie Du inzwischen erkannt hast) selbst an der Diskussion damals beteiligt habe ;-).
Deine Vermutung ist richtig, dass ich das Thema jetzt nochmals zur Diskussion angeboten habe, weil mich interessiert, wie "Körperwelten" und auch öffentliche Sektionen des Heidelberger Anatomie - Professors juristisch bewertet werden. Insbesondere interessiert mich, ob tatsächlich ein Verstoß gegen Grundrechte, wie z.B. die "Würde des Menschen" vorliegt. Ich meine, dies müßte der Fall sein, da nach meiner Ansicht die Würde eines Menschen nicht automatisch mit seinem Tod endet.
Viele Grüße Ursula
PS Da es im ST mehrere Teilnehmer mit dem Vornamen Ursula gibt, habe ich, um Verwechslungen schon auf den ersten Blick zu vermeiden, beschlossen, ab jetzt meinem Vornamen noch ein "B" anzuhängen.
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baerliner
antwortete am 31.01.03 (09:55):
Felix,
ich denke, es ist nicht der juristische Aspekt, sondern der ethische, unter dem Ursula das Thema hier und im Archiv anspricht.
Nun ist das mit der Ethik so eine Sache: es gibt keine allgemeinverbindliche Defintion, was Ethik ist. Jeder wird darunter etwas anderes verstehen.
Wenn man sich die Diskussion im Archiv anschaut, dann sind prallen dort die Meinungen von Fachleuten hart aufeinander, wobei bello richtig vorausgesagt hat, daß es zur Eröffnung in München eine große Diskussion geben wird. Nun scheint es gar nicht zur Eröffnung zu kommen.
Ich selbst habe in Berlin die Ausstellung nicht gesehen, aber Freunde und Bekannte haben unterschiedliche Meinungen vertreten. So wie Karl im Archiv schreibt, gibt eine solche Ausstellung dem "Normalbürger" einen Einblick in medizinische Erkenntnisse. Nun können aber solche Einblicke eben auch schlicht und einfach den Betrachter abstoßen, so daß er enttäuscht die Ausstellung verläßt.
Ob der Initiator seine Ausstellung nun zur Profilierung, zum Geldverdienen oder was auch immer um die Welt reisen läßt, das läßt mich kalt. Ich muß ja nicht hingehen.
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Wolfgang
antwortete am 31.01.03 (11:48):
Warten wir es ab, wie die Justiz urteilen wird. Das Verbot (beschlossen vom Münchener Stadtrat) steht auf arg dünnem juristischen "Eis"... Zum einen wird das bayerische Bestattungsrecht ins Feld geführt, zum anderen wird das Grundgesetz Art. 1 (1) bemüht:
"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."
Mit der "Menschenwürde" wird gerne Politik gemacht und dem Volk Honig ums Maul geschmiert. Denn merkwürdig ist doch, dass das Verbot von denjenigen bayerischen PolitikerInnen am lautesten begrüsst wird, die beim offensichtlichen Vergehen gegen einen anderen Artikel des Grundgesetzes beide Augen zudrücken. Dort steht in Art. 26 (1):
"Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen."
Diese Diskrepanz sieht auch Prof. Dr. GUNTHER VON HAGEN... Dass es einen auffallenden "Gegensatz zwischen der Selbstverständlichkeit des legalisierten Tötens (Kriege, Hexenverfolgung, Todesstrafe) und dem Verbot der Präparation" gibt.
Körperwelten Kommende Ausstellung https://www.koerperwelten.com/de/kommende.htm
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Poldi
antwortete am 31.01.03 (11:53):
Es ist mir neu, daß Bayern einen Angriffskrieg vorbereitet - sind die dort schon so souverän?
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Johannes Michalowsky
antwortete am 31.01.03 (12:07):
Vielleicht solltet Ihr Euch, evt. zusätzlich, am Disku-Forum der Süddeutschen Zeitung beteiligen, URL siehe unten. Dort hätten sich schon 500 Teilnehmer zu Wort gemeldet:
"Finden Sie die Entscheidung der Stadt, die Körperwelten-Ausstellung zu verbieten, richtig? Die Ausstellung "Körperwelten" darf in München nicht gezeigt werden, weil OB Ude und Referent Blume-Beyerle die Menschenwürde und das Bestattungsrecht verletzt sehen.
Fühlen Sie sich entmündigt oder unterstützen Sie diese Ansicht?"
Ergänzung: OB Ude (55) ist SPD-Mann.
Internet-Tipp: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/imzentrum/61238/index.php?url=muenchen%2Fimzentrum%
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Felix
antwortete am 01.02.03 (00:34):
Der Umgang mit Toten ist von Kultur zu Kultur sehr unterschiedlich. Da gibt es kein richtig oder falsch. Jeder kann nur für sich sprechen und braucht andern keine Vorschriften zu machen.
Ob ein Leichnam verbrannt, vergraben, den Geiern zum Frasse serviert, mumifiziert, plastifiziert, für Organspenden freigegen, für Lernzwecke präpariert, einbalsamiert und zur Schau gestellt, unter dem Hüttendach getrocknet ... und ... und ... wird, ist nur für diejenigen ein Greuel, die diesen Umgang mit Verstorbenen selber nicht pflegen. Die menschliche Fantasie kennt im Bereich des Totenkultes kaum Grenzen. Meistens sind religiöse Vorstellungen Ausgangspunkt für diese Praktiken.
Selber habe ich "Körperwelten" mehrmals gesehen. Auch aus meiner Sicht gibt es durchaus Darstellungsweisen, die mir nicht gefallen. Aber es gibt gerade in Bayern und auch hier im Forum Leute, die etwas prinzipiell verurteilen oder verbieten ohne sich selber ein Bild davon gemacht zu haben.
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UrsulaB
antwortete am 01.02.03 (12:18):
Hallo Felix,
Du schreibst:
"Selber habe ich "Körperwelten" mehrmals gesehen. Auch aus meiner Sicht gibt es durchaus Darstellungsweisen, die mir nicht gefallen.Aber es gibt gerade in Bayern und auch hier im Forum Leute, die etwas prinzipiell verurteilen oder verbieten ohne sich selber ein Bild davon gemacht zu haben".
Ich bin nicht der Ansicht, dass man "Körperwelten" gesehen haben muß, um sich eine eigene Meinung über das für und Wider bilden zu können. Es gab und gibt genug andere Möglichkeiten, sich über die "Kunst" des Heidelberger Anatomie-Professors umfassend zu informieren. Ich habe dies u.a. dadurch getan, indem ich mir 1997 den Ausstellungskatalog gekauft habe, als die Ausstellung im Mannheimer "Landesmuseum für Technik und Arbeit" gastierte...
Dies nur, falls Du mich zu den "Leuten hier im Forum" zählst, die etwas prinzipiell verurteilen ... ohne sich selber ein Bild davon gemacht zu haben" ;-)
Ich lehne von Hagens' "Kunst" ab und werde sie deshalb auch nicht durch einen Ausstellungsbesuch unterstützen.
Gruß Ursula
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Angelika
antwortete am 01.02.03 (12:52):
@Felix: Stimme Dir absolut zu. Auch ich habe mir die erste Ausstellung in D angesehen und nicht berut, dafür fast 3 Stunden in de Schlange gewartet zu haben. Ich denke schon, man muss das wirklich gesehen haben, um sich wirklich ein Urteil zu bilden - und man muss vor allem einmal die MENSCHEN beobachtet haben, die in diese Ausstellungen gehen: Ich habe niemals zu irgend einem anderen Anlass so viele Menschen mit so viel sichtbarer Ehrfurcht und Hochachtung vor etwas auf kleinem Raum gesehen. Die Meschen waren sichtbar ergriffen und auch mein Gefühl ist vielleicht ansatzweise vergleichbar mit dem Gefühl eines Astronauten, wenn er aus dem Fenster des Space Shuttle auf unseren blauen Planeten guckt. Alleine diese Erfahrung war den Besuch der Ausstellung wert - und die kann man nirgendwo nachlesen...
Was mir an dem Professor nicht gefällt, ist die eindeutige Geschäftemacherei und die nicht aufgeklärten Gerüchte um die dubiose Herkunft einiger Toten.
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