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THEMA:   Geduld ist keine politische Tugend - Vernunft ist wichtiger als Religion

 47 Antwort(en).

Medea begann die Diskussion am 16.01.03 (20:55) mit folgendem Beitrag:

Ayaan Hirsi Ali, Kandidatin der liberalkonservativen Partei VVD in Holland, steht im Mittelpunkt eines erbitterten Streites um die Rolle des Islam.
Vielleicht ist es doch von Interesse, einmal in unser Nachbarland zu sehen.
Wer sich ausführlicher informieren möchte, da dieses Thema in unseren Foren nicht gerne gesehen wird, dazu anklicken:

hhtp://www.zeit.de/2003/04/Niederlande.

Medea.


Barbara antwortete am 16.01.03 (22:23):

Ein sehr interessanter Artikel, Medea. Und eine sehr mutige Politikerin, diese Ayaan Hirsi Ali. für die Emanzipation muslimischer Frauen einzutreten, ist sicher längst fällig. Vor allem ist es zu begrüßen, dass eine Frau mit ihrem Hintergrund sich zu Wort meldet. Unsere Gesellschaft weiß doch leider viel zu wenig über die Rolle der Frau im Islam. Man/frau kann sie nur unterstützen, wenn sie sagt:

>>Dass in einer Sure des Koran dem Mann das Recht zugestanden wird, die Frau zu schlagen, „das kann und darf nicht sein“. Darüber müsste man mit dem Imam diskutieren, wendet der Junge ein. „Der muss uns diese Stelle erklären.“ Sie antwortet freundlich, aber ihre helle Stimme klingt sehr entschieden: „Nein, wir müssen selbst nachdenken. Wir müssen unsere Vernunft gebrauchen. Vernunft ist wichtiger als Religion.“<<

Auf Erklärungen des Imam kann in diesem Fall wohl wirklich verzichtet werden, es sei denn, sie würden in der Feststellung bestehen, dass zu Zeiten der Entstehung des Korans noch andere Sitten und Gebräuche herrschten als heute.

Durch ihr mutiges Vorbild werden sich hoffentlich weitere betroffene Frauen stark machen und für ein mordernes Bild der muslimischen Frauen eintreten.

Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2003/04/Niederlande


Wolfgang antwortete am 16.01.03 (22:48):

Was mich stutzig macht bei Deinem Eingangsstatement, Medea, ist Deine Bemerkung "[...] da dieses Thema in unseren Foren nicht gerne gesehen wird [...]".

Ich verfolge jetzt seit über 2 Jahren die Diskussionen in den ST-Foren... Viele Male haben wir über Themen wie Religion, Fundamentalismus, Koran usw. diskutiert. Ich selbst habe viele Beiträge zu diesen Themen geschrieben. Nie hatte ich diesen Eindruck, dass diese Themen nicht gerne gesehen werden. Im Gegenteil... Die Foren bieten die grossartige Möglichkeit, in eigener Verantwortung und praktisch ohne Beschränkung ein Thema neu zu eröffnen. Viel zu wenige nutzen diese Chance, "ihre" Themen zu präsentieren.

Zur Sache... Ich bewundere den Mut dieser tapferen Frau. Ich wünsche ihr viel Erfolg in ihrem Anliegen. Ich verurteile alle die, die Ayaan Hirsi Ali die Pest an den Hals wünschen oder ihr mit schlimmen Dingen drohen. Mit ihrem Spruch "Vernunft ist wichtiger als Religion" kann ich mich anfreunden. Eine Einschränkung mache ich für mich: Religion halte ich nicht für unwichtig. :-)


Titus(WolfgangM.) antwortete am 16.01.03 (23:02):

Also, Wolfgang, es wäre schön, wenn es so wäre.

Du weißt genau, daß Karl alle Themen, die sich kritisch mit dem Islam, insbesondere deren Auswirkungen und auch Gefahren in Deutschland, abwirkt und als "fremdenfeindlich" bezeichnet.

Wenn ich mich irre, dann korrigiere mich bitte.


Wolfgang antwortete am 16.01.03 (23:20):

Du irrst Dich, Titus... Sich kritisch mit dem Islam (oder anderen Religionen) auseinandersetzen wurde, soweit ich mich erinnern kann, hier noch nie abgewürgt und auch nicht als fremdenfeindlich bezeichnet.

Falls Du aber fremdenfeindliche Äusserungen meinst... Nun, warum sollen diese nicht also solche bezeichnet werden?


Karl antwortete am 16.01.03 (23:51):

So ist es, so war es und so wird es sein, Wolfgang. Titus verwechselt hier etwas. Aber bitte nicht dies jetzt zum Thema machen, denn das hätte Medeas Thema nicht verdient.


Titus(WolfgangM.) antwortete am 17.01.03 (10:11):

Hallo Wolfgang, hallo karl,

das Thema heißt u.a. auch "Islam", aber es soll nicht behandelt werden " denn das hätte Medeas Thema nicht verdient" - ok, ok, ok, verstehe ich zwar nicht, aber bitte, wie Ihr wollt.

Aber vielen Dank für Eure Bestätigung dessen, was ich in meinem Beitrag meinte.

An einem Thema, das nicht behandelt werden soll, werde ich mich auch nicht beteiligen - keine Sorge!


Karl antwortete am 17.01.03 (13:38):

Lieber Titus,


absichtlich missverstehen wollen oder nicht verstanden? Einfach nochmal lesen bitte.


Barbara antwortete am 17.01.03 (16:46):

Ein Artikel in der aktuellen EMMA setzt sich ebenfalls mit falscher Toleranz auseinander. In dem Artikel geht es um kopftuchtragende Referendarinnen. U.a. heißt es dort:

>>Die LehrerInnen sind alarmiert. Sie wissen, dass es in der Welt Regime gibt, in denen Frauen ohne Kopftuch gejagt und gefoltert und verrutschte Kopftücher an den Kopf genagelt werden. "Und da sollen wir den Mädchen auch noch eine Referendarin mit Kopftuch als Vorbild hinstellen?", empört sich Barbara Friedland.<<

Bevor ich diesen Artikel gelesen habe, war ich der Meinung, so ein Kopftuch schade doch niemandem. Heute sehe ich das anders.

Internet-Tipp: https://www.emma.de/aktuelles/topthema_0301_4.html


Medea antwortete am 17.01.03 (18:07):

@ Barbara
Danke für den Internet-Tipp mit dem Bericht aus der Emma".
Er ist zwar elend lang, aber es lohnt sich das Lesen eines jeden Satzes. Ich selbst bin in den späten 60er und frühen 70er Jahren für die Verfechtung von Frauenrechten und gegen Zwänge und Diskriminierungen der Frauen zum Demonstrieren auf die Straße gegangen - ca. 30 Jahre später wird aus falschverstandener Toleranz die Zeit zurückgedreht. Was in immer mehr Schulen zur Zerreißprobe in der Kopftuchfrage wird, kann wahrlich kein Beitrag zur vielbesungenen und real erwünschten Integration sein. Kopftücher an Schulen und
anderen öffentlichen Diensten sind ein Rückfall in religiöse
mittelalterliche Strukturen, und gehören in den privaten Bereich.

Medea.


Marianne antwortete am 18.01.03 (00:33):

„Hassbriefe und Telefonterror“

So lautet der Titel des uns von Medea zur Lektüre empfohlenen Artikels in der „Zeit“ .Nach genauem Lesen gebe ich jetzt eine chronologische Darstellung dieses Textes.

Frau Ayaad Hirsi Ali, 32 Jahre alt, kam vor 10 Jahren aus Mogadischu in die Niederlande .,trat der Niederländischen Arbeiterpartei bei, wurde von ihr gefördert und auch in einer parteinahen Stiftung beschäftigt. Sie ist Feministin und die Behandlung der Frauen im Islam empört sie. Vorigen Herbst trat sie mit zum Teil provozierenden Forderungen in die Öffentlichkeit „Schluss mit falscher Toleranz „ gegenüber der Frauenbehandlung im Islam. Der weiße Mann beschwichtige mit falscher Toleranz nur sein schlechtes Gewissen. Der Staat solle solche Inseln des Unrechts nicht mehr dulden. Sie gibt auch im Unterricht in einer Integrationsklasse auf einen Einwand eines jungen Muslims, dass diese Fragen doch mit dem Imam zu diskutieren seien, u.a. die Antwort „Vernunft ist wichtiger als Religion“.
Die islamisch-gläubige Welt war empört. Die Sozialdemokratie auch. Die einen aus religiösen Gründen, die anderen, weil diese Worte völlig kontraproduktiv zu einer, von der Sozialdemokratie geförderten Kulturverschmelzungspolitik sind. Hass und Telefonterror, von welcher Seite aus wird auch angedeutet, waren die Folgen ihres Engagements.
Die Sozialdemokratie wollte sie aus ihren Reihen ausschließen. Sie nahm aber einen sicheren Listenplatz in der VVD, einer liberalkonservativen Partei, an.
Meine Meinung dazu:

Frau Ayaad Hirsi Ali hat das Recht im Namen ihrer Religion und im Namen ihrer Glaubensgenossinnen verhärtete Strukturen in ihrer Religion und im westlichen Sinne an der Ungleichbehandlung der muslimischen Frauen aufzuzeigen.
Aber wie sie es tut, kann ich nicht gutheißen. Sie schädigt damit ihre Religion mehr als sie ihr nützt. Und traurig denke ich an so manches Wässerchen weiblichen Widerstand in muslimischen Familien, das nun von den Herren der Schöpfung mit dem Bade ausgeschüttet werden wird.
Und wenn sie sagt; “Geduld ist keine politische Tugend“ , kann ich ihr nicht Recht geben. Geduld ist auf jeden Fall eine Haupttugend eines guten Politikers, einer guten Politikerin. Mit Geduld und Stehvermögen werden Kompromisse erzielt. Und eine Demokratie kommt ohne solche nicht aus.
Und ich denke, mit ihrer Mit- dem -Kopf- durch- die- Wand- Politik wird sie auch in ihrer neuen Partei nicht reüssieren.

Und das ist schade um der Sache wegen, die sie vertritt. Und es bleibt zu bedenken, ob sie nicht in Zeiten wie diesen den Ausländerhass mehr schürt als ihn zu vermindern.


Karl antwortete am 18.01.03 (00:44):

Doppelter Beitrag wurde gelöscht.


Wolfgang antwortete am 18.01.03 (01:02):

Was das Tragen des Kopftuches betrifft, Medea... Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom Herbst 2002 ist es für Arbeitgeber obligatorisch, kopftuchtragende Mitarbeiterinnen zu tolerieren. Das gilt auch für öffentliche Arbeitgeber. Nur in staatlichen Schulen ist das Tragen von Kopftüchern neuerdings untersagt (allerdings nicht das Tragen von Kreuzen oder das Tragen von Priester- bzw. Ordensfrauenkleidung) - dort gilt nicht das private Arbeits-, sondern das öffentliche Verwaltungsrecht. Das letzte Wort ist im Schulbereich aber nocht nicht gesprochen worden. Ein entsprechendes Verfahren ist gerade anhängig beim Bundesverfassungsgericht.

Zumindest im Bereich des Privatrechts hat das BAG aber die Religionsfreiheit über das Direktionsrecht des Arbeitgebers gestellt.

Ich meine: Endlich einmal ein erfreuliches Urteil zugunsten der Betroffenen, die Kopftücher tragen wollen. :-)


Barbara antwortete am 18.01.03 (01:33):

Es geht hier nicht darum, jemandem das Tragen eines Kleidungsstückes zu verbieten. Dieses Kopftuch ist ein Zeichen der Unterdrückung von Frauen. Eine Lehrerin hat Vorbildfunktion. Wie sollen kleine Mädchen lernen, sich gegen Unterdrückung zu wehren, wenn ihre Lehrerin ihnen dieses überholte Bild vorlebt?

Wir sollten uns gemeinsam um Integration bemühen. Hier werden Kinder ausgegrenzt. Die Eltern und der Hodscha verbieten es den Kindern, in Kontakt mit deutschen KlassenkameradInnen zu treten.

Dazu EMMA:

>>Immer wieder bitten diese Mädchen verzweifelt um Hilfe: Weil ihre Eltern sie von der Schule nehmen wollen; weil sie demnächst einen Mann heiraten sollen, den sie gar nicht kennen; oder weil sie gegen ihren Willen in die Türkei zurückgeschickt werden sollen.
Ein kleines Mädchen erklärte auf Nachfrage, der Hodscha in der Moschee habe gesagt, wenn sie ihr Kopftuch nicht trage, käme sie in die Hölle. Ein anderes kleines Mädchen wollte plötzlich nicht mehr neben ihrer deutschen Freundin sitzen, weil ein anderer Hodscha gesagt hatte, ihre Freundin sei unrein.<<

Nein, um eine Modefrage geht es hier ganz gewiss nicht :-(

Internet-Tipp: https://www.emma.de/aktuelles/topthema_0301_4.html


Barbara antwortete am 18.01.03 (01:56):

Marianne,

vielleicht hast Du nicht ganz unrecht mit Deiner politischen Einschätzung.....

Allerdings denke ich, mit Geduld haben Frauen bisher kaum etwas erreicht. Ich sehe auch nicht, wieso Ayaad Hirsi Ali Ausländerhass schüren sollte. Die Emanzipation muss von Seiten islamischer Frauen kommen. Da es in ihren Heimatländern sehr gefährlich wäre, sich zu wehren, finde ich es klug, in rechtlich geschütztem Raum aufzubegehren. Hier haben sie vom Gesetz her nichts zu befürchten und können unterdrückten Frauen durch ihr Vorpreschen Mut machen. So hat z.B. im Iran in den letzten Jahren eine sehr positive Entwicklung eingesetzt, die sich durch Vorbilder wie das von Ayaad Hirsi Ali beschleunigen kann.

Geduld ist m.M.n. ein schlechter Ratgeber. Einige Mutige müssen vorpreschen, damit die Masse folgen kann.


Wolfgang antwortete am 18.01.03 (02:18):

Ein "Kopftuch ist ein Zeichen der Unterdrückung von Frauen"... Bestimmt gibt es muslimische Frauen, die das auch so sehen. Ist Dir aber bewusst, Barbara, dass es bestimmt auch viele muslimische Frauen gibt, die das ganz anders sehen?

Ich will damit sagen: Es ist Sache der Betroffenenen, ob sie sich zu einer Religion zugehörig fühlen, ob sie diese praktizieren, ob sie irgendwelche kultischen Symbole verwenden - oder eben nicht.

Niemand darf zum Tragen eines Kopftuchs gezwungen werden. Aber, auch niemand darf dazu gezwungen werden, ein Kopftuch nicht zu tragen. Wo bleibt die Selbstbestimmung, wenn jemand ein religiöses Symbol, das für ihn nicht in die Welt der eigenen vertrauten Kultur gehört, unabhängig vom Willen der Betroffenen apodiktisch als ein Symbol der Unterdrückung deklariert?


Marianne antwortete am 18.01.03 (08:37):

@ Karl


Danke!


Barbara antwortete am 18.01.03 (10:48):

Du triffst genau den Punkt, Wolfgang! Auch ich würde erwachsenen muslimischen Frauen nie verbieten, ein Kopftuch zu tragen.

Gleichzeitig sagst Du jedoch, dass niemand zum Tragen eines Kopftuches gezwungen wird. Das geschieht hier jedoch mit den Mädchen (siehe EMMA-Artikel). An wen könnten sie sich in ihrer Not wenden, wenn selbst ihre Lehrerin in der Vorbildfunktion dieses Kopftuch trägt?

Nein, mit Toleranz hat das nichts zu tun!


Barbara antwortete am 18.01.03 (11:01):

Gerade habe ich den Artikel in der welt.de von heute gefunden:

>>Kopftuchverbot für Lehrerin bleibt
Bundesverwaltungsgericht in Berlin wies die Klage einer aus Afghanistan stammenden deutschen Staatsangehörigen zurück
Berlin/Stuttgart – Moslemische Lehrerinnen dürfen nicht mit Kopftuch in staatlichen Schulen unterrichten. Diese Grundsatzentscheidung fällte am Donnerstag das Bundesverwaltungsgericht Berlin, das damit die Klage einer 30-jährigen Pädagogin zurückwies. Die Neutralität der staatlichen Schulen würde damit verletzt, urteilten die Richter. Jeder Schüler habe auf Grund seiner Religionsfreiheit Anspruch darauf, vom Staat nicht dem Einfluss einer fremden Religion ausgesetzt zu sein. Auch die Eltern der Kinder könnten verlangen, dass der Staat sich in religiösen und weltanschaulichen Fragen neutral verhalte.

Nach Überzeugung der Bundesrichter ist das Kopftuch ein deutlich wahrnehmbares Symbol einer bestimmten Religion, auch wenn die Trägerin keinerlei missionarische Absicht verfolge, sondern es nur aus Glaubensüberzeugung trage. Das Gericht folgte damit der Argumentation des Oberschulamtes Stuttgart, das die Einstellung der Moslemin als Beamtin auf Probe 1998 ablehnte. Die deutsche Grund- und Hauptschullehrerin afghanischer Abstammung war nach ihrem Referendariat in Baden-Württemberg nicht in den staatlichen Schuldienst übernommen worden, weil sie sich mit Hinweis auf die Religionsfreiheit weigerte, im Unterricht das Kopftuch abzulegen. Die Behörde warf der Frau fehlende Achtung gegenüber dem Neutralitätsgebot vor, das der Staat in Fragen des Glaubens und der Religion gegenüber den Schülern und ihren Eltern einzuhalten habe. DW<<

Internet-Tipp: https://www.welt.de/daten/2002/07/05/0705de342429.htx


schorsch antwortete am 18.01.03 (11:58):

Ganau so wie ich akzeptiere, dass ich in stark muslimischen Ländern nicht in Shorts herumlaufen darf, erwarte ich von Muslimen, dass sie sich an die Gepflogenheiten ihres Gastlandes halten.


Barbara antwortete am 18.01.03 (14:12):

Korrektur:

Der von mir zitierte Artikel in der WELT stammt nicht von heute sondern vom 05.07.2002.....

Tschuldigung, habe mich vergoogelt!

Internet-Tipp: https://www.welt.de/daten/2002/07/05/0705de342429.htx


Marianne antwortete am 18.01.03 (15:13):

@ Barbara


Ich sehe auch nicht, wieso Ayaad Hirsi Ali Ausländerhass schüren sollte. ( Barbara)


Das muss ja nicht sein, aber liberalkonservative Parteien neigen im gesamteuropäischen Raum dazu, für ihre Wahlziele im ausländerfeindlichen Eck nach Wählerstimmen zu fischen.

Gerade, wenn eine Frau , vielleicht sogar aus ehrlicher Motivation heraus, aus muslimischen Kreisen Dinge anprangert, die eben viele von uns als mittelalterlich oder sonst irgendwie als nicht zeitgemäß empfinden, gibt sie denen Nahrung, die sagen: Das haben wir schon immer gesagt. Wenn "die" das schon selber sagt, seht ihr, was wir hier in unserem Lande so züchten!
Es würde mich freuen, wenn ich das zu schwarz sehe, liebe Barbara. Aber wir hier in Österreich haben mit der Haiderpartei so unsere Erfahrungen. Allzuschnell wird gesagt, : Wer sich nicht anpasst, muss weg.Und deshalb kommt es mir vor als wenn Frau Hirsi Ali den Gegnern ihrer Sache geradezu in die Hände arbeitet.
Ich bin eine Befürworterin des friedlichen Zusammenwachsens der Kulturen in unseren Ländern und der festen Überzeugung, dass in diesen Fragen Polarisierung nur schadet.

Käme der Widerstand von einer relevanten Gruppe muslimischer Frauen sähe das ganze anders aus- denke ich.


Barbara antwortete am 18.01.03 (15:54):

Marianne,

da mag was dran sein......

Besonders die in Deinem letzten Satz geäußerte Strategie wäre gewiss klüger gewesen.....

Danke für Deine ausführliche Erläuterung und
Dir und den Lesern ein schönes Wochenende
Barbara


HeidiB antwortete am 19.01.03 (09:49):

Dieses 'Kopftuchthema' ist ja nun schon seit Jahren auf dem Plan, und trotzdem, ich kann die Argumente der 'Kopftuchgegner' noch immer nicht nachvollziehen. Einige muslimische Gruppen - Männer wie Frauen - sehen darin einen Schutz für die Frau. Warum können wir ihnen dies nicht erlauben? Was ist anders an der Sache, wenn ein muslimisches Mädchen von den Eltern zum Tragen eines Kopftuches gezwungen wird, oder beispielsweise Mädchen aus christlichen Familien gezwungen werden, in eine Klosterschule zu gehen.

@Barbara: Du fragst: An wen wenden sich diese Mädchen in ihrer Not? Gibt es denn wirklich nur die eine Lehrerin, die ein Kopftuch trägt, an die ein Mädchen in Not sich wenden kann? Wird dieses Mädchen nicht, wenn es mit dem Tragen eines Kopftuches Probleme hat, sich sowieso an eine andere Lehrkraft ihres Vertrauens wenden? Deinem Argument kann ich nicht folgen. Es besteht immer und überall, im Islam wie bei Christen, die Möglichkeit zu Zwang und Unterdrückung, wenn Eltern sich das Recht nehmen, über den Glauben ihrer Kinder zu bestimmen. Das alles aber an einem simplen Kopftuch festzumachen, geht mir einfach nicht in den Kopf!!!


Medea. antwortete am 19.01.03 (10:59):

Wenn es nur so einfach wäre ...
Das Kopftuchtragen, bei einigen Frauen und Mädchen ist das halbe Gesicht verdeckt, wird von etlichen islamischen Gruppen ganz gezielt eingesetzt. Es ist als politisches Symbol gegen unsere westliche Lebensweise zu sehen, die viele Muslime als ein Hort der Dekadenz und Gottlosigkeit erscheint.

Und wieso trägt eine Kopftuchverhüllung zum Schutz der Frau bei? Schutz vor wem?

Medea.


hl antwortete am 19.01.03 (11:06):

so allmählich reisst mir hier das fädchen. was geht es uns an, wenn eine religion das tragen von kopftüchern oder anderes vorschreibt. es ist doch wohl angelegenheit der religionsangehörigen selbst, ob sie dieser vorschrift genüge tun oder nicht.

regt sich hier jemand über die bekleidung von katholischen nonnen auf? auch sie verhüllen ihr haar und den grössten teil ihres gesichtes.

nicht alles ist "politisches symbol".


Wolfgang antwortete am 19.01.03 (13:16):

Ich meine auch, dass es nicht angehen kann, dass man religiös motívierten Kleiderordnungen oder Gebräuchen oder Kulten von vornherein eine Unterdrückungsfunktion unterstellt oder Symbole gar pauschal als Zeichen der Unterdrückung deklariert.

Ich möchte auf das Beispiel der christlichen Amish people aufmerksam machen (die hauptsächlich, aber nicht nur dort, im Staate Pennsylvania zuhause sind). Ihr Leben ist gekennzeichnet von Einfachheit. Sie lehnen viele "Errungenschaften" der Moderne mehr oder weniger ab. Auch eine gewisse Kleiderordnung gibt es. Die Erziehung ihrer Kinder ist äusserst streng (was nicht heisst, dass sie nicht liebevoll erziehen). Sie haben ihre eigene kulturelle Selbstverwaltung, ihre eigenen Schulen und natürlich ihre eigenen Kirchen.

Sie leben in ihrer selbstverfassten Gesellschaft in einer Freiheit, die ich zum Beispiel in jeder Großstadt des 'american way of life' vermisse.

Die Amish people haben mich sehr beeindruckt. Bei ihnen von struktureller Unterdrückung zu sprechen, hielte ich - vorsichtig ausgedrückt - für nicht richtig (obwohl es vermutlich dort, wie in jeder menschlichen Gemeinschaft, auch Unterdrückung gibt).

Der Fundamentalismus kommt oft auf leisen Sohlen und in unterschiedlichen Farben, auch in den Farben der "Emanzipation" oder - allgemein - des "Fortschritts". Toleranz für VertreterInnen des nicht-vorherrschenden nicht-westlichen Weges mahne ich an.

Amish History
https://www.amishfarmandhouse.com/

Internet-Tipp: https://www.amishfarmandhouse.com/


sofia204 antwortete am 19.01.03 (14:01):

Das Kopftuch als Hülle,
das Auto als Status.
Fundamentalismus auf leisen Sohlen
von der Spur zum Weg zur Straße zur Autobahn.
Zauberlehrlingskult in der Gen-entwicklung.
Das Gewissen des Einzelnen ist es wirklich überholt ?


Barbara antwortete am 19.01.03 (18:40):

Nach intensiven Gesprächen mit türkischen FreundInnen haben mich diese gebeten nochmals einigen Punkten nachzugehen. Mir wurde gesagt, dass in der Türkei Laizismus (Trennung von Staat und Kirche) Tradition habe. Dort gilt das Kopftuchverbot sogar in Schulen mit freier Trägerschaft, an staatlichen Schulen sowieso. In der Türkei hätte diese Lehrerin totales Berufsverbot, während sie in Deutschland an privaten Schulen unterrichten darf.

Die Eltern, die ihre Kinder zum Tragen eines Kopftuches zwingen, verbieten ihnen in der Regel auch die Teilnahme am Sport- und Schwimmunterricht. Der Umgang mit ihren deutschen FreudInnen wird ihnen verboten, da diese unrein seien. Man versteht nicht, warum Deutsche nicht begreifen, dass sich eine Tolerierung des Kopftuches gegen Integration wendet anstatt dafür. Daher hat der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland auch das Urteil begrüßt.

@ hl

Niemand schreibt erwachsenen Personen vor, was sie zu tragen haben. Wer sollte einer Nonne ihre Tracht zu tragen verbieten? Besucht ein Kind auf Wunsch der Eltern eine Klosterschule, erklären sie sich mit der Unterrichtung ihres Kindes durch Nonnen einverstanden. Was spricht dagegen?

Anders verhält es sich bei staatlichen Schulen. Hier muss das Neutralitätsgebot gewahrt werden. Einem jungen Menschen wird hier das Recht zugebilligt, sich vorurteilsfrei zu einer eigenständig denkenden und entscheidenden Person zu entwickeln. Der Staat hat darüber zu wachen, dass diese Neutralität gewährleistet wird. Folglich muss auch eine Lehrkraft diese Neutralität bewahren.

Außerhalb der Schule kann natürlich jeder tragen, was er will. Es geht hier allein um das Neutralitätsgebot in der Schule.

@ Wolfgang

Bist Du nicht vor gar nicht langer Zeit hier noch ganz vehement für die Trennung von Staat und Kirche eingetreten? Und nun führst Du eine "selbstverfasste Gesellschaft"in Pennsylvanien/USA als Beispiel an, die auf einer Insel der Glückseligen nach mittelalterlichen Grundsätzen leben? "Sie haben ihre eigene kulturelle Selbstverwaltung, ihre eigenen Schulen und natürlich ihre eigenen Kirchen", schreibst Du. Sie nennen sich "Center of the family, community, and religion."

Und was, bitte, hat diese selbstgewählte Gemeinschaft mit einer staatlichen Schule in Deutschland zu tun? Wenn Du Dich entscheidest, mit Deinem Kind in einer derartigen Gemeinschaft zu leben, die dortige Erziehung als Ideal ansiehst, kann man das doch nicht mit den Ansprüchen an eine staatliche Schule vergleichen, die sich in religiösen Fragen neutral zu verhalten hat. Da ist Deine Argumentation für mich noch recht erklärungsbedürftig.

Auch was Emanzipation mit Fundamentalismus zu tun hat, kann ich nicht nachvollziehen.
Lt. Lexikon bedeutet Emanzipation "Entwicklung zu eigenständig denkenden und handelnden Individuen" und
Fundamentalismus "kompromissloses Festhalten an (religiösen, politischen) Grundsätzen.

Wie kann eine emanzipierte Person "kompromisslos" oder blind an etwas festhalten? Wenn sie das tut, ist sie ja gerade nicht emanzipiert, nämlich eigenständig denkend!


mechtild antwortete am 19.01.03 (19:50):

@ Barbara
Ich sehe das auch so. Auch in einer staatlichen Schule bin ich meinem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet und dazu gehört, dass ich offen bin. In unserem Staat gibt es die Trennung von Kirche und Staat, auch wenn sich die christlichen Kirchen bestimmte Rechte in unseren Schulen vertraglich gesichert haben. Es sollte überdacht werden, ob andere Weltanschauungen nicht die gleichen Rechte haben sollten. Ethikunterricht anstelle von getrennten Religionsunterricht ist an staatlichen Schulen sicher längst überfällig.
Der Kopftuchstreit ist ähnlich zu werten, wie der Streit um das Kruzifix an der Wand im Klassenraum. Eine staatliche Schule muss auf derartige Statussymbole verzichten. Es gibt doch Schulen in freier Trägerschaft. Wenn ich für mein Kind eine bestimmte Erziehung will, finde ich sie auch. Notfalls ist dazu natürlich ein Umzug erforderlich. "Nix is umsönst."


Medea. antwortete am 19.01.03 (19:55):

Es ist noch immer ein Tabu, auch nur eine Andeutung in Richtung Zivilisationskampf zu machen, wenn bei uns zwei so unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen, wie dies seit einigen Jahren geschieht. Und sich auch noch öffentlich darüber zu äußern, verbannt einen sofort in die rechte Ecke.
Es gilt eben als politisch unkorrekt. Harmonieorientierung und Beschwichtigung sind die sofortigen Reaktionen. Warum ist es nicht möglich, die Auswüchse von Religionen (aller Religionen) sachlich zu benennen? Wenn das Tragen des Kopftuches bei aufgeklärten und modernen Moslems als Zeichen von Unterdrückung der Frauen gesehen wird, warum unterstützen wir dann nicht diese Reformbewegung? Und in unseren Schulen, die der gleichberechtigten Erziehung von Mädchen und Jungen verpflichtet sind, ist eine kopftuchtragende Lehrerin fehl am Platz. Was sie im privaten Bereich tut, ist dann ihre eigene Sache.

Medea.


hl antwortete am 19.01.03 (20:08):

@Barbara
so eindeutig geht aus diesen beiträgen nicht hervor, dass es "nur" um kopftuchträgerinnen in der schule geht

übrigens: auch bei den EMMAnzen gibt es eindeutig fundamentalistische züge ;-)

@medea
<warum unterstützen wir dann nicht diese Reformbewegung? >
und
<Was sie im privaten Bereich tut, ist dann ihre eigene Sache.>

wo fängt denn der private bereich an und wo hört die reformbewegung auf?


Medea. antwortete am 19.01.03 (21:02):

Liebe hl

Auf diese kleinen Spitzfindigkeiten hüpfe ich nicht :-))

Freundliche Grüße

Medea.


Wolfgang antwortete am 19.01.03 (21:10):

@Barbara... Ja, ich trete ein für die Trennung von Staat und Religion (wobei ich Religion als im weitesten Sinne begreife, also auch politische Heilslehren darunter verstehe). Das heisst aber doch nicht, dass ich dafür plädiere, dass der Staat das gesamte Erziehungssystem übernehmen sollte. Ich bin ein Anhänger der Freiheit. Ich bin dafür, dass jede(r), der/die das will, in freier Selbstbestimmung selbstbestimmte Gemeinschaften (oder neudeutsch, Communities) selbst gründen oder ihnen angehören darf, die möglichst viel Freiheiten geniessen sollen, die ihnen der Staat garantieren muss. Deshalb mein Beispiel der Amish people.

Die katholische Kirche, um ein anderes Beispiel zu nennen, ist ein weltweites Netzwerk solcher Communities, mit Klöstern, Orden, Schulen, Krankenhäusern usw., eingebettet (mehr oder weniger integriert, bestimmt nicht assimiliert) in den verschiedensten Gesellschaften.

Kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, den Katholiken ihre Communities zu nehmen oder dazu aufzurufen, diese pauschal als Horte der Unfreiheit zu deklarieren und ihre Gebote bzw. Verbote zu brandmarken.

Nur die islamischen Communities stehen im Westen unter Generalverdacht. Warum? Weil sie den westlichen oder amerikanischen "way of life" ablehnen? - Das tue ich auch, und ich bin Katholik, und viele meiner Ablehnungsgründe beziehe ich aus meiner Religion und zum Beispiel aus den Reden des Pabstes.

Ich reklamiere Toleranz für die (auch für mich), die den westlichen Weg (meiner Meinung nach der Weg in den Abgrund) nicht gehen wollen.

Ich frage ernsthaft alle die, die auf das Kopftuch losgehen, wie der Hund auf die Wurst: Welche Kraft strahlt der Islam mittlerweile aus, dass ihr Angst habt vor einem Stück Tuch?


HeidiB antwortete am 19.01.03 (21:15):

Ich denke, in dieser Entscheidung gegen das Kopftuch in der Schule wird mit zweierlei Maß gemessen, christliche Symbole ja, muslimische Symbole nein. Und gerade deshalb ist die Argumentation mit dem Neutralitätsgebot an unseren Schulen meines Erachtens eine heuchlerische. Es geht hier doch eher um Abneigung dem anderen Glauben, dem anderen Denken gegenüber, es geht, gerade in der heutigen Zeit, um Furcht vor 'dem Anderen', um ein vermeintliches Wahren unserer eigenen Kultur. Und dabei wird meiner Meinung nach vergessen, dass wir selber, unsere Gesellschaft, mit solchen Entscheidungen viel mehr verlieren als gewinnen. Ich jedenfalls habe versucht, meinen Kindern nicht nur Toleranz anderen gegenüber beizubringen, sondern sie dazu angehalten, andere in ihrer Andersartigkeit zu akzeptieren. Dies würde ich von unseren Schulen auch erwarten.

Pro und Contra zu diesem Thema fand ich hier:
https://www.sonntagsblatt.de/artikel/1998/31/31-deb.htm

@Wolfgang:
Ich mag die Amish, oberflächlich betrachtet, spätestens seit ich das Buch 'Dresden, Pennsylvania' von James A. Michener las oder den Film 'Der einzige Zeuge' mit Harrison Ford sah *g*. Aber es ist nicht ratsam, die Religion dieser Menschen zu verklären. Sicher, sie verweigern den Kriegsdienst und lehnen die Todesstrafe ab, was sie mir sympathisch macht. Aber sie verweigern ihren Kindern das Recht, auf weiterführende Schulen zu gehen, und sie schließen jeden rigoros aus ihrer Gemeinschaft aus, der gegen ihre Regeln verstößt, d.h. niemand darf mehr mit diesen 'Abtrünnigen' sprechen, niemand schaut sie mehr an, sie müssen allein leben, was sicher eine hohe Belastung bedeutet, besonders für die jungen Menschen dort, die einerseits nur dies Leben kennengelernt haben, andererseits doch naturgemäß anderes und neues ausprobieren möchten.


Wolfgang antwortete am 19.01.03 (21:15):

Noch zwei Links zur taz, zu zwei Artikeln, die sich kritisch und differenzierend mit dem Thema befassen:

taz - 05.03.02
Alice im Morgenland
Wer hat Angst vor dem Koran? Eine Tagung mit Alice Schwarzer zu "Frauen und Fundamentalismus" in Tutzing versuchte sich an einer Analyse des Islamismus, kam aber nicht weiter als bis zum Kopftuch
von DANIEL BAX
https://www.taz.de/pt/2002/03/05/a0135.nf/text

taz - 08.03.02
Verschleierte Unterschiede
Je größer die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist, desto größer wird das Bedürfnis, die eigene emanzipatorische Fortschrittlichkeit wenigstens zu behaupten
Von BIRGIT ROMMELSPACHER
https://www.taz.de/pt/2002/03/08/a0138.nf/text

Internet-Tipp: https://www.taz.de/pt/2002/03/08/a0138.nf/text


hl antwortete am 19.01.03 (21:18):

;-) klug von dir, Medea

lassen wir das türkische kopftuch mal beiseite. im Siegerland gibt es eine sekte oder religionsgemeinschaft in der die mädchen ebenfalls kopftücher tragen müssen, das gemeinsame schwimmen mit jungen ist ihnen verboten und noch einiges mehr.

ich habe nie auch nur ein wort des protestes gelesen über diesen zwang.


HeidiB antwortete am 19.01.03 (21:23):

@Medea:
Ich kann deinen Standpunkt verstehen, obwohl er nicht ganz der meine ist. Auswüchse, Fanatismus, ob nun in Religionen oder anderswo, liegen mir fern. Mir geht es hier auch nicht um die Frage, ist nun das Tragen von Kopftüchern sinnvoll, fortschrittlich etc. - ich würde auch jederzeit eine Reformbewegung gegen das Tragen dieser Tücher unterstützen. Sie zu verbieten, auch in der Schule, das ist es, was ich falsch finde. Sich damit auseinanderzusetzen ist eine ganz andere Sache.


Barbara antwortete am 19.01.03 (22:09):

@ hl

Du sagst, es ginge nicht eindeutig aus den Beiträgen hervor, dass es "nur" um Kopftuchträgerinnen in der Schule ginge. Dem muss ich entschieden widersprechen. Du hast Dir offenbar leider nicht die Mühe gemacht, sämtliche Beiträge zu lesen. Der erste Beitrag in Sachen "Kopftuch" war folgender:

>>Barbara antwortete am 17.01.03 (16:46):

Ein Artikel in der aktuellen EMMA setzt sich ebenfalls mit falscher Toleranz auseinander. In dem Artikel geht es um kopftuchtragende Referendarinnen. U.a. heißt es dort:

>>Die LehrerInnen sind alarmiert. Sie wissen, dass es in der Welt Regime gibt, in denen Frauen ohne Kopftuch gejagt und gefoltert und verrutschte Kopftücher an den Kopf genagelt werden. "Und da sollen wir den Mädchen auch noch eine Referendarin mit Kopftuch als Vorbild hinstellen?", empört sich Barbara Friedland.<<

Bevor ich diesen Artikel gelesen habe, war ich der Meinung, so ein Kopftuch schade doch niemandem. Heute sehe ich das anders.

Internet-Tipp: https://www.emma.de/aktuelles/topthema_0301_4.html<<

Es ging in meinen sämtlichen Beiträgen ALLEIN um die Vorbildfunktion von Lehrerinnen in staatlichen Schulen, die dem Neutralitätsgebot verpflichtet sind.

@ Wolfgang

Du schreibst:
>>Ja, ich trete ein für die Trennung von Staat und Religion...... Das heisst aber doch nicht, dass ich dafür plädiere, dass der Staat das gesamte Erziehungssystem übernehmen sollte. Ich bin ein Anhänger der Freiheit. Ich bin dafür, dass jede(r), der/die das will, in freier Selbstbestimmung selbstbestimmte Gemeinschaften.... selbst gründen oder ihnen angehören darf, die möglichst viel Freiheiten geniessen sollen, die ihnen der Staat garantieren muss<<

Wo bitte, Wolfgang, übernimmt in Deutschland "der Staat das gesamte Erziehungssystem"? Es gibt in Deutschland jede Menge privater Schulen; im Jahr 2000 waren es 4076. Wer hat das hier kritisiert? Es ging allein um die Neutralität von staatlichen Schulen.

Der Anteil an Privatschulen lag im Jahr 2000 in Bayern bei 14.5%. Wie kommt man da zu der Befürchtung, der Staat übernehme das gesamte Erziehungssystem?

Unten ein Link zu Privatschulen in Deutschland

Internet-Tipp: https://www.kssa.de/page222.html


Wolfgang antwortete am 19.01.03 (22:51):

Es ging um die Amish people, Barbara... Mein Beispiel für eine selbstverfasste Community. In diesem Zusammenhang fragtest Du nach meinem Eintreten für die Trennung von Staat und Kirche (Laizismus). Und wieder am Beispiel der Amish und einem weiteren Beispiel - den katholischen Communities - habe ich versucht zu erklären, dass man für den laizistischen Staat sein kann und gleichzeitig dafür, möglichst vielen Communities möglichst viele Freiheiten zu lassen.

Jetzt führst Du Bayern an... Ich habe nichts dagegen, denn gerade der Staat Bayern gilt als äuserst tolerant und zuvorkommend, wenn es um katholische Belange geht. Wäre er genau so tolerant und zuvorkommend gegenüber islamischen Belangen, wäre ich zufrieden. ;-)


Barbara antwortete am 19.01.03 (23:16):

Wolfgang,

lies bitte noch einmal nach. Du brachtest die Amish als Beispiel für eine Gesellschaft mit Kleiderordnung ins Spiel. Diese Menschen leben selbstbestimmt in ihrer eigenen kleinen Welt, die sie für eine bessere halten. Nach HeidiB´s Schilderung nicht unbedingt einer toleranten Gesellschaft.

Diese Leute haben absolut nichts mit kopftuchtragenden Referendarinnen in einer staatlichen Schule gemein. Und um die ganz allein ging es mir. Ich denke jedoch, dass ich meine Meinung inzwischen deutlich rüberbringen konnte.


Wolfgang antwortete am 20.01.03 (01:24):

Ich habe Dich schon verstanden, Barbara... Das Bundesverfassungsgericht wird ja noch darüber urteilen, ob das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts rechtens ist.

Meine Prognose: Das Urteil wird keinen Bestand haben. Ein Kopftuch kann nicht per se als Ausdruck einer bestimmten fundmentalistisch-politischen Meinungsäusserung gewertet werden (wie das das Verwaltungsgericht tat). Vielmehr wird die Klägerin auf die Religionsfreiheit und auf ihr Recht auf das Tragen religiöser Symbole aus sein. Sie wird selbstverständlich auch beispielhaft auf Christen verweisen, die Ordens- oder Priesterkleidung tragen an staatlichen Schulen (nicht nur im Religionsunterricht) und denen das bisher immer erlaubt wurde.

Und, Barbara, es gibt ja noch ganz andere Interessierte... Das sind diejenigen, die das Kopftuchtragen für ganz andere Zwecke ausbeuten wollen, die sogar auf einen "Zivilisationskampf" spekuliert haben... Die werden sich meiner Prognose nach noch etwas gedulden müssen. Das Recht werden sie dabei hoffentlich nicht auf ihrer Seite haben. :-)


Felix antwortete am 20.01.03 (02:00):

Religiöse Vorschriften oder nur Brauchtum oder Gepflogenheit wie das Tragen eines Kopftuches, eines Turbans, einer jüdischen Kopfbedeckung, eines Kreuzes, eines Rosenkranzes, einer Nonnenhaube, einer Tracht, einer Kutte etc. machen mir kaum Sorgen. Anderst wird es, wenn Menschen, die nicht zu diesen Glaubensgruppen gehören, durch religiöse Handlungen und Vorschriften in ihrem freien Leben beeinträchtigt werden.
Ich denke da z.B. an akustische Immissionen durch Glockengeläute, Muezzinausrufe oder durch Vorschriften wie Tanzverbote, Ramadan-, Buss- und Bettagsgesetze, Essvorschriften, Fleisch- oder Alkoholverbot etc. Diese Einwirkungen können durchaus die Lebensqualität schmälern.


mechtild antwortete am 20.01.03 (21:48):

@ Wolfgang
Das Recht muss für alle Religionen gelten. Deshalb werden Nonnen oder Priester, wenn sie Lehrer an staatlichen Schulen sind auch nicht in Amtskleidung unterrichten können, es sei denn sie sind Priester oder Ordensfrau und unterrichten nur nebenamtlich, das muss dann auch für islamische Kleiderordnung gelten.
@ Felix
Ich stimme Dir zu, aber Kinder werden von den Erziehungspersonen auch durch deren Äußeres beeinflusst.


HeidiB antwortete am 20.01.03 (22:00):

@Mechtild:
Aber ist das jetzt nicht Haarspalterei? Eine Person, die nebenamtlich beschäftigt ist und ein Kopftuch trägt, gefährdet unsere Kinder nicht, aber eine hauptamtliche tut es?


mechtild antwortete am 20.01.03 (22:26):

@HeidiB
Nebenamtlich ist der falsche Begriff. Ich meine, ein Priester oder eine Ordensschwester, die bei der Kirche beschäftigt sind und nur wenige Stunden im Auftrag der Kirche unterrichten und nicht Klassenlehrer, sondern Fachlehrer sind.


HeidiB antwortete am 20.01.03 (22:44):

@Mechtild:
Ich habe eben nochmal das Urteil gegen diese Lehrerin in Baden-Württemberg durchgelesen. Dort steht nirgendwo etwas davon, dass es einen Unterschied macht, ob sie Klassenlehrerin ist oder nicht.

Es tut mir leid, aber für mich sind diese Argumente des Gerichtes einfach an den Haaren herbeigezogen. Und ich bleibe dabei, es ging dabei um etwas ganz anderes als um den Schutz unserer Kinder oder den Grundsatz der Neutralität.

@Wolfgang:
Ich hoffe sehr, dass deine Prognose zutrifft!


Wolfgang antwortete am 21.01.03 (23:34):

Wenigsten in Viersen - das in der Nähe von Mönchengladbach liegt - klappt das mit der Assimilation... Dort gibt es einen Türken und Muslim, so richtig nach dem Geschmack der Mehrheitsdeutschen. Einer, dessen sehnlichster Wunsch in dieser Karnevalssaison in Erfüllung ging: Der Mann wurde Karnevalsprinz - Levent I. (bürgerlich Levent Köse).

"Karneval macht Spaß, und jeder kann mitmachen." - ist seine Botschaft. Zur Prinzenproklamation hat er ein Bierchen plus Wurst genossen, heisst es.

Was wollt ihr Jecken mehr? ;-)

FR - 22.01.2003
Döner helau, Kebab alaaf (von RAINER JUNG)
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