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THEMA:   Was bietet die Gesellschaft?

 1 Antwort(en).

Emil Wachkopp begann die Diskussion am 08.01.03 (03:29) mit folgendem Beitrag:

Ich erinner mir das noch. Das is wull nu an die 15-16 Jahre her. Ich war graad mit mein Auto durch Hamburg unterwegs. Das war so eine Gegend, wo man an liebsten hinter das Steuer einschlafen möchte, dass sich die Atmosphäre der Gegend nich in ein seelischen Zustand übersetzt: Ein Industriegebiet.
Nur eins is noch deprimierender als Arbeit; und das is Armut. Darum wählen wir wull auch meist das kleinere Übel, wenn uns so eine Wahl überhaupt vergönnt is. Dass wir, die wir damals noch gearbeitet haben, denn immer eine Mischung aus Wut, Neid und Verachtung für die empfunden haben, die anders gewählt hatten oder die nich wählen konnten, liegt wull daran, dass der Begriff „Gesundheit“ relativ is, so dat een gliek gesundet, wenn er was noch „Krankeres“ ins Blickfeld kriggt.
Naja, manche vun us hatten auch eine hohe Moral, auf die een sik denn ümmer schöön berufen konnte Aber nix macht den Menschen aggressiver als wie die Moral.
Zu die Zeit riskierte man auf die Süderstrasse in Hamburg noch nich hinter das Steuerrad einzuschlafen, weil doch das Pflaster da so holperig war.
„Kiek di dat an Emil“, heff ik mi dacht, „so viel kann man aus die Dinge herauslesen, wenn man Augen in‘n Kopp hat.“ Dass die Reise dörch dat Leven meist über einen holperigen Grund geht, dass is damit wir nich einpennen, wenn wir uns nich mehr aus eigne Kraft wach halten können.
Und wie ich denn da noch so nachgrübel, steht sie plötzlich da. Nich besonders hübsch, auch aus die Warte von mein da schon stattliches Alter beurteilt. Aber verdammt jung: Vielleicht an die 19-20 Jahre: Eine Prostituierte.
Da musste ich denn natürlich gleich über ein anderes Thema (das aber auch mit den Lebensunterhalt zu tun hatte) nachdenken.
Wenn ich mir das Denken erleichtern will, denn fang ich immer mit eine Frage an. Aber die Frage is immer ganz subjektiv gestellt. Das is weil ich damit aufgehört hab nach objektiven Fragen und Antworten zu suchen. Ich weiss nümlich garnich, vun welch eine Perspektive solche Fragen gestellt werden müssen. Aus die Warte eines Gottes? Oder aus die Warte eines Gottesssurrogates: eines Stalins oder Hitlers z.B.?
Nee, ich nenn meine Methode die „Unterdrücktenheuristik“. Dat bedeutet, dat ik die Frage aus die Warte des Betroffenen stelle. Und denn hab ich mir gedacht: Wenn ich die junge Prostituierte wär und würd mir fragen, ob die Gesellschaft mir denn was Besseres zu bieten hätte, denn würde ich gleich antworten: „Natürlich nich! Was sollte das auch sein?“
Schade is bloss, dass das junge Ding sich selber nix besseres zu bieten weiss.


bernhard antwortete am 08.01.03 (07:32):

Was die Gesellschaft einer jungen Frau bietet? Falls sie wirklich selbst die Entscheidungfähigkeit über ihr Leben in der Hand hat, kann sie mir nicht erzählen, ihre einzige Alternative sei die Prostitution.