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THEMA:   ....und wer kennt die Antwort ?

 15 Antwort(en).

wese begann die Diskussion am 19.12.02 (21:32) mit folgendem Beitrag:

Ich habe ein Problem. Makabre Bilder ziehen an meinem geistigen Auge vorüber. Ein bizarres Szenario bereitet mir Angst, macht mich wütend und macht mich zugleich hilflos.

Die Zeichen stehen auf Sturm. Die Fanale eines Krieges lauern am Horizont. Niemand wird das Verhängnis aufhalten können. Ich gehöre leider nicht zu den Menschen, die einfach die Augen schließen können, nur weil ich nicht sehen möchte, was mich bedroht und was meine Welt gefährdet. Und wenn ich es könnte, ich würde die Gefahr auch mit geschlossenen Augen erkennen. Ich kann sie riechen, ich kann sie hören, ich kann sie schmecken.

Die Gegner der amerikanischen Kriegspolitik haben immer wieder vor diesen Gefahren gewarnt. Man hat sie beschimpft, verleumdet und als Feinde Amerikas abqualifiziert. Und jetzt sieht es ganz so aus, als ob all die Befürchtungen in Erfüllung gehen werden.

Niemand von uns wird stolz sein, weil wir mit unserer Einschätzung richtig lagen. Niemand von uns wird sich auf die Schulter klopfen. Niemand von uns wird sich als Sieger fühlen, weil wir alle zusammen zu den Verlierern gehören werden.

Warum aber können wir uns erst dann einig sein, wenn wir am Boden liegen? Warum haben wir nicht die Kraft, uns gemeinsam gegen etwas zu stemmen, was keiner von uns haben möchte? Was hindert uns daran, die Zeichen der Zeit zu erkennen?


hl antwortete am 19.12.02 (21:43):

wir sind zu lange nicht 'selbst' betroffen gewesen. wie ein vollgefressenes kaninchen starren wir gelähmt dem kommenden krieg entgegen, dessen auswirkungen wir an eigener haut spüren werden und hoffen im innersten, dass das alles nur ein böser traum ist


Felix antwortete am 20.12.02 (00:04):

Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Es muss doch auch in den USA Kräfte geben, die diesen Wahnsinn nicht mitmachen wollen. Noch ist alles möglich. Es ist leider wahr ... alle Zeichen stehen auf Sturm!
Auch in diesem Forum müssen sich die Gegner eines solchen Irrsinns immer wieder von Besserwissern beschimpfen lassen.
für diese möchte ich nochmals ein Bekenntnis ablegen:
Ich bin kein "Bushfresser" oder "Ami-Feind", ich bin kein Sympathisant irgenwelcher Attentäter ... aber etwas bin ich ganz entschieden .... Gegner von Gewalttaten .... im Besonderen von bewaffneten Konflikten wie z.B. Kriegen.


wese antwortete am 20.12.02 (01:14):

Die letzten 3 Stunden habe ich auf amerikanischen Webseiten verbracht. Ich habe mich intensiv mit Regierungserklärungen und mit Stellungnahmen führender US-Politiker befasst. Alles was ich sagen kann ist: Ich hätte es nicht tun sollen!

Wenn ich von persönlichen Schicksalsschlägen absehe, dann war ich selten deprimierter und hoffnungsloser, als wie gerade jetzt. Auch wenn es weh tut, man sollte es zur Pflichtlektüre aller Menschen machen. Mir drängen sich immer mehr Fragen auf, die mich zur Verzweiflung treiben.

Wenn dieser barbarische Krieg Wirklichkeit wird, worauf alles hindeutet, was machen dann die Menschen, die diese Gefahr nicht sehen wollten? Was machen jene Menschen, die immer nur beschwichtigen und verharmlosen wollten? Wie gehen sie mit solchen Irrtümern um?

Wie kann man schlafen, wenn tausende oder hunderttausende Menschen blindwütig geopfert werden? Was sagt das Gewissen, wenn man in den Spiegel schaut? Was sagt man seinen eigenen Kindern, wenn man selbst bereit war, deutsche Soldaten in dieses Inferno zu schicken?

Vielleicht habe ich heute einen komischen Tag, vielleicht bin ich einfach nur frustriert. Auf amerikanischen Webseiten habe ich gelernt, wie es ist, wenn man die letzte Hoffnung verliert. Ich glaube, die Würfel sind gefallen.

Und vielleicht ist es wirklich so, dass wir zu schnell und zu leicht vergessen. Aus allen Kriegen dieser Welt (und es waren viele) hat die Menschheit nichts gelernt. Das ist die Schattenseite, die leider nicht ins Weltbild einer satten und selbstgerechten Wohlstandsgesellschaft passt.

Nein, ich habe keine Hoffnung mehr. Aber ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass ich mich irre.


jako antwortete am 20.12.02 (01:29):

Natürlich gibt es diese Kräfte in Amerika. Gespräche mit meinen amerikanischen (sehr engagierten)Verwandten haben mich über die Stimmung drüben aufgeklärt. Alle Bemühungen durch Unterschriftssammlungen und Briefen an die Bush-Administration sind leider bisher ohne jeden Erfolg bzw. Stellungnahme geblieben. Es bleibt uns (weltweit) meiner Meinung nach nichts anderes übrig, als weiterzumachen, jeder wie er kann.


Donata antwortete am 20.12.02 (08:50):

Auf Wunsch meiner Tochter bin ich dabei, schriftlich mein Leben zu erzählen. "Schreib' doch 'mal etwas von früher."

Gerade bin ich bei den Aufzeichnungen "meines" zweiten Weltkrieges. Dabei werde ich traurig und nervös, sehr sehr unruhig. Die Angst, die ich damals hatte und die mich strukturell danach nicht mehr verließ, wird nichts gewesen sein gegen diejenige, die schon jetzt vor dem akut Drohenden aufkommt.
Dabei geht es mir nicht um mich - ich bin altersmäßig dem Tod bereits näher als andere -, sondern um meine Kinder, die ihr Leben noch nicht einmal richtig begonnen haben.

Wer den letzten Krieg hautnah erlebt hat, kann alle die am besten verstehen, die jetzt in Panik geraten und an ihrer Hilfslosigkeit, etwas abwehren zu können, verzweifeln.


KlausD antwortete am 20.12.02 (09:24):

Wo bleibt der "Jan"?

Wir haben schon vor zwei Jahren auf dieses unmögliche Amerika hingewiesen - keiner wollte es so recht wahrhaben -Beiträge von mir zu diesem "eleden System" wurden gelöscht-was soll man da noch sagen?


Fred Reinhardt antwortete am 20.12.02 (10:04):

Hallo Donata, schreib weiter, hinterlaß deinen Kinder, Enkelkindern diese Aufzeichnungen. Geschriebenes bleib, war auch meine Überlegung, desshalb habe ich , Jahrgang 1932, für meinen Kindern einen Abriss aus diesen Tagen aufgezeichnet und zur späteren Übergabe an den Enkelkindern gebeten.
Ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutscht wünscht
Fred


Donata antwortete am 20.12.02 (13:34):

Hallo Fred Reinhardt,
irgendwie passen Deine Wünsche für eine "frohe" Weihnacht und einen "guten Rutsch" nicht hierher. So jedenfalls werden diejenigen denken, denen es wie WESE geht. Froh? Und am liebsten würde man doch gar nicht in dieses neue Jahr "rutschen".

Ich habe so das Gefühl, daß wir Älteren uns weit mehr Sorgen machen als die jüngere Generation. Mein durchaus nicht unintelligenter Sohn meinte: "Alle Alten sehen immer so schwarz." Mit ihnen kann man nicht reden (zum Beispiel darüber, ob man es seinen kinderzeugenden Freunden heute noch nachmachen sollte).
Aber reden müßten wir eigentlich - und sei es auf Papier, wie ich das mache.


KlausD antwortete am 20.12.02 (16:20):

Ich muß gestehen,Donata,daß auch ich bis zum 50.Lebensjahr "blind" war.
Was wird denn bei uns im Geschichtsunterricht gelehrt?
Columbus mit seinen drei Schiffen - das war die Weltentdeckung.
Ich empfehle jedem das Buch von Joachim Fernau
Halleluja
Die Geschichte der USA


FRosmarie V.(Ruzenka) antwortete am 20.12.02 (18:01):

Es hat mich sehr berührt, lieber Wese, meine Urängste mit Dir teilen zu können. Ich fühle mich in dieser Frage etwas weniger allein. Erkennend, dass Bush für den Weltfrieden ein
äusserst gefährlicher Mann ist, denke ich an alle die Forumschreiber, die jede Kritik an der US-Regierung verurteilten und uns wüst beschimpften. Von ihnen würde ich jetzt eigentlich nochmals ihre Meinung hören.Sehr oft ist man ja irgendwie vernagelt und gerade wenn es um Freunde geht, die einem vielleicht mal sehr geholfen haben, tut man sich schwer, erkennen zu müssen, dass Freunde sich auch mal
irren können. Ich hoffe allerdings immer noch, dass irgendeine Macht diesen "Irren" in seinem Tun anhält.

Noch etwas: Es fällt mir unheimlich schwer, jetzt frohe Weihnachten zu wünschen.


wese antwortete am 20.12.02 (19:23):

Hallo Rosmarie,

ich wollte mit meinen beiden Beiträgen aufzeigen, was hinter all den "Borniertheiten" steht, die pausenlos wiederholt werden. Ich schließe mich davon natürlich nicht aus, weil ich selbst nicht gerade sehr diplomatisch veranlagt bin.

Ich wollte auf die Urängste der Menschen hinweisen, die man nicht so gerne in die Öffentlichkeit trägt. Man will ja stets stark und selbstsicher erscheinen. Man tut so, als ob man über den Dingen stehen würde. Na ja, normalerweise halte ich meine Gefühle aus solchen Diskussionen heraus.

Es dürfte aber in diesen Tagen wohl nur wenige Menschen geben, die frei von innerer Beklommenheit sind. Und manchmal reicht es eben nicht mehr, sich nur an vage Hoffnungen zu klammern. So ging es mir in der vergangenen Nacht.

Wer jemals mit Todesnähe oder mit der Angst um sein eigenes Leben konfrontiert wurde, der findet vielleicht einen anderen Zugang zum Tod und zum Sterben. Mir ist es jedenfalls so ergangen. Ich lag nach einem Autounfall sechs Tage im Koma und monatelang auf einer Intensivstation. Allein der Zufall (und die Kunst der Ärzte) haben mir damals das Leben gerettet.

Und wenn ich heute erlebe, welch schmutziges Spiel mit dem Leben vieler Menschen gespielt wird, dann frage ich mich ganz persönlich: Warum bemühe ich mich eigentlich, mein geschenktes zweites Leben innerlich anzunehmen.... wenn ein Menschenleben so wenig wert ist?

Klar, es ist mein Problem. Ich wollte es einfach mal sagen.....


mechtild antwortete am 20.12.02 (21:03):

@Wese,
vielleicht hast Du die richtigen Worte getroffen, aufzuzeigen was für ein Wahnsinn ein Krieg gegen den Irak ist. Deine Worte haben mich sehr berührt. Ich habe keine Angst um mein Leben, sondern sorge mich auch hauptsächlich um die Zukunft unserer Kinder.
Mir fallen nicht mehr Worte ein gegen einen Krieg, denn sie sind alle schon tausendmal gesagt worden und trotzdem gibt es immer wieder Kriege und damit Tod und Leid für viele unschuldige Menschen.
Hier im Seniorentreff sind viele Menschen, die den 2. Weltkrieg noch selbst erlebt haben. Das sie Krieg nicht grundsätzlich ablehnen, kann ich gar nicht verstehen.


jako antwortete am 21.12.02 (10:18):

@wese
>Warum bemühe ich mich eigentlich, mein geschenktes zweites Leben innerlich anzunehmen.... wenn ein Menschenleben so wenig wert ist?<

.........z.B. um denen etwas zu "geben", die ihr Leben noch vor sich haben.

Es grüßt

jako


DorisW antwortete am 21.12.02 (13:48):

Lieber wese,
weil du dich nicht an den Maßstäben derjenigen orientieren solltest, die leichtfertig mit Menschenleben umgehen.


wese antwortete am 21.12.02 (14:11):

Mechtild, Jakobe und Doris,

leider kann sich niemand die Welt aussuchen, in der er gerne leben würde. Wer es aber trotzdem versucht, der ist dem Wahnsinn schon gefährlich nahe.

Deshalb: "Wahnsinnig" nette Grüße von mir !