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THEMA:   Apartheid in einer Zürcher Gemeinde

 15 Antwort(en).

Felix begann die Diskussion am 19.12.02 (02:28) mit folgendem Beitrag:

Apartheid-Bestimmungen in einer Gemeinde bei Zürich erregen die Gemüter. Auf der einen Seite frohlocken die Fremdenhasser oft Sympathisanten der SVP (Schweizerische Volkspartei) ... entsetzt die Linken und sozialen.

AsylbewerberInnen, die in Meilen leben, dürfen bestimmte Gebiete im Dorf – etwa die Sport- und Schulanlagen – nicht betreten.
«Spezialrayons» heissen die Gebiete, die der Gemeinderat vor rund zwei Wochen auf der Dorfkarte Meilen mit Farbe markiert hat. Wofür die Markierungen stehen, machen die dazugehörigen Piktogramme unmissverständlich klar: vier schwarze Männchen, dick durchgestrichen – in diesen Rayons dürfen sich in der Zürcher Seegemeinde keine Asylsuchenden aufhalten. Rot gekennzeichnet sind alle Schul- und Sportanlagen auf dem
Gemeindegebiet: Sie sind für die Asylsuchenden absolut tabu, es sei denn, sie verfügen über eine besondere Bewilligung. Grün ist das gesamte Dorfzentrum: Hier werden keine
«störenden Ansammlungen» von Asylsuchenden geduldet. Die «Verschiebungen» der Asylsuchenden von den Schlafräumen in die weiter weg gelegene Unterkunft, wo sie ihren Tag verbringen, dürfen nicht zu den «Schüler-Rushhours» stattfinden. Asylsuchenden ist zudem der Hallenbadbesuch untersagt, ausser sie seien begleitet. Und auch dann ist
ihnen der Besuch nur erlaubt, wenn keine Schulklassen Schwimmunterricht haben. Die Polizei wird vermehrt Patrouillengänge beim Durchgangszentrum und den Spezialrayons vornehmen.

WEHRET DEN ANFÄNGEN!

Internet-Tipp: https://www.indymedia.ch/mix/2002/12/2323.shtml


WANDA antwortete am 19.12.02 (07:54):

Felix, da bin ich echt sprachlos, das darf doch nicht wahr sein!


Medea antwortete am 19.12.02 (08:03):

Der Bericht über das Verhalten dieser Zürcher Gemeinde ist so ungewöhnlich, daß sich mir die Frage aufdrängt, w a s mag geschehen sein, daß ein Gemeinderat zu solchen Maßnahmen greift? Aus Frankreich und Rumänien wurde vor einiger Zeit ähnliches berichtet, da meinten Bürger, sich vor den "anderen" dahingehend "schützen" zu müssen, indem sie eine Mauer bauten.
Mir scheint das Verhalten des Gemeinderates so abstrus, über die Gründe hätte ich gerne nähere Informationen.


Beste Grüße

MEDEA


Elsa Hartmann antwortete am 19.12.02 (08:46):

Allein der Anblick der "anderen" wird stören. Ich kenne das aus meiner kleinen Gemeinde. Als ich 35 Jahre alt war habe ich meinen ersten "leibhaftigen" Schwarzen gesehen und war sehr verunsichert. Da hilft auch keine "Fernseherfahrung". Später habe ich dann Umgang gehabt mit Farbigen und liebe Freundinnen gewonnen.


Barbara antwortete am 19.12.02 (09:23):

Meine ersten Gedanken:

Fasching?
1. April?
Quelle seriös?

Ich kann nicht glauben, dass diese Meldung der Wahrheit entsprechen soll.......


Wolfgang antwortete am 19.12.02 (10:24):

Ein Artikel dazu aus der schweizerischen WoZ:

Stopp! – Hier Sperrzone (von NICOLE ZIEGLER)
https://www.woz.ch/wozhomepage/50j02/meilen50j02.htm

Das Ganze wird von den Verantwortlichen als 'Sicherheitskonzept' verkauft. Zitat "'Diese Massnahmen sind ein konstruktiver und präventiver Ansatz für das Thema Asylsuchende in Meilen' [...]" (Gemeindepräsident Hans Isler (SVP)).

Das ist Rassismus pur... Die Sache in Meilen ist sicher das aktuellste und spektakulärste Phänomen von Fremdenfeindlichkeit, aber nur die Spitze des Eisbergs. Was meinst Du, Felix, wie viele Menschen klammheimlich solche 'Massnahmen' begrüssen...

Überall wird an 'Zuwanderungsgesetzen' gebastelt. Alle haben sie einen bestimmten Zweck: 'Fremde' abzuschrecken, 'draussen' zu halten - oder, wenn sie denn schon 'drin' sind -, ihnen das Leben so schwer wie möglich zu machen. Ihr habt die SVP am Hals, wir die CSU/CDU... Fremdenfeinde investieren derzeit in eine boomendes Branche.


Angelika antwortete am 19.12.02 (11:13):

Zweifelsohne gibt es einige hartgesottene Rassisten unter den Eidgenossen und es gibt erschreckende Beispiele dafür. Ich möchte jedem, den das Thema interessirt, den nachfolgenden Link zur schweizer Zeitung DER BEOBACHTER empfehlen und in der Suchfunktion "Asylanten" einzugeben. es gibt eine Vielzahl interessanter Artikel und Links zu dem Thema ...

BTW: "Der Beobachter", den ich in den 2Jahren, die ich in der Schweiz gelebt habe, kennen und schätzen lernte, ist eine einzigartige Schweizer Konsumenten- und Beratungszeitschrift, die in D leider noch keinen Nachahmer gefunden hat.

Internet-Tipp: https://www.beobachter.ch


Marianne antwortete am 19.12.02 (15:25):

Wenn das stimmt - ich bin genau so sprachlos wie Andere, die sich hier geäußert haben, dann heißt es weiter sehr wachsam zu sein, denn mit Fremdenfeindlichkeit gewinnt man ja in Europa seit einigen Jahren Wahlen.
In Wien hat man im Gemeinderat mit den Stimmen der Mehrheitsfraktion (rot) und denen der Grünen beschlossen, dass Ausländer, die fünf Jahre in Wien wohnen, das passive Wahlrecht erhalten.
Und das finden nicht nur einige charismatische Führer richtig, sondern stösst gerade in Bezirken mit hohem Ausländeranteil auch auf Zustimmung.

Wer dagegen ist, brauche ich nicht zu sagen.


Felix antwortete am 19.12.02 (16:43):

Am Schweizer Fernsehen konnte man gestern vernehmen, wie sich einzelne Exponenten der Gemeinde Meilen zu diesen rassistischen Massnahmen stellen.
Grundtenor war :
... Damit unsere Bevölkerung überhaupt das Lager für Asylanten akzeptiert, mussten prophylaktische Sicherheitsmassnahmen getroffen werden ... die Massnahmen würden mehrheitlich bejat ... es sei die Presse, die das Problem scharf gemacht habe ... man habe nichts gegen andere Rassen ... möchte sie aber nicht in Ansammlungen antreffen.

für mich tönte es wie faule Ausreden und um den Brei herum reden ... wie das in diesen kleinbürgerlichen Kreisen so üblich ist.

Leider muss ich befürchten, dass ein Grossteil der Bevölkerung insgeheim solche Massnahmen gutheisst .... obwohl die meisten viel zu feige sind ... das zuzugeben!!!

Ist dies in andern Ländern Europas völlig anderst?


Angelika antwortete am 19.12.02 (19:14):

Felix: Die Schweiz ist da keine Ausnahme - fahr mal in die neuen Bundesländer Deutschlands... am besten mit einigen farbigen oder schwulen Freunden - Du wärest entsetzt ...

Eine Freundin von mir, die seit vielen Jahren in Toronto/Canada lebt, meinte zu einem Vorfall, bei dem Vietnamesen in Meck-Pommern zusammengeschlagen und fast getötet wurden: "Ich versteh gar nicht, warum sich die Medien da so aufregen - allein in Toronto (wo viele Asiaten leben) kommt es täglich zu sochen Übergriffen und kein Mensch regt sich darüber auf!" ...

Ich hoffe, hier und anderswo regt man sich viel mehr über "solche Sachen" auf ...

Angelika


Marianne antwortete am 20.12.02 (11:11):

Genau, Angelika!


Nur die Aufregung allein hilft da möglicherweise nicht,
vielleicht soll (te) Mann/ Frau auch Zeichen setzten im Alltäglichen.
In unseren Öffis sind sehr viele Fremde aller Hautfarben zu sehen. Oft genügt schon ein Lächeln beim Sich -in- die -Bänkequetschen und ein Sympathiestrom wird spürbar. Mir geht es jedenfalls so.Und ich hoffe auch bei dem Fremden.
Sicher ist das allein viel zu wenig.Aber es ist ein persönlicher Anfang und ein Gewinn für einen selbst.


schorsch antwortete am 20.12.02 (12:12):

Ohne der "schuldigen" Gemeinde Absolution erteilen zu wollen sehe ich auch die Beweggründe, die zum Verbot des Betretens der Schulanlagen durch Asylbewerber führte: Angst!
Ich weiss von Schülern aus meinem Bekannten- und Verwandtenkreis, dass sich auf den Schularealen viele Dealer herumtreiben. Und meistens handelt es sich eben dabei um Asylbewerber, die sich ihr Sackgeld mit Drogenverkauf aufbessern.


jako antwortete am 20.12.02 (15:42):

Ich habe einige Jahre in einem Multikulti-Schmelztiegel gelebt, wo ich ein kleines Geschäft führte. Gleich am Tage der Einweihung stellten sich zwei Ausländer vor mich auf, um mir zu erklären, wie ich den Laden zu führen hätte. Meine Antwort muss ihnen nicht gepasst haben, denn in der Nacht landete ein großer Stein in meiner Fensterscheibe. Es sollte nicht der letzte bleiben.
In den zwei Jahren meiner Tätigkeit wurde immer wieder versucht, mich zu erpressen, ich wurde bedroht, der Laden wurde ausgeraubt, man versuchte Schutzgelder abzukassieren, ja, sogar entführt sollte ich werden (gute Freunde konnten das verhindern).
Zwei junge Männer, denen wohl meine schwierige Position leid tat, verbrachten viele Stunden in meinem Laden, um mich zu beschützen. Andere kleine Ladenbesitzer mussten aufgeben, da sie dem kriminellen Druck nicht standhalten konnten.
Trotz dieser Schwierigkeiten lebte ich gern in diesem Viertel, in dem ich auch viele gute Freunde gefunden hatte.

Ich will hiermit nur sagen, dass man dieses Problem nicht mit ein paar Worten der Entrüstung abtun kann. Um wirklich sich eine Meinung zu bilden, muss man glaube ich diesbezügliche Erfahrungen gemacht haben.


Barbara antwortete am 20.12.02 (17:20):

Ich habe viele Jahre direkt neben einem Asylantenheim in einer Bank gearbeitet. Obwohl die Adresse einen sehr schlechten Ruf hatte, habe ich nie schlechte Erfahrungen mit den Menschen unterschiedlichster Herkunft gemacht. Meine Bewunderung galt vor allem den Kindern, die, so klein sie waren, ihren Eltern dolmetschten. Die kompliziertesten Vorgänge übersetzten sie blitzschnell in ihre Muttersprache....

Zwei Banküberfälle habe ich in meiner Zeit als Kassiererin überlebt; einer davon war sehr schwer, von äußerst brutalen Tätern ausgeführt. Es waren alles deutsche.....


Felix antwortete am 20.12.02 (17:24):

@ jako
so wie du den Fall schilderst steht das Recht auf deiner Seite. Ich weiss nicht, ob du Anzeige erstattet hast. Bei uns und wohl auch bei euch werden solche Übergriffe und Schutzgelderpressungen geahndet. Was nicht statthaft ist, ist Selbstjustiz!
Auch dein Beispiel ist kein Grund, Fremde von vornherein als kriminelle Elemente zu betrachten ... und ihnen den Aufenthalt in der Öffentlichkeit zu verbieten! Was du schilderst sind Rechtsbrecher, die zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Aber auch dafür braucht es Entschlossenheit und etwas Courage!


jako antwortete am 21.12.02 (23:07):

@Felix

<.....Auch dein Beispiel ist kein Grund, Fremde von vornherein als kriminelle Elemente zu betrachten >
Darum ging es mir gar nicht. Ich habe lediglich schildern wollen, wie es unter Umständen in solch einem Schmelztiegel zugehen kann und dass die Bürger des Landes (in diesem Fall also deutsche Bürger) der Lage oft nicht gewachsen sind. Was leicht zu falschen und nicht akzeptablen Entscheidungen führen kann. Meine Erfahrung und meine Ansicht sind, auf jeden Fall das Gespräch zu suchen, aber gerade dazu sind eben viele nicht fähig.

Ich hoffe nicht, dass mein Beitrag den Eindruck erweckt hat, dass ich die Zürcher Maßnahmen befürworte. DEM IST NICHT so. Trotz meiner geschilderten Umstände war mein Leben unter den vielen Nationalitäten eine große Bereicherung. Die negativen, oft dramatischen Vorfälle wurden durch ebensoviele positive Erlebnisse und Begegnungen aufgewogen.