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THEMA: Banken wollen Geldspritze der EZB unterschlagen
9 Antwort(en).
Barbara
begann die Diskussion am 13.12.02 (01:02) mit folgendem Beitrag:
Um die lahmende Wirtschaft in Euroland anzukurbeln, hat die EZB (Europäische Zentralbank) den Leitzins um 0,5 Prozent gesenkt. Bisher verhielt die EZB sich sehr zögerlich mit Zinssenkungen, so dass diese drastische Kreditverbilligung Zeichen setzen sollte. Durch diese Geldspritze sollte die Wirtschaft endlich wieder in Schwung kommen.
Nun verkündet Rolf-Ernst Breuer, ehemaliger Vorstandssprecher der Deutschen Bank und heutiger Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, dass die Banken aufgrund ihrer schlechten Ertragslage diese Geldspritze gerade gut für eigene Zwecke gebrauchen können und daher die damit verbundene Verbilligung der Kredite nicht an ihre Kunden weitergeben werden.
Als Vorstand der Deutschen Bank hat Herr Breuer Schäden in immenser Höhe durch sein falsches Management verursacht. Mit der Bank 24 wollte er den kleinen Mann aus dem noblen Geldhaus hinausbefördern, ihn am liebsten nur noch als Online-Bankkunden dulden. Das große Geld erhoffte man sich durch Börseneinführungen von Unternehmen. Durch den Einbruch der Börsen wurde diese Hoffnung zunichte gemacht. Die Bank 24 wurde über Nacht aufgelöst.
An Dreistigkeit kaum zu überbieten: die Rechnung dieser Fehlpolitik lässt man sich nun von der EZB bezahlen, indem man die Verbilligung der Kredite nicht an die Kunden weitergibt.
Eine derartige Dreistigkeit finde ich ungeheuerlich!
Internet-Tipp: https://www.frankfurter-rundschau.de/fr/130/t130001.htm
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KlausD
antwortete am 13.12.02 (08:11):
Die Fehler der deutschen Banken -insgesamt- liegen schon jahrelang zurück,Barbara. Im Gegensatz zu den anderen Banken in Europa hat man hier gepennt.
Nun will man das so regeln :-((
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rolf
antwortete am 13.12.02 (10:13):
Unterschlagung ist ein Straftatbestand, der hier NICHT greift. Unterschlagen kann man nur, was einem nicht gehört. Kein Händler - ob er mit Ware oder Geld handelt - ist verpflichtet, Einkaufsvorteile an seine Kunden weiterzugeben. Die erwünschte Wirkung der Leitzinssenkung - sie wirkt sich übrigens ohne Zutun der deutschen Banken auf die Verzugszinsen aus - wird duch dieses Verhalten der Banken natürlich blockiert.
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schorsch
antwortete am 13.12.02 (11:38):
@ "...Unterschlagung ist ein Straftatbestand, der hier NICHT greift. Unterschlagen kann man nur, was einem nicht gehört...."
Wo liegt denn der Unterschied zwischen Unterschlagung und Abzockerei? Würde man all jene an unfähige Banker und Analysten bezahlten Gewinne wieder einfordern, dann könnte sich jede Bank in kürzester Zeit wieder sanieren. So aber gibts nur noch die Möglichkeit, die Gewinnspanne zwischen Einlagen und Krediten künstlich gross zu halten resp. zu machen.
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Barbara
antwortete am 13.12.02 (12:52):
rolf, Du schreibst:
>>Unterschlagen kann man nur, was einem nicht gehört.<<
Es geht hier um den Zinssatz zur Refinanzierung. Banken entleihen Geld, um es an ihre Kunden weiterzugeben. Der Zinssatz für diese Refinanzierung wurde um 0,5% gesenkt. Die EZB wollte dadurch die lahmende Wirtschaft stärken und nicht die Managementfehler der Banken sanieren!
Lies einmal die Pressemitteilung des Bundesverbandes deutscher Banken vom 5.12.02:
>>Zinssenkung situationsgerecht und angemessen
Die Entscheidung des EZB-Rates, die Leitzinsen um 50 Basispunkte zu senken, ist nach Auffassung des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) in Anbetracht der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Lage im Euro-Raum richtig und in ihrem Umfang situationsgerecht. Die Notenbank hat den vorhandenen Zinssenkungsspielraum genutzt. Sie hat damit zugleich deutlich gemacht, dass sie – unter strikter Beachtung ihres Stabilitätsauftrags – bereit ist, ihren Beitrag zur Wiedergewinnung der Wachstumsdynamik im Euro-Raum zu leisten.....
Die Zinsentscheidung ist sicherlich hilfreich, um die gegenwärtige konjunkturelle Flaute zu überwinden. Alleine kann sie der Wirtschaft jedoch nicht wieder Schwung verleihen, solange die sonstigen Voraussetzungen für stärkeres Wachstum nicht gegeben sind. Nach diesem Schritt der EZB sind die Regierungen im Euro-Raum nunmehr erst recht gefordert, wachstumsfördernde Rahmenbedingungen zu schaffen. Das gilt nicht zuletzt für die Bundesregierung. Neben konsequenten Schritten zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und zur Sanierung der sozialen Sicherungssysteme sind durchgreifende Maßnahmen zur Senkung der Arbeitskosten und zur Flexibilisierung des Arbeitsmarkts dringend geboten. Die in den letzten Wochen beschlossenen Maßnahmen sind von daher kaum geeignet, das Wachstum zu fördern. Angebracht wäre ein wirtschaftspolitischer Kurswechsel.<<
Hier wird gesagt, die Zinssenkung ALLEIN könne die Wirtschaft nicht in Schwung bringen.....
Mit aller Macht will man den Kurswechsel der Regierung nach Wunsch der Banken erzwingen. Eine Zinssenkung könnte der Wirtschaft positive Impulse geben. Das wird verhindert!
Von wem wird Deutschland noch gleich regiert?
Internet-Tipp: https://www.bdb.de/index.asp?channel=141610&art=543
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rolf
antwortete am 13.12.02 (16:55):
246 StGB, Unterschlagung: (1) Wer eine fremde bewegliche Sache, die er in Besitz oder Gewahrsam hat, sich rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Sache ihm anvertraut ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.
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wese
antwortete am 13.12.02 (17:48):
Haarspaltereien bringen uns in einer solchen Diskussion nicht weiter. Es spielt doch wirklich keine Rolle, ob und welcher Straftatbestand erfüllt bzw. gegeben ist.
Tatsache ist, dass der Bankenverband hochgradig unmoralisch und absolut sittenwidrig argumentiert. Tatsache ist ebenfalls, dass die Zinssenkung der EZB zweckentfremdet wird. Dadurch wird das Gemeinwohl des Staates vorsätzlich und nachhaltig geschädigt. Und genau das ist beabsichtigt.
Schlimm genug, oder?
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henner
antwortete am 13.12.02 (21:08):
Ich war der Meinung,daß durch eine solche Zinssenkung die Aufnahme von Krediten für Investitionen usw für den Kreditnehmer verbilligt und dadurch attraktiver werden soll.(nebenbei würden die Banken bei der nunmehr verstärkten Nachfrage nach Krediten ja auch Mehrumsatz und Mehreinnahmen realisieren)Wenn sie jedoch nicht gewillt sind,wenigstens einen Teil dieser Vergünstigungen an Ihre Kunden weiterzureichen (meistens verzögern sie sowieso eine Verbilligung und beschleunigen eine Verteuerung),dann werden sich weniger Kreditnehmer zu diesen Konditionen finden und schon dadurch wird bei den Banken und dem Staat die erhoffte Wirkung nicht eintreten
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Barbara
antwortete am 13.12.02 (21:45):
Genau, henner,
den Kreditnehmern sind die Kredite zu teuer. Sie halten sich mit Investitionen zurück. Das Ziel der EZB, der Wirtschaft einen wichtigen Impuls zu geben, wird nicht erreicht.
Ein wenig Hoffnung besteht jedoch noch, da Sparkassen und Volksbanken dem Beispiel von Herrn Breuer nicht folgen wollen.
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Barbara
antwortete am 15.12.02 (15:55):
Laut Spiegel-Online schaltet sich jetzt sogar das Bundeskartellamt ein:
>>Selbst das Bundeskartellamt schaltete sich ein. "Wir gehen der Sache nach und prüfen, ob es sich hier um eine unerlaubte Preisabsprache handelt", erklärte Regierungsrat Stefan Siebert, "oder um eine Empfehlung zum abgestimmten Handeln."
Tatsache ist: Breuer hat als Chef des Bankenverbandes gesprochen, dessen Vorstand sich aus aktiven Bankchefs zusammensetzt. Da liegt die Vermutung nahe, dass die Herren auf einer ihrer Sitzungen - oder bei anderen Zusammenkünften - das heikle Thema be- und sich möglicherweise abgesprochen haben.
Doch wo ist die Grenze zwischen Small Talk und unlauterem Wettbewerb? Dürfen sich die miteinander konkurrierenden Banker innerhalb ihrer Standesvertretung darüber unterhalten, ob ihre jeweiligen Institute nun die Zinsen senken - oder nicht?
Auf jeden Fall wird Breuer demnächst Post von den Wettbewerbshütern erhalten. In einer Stellungnahme muss er dem Kartellamt den Sachverhalt dann eingehend erläutern.<<
Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,227203,00.html
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