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THEMA:   Erhöhung der Mehrwertsteuer?

 16 Antwort(en).

Johannes Michalowsky begann die Diskussion am 12.11.02 (10:50) mit folgendem Beitrag:

"Neue Steuerausfälle in Milliardenhöhe haben eine Diskussion um die Erhöhung der Mehrwertsteuer entfacht."

Diese Meldung habe ich dem Online Angebot des Berliner Tagesspiegel (siehe unten) entnommen. Schon im Hörfunk hörte ich heute früh, daß SPD-Sprecher Scholz derartige Pläne dementiert hat. Da wurde ich hellhörig, denn ein solches Dementi geht oft genug dem Dementierten voraus.

Und seien wir ehrlich: Ist es nicht die klarste, einfachste und gerechteste Lösung, anstatt all dem Rumschnippeln der letzten Tage, das nur Diskussionen, Streit und schließlich Ungerechtigkeiten und Vertrauensverlust, nicht zuletzt aber auch Zuwachs an Bürokratie nach sich zieht?

Seit der Einführung ist der Mehrwertsteuersatz von 10 auf 16% gestiegen, aber noch keine Erhöhung hat einen nachhaltigen Inflationsschub ausgelöst oder die Konjunktur beeinträchtigt oder gar abgewürgt. Diesen letzteren Effekt haben wir auch ohne Mehrwertsteuererhöhung erreicht!

Internet-Tipp: https://archiv.tagesspiegel.de/archiv/12.11.2002/300235.asp


mechtild antwortete am 12.11.02 (11:36):

@ Jo,
ich gebe Dir recht, dass ich auch nicht sicher bin, dass eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht kommen wird. für eine gerechte Lösung hielte ich die Anhebung der Mehrwertsteuer jedoch nicht, denn sie betrifft alle Menschen. Die armen sogar prozentuell noch stärker als die gut Verdienenden oder Vermögenden.
Deshalb sollte die Regierung nach anderen Möglichkeiten suchen, die Löcher zu stopfen, so dass jeder nach seinen Voraussetzungen dazu herangezogen wird.


Karl antwortete am 12.11.02 (11:56):

Liebe Mechthild,


mit prozentual "mehr" trotz gleichen Prozentsatzes hast Du nicht unrecht, da z.B. auf das gesparte Geld keine Mehrwertsteuer erhoben wird. Ansonsten ist es schwierig so zu argumentieren. Ich glaube zu wissen, was Du meinst: Die Armen, die von der Hand in den Mund leben müssen, trifft die Erhöhung stärker als andere, die es sich leisten können, die MWSt. zu bezahlen.

MfG Karl


Wolfgang antwortete am 12.11.02 (12:06):

Die Mehrwertsteuer ist eine unsoziale Steuer... Wäre es nicht angebrachter, die Vermögenssteuer wieder zu erheben, sagen wir, bei einem Privatvermögen von 500.000 Euro pro Haushalt aufwärts?

Das würde reichlich Geld in die Länderkassen bringen - zuletzt (1996) rund 9 Milliarden DM - und nur die belasten, die genug davon haben.

Unsoziale Steuern runter, soziale Steuern rauf! Die Armen entlasten, die Reichen belasten! Das ist populär. Damit kann man Wahlen gewinnen. Denn bekanntlich gibt es viel mehr Arme, als Reiche. Dagegen werden wohl nur die Reichen protestieren. Die propagieren nämlich eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, weil die sie am wenigsten trifft. ;-)


Karl antwortete am 12.11.02 (13:06):

Lieber Wolfgang,

interessanterweise gruppieren sich viele Menschen aber falsch ein. Sie empören sich z.B. über vermögenssteuer, obwohl es sie gar nicht betreffen würde. Wer will schon zu den "Armen" gehören?


Barbara antwortete am 12.11.02 (13:35):

Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wäre ausgesprochen ungerecht, da sie als Verbrauchssteuer u.a. Familien mit mehreren Kindern extrem trifft. Wenn man allein an den Schuhbedarf einer Familie mit drei Kindern denkt: Sommerschuhe, Winterschuhe, Hausschuhe, Sportschuhe, Gummischuhe....... Da kommt für fünf Personen schon heute einiges an Mehrwertsteuerbelastung zusammen.

Hellhörig sollte man werden, wenn inzwischen sogar Vermögende eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer fordern und sogar eigens dafür eine Initiative gründen:

https://www.pro-vermoegenssteuer.de/

Ein Sprecher dieser Initiative sagte gestern in N3, die Mitglieder möchten ihren Beitrag zur Finanznot unseres Staates leisten und nicht länger als Raffkes angesehen werden. Er meinte, bei einem Freibetrag von Euro 500.000,00 würde niemand der Vermögenden durch die Wiedereinführung in Not geraten.

Internet-Tipp: https://www.pro-vermoegenssteuer.de/


Poldi antwortete am 12.11.02 (13:54):

Mehrwertsteuer wird in sämtlichen Staaten der EU und auch in der Schweiz erhoben. Also kassieren alle diese Staaten eine unsoziale Steuer, wenn ich Vorstehendes richtig interpretiere, z.B. auch Länder mit niedrigerem Lebensstandard als in unserem Land. Dabei liegt Deutschland mit seinem jetztigen Steuersatz keineswegs an der Spitze.

Die hiesige Hatz auf die "Reichen" ist vom Ansatz her unappetitlich, und so erkläre ich mir, daß auch nicht Betroffene, wie Karl anmerkt, sich gegen derartige Pläne sträuben. Ich z.B. würde von solchen Plänen sicherlich nicht betroffen sein, deswegen fühle ich mich den Armen aber nicht zugehörig und hätte bestimmt kein Problem damit zu bekennen, daß mein wirtschaftliches Potential so gering ist.


Barbara antwortete am 12.11.02 (14:17):

@ Poldi

Ich habe nicht von Sozialhilfeempfängern berichtet, die eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer fordern, sondern von VERMÖGENDEN. Insofern verstehe ich Deinen Vorwurf nicht, hier werde "Hatz auf die Reichen" gemacht.

Die Steuermodelle der EU-Staaten kann man nicht allein nach der Höhe des MwSt-Satzes vergleichen. Vielleicht unterstützen andere Staaten Familien durch höheres Kindergeld, allein Erziehende durch die Bereitstellung von kostengünstigen Kinderbetreuungseinrichtungen etc. Trotzdem ist es auf jeden Fall wichtig, sich die Steuermodelle anderer Staaten einmal genau anzuschauen um evtl. aus ihnen zu lernen.

Internet-Tipp: https://www.pro-vermoegenssteuer.de/


Poldi antwortete am 12.11.02 (16:49):

OK Barbara, wir sollten da ein eigenes Thema draus machen. Griechenland und Portugal z.B. gehören der EU an, ich bin neugierig, was die uns vormachen und was wir von dort lernen können


Wolfgang antwortete am 12.11.02 (19:03):

Poldi's Kampfbegriff von der angeblichen "Hatz" auf die Reichen ist Ideologie pur... Eher ist Rot/Grün der Vorwurf zu machen, dass sie bisher kräftig dazu beigetragen haben, die Reichen noch reicher zu machen.

Jetzt entfachen CSU/CDU und FDP - die Wahlverlierer - ein neues Feuerchen: Die Mehrwertsteuer werde angeblich erhöht... Hören wir, was BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dazu sagen:

"Die Erhöhung indirekter Steuern belastet vor allem Familien und kleine Einkommen. Viele Familien sind ohnehin nicht weit von der Sozialhilfebedürftigkeit entfernt und von einer Mehrwertsteuererhöhung besonders betroffen. [...] Das wollen wir nicht!"

Quelle: Kerstin Andreae (MdB, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Pressemitteilung Nr. 0594/2002 v. 12.11.2002

An Stelle von Propaganda sollten die Wahlverlierer und Parteien der Besserverdienenden praktikable und sozial ausgewogene Konzepte vorstellen. Sonst werden ihnen die WählerInnen demnächst erneut die Rote Karte zeigen. :-)

Internet-Tipp: https://www.gruene-fraktion.de/rsvgn/rs_dok/0,,16276,00.htm


Fred Reinhardt antwortete am 12.11.02 (19:28):

Warum nicht einmal an unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen denken ?
Eine sogenannte Luxusmehrwertsteuer wäre doch gar nicht so schlecht. Ob ein Porsche 80.000 oder dann 90.000 Euro kostet, spielt doch für denjenigen der sich dieses Auto kauft, keine Rolle. Gleiches bei Schmuck, Antiquitäten, Bilder, und andere teuere Wertgegenstände. Ab einer gewissen Preisklasse wäre auch dies bestimmt machbar.

Der Maler - Künstler der selbst Bilder herstellt, bezahl im Moment, wie auch der Landwirt, nur 7 % Mehwertsteuer. Übrigens auch Holzschnitzereien im eigenen Betrieb hergestellt werden nur mit 7 % belegt. Handelsware aber auch wie üblich mit 16 %.
Ist nur eine Überlegung.
Gruss Fred


Fred Reinhardt antwortete am 12.11.02 (19:38):

Anmerkung : Nicht maschinell sondern nur per Hand gefertigte Arbeiten. Nicht holzgeschnitzte sondern nur handgeschitzte Gegenstände.


Johannes Michalowsky antwortete am 12.11.02 (22:37):

@Fred

Zunahme an Bürokratie und Streitfällen - ist der Ehering Schmuck, oder nur dann, wenn auch ein Brillant drauf ist, aber das auch nur dann, wenn er mind. soundsoviel Karat hat, und wie sieht das mit der Mehrwertsteuerverrechnung aus, wenn die Holzschnitzerei aus Salzburg und nicht aus Freilassing kommt - eines ist sicher: Neue Arbeitsplätze werden geschaffen, das ist schon ein Wert an sich.

@Wolfgang

Die Parteien der Besserverdienenden haben absolut gesehen eine sehr große Zahl von Wählern und sind nur ein paar tausend Stimmen an der Mehrheit vorbeigeschrappt. Ich weiß nicht, was man heute unter einem Besserverdienenden versteht, zur Zeit meiner Berufstätigkeit - als diese miese Debatte schon einmal lief - waren das Leute mit einem Brutto von Dm 5.000,--, Angestellte im letzten Glied. So muß es auch heute sein, sonst hätten CDU und FDP zusammen nicht so viele Stimmen bekommen können.


Wolfgang antwortete am 12.11.02 (23:20):

Brutto 5.000 DM (also ca. 2.500 Euro) monatlich... Au, weia... Nein, Johannes, da unterscheiden wir uns erheblich in der Einteilung, was die Schlecht- / Gut- bzw. Besserverdienenden betrifft. Wenn das das gesamte Familieneinkommen wäre, ist eine Familie mit 2 Kindern damit knapp über dem Sozialhilfeniveau.

Ich glaube auch, dass die Besserverdienenden sich mit solch einem Gehalt nicht zufrieden geben würden. ;-)


Fred Reinhardt antwortete am 13.11.02 (10:45):

@ Johannes

Diese erhöhte Mehrwertsteuer ( Luxussteuer ) kommt in manchen EU - Ländern zur Anwendung. Also warum nicht auch bei uns, ab einem gewissen Wert von Luxusgegenständen diese Erhöhung einführen.

Alle Händler die innerhalb der EU kaufen - verkaufen , haben eine sogenannte UID - Nr. die für Deutschland zentral in Saarlois ( Bundesamt für Finanzen ) abgerechnet wird.
Wenn wir also eine Kundenrechnung nach Österreich senden steht auf dieser Rechnung : " Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung " mit Angabe der Kunden UID -Nr. die für Österreich mit A beginnt. Unsere Mehrwertsteueranmeldung geht für diese Lieferung nicht an das örtliche Finazamt sondern nach Saarlois.
Wie du siehst, ist dies innereuropäisch gelösst.
Lieferungen aus den sogenannten assoziierten Ländern wie Polen, Tschechien usw. werden wie früher mit einer Einfuhtumsatzsteuer belegt. Ob da nun 16 oder 20 % angegeben werden, ist auch kein weiterer Aufwand.


Johannes Michalowsky antwortete am 13.11.02 (14:57):

@Wolfgang

Tut mir leid, das war keine Meinungsäußerung, sondern eine Tatsache aus einer analogen Diskussion, die unter der Regierung Schmidt schon einmal stattgefunden hatte. 5000 Dm damals wären heute vielleicht deren 6.000, aber immerhin noch beachtlich niedrig, wenn man solche Leute als besser verdienend abstempelt.

Die Masse liegt halt drunter und bestimmt weiterhin die Diskussion, besonders unter linken Regierungen.

@Fred

Wußte bisher nicht, daß eine Holzschnitzarbeit ein Luxusartikel ist . Den EU-generierten Bürokratismus mit der Mehrwertsteuer kenne ich, habe selbst als Freiberufler damit zu tun gehabt. Arbeitsplätze in der Verwaltung - unproduktive - sind da mit allemal geschaffen worden.


Fred Reinhardt antwortete am 13.11.02 (16:12):

Siehst du Johannes auch du lernst dazu.
Solltest doch mal die Antiquitätengeschäfte in Bamberg ansehen, da stehen profane und kirchliche Holzschnitzereien die wirklich pure Luxusgegenstände sind.

Von den Schnitzarbeiten, auf die ich im Bezug auf Mehrwersteuer ( 7 % ) eingegangen bin, sind zwar Unikate aber auch noch von gewöhnlich sterblichen zu bezahlen. Aussnahmen gibt es aber auch da schon.

Gruss Fred