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THEMA:   Deutschland... ein Rechtsstaat?

 37 Antwort(en).

Wolfgang Maul begann die Diskussion am 24.11.00 (17:25) mit folgendem Beitrag:

Gestern die Meldung in BILD: Die entsetzliche Tat... ein kleiner Junge - Joseph A aus dem sächsischen Sebnitz - wurde vor zweieinhalb Jahren auf bestialische Art und Weise von Rechtsradikalen aus rassistischen Motiven umgebracht. Das Unfassbare... Deutsche Staatsinstitutionen - Staatsanwaltschaft, Polizei - und Zeugen vertuschen den Mord und stellen ihn hin als Badeunfall. 24 Stunden banges Warten und Hoffen, an der Meldung möge nichts dran sein. Heute dann die Gewissheit: Es ist was dran.

Es stockt uns der Atem und die Hände zittern beim Schreiben: Dieser kleine Junge wurde nicht nur vom braunen Mob ermordet; wenn die Meldungen auch nur annähernd richtig sind, dann wurden das Opfer und seine Angehörigen auch noch vom deutschen Staat verhöhnt und im Stich gelassen.

Deutschland ein Rechtsstaat? - Entgegen allen Sonntagsreden... ich meine, diesen Ehrentitel muss er sich erst wieder verdienen.


Manfred Franz antwortete am 24.11.00 (21:21):

Ist schon sehr schlimm, was da passiert ist, wenn sich die Verdachtsmomente als Wahrheit erweisen sollten. Nicht nur, dass dann die staatlichen Stellen absolut versagt hätten. Es muss die Frage erlaubt sein, ob hinter der Untätigkeit nicht auch bewusstes Vertuschen gestanden hat. Wem sollte das nützen? Vielmehr noch verwundert mich aber, dass sich erst heute (zaghaft) einige Zeugen melden. Gab es in Sebnitz keine Handys? Oder ist der Ort schon so im Griff der braunen Glatzen, dass sich niemand mehr traut? Fragen, die hoffentlich beantwortet werden.


Heidi Lachnitt antwortete am 25.11.00 (10:13):

25.11.2000
NPD will in Berlin aufmarschieren



Berlin (dpa) - Die rechtsextreme NPD will heute durch Berlin-Mitte marschieren. Gleichzeitig ruft die »Berliner Initiative: Europa ohne Rassismus« zu einer Gegenveranstaltung am Roten Rathaus auf. Als Redner wird hier Bundestagspräsident Wolfgang Thierse erwartet. Insgesamt sind 4 000 Polizisten aus mehreren Bundesländern im Einsatz, um gewaltsame Auseinandersetzungen zu verhindern. Ursprünglich wollte die NPD durch das Brandenburger Tor ziehen.

Copyright: Deutsche Presse Agentur

-- Ob die Mörder des kleinen Joseph wohl ebenfalls dort mitmaschieren und von unseren Polizisten vor "gewaltsamen Auseinandersetzungen" geschützt werden?


Manfred Franz antwortete am 26.11.00 (07:25):

Ja, wenn man denn wüsste, wer die Mörder waren und wo sie zu suchen sind! Ich muss es leider noch einmal betonen: Ob es wirklich ein Mord war, und wenn ja, wer die Mörder waren, ist immer noch nicht klar. Inzwischen kommen, der unsicheren Beweislage geschuldet, immer neue Gerüchte und Vermutungen auf. Für oder gegen sie spricht genau so viel, wie für die so wunderbar in die derzeitige politische Landschagft passende Mordthese. Das Einzige, was wirklich sicher zu sein scheint, ist die Aussage über ungenaue Arbeit der staatlichen Stellen schon am Todestag.
Allein die reißerische Großüberschrift einer Tageszeitung ist noch kein Beweis!


Wolfgang Maul antwortete am 26.11.00 (11:44):

Hier ist die Schlagzeite von BILD vom letzten Donnerstag: "Neonazis ertränken Kind - Keiner half, und eine ganze Stadt hat es totgeschwiegen." - Möge jede(r) selbst beurteilen, ob es eine "reißerische Großüberschrift" ist. Eine Wirkung hatte sie jedenfalls: Ab diesem Tag war es vorbei mit der Taktik der Ermittlungsbehörden und vieler Menschen in Sebnitz und Pirna, den Mordverdacht als harmlosen Badeunfall ninzustellen. Erst dank dieser Schlagzeile wurde das Recht des toten Jungen und seiner Eltern berücksichtigt.

Drei Jahre lang haben auf Betreiben von Josephs Mutter westdeutsche Institute und Behörden Verdachtsmomente zusammengetragen und die ostdeutschen Behörden gedrängt, das Ermittlungsverfahren aufzunehmen. Ohne Erfolg. Jetzt erst - viel zu spät - hört die Vertuscherei auf. Schon allein aus diesem Grund hat der Rechtsstaat Schaden gelitten. Wenn sich die ersten Indizien weiter erhärten, dann muss man allerdings sagen: Nein, Deutschland war über Jahre in einer ganzen Region kein Rechtsstaat mehr.


Wolfgang Maul antwortete am 26.11.00 (11:47):

Wer sich über den derzeitigen Stand informieren möchte, dem sei folgender Artikel von SPIEGEL ONLINE empfohlen:

Späte Zeugen

Jahrelang ignorierte die Polizei beim Tod eines Sechsjährigen Indizien für ein Verbrechen. Jetzt wurden drei Tatverdächtige verhaftet. Ihnen werden Kontakte zur Neonazi-Szene nachgesagt.

https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,104823,00.html

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,104823,00.html)


Heidi Lachnitt antwortete am 26.11.00 (20:43):

Warum so allgemein, Manfred?

.."Für oder gegen sie spricht genau so viel, wie für die so wunderbar in die derzeitige politische Landschaft passende Mordthese."..

Würdest Du einer "unwissenden" Frau diesen Satz einmal näher erläutern?

--

aufgefallen:
Gerade in den Nachrichten - heute fand in Sebnitz ein ökumenischer Gedenkgottesdienst statt - UNTER POLIZEISCHUTZ!!!


Manfred Franz antwortete am 27.11.00 (06:59):

Schlimm, dass schon kirchliche Veranstaltungen vor dem braunen Mob geschützt werden müssen.
Aber ebenso schlimm ist, dass sich eine große Zahl unserer Bürger zu Vorverurteilungen hinreißen lässt. Falschen Verdacht aussprechen, das ist mindestens genau so schlimm wie der in seiner Folge wachsende Hang zur Selbstjustitz. Es ist doch durchaus denkbar, dass die Polizei die Falschen verhaftet hat. Das wäre doch nicht das erste Mal? Oder?
Und mit der politischen Landschaft meine ich, dass es eben viele, zuviele gibt, die sich verbal auf die Neonaziscene stürzen, weil das jetzt von jedem anständigen Menschen so erwartet wird, die aber wegsehen und noch nicht einmal ihr Handy nutzen, wenn sich die braunen Glatzen auf Menschen stürzen. Und noch einmal: Ich bin nicht die Untersuchungsbehörde! Eine auch nur andeutungsweise behauptete Sympatie gegenüber dem braunen, glatzköpfigen Mob lasse ich mir nicht nachsagen, nur weil ich lieber Tatsachen als Presseberichten glaube. Ich kann mich nur an das halten, was verö


Heidi Lachnitt antwortete am 27.11.00 (08:09):

Nun, Manfred - ich kann nur nach Deinen Beiträgen urteilen - in Deinem vorausgegangenen gibt es nur zwei Sätze die Deine Einstellung zu den Geschehnissen ausdrückt. Der Rest besteht aus Angriff und Unterstellungen denen gegenüber die in einem hohen Maße von den Ereignissen in Sebnitz betroffen sind und sich entsprechend äußern.

Vornehme Zurückhaltung hat schon in früheren Zeiten dazu geführt, dass eben die, die diese Zurückhaltung nicht übten Macht gewannen.

Der Bürger heutzutage möchte ja auch viel lieber hören, dass alles zum Besten ist in unserem Lande. Wir müssen schon Farbe bekennen, wenn wir eine Wiederholung der Geschichte verhindern wollen. Das hat nichts mit einer "Modeerscheinung" zu tun. Und - ich werde nicht wegschauen, wenn ich gewaltsame Übergriffe mit ansehen muss, brauche dafür kein Handy - bis die Polizei kommt ist sowieso alles zu spät - jeder von uns hat eine Stimme zum Schreien und notfalls auch Arme und Beine. Der "braune Mob" ist (noch) feige - wer weiß wie lange noch.


Manfred Franz antwortete am 27.11.00 (12:42):

Das Letzte stimmt. Falls die wieder an der Macht sind, sind auch die Einzelnen wieder "mutig". Z.Z. sind sie es nur in der Anonymität ihrer Masse. Aber welche Unterstellungen und Angriffe meinerseits meinst Du? Nur weil für mich Tatsachen mehr zählen als die Ansichten anderer Leute? Das Recht nehme ich mir schon heraus, SELBST zu entscheiden, was ich für richtig und wahr halte, und wie ich darauf zu reagieren habe. Im konktreten Fall kann ich mich nur wiederholen: Ehe nicht amtlich geklärt ist, ob es überhaupt ein Mord war und wer ihn verübt hat, werde ich mich zu DEM Thema nicht wieder äußern.


Martin antwortete am 27.11.00 (13:15):


Zitat:

"Dresden (dpa) - Die im Fall des sechsjährigen Joseph wegen Mordverdachts verhafteten zwei Männer und eine Frau kommen wieder auf freien Fuß. Das teilte die Staatsanwaltschaft mit. Man habe beim Amtsgericht die Aufhebung der Haftbefehle beantragt und sofortige Freilassung angeordnet. Der dringende Tatverdacht habe nicht aufrechterhalten werden können. Grund sei die Vernehmung eines Hauptbelastungszeugen. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen würden sich insgesamt Zweifel ergeben, hieß es."

Schlimm ist, dass wir in einem Staat leben, in dem die Meldung über die Ermorderung eines Ausländerkindes so plausibel klingt, dass die Mehrheit der Presse sofort darauf anspring. Hysterie war aber noch nie ein guter Ratgeber.


Heidi Lachnitt antwortete am 27.11.00 (21:05):

Wie schön! - Jetzt ist ja alles wieder in Butter. Die bösen Rechtsradikalen waren es ja garnicht - die Zeugen haben gelogen und wer weiss denn überhaupt genau was da passiert ist. - Sind doch nur ein paar Hysteriker und die bösen Medien die die Sache hochgepeitscht haben. Legen wir uns alle wieder zurück in unsere Sessel vor der Glotze und geniessen wir die nächste Sensation, die bestimmt noch kommt. Die Presse wird die nächsten gewaltsamen Übergriffe der Rechtsradikalen und Neonazisten wieder brav unter 'ferner liefern' in kleinen Artikelchen bringen und wir können alle sanft weiter schlafen.
- bis das bittere Erwachen kommt, aber dann ist es zu spät!


Heidi Lachnitt antwortete am 27.11.00 (21:34):

Übrigens -- der kleine Joseph ist tatsächlich tot! Und das ist tatsächlich ein Problem für die Eltern des Jungen - seit drei Jahren!! - Damit wir das wenigstens nicht vergessen.


Karl antwortete am 27.11.00 (22:26):

Liebe Heidi,

ich weiss nicht was passiert ist. Ich habe Mitleid mit dem toten Jungen, verstehe das Leid der Eltern, aber ich habe auch Mitleid mit den offensichtlich zu Unrecht Beschuldigten. Eines so grässlichen Verbrechens beschuldigt zu werden ist auch grässlich. U.U. ist jetzt das Leben auch dieser Menschen zerstört.

Rechtstaatlichkeit ist schwer. Bedeutet eben nicht Lynchjustiz. Ich stimme Martin deshalb voll zu. Hysterie und Lynchjustiz der Zeitungen und Stammtische ist zu verurteilen.


Wolfgang Maul antwortete am 27.11.00 (23:07):

Lieber Karl... die Masstäbe scheinen völlig verloren gegangen zu sein. An dem kleinen Joseph wurde höchstwahrscheinlich Lynchjustiz betrieben. Und der Rechtsstaat wurde seit drei Jahren mit Füssen getreten. Und das von den Behörden, die ihn eigentlich schützen sollten und nur dem Recht gehorchen sollten. So ist schwerer Schaden entstanden am Rechtsstaat. Jetzt erst, nach Presseberichten, Druck der Öffentlichkeit und Bemühen der Mutter des Jungen, jetzt erst, viel zu spät, werden Ermittlungen aufgenommen, drei Jahre nach der Tat. Wer hat noch Vertrauen in die Objektivität der regionalen Ermittlungsbehörden? - Ich und viele andere nicht mehr.


Heidi Lachnitt antwortete am 27.11.00 (23:15):

"Wer hat noch Vertrauen in die Objektivität der regionalen Ermittlungsbehörden? "

Ich nicht!


Karl antwortete am 28.11.00 (00:12):

Hallo Wolfgang,

es ist sehr schlimm, was vorgefallen ist. Niemand bezweifelt das und die Schuldigen müssen bestraft werden. Ich glaube aber, dass in einem Klima, in dem viele für das Entsetzlichste sofort die Schuldigen kennen, es schwer wird die Schuldigen zu finden. Ich lese in allen seriösen Zeitungen, dass der Fall ungeklärt ist und doch bist Du Dir in Deinem Urteil so sicher - das stört mich.


Manfred Franz antwortete am 28.11.00 (06:32):

Einige sind ja ganz schön sauer auf die Ermittlungsbehörden, nur weil die bisher nicht die ihnen genehme Lösung fanden. Sollen die nun Stammtisch- und Medienparolen stützen oder die Wahrheit finden? Und wenn es nun gar kein Mord war, schon gar keiner mit rechtradikalem Hintergrund? Wer stellt die Ehre der Sebnitzer Bevölkerung und vor allem die der unschuldig Inhaftierten wieder her? Seid ihr dann auch so aktiv? Oder ist das nicht so schlimm, ist ja nur ein kleines ostsächsisches Städtchen!
Und auch die Meinung des von seiner Kirchenbehörde gemaßregelten Pfarrers ist nicht von der Hand zu weisen: Ich hätte ein derartig kleines Kind jedenfalls auch nicht allein in ein Spaßbad gelassen! Aber da bin ich vielleicht zu altmodisch. Nun, ja.


Wolfgang Maul antwortete am 28.11.00 (10:21):

So kann man es hindrehen, Manfred... aber viele Menschen sind sauer auf die Ermittlungsbehörden, weil sie drei Jahre lang nicht ausreichend und nicht ernsthaft und schon gar nicht in rechtsradikalen Kreisen ermittelt haben. Dabei wurden den Ermittlungsbehörden von der Münchener Rechtsanwaltskanzlei Bossi (im Auftrag der Eltern) und von westdeutschen Instituten eine Menge Beweise zur Verfügung gestellt, die einen Mordverdacht mit rechtsradikalem und fremdenfeindlichen Hintergrund gerechtfertigt haben.

Die Sächsische Schweiz und Sebnitz - diese "kleine ostsächsische Städtchen" - gelten seit Jahren als rechtsradikale Hochburg und werden mit schöner Regelmässigkeit im Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen unrühmlich erwähnt. Vor diesem politischen Hintergrund und aufgrund des Verhaltens der regionalen Ermittlungsbehörden sagen viele Menschen (und ich auch): Das Vertrauen in den Staat ist uns abhanden gekommen. Dass diese Behörden ein Interesse daran haben könnten, die Wahrheit zu finden, das glauben wir in der Tat nicht mehr.


creativepartners@t-online.de antwortete am 28.11.00 (10:37):

Lieber Karl... genaues Nachlesen bewahrt vor Irrtümern: Ganz SICHER bin ich mir darin, dass bei den Ermittlungen von den Behörden geschlampt wurde. Warum sie das taten und wer dies so angeordnet und zu verantworten hat, das muss - neben dem eigentlichen Tatgeschehen - zusätzlich aufgeklärt werden. Auch bin ich mir SICHER, dass dem Rechtsstaat durch das Verhalten staatlicher Institutionen schwerer Schaden entstanden ist.

Es wäre für den Rechtsstaat förderlich, wenn man jetzt den regionalen Behörden die Untersuchungen aus der Hand nehmen und sie der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übertragen würde. Auch die politisch Verantwortlichen in der sächsischen Regierung sollten sich unangenehmen Fragen stellen. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtages müsste sich der Sache annehmen.


Wolfgang Maul antwortete am 28.11.00 (10:40):

Sorry... der Beitrag davor ist natürlich von mir... ich habe nur meine E-Mail-Adresse ins falsche Feld geschrieben.


Lisa Lehnert antwortete am 28.11.00 (21:41):

Lieber Wolfgang, Du bist offensichtlich ein Mensch, der das Kind mit dem Bad ausschüttet. Du warst schon fertig mit dem Urteil, bevor die Untersuchung begann. Es hat offensichtlich eine qualitativ unbefriedigende Untersuchung damals gegeben. Das ist zu verurteilen und daß wir dies offen und öffentlich so sagen dürfen ist auch Zeichen für einen Rechtsstaat und nicht selbstverständlich in unserer Welt Ich bin mit Dir einer Meinung, daß jetzt, sofern es die Gerichtsbarkeit erlaubt dieser Fall von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe weiterverfolgt wird. Aber wegen dieses Falles den gesamten Staat, den Rechtsstaat in Frage zu stellen, ist doch reichlich übertrieben.


Ricardo antwortete am 29.11.00 (17:14):

Ich muß bekennen, daß es mir am Anfang so ging wie vielen von euch, ich nahm die Berichte für bare Münze und nun stellt sich heraus, daß der ursprünglich gehegte Verdacht immer mehr verblasst und der Fall neue Rätsel aufgibt.
Wir sollten daraus die Lehre ziehen, daß wir in Zukunft fair bleiben sollten gegenüber den Institutionen, die sich um Klärung bemühen und nicht vorschnell urteilen.

Wir leben in einem Rechtsstaat, gottseidank....


Heidi Lachnitt antwortete am 30.11.00 (21:26):

"Schlimm ist, dass wir in einem Staat leben, in dem die Meldung über die Ermordung eines Ausländerkindes so plausibel klingt, dass die Mehrheit der Presse sofort darauf anspringt. ..."

Mir geht dieser Satz von Martin (27.11) nicht aus dem Kopf. Wenn ich ihn nicht total falsch verstanden habe, bedeutet das, dass sich in unseren Köpfen das Wissen um die Existenz der "braunen Gefahr" bereits festgesetzt hat und "schlimm ist", dass dieses Wissen bei "OttoNormalverbraucher" relativ wenig auslöst.

Sicher, bei Meldungen wie der obigen kocht die Volksseele schon mal ein bißchen hoch, aber letztendlich verlässt sich doch fast jeder darauf, dass der "Staat" es schon richten wird und nach ein paar Tagen ist alles vergessen.

Der "Staat" das sind Menschen - ob Legislative, Judikative oder Exekutive -überall sitzen nur Menschen unterschiedlichster Coleur.

Mir gelingt es beim besten Willen nicht, diesen Menschen das absolute Vertrauen entgegen zu bringen, wie es bei manchen hier den Anschein hat.

Der "Fall Joseph" wird vermutlich nie restlos aufgeklärt werden. Was bleibt ist ein schlechter Geschmack im Mund und das Wissen um Ohnmacht und Hilflosigkeit.


Wolfgang Maul antwortete am 01.12.00 (01:47):

So sehe ich das auch, Heidi... vielleicht noch pessimistischer. Hier wird vieles unter den Teppich gekehrt. Alle Ermittlungen konzentrieren sich zur Zeit darauf, die Mutter der Lüge zu überführen, und die eigenen Behörden reinzuwaschen.

Wer ermittelt gegen die Ermittler?


Manfred Franz antwortete am 02.12.00 (07:23):

Den "Deutschen" werden ja gern alle möglichen negativen Eigenschaften angedichtet, obwohl es DEN Deutschen ebenso wie DEN Ausländer gar nicht gibt. Aber hier scheint sich wieder einmal ein besonders feiger "einfacher Deutscher" hinter der Maske der Anonymität eingeschlichen zu haben und wild um sich zu schlagen. Ich bin schon aus dem Grunde dafür, jedwede anonymen äußerungen gnadenlos zu löschen! Wir leben als freie Bürger in einem freiem Land. Meinungsfreiheit gibt es für Alle. Aber nicht die Freiheit, andere ungestraft zu beleidigen oder in den Dreck zu ziehen. Ich bin auch nicht mit ALLEN äußerungen der Forumteilnehmer einverstanden. Muss ich deshalb anonym bleiben, wenn ich widerspreche?


Ricardo antwortete am 02.12.00 (08:45):

Lieber Manfred Franz
Auch ich bin der Meinung, dieser Beitrag des "einfachen Deutschen" gehört herausgenommen, da er unfaire Beschimpfungen enthält und anonym eingestellt wurde.
Er wird daher gelöscht.


Ilse Fahl antwortete am 02.12.00 (21:44):

Hallo, Manfred, hier hast Du mir zutiefst aus der Seele gesprochen! Ich dachte, daß das hier anders gesehen würde! Ich bin der Meinung, jeder hat ein Recht darauf die merkwürdigsten Gedanken einzubringen! Aber er sollte Mut genug haben, ehrlich sich dazuzustellen! Vielleicht ist das, was er äußern möchte ja doch ein Beitrag, über den wir nachdenken möchten,mit ihm darüber - und zwar durchaus auch mal friedlich!! -uns auseinandersetzen! Nur im offenen Gespräch kann ich auch mein Falschverständnis erkennen, wenn mein Gesprächspartner recht überzeugend für mich seine
Gedanken darstellt, daß man daran erkennt, ob die eigene Meinung mich doch mehr überzeugt oder ich das Bedürfnis habe, aufgrund von Erkenntnissen meine Meinung zu ändern! Derlei Gespräche können doch nur weiterführen und zwar jeden Beteiligten! Das wäre doch anzustreben! Aber dazu gehört Offenheit und nicht ein Versteckspiel, was nie weiter begründet werden kann!


Heidi Lachnitt antwortete am 03.12.00 (20:27):

Die Unwissenden

Es heißt
die von nichts
gewußt hatten
waren naiv

Im Gegenteil
Es war damals
sehr praktisch
von nichts zu wissen

Und später dann
war es weise
von gar nichts
gewußt zu haben

Nur Dummköpfe
oder Narren
versuchten
alles zu wissen

Und die Suche
nach Wissen
brachte viele von ihnen
ums Leben

Drum fehlen uns jetzt
diese Dummköpfe
und diese Narren
so bitter

Erich Fried

Heidi Lachnitt (Dummkopf und Närrin)


Jürgen Hild antwortete am 04.12.00 (22:34):

Durch Zufall bin ich in dieses Forum gekommen. Also ich bin der Meinung, daß die BRD schon lange kein Rechtsstaat mehr ist. In einem Rechtstaat gilt bei Straftaten die Unschuldsvermutung und von daher wäre es nicht möglich, bei vermutlich "rechten Gewalttätern" die bei anderen Straftätern übliche Formulierung "von den mutmaßlichen Tätern" einfach zu ignorieren. Hier stehen die Täter als böse Deutsche (Neonazis) schon von vornherein fest, man muß ihrer nur noch habhaft werden. Ein Rechtsstaat würde es auch nicht zulassen, daß eine ganze Stadt wegen der haltlosen Vorwürfe einer seelisch kranken Frau an den Pranger gestellt wird, als sei hier eine Ansammlung von Scheusalen vorhanden. Abgrundtief widerwärtig das Verhalten einzelner Regierungsmitglieder, die das Schicksal des kleinen toten Jungen von Sebnitz dazu benutzt haben, eine Hetze gegen alles zu betreiben, was politisch nicht "links" ist. Ich jedenfalls habe mich darüber gefreut, daß von den "fünfzig Neonazis", die laut BILD den kleinen Jungen "grausam misshandelt und ermordet" haben sollen, keiner mehr übrig geblieben ist. Eigentlich sollte sich jeder anständige Deutsche darüber freuen können, denn unser Ansehen im Ausland wäre weiter gesunken. Und das wollen wir doch alle vermeiden.


Wolfgang antwortete am 05.12.00 (01:14):

Jürgen... damit Sie gleich am Anfang wissen, dass wir - Sie und ich - nichts, aber auch nichts gemeinsam haben, hier ein einführender Satz: Ich antworte Ihnen nicht als "anständiger Deutscher", sondern als Mensch, der sich seine Gedanken gemacht hat.

Der tote Junge aus Sebnitz - Joseph - ist unter bis jetzt ungeklärten Umständen ums Leben gekommen. Ob es ein Mord war - zudem einer mit fremdenfeindlichem Hintergrund - ich weiss es nicht. Tatsache ist, dass erst aufgrund der Initiativen der Mutter und der Presse sich die regionalen Behörden dazu bequemt haben, ein ordentliches Ermittlungsverfahren in die Wege zu leiten. Was dabei herauskommt, werden wir erleben. Ich habe - je länger das Ermittlungsverfahren dauert, desto mehr - meine Zweifel, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Dies hat nichts mit einem Links-Rechts-Gegensatz zu tun. Eher schon mit einem West-Ost-Gegensatz.

Ihr Beitrag ist ein Schlag ins Gesicht des Rechts. Es geht nämlich nicht um unser "Ansehen im Ausland" oder darum, ob über die Entwicklung des Falles "sich jeder anständige Deutsche [...] freuen" könnte. Es geht einzig und allein darum, ob Joseph ermordet wurde oder nicht. Und wenn ja, von wem und aus welchen Motiven.

Zweifelsfreie Antworten auf diese Fragen stehen noch aus.


Martin antwortete am 05.12.00 (08:13):

Hallo Wolfgang,


immerhin klingt Dein letzter Satz schon anders als Dein erster Beitrag. Jürgens Kommentar kann man doch nicht so einfach wegwischen. Es ist an diesem Fall vieles erschreckend: der Tod des Kindes, die Ermittlungspannen, die Hysterie und Vorverurteilungen aufgrund haltloser Vorwürfe einer kranken Frau (nur weil sie in die politische Landschaft passen). Der Rechtsstaat ist nicht tief in den Menschen verwurzelt. Am liebsten würden sie immer gleich aufhängen (symbolisch gesprochen, ich weiss dass Du nicht für die Todesstrafe bist, ich auch nicht). Zum Rechtsstaat gehört auch, dass man sich darüber freuen kann, dass die Justiz Unschuldige wieder laufen lässt, obwohl die Öffentlichkeit Opfern sehen will.


Heidi Lachnitt antwortete am 05.12.00 (08:20):

"...aufgrund HALTLOSER VORWÜRFE einer kranken Frau... " ???

Vorverurteilung! Nichts ist bewiesen, das eine nicht und das andere nicht.


Manfred Franz antwortete am 05.12.00 (20:03):

Interessant! Immerhin verteidigen jetzt auch die, die es zuerst ganz genau wussten, die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung. Und sind plötzlich gegen Vorverurteilungen. Recht so! Ihr seid lernfähig!


Heidi Lachnitt antwortete am 05.12.00 (22:04):

Danke, Manfred... Matürlich bin ich lernfähig und
ich suche immer nach "Wissen" (s.o.)!
Daher ist mir auch aufgefallen, das jemand in einem Satz die "Vorverurteilung" verurteilt und im gleichen Satz selbst "vorverurteilt"!
Ich gehe davon aus, dass auch Du "lernfähig" bist und die Texte nochmals genau liest.


Jürgen Hild antwortete am 06.12.00 (14:24):

Lieber Herr Maul, daß Sie Wert darauf legen, mit mir politisch nichts gemein zu haben, das interessiert in diesem Forum sicherlich niemanden. Denn daß ich aus einem anderen politischen Blickwinkel meine Kritik am "Rechtsstaat" Deutschland ansetze, ist ja wohl aus meinem Beitrag deutlich erkennbar. Auch habe ich ganz bewußt den "anständigen Deutschen" dazu aufgerufen, sich im Hinblick auf unser Ansehen im Ausland über die Entwicklung im Fall des kleinen Joseph zu freuen. Jetzt distanzieren Sie sich aber wieder von diesem Begriff, obwohl Sie an anderer Stelle expressis verbis zum "Aufstand der Anständigen" aufgerufen haben. Sehr eigenartig und unehrlich dieses Verhalten!
Noch etwas zur BILD-Zeitung: BILD hat sich schon öfters mit erlogenen Horrorgeschichten hervorgetan. Man reibt sich die Augen, wie ausgerechnet "Linke", die sonst Stein und Bein schwören, daß BILD ein Schwindelblatt sei, von dieser schrecklichen Zeitung in Sachen Sebnitz alles für bare Münze genommen haben. Was hier von einem Massenblatt veranstaltet wurde, müßte eigentlich vor Gericht als Volksverhetzung abgeurteilt werden. Mit dem Fall Sebnitz bricht die "Kampagne gegen Rechts", die im Kielwasser des Düsseldorfer "Nazi-Bomben-Attentats" (Zitat BILD) angezettelt worden ist, moralisch in sich zusammen. Es ist beschämend, wie in verbrecherisch demagogischer Absicht aus dem leidvollen Schicksal von Menschen politisch Kapital geschlagen wird.


Ilse W. antwortete am 09.12.00 (11:46):

Stichwort BILD: Es ist gut 30 Jahre her, da wurde sie mit dem Aufmacher "Walter Ulbricht gestürzt" den Straßenhändlern aus der Hand gerissen. Fakt war, daß Ulbricht über eine Stufe gestolpert war. Manfred Krug zitiert in seinen TV- manchmal die "Blöd-Zeitung" - und sie hat in Deutschland die größte Auflage, gibt das nicht zu denken?


Johannes Michalowsky antwortete am 13.12.00 (19:16):

Liebe Ilse W.,

mich stört, daß Du hier und in einigen anderen Diskussionsbeiträgen weder deinen vollen Namen nennst noch Deine eMail-Adresse bekannt gibst. Ich denke, es erfordert nicht sehr viel Zivilcourage, sich zu dem, was man / frau hier äußert, zu bekennen. Andernfalls wäre es bessert, wenn Du Dich an den Diskussionen hier nicht beteiligst.

(Internet-Tipp: https://www.aktion-zivilcourage.de/)