Übersicht Archiv "Politik und Gesellschaft"

THEMA:   Ist der ein 'Kulturpessimist', der die westliche Kultur kritisiert?

 14 Antwort(en).

Wolfgang begann die Diskussion am 26.10.02 (17:59) mit folgendem Beitrag:

In einem anderen Thema wurde der Begriff genannt: 'Kulturpessimismus'. Es ging darum, dass die Wirtschaft und die Politik des 'Westens', vor allem die der USA, seiner selbsternannten Führungsmacht, als nicht nachhaltig und damit als nicht zukunftsfähig kritisiert oder sogar grundsätzlich in Frage gestellt werden.

Es geht weiter darum, dass Zweifel geäussert werden, ob der 'westliche' Weg, der uns ziemlich viele Probleme geschaffen hat, ein Beitrag zur Lösung eben dieser Probleme ist oder sein kann. Viele (ich auch) meinen mittlerweile, dass der 'westliche' Weg nicht Teil der Lösung sein kann, sondern das eigentliche Problem ist.

Wenn man also den 'westlichen' Weg kritisiert oder grundsätzlich in Frage stellt (und es tun dies mittlerweile viele Menschen weltweit), ist man dann ein 'Kulturpessimist'?


schorsch antwortete am 26.10.02 (18:26):

Besser ein Kulturpessimist, als einer, der seine Fahne nach dem gerade stärksten Wind richtet....


Karl antwortete am 26.10.02 (19:38):

Hallo Wolfgang,

wenn der Glaube an die Reformierung des "westlichen Weges" nicht mehr vorhanden ist, dann blickt man m.E. für die Zukunft der Kultur und Zivilisation, wie wir sie kennen, pessimistisch in die Zukunft.

Wir sollten hier aber nicht gefahrlaufen, in eine rein semantische Diskussion einzusteigen. Wichtig ist, welche Perspektiven konkret man für die Zukunft sieht und welche Politik man deshalb konkret unterstützen möchte.

Mit freundlichen Grüßen

Karl


Wolfgang antwortete am 26.10.02 (21:10):

Alles klar, Karl, sehe ich auch so... Es geht mir nicht um Semantik. Ich werde noch ausführlicher auf konkrete Perspektiven eingehen. Nur heute abend nicht. Bin etwas kaputt und werde gleich vor dem Fernseher einschlafen. ;-)

Viele Grüsse... Wolfgang. :-)


Barbara antwortete am 26.10.02 (21:33):

Im Internet habe ich eine Erklärung des Begriffes "Kulturpessimismus" gefunden:

>>Kulturpessimisten erwarten den nahen Untergang ihrer Kultur oder sind von ihr enttäuscht, weil sie den eigenen Ansprüchen nicht genügt. Hinter dem Kulturpessimismus (zum Beispiel in der Weimarer Republik) steckte oft die mangelnde Bereitschaft, eine gesellschaftliche Veränderung zu akzeptieren.<<

Ich denke, ein Kritiker möchte auf Fehlentwicklungen hinweisen. Er möchte etwas zum Guten hin verändern. Ein Pessimist läuft Gefahr, vor Verzweiflung zu resignieren.

Warum mischen wir im Senioren-Treff mit? Weil wir total resigniert haben? Nein!
Wir glauben, dass man durch sachliche Informationen Menschen wachrütteln kann, Ihnen die Augen öffnen kann. Gerade auf diesem Gebiet bietet das Internet hervorragende Möglichkeiten.

Internet-Tipp: https://www.attac-netzwerk.de/esf/


mechtild antwortete am 26.10.02 (22:18):


Unsere Kultur geht zwar nicht unter, aber sie ändert sich. Wir leben nicht mehr nur in der christlichen Kultur. Die Welt ist „kleiner“ geworden. Die verschiedenen Kulturen nähern sich an. Das ist schön aber auch beängstigend. Viele haben Angst ihre Identität zu verlieren. Das führt dazu, dass man sich stärker abgrenzt. Der westliche Weg ist keine Begriff, der inhaltlich etwas aussagt. Die westliche Kultur ist sehr vielschichtig und man kann sie nur geographisch klar abgrenzen. Inhaltlich ist es kaum möglich. Die CDU hat mit dem Begriff „Leitkultur“ sehr viel Kritik geerntet. Wir müssen diese Diskussion führen. Kultur muss mehr beinhalten als nur die Esskultur, obwohl die für mich sehr wichtig ist. Gemeinsam kochen und gemeinsam essen verbindet.


Felix antwortete am 27.10.02 (01:22):

Darf ich noch einen andern Ausdruck in die Diskussion einbringen ... den Ethnozentrismus?
Das Problem hat ja vorallem damit zu tun, dass wir von unserer Kultur auf andere schliessen. Man nennt das Ethnozentrismus. Viele Fehlbeurteilungen kommen zustande, weil man ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass die eigene Kultur die höhere und wahre sei. Ein typisches Beispiel ist die Postulierung einer "Leitkultur"!


Wolfgang antwortete am 27.10.02 (15:20):

Naturwissenschaftliche Erkenntnisse, schnell umgesetzt in technische Anwendungen (soweit sie militärisch nutzbar und/oder profitabel sind), sind ein typisches Merkmal des 'westlichen Weges'. Solche 'Fortschritte' sind Segen und Fluch zugleich. Nehmen wir ein konkretes Wissenschaftsprogramm: Virenforschung... Noch konkreter: Forschung rund um den Polio-Virus...

Die einen sind erpicht darauf, gefährliche Viren zu vernichten, die anderen basteln unterdessen neue Exemplare im Labor. In diesem Sommer wurde die Sensation verkündet: Einer Gruppe von Wissenschaftlern der State University of New York war es erstmalig gelungen, ein funktionsfähiges Virus künstlich zu erschaffen. Dabei handelt es sich ausgerechnet um den Erreger, den die WHO gerade verzweifelt versucht auszurotten: Das Polio-Virus.

Interessant ist auch, wie die Idee künstlicher Viren entstand... Einer aus der Forschergruppe, der Chemiker ECKARD WIMMER, plauderte aus dem Nähkästchen... Man sei zusammengesessen mit Leuten aus dem Pentagon (!) und habe gesponnen und sich gefragt, ob nicht irgendwelche böse Terroristen auf die Idee kommen könnten, künstliche Viren zu basteln und diese freizusetzen. Nun, das habe er, Wimmer, dann versucht. Innerhalb von zwei Jahren war er so weit: Der erste künstlich erzeugte Virus ward 'geboren'.

Jetzt hat man mindestens ein weiteres Problem am Hals: Bisher konnte man davon ausgehen, dass der natürliche Virus ausgerottet oder stark eingedämmt kein nennenswertes Unheil mehr anrichten kann. Der neue künstliche Virus dagegen kann nicht mehr ausgerottet werden, denn die Informationen, wie er herzustellen ist, sind nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Auf Festplatten, CDs oder Papier gebannt oder in den Hirnen von Wissenschaftlern präsent, lässt sich der künstliche Polio-Virus beliebig oft und an jedem beliebigen Ort der Welt mit relativ geringem Aufwand und relativ wenig Sachverstand 'zusammenbasteln'. Keine Macht der Welt wird das Wissen um diesen Virus (andere sind in Planung) wieder weg kriegen. Auf den Gebrauch (manche nennen es 'Missbrauch') dieser Höllentechnik werden wir nicht lange warten müssen.

Internet-Tipp: https://www.ecotrip.de/


Hans-Jürgen antwortete am 27.10.02 (16:10):

Wie sehr sich unsere deutsche Kultur seit ihrem Neubeginn nach dem Ende der Nazi-Barbarei im Laufe weniger Jahrzehnte verändert hat, kann man zum Beispiel an der Präambel des Grundgesetzes erkennen, in der es heißt: "Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen ... " Eine solche Formulierung in einem Staatsdokument wäre heute wohl kaum noch möglich. Ich wage zu bezweifeln, daß dies eine Verbesserung darstellt. In unserer Zeit berufen sich die meisten nicht mehr auf eine höhere Autorität, auf übergeordnete Maßstäbe, machen, was sie wollen und für richtig halten und werden dadurch nicht selten unglücklich.

Hans-Jürgen


Karl antwortete am 27.10.02 (17:04):

Hallo Wolfgang,

ich habe erstmals deine Webseite "Ecotrip" in die Tiefe studiert. Kompliment!


Mit freundlichen Grüßen

Karl


Nienenueteli antwortete am 28.10.02 (18:02):

Hallo Wolfgang

Ich habe leider nur kurz in die Webseite "ecotrip" geschnuppert. Habe im Moment viel zu tun.

Das Thema, das Du anschneidest, wird ja immer aktueller.

Ich glaube, dass der westliche Weg ins Chaos, in Krieg und Unterdrückung führt, sollte sich nicht die Richtung ändern.
Es wäre schön, würden mehr Menschen die Zeichen der Zeit erkennen.

Solange mit dem Oel noch so viel Geld verdient werden kann, wird man so schnell nicht auf alternative Energien umsteigen. Und wie früher schon bemerkt: die, welche die Welt verändern könnten, werden es nicht tun, seien sie noch so "idealistisch", "links", "Bürgernah", "Grün" oder was auch immer.
Sobald sie die ersten "Cüpli" getrunken haben, riechen sie die grosse reiche, bessere Welt, an der sie teilhaben können und bald sind sie im Korruptions- oder sonstigem Sumpf erloschen.

Das einzige, was der grossen Masse noch bleibt, ist die Welt zu gestalten in den Möglichkeiten, die man (noch) hat. Wahlen, Konsum, Abstimmungen. Protest gegen Menschenverachtenden und -vernichtenden Methoden, wie sie zur Zeit von Ost wie West praktiziert werden.

Auch ich glaube, die Welt im Umbruch, wie er jetzt anfängt, wird total interessant - mehr noch: elektrisierend.
Keiner weiss noch, in welche Richtung sich das entwickelt.
Meiner Ansicht nach wird es noch viel Leid für viele geben, bis es überstanden ist, und sich die neue, bessere Welt für unsere Nachkommen öffnet.

Erwin Laszlo (im Buch "Das dritte Jahrtausend") ist diesbezüglich "optimistisch". Er glaubt nicht, dass die Menschheit als eine Fossilie versteinert... sondern, dass wir mit den raschen Informationen rasch genug reagieren können, um umsere Spezies doch noch zu retten.
Wir werden sehen :-)

Internet-Tipp: https://www.jungewelt.de/2002/09-06/017.php


Wolfgang antwortete am 29.10.02 (02:24):

Wichtig ist, Nienenueteli, dass wir unsere Hoffnungen und unseren Humor nicht verlieren, trotz allem Pessimismus, was den 'westlichen Weg' anbetrifft, und unabhängig vom Alter jung im Herzen bleiben und nicht 'versteinern', wie so viele so gut wie tote Menschen, die sich gerne hier in den Foren als 'Optimisten' ausgeben und doch nur den status quo behalten möchten. :-)

Internet-Tipp: https://www.ecotrip.de/


Jean antwortete am 29.10.02 (15:58):

Die USA geben in diesem Jahr mehr als 900 Mio. US-Dollar täglich für Rüstung aus. Schon ab 2003 werden es täglich mehr als 1.000 Mio. US-Dollar pro Tag sein und nach derzeitiger Planung soll bis 2007 diese Summe auf über 1.200 Mio. US-Dollar täglich anwachsen. Demgegenüber betragen die Entwicklungshilfeausgaben der USA magere 9,95 Mrd. US-Dollar für das ganze Jahr 2002.

Anders ausgedrückt: Die Ausgaben für die Beherrschung der Welt übersteigen die Aufwendungen für die Bekämpfung des Elends in der Welt um etwa das Sechsunddreißigfache.

für die Europäische Union sehen die entsprechenden Zahlen zwar bei weitem nicht so obszön aus, haben aber ähnliche Relationen. So beträgt zum Beispiel der deutsche Militäretat mit rund 25 Mrd. Euro etwa das Sechseinhalbfache des Entwicklungshilfeetats, der gerade einmal rund 4 Mrd. Euro erreicht.

Die "westliche Kultur" ist vor allem Kriegskultur. Wenn diese Kriegskultur dereinst untergeht, wird weltweit gejubelt werden.


Nienenueteli antwortete am 29.10.02 (16:04):

Leserbrief von Anas Karameh in www.spiegel.de

03:45pm Oct 29, 2002 CEST (#5 of 6)
Täglich werden ca. 35'000 !! (am falschen Ort geborene) Kinder durch Stellvertreterkriege, Landminen, Hunger und Mangel an einfachsten Medikamenten getötet. Beschränkte oder gar uneingeschränkte Solidarität mit diesen Kindern? Fehlanzeige.

Das Falsche an dem Antiamerikanismusvorwurf
In einer Zeit, in der jede Kritik an der derzeitigen amerikanischen Politik mit der Keule des Antiamerikanismusvorwurfs zum Schweigen gebracht wird, müssen einige Punkte ins rechte Licht gerückt werden.

Was wird eigentlich am meisten kritisiert?

Das Einsetzen von Gewalt zur Durchsetzung von politischen Zielen
Das Verwenden von doppeltem Maßstab in der Nahostpolitik
Die Zusammenarbeit mit totalitären Systemen
Das Fördern von Gewalt durch Unterstützung von Untergrundgruppierungen
Das Missachten von internationalen Vereinbarungen zum Umweltschutz
Das Verhindern von weltweiter für alle Staaten gleichermaßen geltender Kontrolle der Labors zur Herstellung von ABC-Waffen
Das Verhindern der Verfolgung von Kriegsverbrechern, das für alle Staaten dieser Erde und ihren Staatsbürger gleichermaßen gilt

Wer übt hier überhaupt Kritik aus?

In erster Linie Menschen- und Bürgerrechtsgruppen in den USA, Europa und dem Rest der Welt
Intellektuelle aus der ganzen Welt
Von dieser Art Außenpolitik Betroffene aus der ganzen Welt
Leise aber immer noch, hin und zu, Politiker aus Europa, Lateinamerika, Asien und Afrika
Nichtstaatliche Friedens- und Umweltschutzgruppen überall auf der Welt

Wer wirft den Kritikern der US-amerikanischen Politik Antiamerikanismus vor?

Die US-amerikanisch dominierten Massenmedien
Rechte Politiker und Intellektuelle in den USA und Europa
Die "BILD-Zeitungen" in ihren vielen Erscheinungsformen und -sprachen in Europa und Amerika


Nienenueteli antwortete am 29.10.02 (16:05):

Leserbrief Teil II

Nicht die Amerikaner werden kritisiert, sondern die Außenpolitik der amerikanischen Administration. Nicht das "American Way of Life" wird kritisiert, sondern seine Darstellung als das Beste auf der Welt ja sogar als das einzig richtige.

Die meisten Kritiker der US-amerikanischen Außenpolitik haben auf jeden Fall große Achtung vor Duzenten Millionen US-Bürgern, die gegen das Anzetteln von Kriegen sind. Die jetzt gegen einen sinnlosen Krieg auftreten, genauso wie viele andere vor ihnen ein paar Jahrzehnte früher gegen den Vietnamkrieg und gegen das Wettrüsten auftraten.

Die meisten Kritiker der US-amerikanischen Außenpolitik solidarisieren sich mit jenen Amerikanern, die sich um ihre hart erkämpften Bürgerrechte sowie um ihre Steuergelder und deren Verwendung Sorgen machen.

Die meisten Kritiker der US-amerikanischen Außenpolitik bewundern die Fähigkeit dieses Landes, Menschen aus dem ganzen Planeten aufzunehmen und denen neue Chancen zu geben, sich selbst zu verwirklichen und ein neues Leben aufzubauen, das diesen Menschen in ihren ursprünglichen Heimatländern aus verschiedenen Gründen unmöglich war.

Alles in allem handelt es sich nicht um Antiamerikanismus, sondern um berechtigte Kritik gegen Ungerechtigkeit, Hab- und Machtgier sowie Gefährdung und Vergeudung der Lebensgrundlage nachkommender Generationen. Dies sind bei Gott, nicht ausschließlich die Kennzeichen der US-amerikanischen Politik, andere Länder tun es auch und würden es anstelle der USA in der gleichen Art machen. Allerdings kein Land auf diesem Planeten hätte einerseits soviel Macht, um es sich leisten zu können, ungerecht, macht- und habgierig zu verhalten, andererseits kein Land hätte es auch leichter gehabt, genau dies zu verhindern und Gerechtigkeit und Gleichheit zwischen allen Menschen sowie den sorgsamen Umgang mit den Ressourcen dieser Erde durchzusetzen.

Die wahre Größe liegt nicht an der Stärke des einzelnen, sondern vielmehr daran, dass man sich trotz der unermesslichen Stärke gerecht verhält.

Seit dem Moment, an dem unsere Spezies gelernt hat, auf zwei zu gehen, bestimmt die Sippe mit den dickeren Keulen über die anderen und unterjocht sie. Der Tag (möge die Menschheit ihn überhaupt erleben), an dem dies nicht mehr geschieht, beherbergt eine der wichtigsten Mutation seitdem es unsere Art gibt.