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THEMA:   Fussballbestechungsskandale

 5 Antwort(en).

Emil Wachkopp begann die Diskussion am 26.09.02 (01:22) mit folgendem Beitrag:

Wenn ein sich mal überlegen tut, wieviel Geld heute ein Fussballverein blechen muss, bloss um mal ein lausiges Fussballspiel gewinnen zu dürfen, denn ist ein einfachen Mann mit mittleres Einkommen wie Emil Wachkopp ganz aus die Verfassung gebracht.
Das ist nümlich noch gar nicht so lange her, da musste Marseille mehrere Millionen an den Russen zahlen, damit sie ein entscheidendes Spiel etwas höher gewinnen durften.
Aber denn muss ich auch löblich erwähnen, dass da war auf den Russen voll Verlass. Der hat alle Tore vertragsgemäss reingelassen, wie das vorher abgesprochen worden ist. Und so ist das immer schon in Russland gewesen: Wenn genug Bestechungsgelder da sind, denn fluppte zwar die Wirtschaft immer noch nich, aber wenigstens schon mal die Wirtschaftsdiplomatie.
Aber man kann doch büschen vergnattert werden, wenn man mal an denken tut, dass heut für nix nie kein Geld nicht da ist und für die fussballerische Diplomatie sind denn plötzlich wie von nirgendwo her unbegrenzte Summen da.
So war das früher nicht, weil früher war alles viel besser. Wenn wir damals in unseren Dorfverein mal einen Sieg brauchten, weil man ja nicht gern absteigen will, denn brauchten wir die höhere Diplomatie gar nich. Paar Kästen Bier für die Jungs vom Gegner und der Klassenerhalt war gesichert.
Manchmal war das aber auch so, denn forderten die auch noch 30-40 Buddels Kööm. Aber das betrachteten wir denn meist als – wenn man sich so ausdrücken darf – als bäuerlich undiplomatischen Fehlzug. Ich mein, man soll doch sein Gegner nich so offen auf schwache Punkte in die eigene Mannschaft aufmerksam machen. Gegen solche Süffel kommt man nämlich meist auch ohne diplomatische Zwischenverhandlungen aus, wenn die denn so und so bloot noch över‘n Platz rümtorkeln.
Wenn ich das spitz kriggt heff, dass die Jungs von die Art waren, denn bün ik am Abend vor das Spiel in ihr Clubhaus hin und hab sie auf Vereinskosten zum Saufen eingeladen. Das war gar nich so teuer wie man vielleicht glaubt: Paar Bier musste ich sie ausgeben und denn konnten sie auch schon ganz von allein weiter saufen.
Ich weiss heut noch ein Spiel, das war gegen einen Lübecker Verein, da haben die Saufbolde in die zweite Halbzeit alle unsere Tore geschossen, weil die gar nich mehr begreifen konnten, dass man in die zweite Halbzeit in die andere Richtung daddeln muss. Und wir standen bloss da und haben uns gewundert, wann die wohl den Irrtum entdecken würden. Eigentlich hätte ja ihr Torwart die Meuterei entdecken müssen. Aber der lag da schon auf die Torlinie und hat sich den Rausch ausgepennt.
Und denn haben die sich auch noch das Haun gekriegt, weil die Verteidiger den Irrtum entdeckt hatten, ihre Stürmer sie das aber nicht abnehmen wollten. „Nie mehr wedder na Lübeck hen“, hebbt wi uns do seggt. Wenn du di so een Dörchenanner lang genug mit ankieken deist, denn weisst Du selbst bald nich mehr wo oben und unter, hinten und vorne is. Aber Spass gemacht hat das, auch wenn der Sieg nich so durch eigenes Können erreicht wurde.


Emil Wachkopp antwortete am 26.09.02 (01:24):

Ja, so war das damals noch und das hat meistens gut gegangen. Das konnte höchstens denn mal knifflig werden, wenn alle anderen Mannschaften, die auch von den Abstieg bedroht waren, auf die gleiche Idee gekommen sind. An solche Tage hätte man tippen müssen, weil da war Geld zu holen, denn alle schlechten Vereine haben gewonnen und alle guten verloren. Und geholfen hat das die Unteren in die Tabelle überhaupt nicht. Die Dorffussballexperten haben denn natürlich nichts begriffen. Aber Emil hat begriffen, weil die haben sich alle die Kästen immer von mir besorgen lassen, weil ich in die Brauerei, wo ich gearbeitet habe, Rabatt bekommen habe. Und ich wusste ja auch immer wo die hin waren, weil ich sie selbst geliefert hab. Und wo Emil geliefert hat, da hat es Niederlagen gehagelt. Wenn einer also richtig tippen wollte, der hätt er nur hinter Emils Lieferwagen herfahren und ihn belauern müssen.
Manchmal war das aber auch so, denn sind zwei abstiegsbedrohte Mannschaften aufeinander getroffen. Ja denn war das ganz schlimm. Da wurde denn so geholzt und gesäbelt, dass der Fussball von das ganze Gemetzel am wenigsten abgekriegt hat. Ja der ist manchmal noch gar nicht angerührt worden, da lagen schon die ersten fünf, sechs K.O. auf den Acker. Ich weiss noch ein Spiel, da musste der Unfallwagen immerzu kommen. Manchmal hatte der Fahrer Glück, weil denn konnte er gleich mehrere auf einmal mitnehmen. Aber wenn er Pech hatte, denn musste er immer hin und her zwischen unser Dorffussballplatz und das städtische Krankenhaus. Kaum hatte er jemand eingeliefert, da wurde er auch schon wieder gerufen. Und wenn sich denn die Zuschauer auch noch das Kloppen kriegten, denn musste der Fahrer auch noch moralische Erwägungen auf hohen metaphysischen Niveau machen: Wen nimm ich nu zuerst mit? Die Spieler oder die Zuschauer? Meist hat er denn die Spieler zuerst mitgenommen, weil ein Zuschauer kriegt man immer schnell mal wieder und denn ist ihre Anzahl ja auch nicht regelrecht festgesetzt. Aber eine Mannschaft ist immer elf Mann. Ohne elf Mann ist das keine richtige Mannschaft nicht. Also hat er denn immer nach das utilitaristische Prinzip gehandelt. Drei Zuschauer auf ein Spieler oder sowas.
Ja, so ist das nu mal, wenn man das letzte Spiel der Säsong unbedingt gewinnen muss gegen eine Mannschaft, die auch unbedingt gewinnen muss. Ich wollt bloos sagen: Da ist ja auch gar keine rationale Lösung möglich.
Ja das war ein ganz schlimmes Spiel an den Tag. Das hat ja auf diese Grantacker immer so fürchterlich gestaubt und deswegen ist mir – und wohl auch den Schiedsrichter – das meiste vom Spiel entgangen. Aber da muss in die staubige Anonymität so rumgeholzt worden sein, dass nach fünf, sechs Minuten war die Hälfte von jede Mannschaft verletzt ausgeschieden und die andere Hälfte wegen ungebührliches Geholze vom Platz gestellt. Da war denn bloss ich noch nach und einer von die andere Mannschaft. Aber wir waren beide Torhüter und deswegen sind wir mit die ungewohnte Situation gar nicht richtig zurande gekommen. Wir haben uns nur immerzu gegenseitig belauert, bis der Schiedsrichter – als sich der Staub gelegt hatte – den Quatschkram abgepfiffen hat. Die Punkte wurden übrigens ganz freundschaftlich geteilt, denn das Spiel endete 0-0 und beide Mannschaften sind abgestiegen. Der Ball lag übrigens immer noch auf dem Anstosspunkt. Der ist das ganze Spiel über überhaupt nicht angerührt worden. Und das ist natürlich auch wieder büschen gediegen, denn das Spiel heisst zwar „Fussball“, aber bei entscheidende Abstiegsspiele wär damals auf das Dorf auch ohne Ball immer gut Auskommen gewesen.


:) antwortete am 26.09.02 (03:11):

mann, nun bin ich aber beruhigt.

so wie's aussieht ist in Deutschland auch nicht alles Gold, was glaenzt.


susanna antwortete am 26.09.02 (17:35):

@ Emil

Es ist ein grosses Vergnügen zu lesen, was dir im Leben alles begegnet ist, zumal du immer den Finger am Puls der Zeit hast und hinter die "Kulissen" schaust.

Mich würde mal interessieren, obwohl ich von Fussball nichts, aber von Geld viel verstehe, was du als Kenner der Szene von dem 45 Mio. teurem Rinaldo hälst, der sich nun ausruhen kann, weil er "aua" im Knöchel hat:-))))


susanna antwortete am 26.09.02 (17:35):

@ Emil

Es ist ein grosses Vergnügen zu lesen, was dir im Leben alles begegnet ist, zumal du immer den Finger am Puls der Zeit hast und hinter die "Kulissen" schaust.

Mich würde mal interessieren, obwohl ich von Fussball nichts, aber von Geld viel verstehe, was du als Kenner der Szene von dem 45 Mio. teurem Rinaldo hälst, der sich nun ausruhen kann, weil er "aua" im Knöchel hat:-))))


Emil Wachkopp antwortete am 27.09.02 (04:56):

Ich muss wohl büschen widerwillig eingestehen, dass ich, als ich noch ein aktiven Fussballer war, nich ganz von das selbe Kaliber war wie der Rinaldo. Mal'n Buddel Beer, mehr hat man damal in mir und meine Zukunft nich investieren wollen. Aber SOVIEL schlechter als wie der Rinaldo war ich -laut meine damalige Frau- denn doch wieder nich, dass sich solche Unsummen, wie sie an den Rinaldo vergeudet werden, rational begründen lassen täten. Emils Meinung is die: Kein Mensch kann in eine vernünftige Gesellschaft mit eine vernünftige Wirtschaftspolitik einen solchen materiellen Wert haben. Und denn muss man ja auch noch an denken: Ob ich 1 000 000 oder ob ich 1000 000 000 Euro verdiene: Keine von die beiden Summen macht mich zu einen besseren Fussballspieler. Un denn mutt man sik jo ook noch fragen: Wie verhält sich egentlich der menschliche Wert, den ein jeden Menschen haben sollte, zu solche fiktiven materiellen Werte und wie beeinflusst der letzte den ersten?
Ich verlier leider an Fussball alle Lust, wenn ich von solche irrsinnigen Geschäftemachereien hören tu.