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THEMA:   Wo ist er denn?

 1 Antwort(en).

Johannes Michalowsky begann die Diskussion am 10.09.02 (08:46) mit folgendem Beitrag:

Vor etwa einem Jahr sind US Streitkräfte ausgezogen, um Bin Laden in Afghanistan zu fangen. Als Zusatzziel galt es, das Land von der Herrschaft der Taliban zu befreien und dort endlich wieder friedliche und stabile Verhältnisse herzustellen.

Was von diesen Zielen erreicht worden oder besser nicht erreicht worden ist, braucht man sicher nicht zu erwähnen.

Ich hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, daß das Hauptziel der US Politik aber war, eine militärisch gesicherte Machtposition im Nahen Osten unter dem Vorwand der Terroristenjagd aufzubauen, mit dem sich diese Politik leicht verkaufen ließ.

So, wie die Lage jetzt sich weiterentwickelt, kann man sich in dieser Einschätzung nur bestärkt fühlen.


Wolfgang antwortete am 11.09.02 (09:05):

"Wo ist er denn?" - fragst Du, Jo... Ich möchte mit Gegenfragen antworten: Ist das so wichtig für die USA, wo er ist? Ist es wichtig, ob er überhaupt noch am Leben ist?

Meine Antwort: Das ist völlig unwichtig im derzeitigen wirklichen und politischen Spiel rund um den "Krieg gegen den Terrorismus"... Die Bush-Krieger brauchten und brauchen ein vorzeigbares Symbol, um - wenn es ihnen schon an der Legalität mangelt - ihren lange vorher geplanten Kriegen ums Öl einen dünnen Mantel von Legitimität umzuhängen... So, wie jede Marketingkampagne rund um ein Produkt einen leicht assozierbaren Produktträger braucht... Eben ein Symbol, das für etwas anderes steht.

Ich möchte aus einem SPIEGEL-Gespräch mit BRENT SCOWCROFT - einem Berater des US-Präsidenten - zitieren, das knapp über 14 Tage nach dem 11.09.2001 geführt wurde, kurz vor dem Angriff der USA auf Afghanistan:

Scowcroft: [...] Aber es gibt natürlich in Amerika das Bedürfnis nach einem Militärschlag als Antwort auf die schrecklichen Angriffe. Diese Erwartung muss irgendwie erfüllt werden. Aber ich warne vor hochfliegenden Hoffnungen: Selbst wenn es möglich wäre, den Aufenthaltsort von Osama Bin Laden herauszufinden, selbst wenn eine Spezialtruppe ihn gefangen nehmen könnte - das würde das Problem nicht lösen.

SPIEGEL: Weil Bin Laden als zentrale Figur des Terrorismus überschätzt wird?

Scowcroft: Vermutlich. In Wahrheit wissen wir nicht besonders viel über ihn. Er ist eine, aber vielleicht nicht einmal die zentrale Figur in einer sehr losen Koalition von Zellen und Gruppen, die manchmal autonom, manchmal gemeinsam operieren. Er ist zu einem nützlichen Symbol geworden. [...]

SPIEGEL: Glauben Sie denn, es sei gar nicht entscheidend, ob ihm Anstiftung oder Inspiration für die Anschläge in Amerika nachzuweisen ist?

Scowcroft: Ich persönlich zweifle nicht an seiner Verantwortung. Aber vermutlich macht es keinen Unterschied, ob er wirklich dahinter steckt oder nicht.

Quelle...
"Ein nützliches Symbol" - General a. D. Brent Scowcroft über den Krieg als untaugliches Mittel gegen Terroristen und die Jagd auf Bin Laden
DER SPIEGEL - Nr. 40 / 01.10.01 - S. 170-172

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