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THEMA:   Rückkehr zum alten Namen "Königsberg"

 18 Antwort(en).

york v. begann die Diskussion am 29.07.02 (18:40) mit folgendem Beitrag:

Bürgerinitiativen in Kaliningrad stellen jetzt die Rückkehr zum alten Namen Königsberg zur Diskussion.Das ist gut so.
Diese Region ist nämlich in einem desolaten Zustand.
Total verarmt,von Aids Tuberkulose,Alkoholismus,Rauschgiftmißbrauch und grenzüberschreitenden Kriminalität heimgesucht.Die Russen haben in den letzten Jahren keine vernünftige Perspektive entwickeln können.Weder als "Sonderwirtschaftszone" nochals "Militärstützpunkt" ist eine Lösung in Sicht,sondern nur eine Vereinbarung zwischen der EU in Brüssel und Russland.
Die neue Regierung ab dem 22.09 muss nun auch in dieser Hinsicht in Brüssel mal vorstellig werden.
Viel Zeit bleibt nicht,denn bis 2004 mit dem Beitritt von Polen und den baltischen Staaten muss eine einvernämliche Lösung gefunden werden.
Eine Namensgebung für Königsberg würde vielleicht Wunder wirken,und so manchen Investor aus der EU dazu bringen in die neue Region zu investieren.
Diese Land und deren Menschen gehören doch nun auch zu Europa.
Gruß York


WANDA antwortete am 29.07.02 (18:52):

York@ wir sind uns immer dann begegnet, wenn es um Kulturgüter ging. Natürlich würde die Namensgebung Königsberg Wunder wirken, dies sollte so schnell wie möglich geschehen, solange Leute, wie Du und ich noch leben.


Erich antwortete am 29.07.02 (19:26):

In Kaliningrad läuft seit dem 4. Juli 2002 eine Unterschriftensammlung, um der Stadt ihren alten Namen Königsberg zurückzugeben. Zu den Initiatoren gehört Jurij Nuschtajew, der der Bürgerinitiative "für Königsberg" vorsteht. In einer Erklärung verweist die Initiative darauf, daß auch andere Städte in Rußland ihren historischen Namen zurückerhalten haben und sich von Stalin-Mittätern als Namensgeber trennen konnten.

Kalinin, nach dem die preußische Stadt zur sowjetischen Zeit benannt wurde, war einer von Stalins Handlangern.

Darüber darf aber nicht vergessen werden, daß Ostpreußen deutsches Land ist, das wieder zu Deutschland kommen muß.


Johannes Michalowsky antwortete am 29.07.02 (20:40):

Wenn man das so sieht wie "Erich", dann müßte auch Schlesien und Pommern wieder deutsches Gebiet werden, denn so gut wie Ostpreußen sind auch dieses deutsches Land. Und über Oberschlesien müßte man sich zumindest einmal unterhalten, vielleicht sogar über Westpreußen.

Die vor rund 50 Jahren geschaffenen Fakten mögen Manchem immer noch nicht in den Kopf, aber ich denke, EU-Mitgliedsländer sind kein Ausland mehr. Z.B. das seinerzeitige Südtirol-Problem hat sich doch auch weitgehend erledigt, oder sehe ich das falsch? Insofern haben sich so manche Grenzfragen und chauvinistischen Gelüste in Europa erledigt.

Das zum Thema Ostpreußen, denn Kaliningrad ist nur ein Teil, ein kleiner, des ehemaligen Ostpreußen, für den sicher eine Lösung gesucht und gefunden werden sollte.

Ich darf vielleicht bemerken, daß, wie mein Name vermuten läßt, meine Vorfahren aus jener Gegend stammen.


e k o antwortete am 29.07.02 (21:12):

Die Rückkehr zum alten Namen Königsberg hielte ich für eine feine Sache und wäre nur recht und billig.

Ganz anders verhält es sich mit den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Diese zurückzufordern halte ich für Traumtänzereien, zumal die 57 Jahre seit dem Ende des letzten Krieges nicht spurlos daran vorübergegangen sind. Wer wohnt denn heute dort? Deutsche? Doch sicher nicht. Und wer wollte denn dort wieder hinziehen? Das wären sicher nur ganz wenige und die wären auch bitter enttäuscht, weil sich dort so gut wie kein deutsches Leben mehr erkennen ließe.

Das Nazi-Deutschland hat diese Gebiete verspielt, damit muss man sich abfinden. Und in einem mehr und mehr grenzenlosen Europa ist es doch zweitrangig,, wo nationale Grenzen verlaufen. Da kann ich Johannes nur zustimmen. Alles andere bringt uns nur Ärger ein.


Johannes antwortete am 29.07.02 (21:36):

Warum ist die Rückkehr zum Namen recht und billig? Dann müßte Breslau auch wieder Breslau heißen, Küstrin müsste zu Küstrin zurückkehren, Bromberg zu Bromberg usw.

Den heutigen Einwohnern in Königsberg wird das deutsche Wort nichts sagen, wenn sie es nicht erklärt bekommen. Wer Kalinin war, werden bei uns nicht viele Leute wissen, und das es ist eigentlich auch nicht unser Problem, wie man dort mit der politischen Hinterlassenschaft der Sowjetunion umgeht.

Und warum verhält sich das mit den ehemaligen deutschen Ostgebieten - der Name ist eine Verschleierung der Tatsache, daß auch dort Deutschland gewesen war - anders? Nur weil in dem einen Gebiet Russen und in dem anderen jetzt Polen leben?


WANDA antwortete am 29.07.02 (21:52):

Das würde auch nur Ärger bringen und ist nicht angebracht.
Aus Schlesien stammend, erkenne ich an, dass das jetzt Polen ist. Voriges Jahr war ich für 4 Tage in Sagan- vom Hotel aus wollte man mir - da ich z.B. nach dem alten Friedhof fragte - einen Fremdenführer verpassen. Als ich klipp und klar sagte, dass ich das ablehne, da ja hier beheimatet, wurde das anerkannt. Im Schloss gab es nur eine Führung für Touristen aus Ungarn. Dem Bürgermeister erklärte ich, dass ich kein ungarisch kann und gern allein durch die Hallen wandeln würde, auch das wurde akzeptiert.
Mit Genugtuung konnte ich immer wieder feststellen, dass man mich für eine Polin hielt, es gibt dort kaum Touristen und schon gar nicht Alleinreisende und wenn ich reden musste, war ja sowieso alles klar.


viv antwortete am 30.07.02 (00:06):

Meint Ihr, Probleme liessen sich durch eine Namensänderung lösen?

Wenn die Bewohner zu einem "Königsberg" zurückkehren möchten, sollen sie darüber abstimmen. WIR haben damit nichts, aber auch gar nichts zu tun.


WANDA antwortete am 30.07.02 (08:37):

@viv, ich meine schon, dass York mit seinem letzten Absatz richtig liegt.


sofia204 antwortete am 30.07.02 (10:53):

das ist wieder so ein "Denkübergriff"


schorsch antwortete am 30.07.02 (14:14):

Namen sind Schall und Rauch. Glaubt da wirklich jemand, eine Namensänderung könnte einen einzigen Menschen resp. dessen in Generationen erworbenen Fatalismus ändern?


e k o antwortete am 30.07.02 (20:20):

Naja, also "Probleme" lassen sich mit einer Namensänderung natürlich nicht ändern, "Schall und Rauch" sind sie aber auch nicht gerade.
Aus Stalingrad wurde Wolgograd, aus Leningrad wurde St.Petersburg, warum sollte aus Kaliningrad nicht wieder Königsberg werden ?
Wo liegt das Problem ?


Johannes Michalowsky antwortete am 30.07.02 (22:25):

Aus Leningrad wurde nicht St. Petersburg, das sagen nur wir, so wie wir Mailand und nicht Milano zu sagen pflegen, sondern es wurde daraus Petrograd.

Königsberg ist für die heutigen dortigen Einwohner ein unverständliches Fremdwort. Ich sage immer, die vor Ort Anwesenden müßten es am besten wissen bzw. entscheiden. Was geht uns das - noch - an?


WANDA antwortete am 31.07.02 (12:47):

Milano ist Mailand, das ist ganz etwas anderes.


Fred Reinhardt antwortete am 31.07.02 (14:02):

@Hallo Wanda, @ Hallo York.
Es verbietet euch doch niemand Königsberg anstatt Kaliningrad zu sagen. Wir sagen doch auch Prag, Brünn und Iglau und die Tschechen sagen Praha, Brno und Jihilava. In dieser Reihenfolge könnte ich mit meiner Aufzählung von unterschiedlichen Städtenamen weitermachen.
Ein Wunder in Kaliningrad können nur Menschen vollbringen,
die mit sehr viel Geld, Idealismus und Ausdauer sich dort ansiedeln, und den dort lebenden Menschen ein Auskommen zu sichern.
Gruss Fred


e k o antwortete am 31.07.02 (20:49):

Im Grunde ist mir das eigentlich auch sch..egal, ob St.Petersburg oder Petrograd, ob Kaliningrad oder Königsberg. Ich habe keinen Vor- und keinen Nachteil davon.

Das Land ( und diese Stadt) ist für Deutschland verloren, das ist eine unumstössliche Tatsache und eigentlich sollte man daran auch nichts mehr verändern wollen.

Und wie die dort wohnenden Menschen ihre Stadt nennen wollen, ist allein deren Sache. Ich hätte Königsberg schön gefunden, aber, was solls, mein Herzblut hängt da nicht dran.

Bei näherem Nachdenken kommt mir das Ganze sowieso vor, als ob man eine Leiche ausgraben wollte.

Da fällt mir eben noch ein: Gestern morgen sah ich im Morgenmagazin ( jaja, ab und zu schaue ich morgens schon ins Fernsehen!) eine Reportage über Breslau und da erzählte die polnische Interviewpartnerin ( in gutem Deutsch, notabene) von den Ängsten der dort lebenden Polen, dass Deutschland ihnen diese Stadt wieder wegnehmen könnte.

Ich denke, wir sollten bei solchen Diskussionen schon sehr behutsam sein.


Johannes antwortete am 31.07.02 (21:58):

Was Eko da eben gesagt hat, kann ich ergänzen: Ich hatte einen guten polnischen Freund und dortigen Berufskollegen gehabt, der mir erzählte, daß man in Polen ganz aufgeregt würde, wenn man im Deutschen Fernsehen die Wetterkarte sehen würde. Damals war nämlich dort Deutschland noch in den Grenzen von 1937 zu sehen.

Der Gewöhnungsprozess bei uns war auch nicht sehr schnell, aber nun sollte man bei uns wissen, daß es im Russischen den Buchstaben Ö - gebraucht in Königsberg - überhaupt nicht gibt.


WANDA antwortete am 01.08.02 (19:09):

Die Polen, die ich kenne, sind selbstbewusst, von Angst vor Wegnehmen kann da überhaupt keine Rede sein. Die freuen sich, wenn sie sich mit Deutschen über die Vergangenheit unterhalten können. In Sagan half ich einem Historiker bei seiner Diplomarbeit.
Der Hinweis, dass es im russischen kein ö gibt, ist das peinlichste, was ich hier je gelesen habe.


York v. Selasinsky antwortete am 02.08.02 (23:34):

Natürlich lassen sich durch eine evtl.Rückbenennung in den Namen Königsberg nicht die enormen Probleme lösen,die dieses Fleckchen auf Europas Landkarte zu bewältigen hat.
Aber wenn sich die Menschen dort bei einer Volksabstimmung dafür entscheiden sollten,wäre es für die demokratische Selbstfindung nur nützlich für deren Zukunft.
Warten wir mal erstmal das Ergebnis ab....vielen Dank für alle ,die sich an der Diskussion beteiligt haben.
Gruß York