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THEMA:   Ich wär so gerne Millionär (Realsatire)

 11 Antwort(en).

Annett Blunk begann die Diskussion am 17.07.02 (10:58) mit folgendem Beitrag:

"Ich wär so gerne Millionär", mit dieser Zeile fängt das gleichnamige, bekannte Lied der Gruppe Prinzen an. In Deutschland hat man die besten Chancen, obgleich Konjunkturflaute und Rezession in der Wirtschaft vorherrschen, dieses Ziel zu erreichen. Laut einer aktuellen Studie des Investmenthauses Merrill Lynch ist die Anzahl der Millionäre allein in Deutschland auf rund 730.000 Dollar-Millionäre angestiegen, europaweit auf 2,5 Millionen.

Wer nun glaubt, Millionär zu sein ist einfach, wird bitter enttäuscht. Wissen Sie eigentlich, welche Probleme ein Millionär hat ? Ein Millionär will seine Millionen vermehren, das gibt Sicherheit. Jeden Tag wird er sich dieser Herausforderung neu stellen, seine Gedanken umkreisen seine Millionen, wie die Planeten die Erde. Die Umlaufbahn muß auf Profit ausgelegt sein. Immer größer und weiter, um den gewünschten Effekt zu erzielen und die Gier nach mehr zu befriedigen. Sicher verwahrt, zinsbringend angelegt, steuerfrei schwarz verschoben, alles muß wohl bedacht sein, damit ja keiner da ran kann. Das kostet Kraft und Nerven, bringt Streß, zieht Nervosität und Magendrücken nach sich, Schlafstörungen inklusive. Da kann man ja nur krank werden. Die Seele leidet. "Mit wem kann ich denn meine Millionen teilen, ohne den bösen Hintergedanken, nur ausgenutzt zu werden ? Wem kann ich vertrauen ? Was werde ich mit all meinen Millionen machen ? Zum Ausgeben viel zu schade. Zum Abgeben erst recht nicht, und schon gar nicht freiwillig." Der Kreis der ausgewählten "Umgangsklientel" ist zwar begrenzt, doch bei den fabelhaften Prognosen über die steigende Tendenz der Millionäre wird in den nächsten Jahren ein regelrechter Millionärswahn ausbrechen. Fraglich ist nur, wie hoch der Anstieg der Sterblichkeitsrate bei Millionären sein wird aufgrund obig genannter Krankheitssymptome, aber keine Angst, für qualifizierten Nachwuchs scheint reichlichst gesorgt zu sein.

Woher kommen denn all die Millionäre, die wie Pilze aus dem Boden schießen ? Zuerst einmal gibt es die Superreichen, Großkapitalmagnaten, die mit ihren Firmen durch gnadenlose Ausbeute sich den durch Lohnarbeit der Arbeitnehmer erwirtschafteten Mehrwert als Gewinn in die Tasche streichen und schmarotzerhafte Nutznießer finanzamtlich geförderter steuerlicher Verlustabschreibungen sind. Es ist nur eine Spezi, die sich vorzugsweise im edlen Club des Arbeitgeberverbandes formiert und ihre Interessen pflegt.

Aufgrund der Länge des Beitrages und der Begrenzung in diesem Forum, finden Sie den kompletten Beitrag auf unserer Website unter "Tierische News", wenn Sie möchten.

(Internet-Tipp: https://www.doginstinkt.de)


schorsch antwortete am 17.07.02 (11:08):

"Was würden Sie tun, wenn Sie eine Million hätten?"

"Dann müsste ich mich wohl ein bisschen einschränken....!"


bernhard antwortete am 17.07.02 (19:38):

Die Probleme hätte ich gern.


Karl antwortete am 17.07.02 (19:42):

Hallo Annett,


ich kann die pauschale Beschimpfung der Arbeitgeber nicht nachvollziehen. Arbeitgeben ist zunächst etwas Positives und es muss sich lohnen, sonst macht es niemand.

Das sind Denkschemata von vorgestern.


schorsch antwortete am 18.07.02 (11:25):

Ist denn der "Arbeit-geber" nicht derjenige, der ein Produkt herstellt und seinem Dienstherrn/Lohngeber gegen ein Entgelt über-gibt?
Natürlich ist ein humaner Lohngeber kein Ausbeuter. Aber jene, die einen Betrieb mit fremden Geldern so weit expandieren, bis er platzt. Die Angestellten werden entlassen und der Lohnherr sucht seine versteckten Millionen zusammen....


seewolf antwortete am 19.07.02 (02:59):

... jeder sollte sich selber "Arbeit geben" - dann bräuchte keiner zu maulen !

... aber wer nicht mehr kann oder will, als "Arbeit zu nehmen" - der möge mit dem zufrieden sein, was er findet !


Wolfgang antwortete am 22.07.02 (14:08):

Mit der Sprache und mit Sprachregelungen kann man so viel machen... Zum Beispiel, die Wirklichkeit schön reden.

"Arbeitnehmer" bzw. "Arbeitnehmer" sind Begriffe von gestern... Wie das schon klingt... So muffig... Es dreht sich doch um Investitionen...

Ein Kapitalist, pardon, ein "Arbeitgeber" investiert, um zu verdienen... Aus Geld soll mehr Geld werden... Also investiert er in Grundstücke und Gebäude, Verfahren, Maschinen, etc. und eben auch in Proletarier, pardon, in "Arbeitnehmer", noch besser, in Menschen, ganz genau aber in die Arbeitskraft dieser Menschen. Er kauft die Arbeitskraft und erwirbt damit das Recht zur Nutzung derselben.

"Humankapitalinvestor" (DETLEF GÜRTLER) ist doch ein schön klingendes Wort... "Arbeitnehmer" gehören zum (Human-)Kapital... Sie selbst wären entsprechend dieser Sprachregelung dann "Humankapitalinvestitionen" ;-)

Neue Begriffe braucht das Land
Eine Einführung in das ökonomische Vokabular des 21. Jahrhunderts.
Von DETLEF GÜRTLER
Arbeitnehmer, Nationalökonomie, Share-Holder-Value - mit diesen Begriffen können wir die neue Zeit nicht fassen - und somit auch nicht verstehen. Wir brauchen neue Begriffe. Es wird Zeit, den Duden zu erweitern.
https://www.changex.de/d_a00235.html

(Internet-Tipp: https://www.changex.de/d_a00235.html)


Karl antwortete am 22.07.02 (18:36):

Hallo Wolfgang,


ich glaube Du wirst der Sachlage überhaupt nicht gerecht, wenn Du einen Arbeitgeber mit einem Investor gleichsetzt.

für mich ist ein Arbeitgeber oder Arbeitschaffer jemand, der eine zündende Idee hat, für die er Menschen benötigt, um sie umzusetzen. Es reicht ja nicht Geld zu haben, dass man investieren kann. Es gehört eine Geschäftsidee dazu. Geld verdienen kann ein Unternehmer nur, wenn er etwas unternimmt, das andere bereit sind mit Geld zu vergüten.

Ein reiner Investor muss keine eigenen Ideen haben, er hängt sich an einen Unternehmer dran, der die zündende Idee hatte, jetzt aber Kapital benötigt, um sie umzusetzen.

Klar ist, ohne Unternehmer keine Arbeit, bestenfalls würden wir alle unseren Acker bestellen oder Früchte sammeln.

Mit freundlichen Grüßen

Karl


Wolfgang antwortete am 22.07.02 (20:23):

Dein Unternehmerbegriff, Karl, ist auch schon ziemlich angestaubt... Solche Unternehmer gab es im 19. Jahrhundert und mit dem Ende ihres Jahrhunderts sind sie nach und nach ausgestorben.

Heute werden die entwickelten Volkswirtschaften von grossen nationalen oder multinationalen global agierenden Unternehmen bestimmt. Unternehmer, wie Du sie beschreibst, findet man allerhöchstens noch (!) im Bereich der Metzgereien, Bäckereien oder Imbissbuden o. ä. (was nicht gegen ihre Berechtigung spricht und auf keinen Fall etwas über ihr unternehmerisches Können aussagt).

Die wirtschaftliche Welt hat sich gewandelt... WILHELM RIEGER, einer der älteren Ökonomen, dessen Werk ich sehr verehre, hat diese dramatischen Veränderungen der wirtschaftlichen Welt und der Unternehmungen und der Unternehmer in seinem Buch "Einführung in die Privatwirtschaftslehre" (Nürnberg, 1928) schon sehr früh beschrieben oder sogar vorweggenommen:

"Die Unternehmung ist eine Veranstaltung zur Erzielung von Geldeinkommen - hier Gewinn genannt - durch Betätigung im Wirtschaftsleben. Wenn wir also von einem Zweck der Unternehmung reden, so kann es nur dieser sein, Gewinn zu erzielen, und zwar für den Unternehmer. Die Aufgabe oder Tätigkeit [...] ist für sie oder besser für die Unternehmer ausschliesslich Mittel zum Zweck."

Und weiter:

"Dass eine Unternehmung sich als Aufgabe die Versorgung des Marktes [auch des Arbeitsmarktes] setzt, ist eine ganz unmögliche Vorstellung. [...] Man ist versucht, zu sagen: Die Unternehmung kann es leider nicht verhindern, dass sie im Verfolg ihres Strebens nach Gewinn den Markt versorgen muss."

Dass man, will man aus Geld mehr Geld machen, auch Ideen haben muss, ist klar... Aber, wer meint, es gehe um die Ideen, hat das System "Kapitalismus" nicht begriffen. ;-)


schorsch antwortete am 23.07.02 (16:21):

Oder mit anderen Worten: "Es ist leider nicht zu verhüten, dass wir auf dem Wege des Erfolges so lästige Hindernisse wie z.B. Arbeiter und Konsumenten in Kauf nehmen resp. überwinden müssen!"


Wolfgang antwortete am 24.07.02 (08:54):

Genau das ist es, Schorsch... Das ist auch der Grund, warum Unternehmen versuchen, "biologische Agenten" (Synonym für "Menschen") durch künstliche Agenten zu ersetzen... Die Anwendungsgebiete sind Legion... Schon in vielen Produktionsbereichen wirst Du keine oder kaum noch arbeitenden Menschen finden.

Das hat damit zu tun, dass künstliche Agenten durchschnittlich berechenbarer, ausdauernder, belastbarer, mit weniger Fehler behaftet und widerspruchsloser sind. Damit wird eine kostengünstigere Produktion möglich.

Da für den Unternehmer (oder seiner "Agenten" *fg*) im Mittelpunkt seiner Überlegungen der Gewinn steht und alle anderen von ihm eingesetzten Produktionsfaktoren Mittel zum Zweck sind, wird er ständig bestrebt sein, effizienter und produktiver zu werden... Früher hat man das mit Menschen realisiert, zunehmend werden diese aber obsolet.

Als Konsumenten braucht man (noch) Menschen, als Produzenten haben sie ihre dominierende und damit privilegierte Position lange schon verloren oder wurden sogar schon ins Abseits gedrängt.

Knowbotic Interface Projekt
Agenten Paradigmen und Knowbots
https://www.inm.de/kip/general/paradigms.html

(Internet-Tipp: https://www.inm.de/kip/general/paradigms.html)


Wolfgang antwortete am 24.07.02 (09:01):

Noch ein interressanter Link...

SPIEGEL ONLINE
Werden die Maschinen menschlich?
https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,k-1726,00.html

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,k-1726,00.html)