Übersicht Archiv "Politik und Gesellschaft"

THEMA:   Hartz, aber herzlich

 4 Antwort(en).

Annett Blunk begann die Diskussion am 16.07.02 (20:47) mit folgendem Beitrag:

Bei den Themen "Arbeit" und "Arbeitslosigkeit" scheint einem nicht geringen Teil der Bevölkerung das logische Denken abhanden zu kommen. Zumindest legt das Ergebnis einer im Auftrag des "Kölner Stadt-Anzeiger" und der ARD/"Bericht aus Berlin" von "infratest dimap" durchgeführte Umfrage zu den Reform-Vorschlägen der "Hartz- Kommission" hinsichtlich der Arbeitsvermittlung diesen Schluss nahe.

Danach befürworteten immerhin 67% aller Befragten die Einrichtung sog. "Personal-Service- Agenturen", die den Arbeitsämtern angegliedert werden sollen. Über diese Agenturen will man Arbeitslose auf Leihbasis an Firmen verschachern. Mit dem Vorschlag zur Senkung der Zumutbarkeitsgrenze erklärten sich 63 % einverstanden. Er sieht vor, dass ledige und jüngere Arbeitslose umziehen müssen, wenn ihnen in einer anderen Stadt ein Arbeitsplatz angeboten wird.

Zum Closett-Tieftauchen darf es dann auch zum Arsch der Welt gehen. Ansonsten droht Kürzung des Arbeitslosengeldes.

Festzuhalten bleibt: Eine recht deutliche Mehrheit der Befragten ist für das Ausüben noch größeren Drucks auf Arbeitslose sowie die staatlich geförderte Abzocke durch Leiharbeitsfirmen auf Kosten der Betroffenen. So weit, so unschön.

Doch jetzt kommt der Hammer: Auf die Frage hin, ob eine Umsetzung der Vorschläge einen Rückgang der Arbeitslosenzahl bewirke, meinten 74%, diese würde dadurch weniger stark oder gar nicht sinken. Fast drei Viertel fanden also, dass das Ganze praktisch nichts bringt. Warum aber dann die mehrheitliche Befürwortung der Zeitarbeitsabzocke und der stärkeren Drangsalierung der Betroffenen?

Hier passt etwas nicht zusammen. Oder sollen Menschen ohne Erwerb neuerdings trotz fehlender Arbeitsplätze ihren Willen zur Arbeit demonstrieren, damit man ihnen das Essen auf dem Teller gönnt? Allmählich ist es genug mit den neurotischen Hirngespinsten der Zwangsarbeits-Moral. Augen auf und Hirn einschalten!

Hirnverbrennungs-Löschkommando

(Internet-Tipp: https://www.doginstinkt.de)


Heidi antwortete am 16.07.02 (22:14):

Manchmal lohnt es sich doch noch, hier zu lesen und sei es nur um den o.g. Link zu speichern. ;-)

Sehr schön! Danke, Anett


juttam antwortete am 17.07.02 (02:33):

Ich sehe hier bloss
Zumutbarkeitsgrenze
Klosett-Tieftauchen
Kuerzung des Arbeitslosengeldes
noch groesserer Druck auf Arbeitslose
staatlich gefoerderte Abzocke
staerkere Drangsalisierung

...hier passt allerdings was nicht zusammen!

Wenn es fehlende Arbeitsplaetze gibt, sollte man vielleicht
mal die Schweizer fragen wie die sowas handhaben.

Die handhaben das naemlich so: erstmal kommen die Schweizer
dran...und dann sehen wir nach den anderen!

Ich nenne das: gesunden ueberlebensinstinkt!

Vielleicht sollte man die zustaendigen Stellen in Berlin
mal diesbezueglich ansprechen!
Anstatt zu erlauben dass
diese dort weiterhin fuhrwerken koennen, bis die Karre
total im Dreck steckt - nur solange Arbeitslosen nix
zugemtutet wird!

Hier wird der Wagen von hinten aufgezaeumt!

juttam


schorsch antwortete am 17.07.02 (10:57):

Habt ihr euch das auch schon mal überlegt?:

"Die Arbeit" besteht aus einem Kuchen. Diesen gilt es unter den Arbeitenden aufzuteilen. Wenn mehr Esser (Arbeitende) vorhanden sind, dann muss man den Kuchen in kleinere Stücke schneiden, damit alle etwas davon haben.

Wenn nun jemand sagt, dieser oder jene seien zu faul um zu arbeiten, sie könnten schon Arbeit kriegen, wenn sie wollten, muss ich antworten: Ja, DIE könnten schon Arbeit kriegen - aber nur wenn ein anderer Arbeitender dafür diese nicht kriegt - oder wenn man sie jemandem wegnimmt und jenem "Glücklichen" gibt, der/die diese Arbeit billiger macht.

Es gibt Ämter und Institutionen, die Arbeit Suchende schulen, wie man eine Bewerbung schreibt oder sich persönlich am angepeilten Arbeitsplatz vorstellt. Gut und schön - dann sind diese Nicht-Arbeit-Habenden wenigstens für eine Weile beschäftigt. Einer aber hat eine Dauerbeschäftigung gefunden - jener nämlich, der den Kurs durchführt!

Ich war einige Jahrzehnte lang Meister in einer Fabrik und habe die Probleme hautnah erlebt. Ich weiss, dass es tatsächlich Tausende gibt, die gar keine Arbeit wollen. Aber ich arbeitete lieber mit jenen zusammen, die arbeiten wollen als mit jenem Prozentsatz jener, die es nicht wollen. Und: Es war mir lieber, jene, die nicht wollen, bekommen ungerechtfertigt Unterstützung vom Arbeitsamt, als dass jene, die arbeiten wollen, zwangsunterstützt werden - und moralisch dabei zugrunde gehen.

Der Satte glaubt dem Hungrigen nicht....


Manfred Franz antwortete am 18.07.02 (07:00):

Langsam, zu langsam, haben einige schon begriffen, dass die Menge der notwendigen und bezahlbaren Arbeit nicht zu- sondern abnimmt. Es handelt sich also bei der ganzen Misere um ein reines Verteilungsproblem.
Fest steht aber offenbar, dass die Beteiligten nicht gewillt sind, die daraus entstehenden Konsequenzen zu ziehen und zu tragen.
Die Hartz-Studie kann bestenfalls zu einer besseren Verwaltung der Arbeitslosigkeit beitragen, schafft aber keinen einzigen Arbeitsplatz, weil sie eben dieses Verteilungsproblem ausklammert.