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THEMA:   Kulturhoheit der Länder

 13 Antwort(en).

Johannes Michalowsky begann die Diskussion am 28.06.02 (13:05) mit folgendem Beitrag:

Ich habe das Gefühl, daß die sogenannte Kulturhoheit der Länder ein Relikt der mittelalterlichen Kleinstaaterei auf deutschem Boden ist – bleibt doch ansonsten unseren Landesfürsten nicht viel an eigener Profilierungsmöglichkeit übrig. Man könnte ja damit leben, wenn es da nur um Rundfunk, Musik und Theater und was alles dem Bereich Kultur zugerechnet wird, ginge.

Bei Schule und weiterführender Ausbildung wird aber ein Aneinandervorbei oder gar Gegeneinander der Länder, wie wir sehen, problematisch. Eigentlich hätte es, um das zu sehen, einer PISA-Studie nicht bedürfen sollen. Aber vielleicht bedarf es immer mal eines Schreckschusses, um die Politik 10 Tage nachdenken und dann wieder zur Tagesordnung zurückkehren zu lassen.

Dabei empfinde ich doch die kulturelle Vielfalt in unserem Land, von Flensburg bis Mittenwald, als eine der großen Attraktionen und eine besonders liebenswerte Eigenschaft unseres Landes. Nur die Zukunft unserer Jugend und damit unseres Landes sollte diesem eher romantischen Gefühl – sofern die jemand mit mir teilt - nicht geopfert werden.


Charlie antwortete am 28.06.02 (13:53):

@ Johannes

o - da gebe ich dir recht.

Nun wäre es eine Chance aus allen Bundesländern das Beste herauszufiltern und damit einen neuen Anfang für die Schulkinder zu erstellen, aber genau das wird nicht passieren. Ich erinnere daran, dass einige Länder schon Lehrpläne aufgegeben hatten, die andere dann neu eingeführt haben.

Pisa hin - Pisa her, jedes Ländchen weist auf die eigenen Probleme bei "Schülermaterial" hin und das sicher nicht zu unrecht. Sicher geht es auch um das, was den "Landesfürsten" dann noch in Eigenverantwortlichkeit bleibt?


Karl antwortete am 28.06.02 (23:06):

Der Deutsche Bildungsserver, damals noch an der Humbold-Universität in Berlin, bemühte sich vor Jahren seine Internetsuchmaschine den Landesbildungsservern schmackhaft zu machen. Das funktionierte erst dann, als er die Option einbaute, die Suche auf die Schulen des jeweiligen Landes einzuschränken.

Konkret bedeutete dies, wenn man nach der Lösung eines mathematischen Problems suchte, konnte es sein, dass sie z.B. von Baden-Württemberg aus nicht gefunden wurde, weil sie auf einem Server in Niedersachsen zu finden war.

Diese Kleinstaaterei aufzugeben, fällt deshalb so schwer, weil Pfründe verteidigt werden.

(Internet-Tipp: https://www.zum.de)


kleinella antwortete am 28.06.02 (23:47):

Und wie ist es zwischen Rostock und Zittau?


e k o antwortete am 30.06.02 (19:07):

Hallo Jo,

Dein romantisches Gefühl teile ich gerne mit Dir. Ich denke aber, dass bei einer Übertragung der Kulturhoheit in Sachen Schule an den Staat, also Berlin, nichts gewonnen werden kann, weil dabei sehr wahrscheinlich ein Einheitsbrei herauskommen wird, der wiederum nicht allen gerecht wird, weil die Mentalität zwischen Flensburg und Berchtesgaden, zwischen Aachen und Zittau zu unterschiedlich ist.

Die derzeitige Situation an deutschen Schulen ist beklagenswert, aber in einer Vereinheitlichung sehe ich da auch keine ordentliche Lösung.

Wären wir hier in Deutschland ein einheitlicher Volksstamm, sähe ich darin schon eine Besserung, aber zwischen Nordfriesen und Bayern, zwischen Rheinländern und Sachsen gibt es doch sehr große Unterschiede. Aber genau das, diese Vielfalt, macht doch den Reiz Deutschlands aus.

Um gleich gegenzuhalten: Das hat nichts mit Kleinstaatsmentalität zu tun, deshalb können wir dennoch gute Europäer werden ( oder sein) aber die landsmannschaftlichen Unterschiede sollten nicht verwischt werden.


Fred Reinhardt antwortete am 30.06.02 (20:40):

@eko
so war es auch einmal gedacht. Es hat sich aber anders entwickelt.
Bei der jetzigen Arbeitsplatzentwicklung, Familie wohnt in Bremen, der Mann bekommt dort keine Arbeit. In Stuttgart gibt es die Möglichkeit aber die Kinder bekommen dort Probleme in der Schule, bei einem Umzug. Jetzt ist er die Woche über in Stuttgart, fährt am Freitag nach Bremen und am Sonntag am Abend wieder zur Arbeit.
Dieser Fall ist jetzt zufällig in meiner Familie, aber wieviel Fälle dieser Art gibt es mittlerweile in Deutschland.
Wenn schon kein Einheitsbrei wie du meinst, dann aber wenigsten eine Grundanforderung, die als Minimum in allen Schulen Deutschlands, gleich sein sollte.
Wie wäre es mit einem gemischten Salat, auf den sich die Länder einigen sollten ?


DieterH antwortete am 30.06.02 (20:42):

Lieber EKO,
ich habe vor etlichen Jahren in NRW gewohnt. Die damalige CDU-Landesregierungregierung hielt an den Bekenntnisschulen fest. Das heißt es gab extra Schulen nach Konfessionen. Wir haben uns damals sehr darüber aufgeregt.Gibt es etwa Mathematik in den Katholischen Schulen in anderer Form wie in Protestantischen Schulen? Natürlich alles Quatsch. Die Zeit ist längst vorbei. Übrigens war einer der Befürworter des Abbaues der Bekenntnisschulen ein junger Landtagsabgeordneter, er hieß Johannes Rau.
Ich bin danach viel in der Bundesrepublik rumgekommen. Das größte Problem war immer die Umschulung meiner Kinder. Keiner konnte begreifen warum es in den einzelnen Bundesländern so große Unterschiede im Schulbereich gab.
Die jetztige Bildungsministerin Buhlman hat recht, wenn sie eine Angleichung der Bildungsinhalte über die Ländergrenzen hinweg verlangt. Ich mag als Norddeutscher die Bayern sehr sehe aber nicht ein warum die außer dem Bayrischen Brauchtum noch ein anderes Schulsystem haben sollen. Natürlich können die Norddeutschen ebensowenig Extrawürste gebraten bekommen.
Brauchtum und Mentalität hin oder her; es darf nicht zu Lasten unserer Kinder gehen. Die Pisa-Studie hat gezeigt das etwas geäändert werden muß und wo etwas geändert werden muß.


rolf antwortete am 30.06.02 (22:56):

Es war ja noch schlimmer, in NRW waren (zumindest zu meiner Schulzeit) die Lehrpläne sogar in den Regierungsbezirken unterschiedlich, was ich zu meinem Leidwesen beim Wechsel von Herne (RP Arnsberg) nach Münster (RP Münster) feststellen mußte.


Heinz-Dieter antwortete am 01.07.02 (05:57):

Es wird bleiben wie ist seither ist, denn es geht nicht um unsere Kinder und Enkelkinder sondern es geht um Pöstchen und Pensionen.


DieterH antwortete am 01.07.02 (08:23):

Lieber Heinz-Dieter wenn wir alle so denken würden, dann lebten wir wirklich in einen Bananenrepublik. Trotz etlicher Ausrutscher in der Vergangenheit müssen wir als Bürger den Politikern "aufs Maul schauen". Ja wir müssen sie auf Trapp bringen damit sie für uns, die Gesellschaft, arbeiten.
Wenn man sie ohne Kontrolle laufen läßt werden sie eine Politik machen die sie für richtig halten die aber nicht immer in unserem Interesse sein wird.
Deshalb rein in die Parteien und mitdiskutiert. Wenn man bei solch einer Diskussion feststellt, daß die Meinungsunterschiede unüberbrückbar sind, war es die falsche Partei.
Die richtige Partei wird immer die sein, bei man zumindest in den Kernfragen Übereinstimmung feststellen kann.


poetas antwortete am 01.07.02 (10:26):

Und was hat das mit der Trapp-Familie zu tun? :-)))

Traben sollen sie! Traben!


e k o antwortete am 01.07.02 (12:27):

Ich denke, man sollte nicht immer gleich das Kind mit dem Bade ausschütten, das tut nirgendwo gut.

"Angleichung" oder wie Fred es ausdrückt: "gemischter Salat", ja dagegen kann doch kein vernünftiger Mensch etwas haben. Und wenn ich dafür bin, die Kulturhoheit bei den Ländern zu belassen, dann heißt das ja nun wirklich nicht, dass etwa die Bayern bayrische Mathematik und die Nordfriesen nordfriesiche Grammatik pauken sollen. Darum geht es doch gar nicht.

Wenn dieser Schlafmützenverein namens Kultusministerkonferenz ( KMK) in den vergangen Jahren nicht so sträflich gepennt hätte und nur auf Pöstchenjagd aus gewesen wäre, wäre die PISA - Studie um etliches besser ausgefallen.

Ob nun auf Länderebene oder zentral: Pöstchenjagd und Schlafmützigkeit kann es hier wie dort geben.

Und warum soll die Mathe in einer Bekenntnisschule anders oder schlechter sein?

Und was ist an einer Bekenntnisschule eigentlich so Schlimmes dran ?

Kann ich nicht verstehen.


Barbara antwortete am 01.07.02 (16:00):

Seit Jahren setze ich mich für das Recht auf begabungsgemäße Schulbildung von Kindern mit Lese-Rechtschreibschwäche (Legasthenie) ein. Die Erlasse der jeweiligen Kultusministerien für den Umgang mit diesen Kindern sind nach Bundesländern total unterschiedlich, so dass ein betroffenes Kind in dem einen Bundesland Gefahr läuft, in einer Sonderschule zu landen, während es in einem anderen durchaus sein Abitur bestehen kann.

Immer wieder schreibe ich an die Verantwortlichen für diese Tragödien. Frau Bulmahn antwortet in etwa so:

"Ich würde Ihnen so gern helfen, aber leider sind Kulturangelegenheiten Ländersache."

Die Kultusministerin meines Bundeslandes antwortet in etwa so:

"Ich würde Ihnen so gern helfen, aber leider sind uns durch die Beschlüsse der KMK die Hände gebunden."

Z.Zt. liegt mir ein Schreiben der KMK-Vorsitzenden Schipanski vor, dass sich ein Ausschuss mit der Problematik dieser Kinder befasst.....

Ich würde es begrüßen, wenn endlich die Hin- und Herschieberei von Problemlösungen durch zentrale Zuständigkeit entfiele. Dabei könnten den Ländern trotzdem unterschiedliche Wege offen bleiben, zum einheitlichen Ziel zu gelangen.


Heinz-Dieter antwortete am 02.07.02 (06:16):

Ich scheine mit meiner Auffassung über dieses Problem doch Recht zuhaben, wenn ich die nachfolgende Einträge lese.
Genau so wie hier wird geredet, geredet...... und es wird nichts unternommen; leidtragende sind die Schülerinen und Schüler.
Die 16 Kultusminister werden sich nie einig werden, denn es geht um Kompetenz-Aufgabe, Pöstchen-Verlust und und.....
Auch wenn wir wie vorgeschlagen in die Parteien gehen und mitdiskutieren, es wird nichts nützen.
Einer muß das Sagen haben, dann funktioniert es.