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THEMA: Egoistisch oder legitim?
24 Antwort(en).
Heidi
begann die Diskussion am 09.05.02 (12:25) mit folgendem Beitrag:
".. was alle Eltern möchten: ein Kind, das die Welt aus ihrer Perspektive sieht und ein Leben führt, wie "wir es genießen"."
Ich habe diese Aussage aus einem Zeit-Artikel aus dem Kontext genommen um sie einmal grundsätzlich zu diskutieren.
Möchten wirklich alle Eltern, dass ihr Kind die Welt aus ihrer Perspektive sieht? Soll das eigene Kind nur Abbild der Eltern sein?
Oder sollte man als verantwortungsvolle/r Mutter/Vater nicht vielmehr dafür Sorge tragen, und zwar so objektiv wie möglich, dass das Kind möglichst viele Aspekte des Lebens kennenlernt und dem Kind dann die Freiheit lassen, sich für einen eigenen Lebensweg zu entscheiden?
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Nuxel
antwortete am 09.05.02 (13:15):
Liebe Heidi
Die Antwort auf Dein gestelltes Thema gibst Du in Deiner Schlußfrage!
Nuxel
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KlausD
antwortete am 09.05.02 (13:16):
Pestallozi: Erziehung ist ein Abenteuer.
Natürlich möchten alle Eltern,daß es die Kinder mal "besser" haben. Bei mir war der Wunsch (Erwartung),daß der gleiche Level erreicht wird. Aber schon vor der Geburt kommen Gedanken (Ängste) über eine Fehlgeburt,Krankheit oder Tod. Und leider sind diese Erfahrungen häufiger als man glaubt.
Bei der Erziehung ist ca. 50% Glück im Spiel.
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Mechtild
antwortete am 09.05.02 (13:58):
Ich meine, dass es die verschiedensten Gründe gibt, Kinder zu wollen. Man sollte aber sehen, dass die meisten Kinder beim Liebesspiel entstehen und mehr oder weniger geplant sind. Ist die Schwangerschaft erst einmal festgestellt, fangen meist erst die Überlegungen an. Möchte ich lieber einen Jungen oder lieber ein Mädchen. Wie soll es heißen? Oder will ich das Kind überhaupt? Ist das Kind dann einmal da, merken die Erwachsenen sehr schnell, dass es ein eigenes Wesen mit einem eigenen Willen ist, das seine eigenen Erfahrungen macht und wenn es notwendig ist, gegen den Willen der Eltern. Wenn man nur ein Kind will, um ein Abbild seiner Selbst zu bekommen, sollte man sich besser klonen lassen.
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Silberling
antwortete am 09.05.02 (17:58):
Ich finde auch, dass Heidi in ihrem Schlusssatz schon alles ausgesagt hat, was man einem Kind mitgeben sollte.
Ich bin eigentlich schon immer der Meinung, dass für die wichtigste Aufgabe im Leben, nämlich das Erziehen der eigenen Kinder gar keine Vorbereitung stattfindet. für jeden Beruf gibt es eine Lehrzeit, ein Studium usw. mit abschließenden Examen..... nur Vater oder Mutter wird man so einfach.....
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Barbara
antwortete am 09.05.02 (19:41):
Ich habe Kinder stets als Geschenk betrachtet. Sie kommen als individuelle kleine Persönlichkeiten auf die Welt. Wir Eltern, aber auch Verwandte, Nachbarn, Freunde, Lehrer u.a. dürfen diese Kinder ein Stück auf ihrem Lebensweg begleiten und können ihnen dabei helfen, ihren eigenen Weg zu finden.
In dem von Dir, liebe Heidi, genannten Artikel geht es jedoch um etwas ganz anderes. Wer möchte hat die Gelegenheit, die Problematik unter dem Thema "Grenzenlose Selbstbestimmung" nachzulesen.
Barbara
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Tessy
antwortete am 09.05.02 (20:19):
Liebe Barbara, ........ihren eigenen Weg zu finden - sagst Du ganz richtig. Aber nicht den Weg vorab bestimmen und eingrenzen. Ich möchte Deine Argumente gern verstehen, kann es aber absolut nicht! Gruß Tessy
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schorsch
antwortete am 10.05.02 (10:20):
Nein, wir sollen nicht vom Kinde erwarten, dass es die Welt und ihre Probleme aus unserer Sicht betrachte, sondern wir sollen uns bemühen, die Sicht des Kindes zu verstehen. Denn nur wer fähig ist, die Probleme aus der Sicht des Kleinen zu sehen und zu verstehen, dringt von Grund auf in sie ein. Und nur derjenige wird mal "gross" und vermag die "grossen" Dinge zu verstehen.
Viele Probleme auf der Welt stammen daher, dass wir nie gelernt haben, die Dinge aus der Perspektive der "Kleinen" zu sehen.
Ich habe einmal einen Pfarrer gefragt, ob er denn noch eine andere Sicht habe, als diejenige von der hohen Kanzel aus. Er antwortete: "So was kann nur einer fragen, der die Dinge aus der Froschperspektive her zu sehen gewohnt ist!"
Deshalb erhielt auch mein erstes Buch dann den Arbeitstitel "Der Frosch, der aus dem Sumpf kam".
Schorsch
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Pamina
antwortete am 10.05.02 (14:05):
Solange die Kinder klein sind, gib ihnen tiefe Wurzeln, aber wenn sie groß werden, gib ihnen Flügel.
(nicht von mir)
und von Pestalozzi:
Was ist die ganze Erziehung anderes, als das heilige Anknüpfen der Vergangenheit an das Dunkel der Zukunft durch weisen Gebrauch der Gegenwart.
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e k o
antwortete am 10.05.02 (19:18):
Wie schön, endlich mal ein Thema, bei dem auch ich der Heidi voll und ganz zustimmen kann.
Ja, es ist so, leider, dass viele Eltern ihre Kinder zu einem Bild formen, das zwar ihren Wünsche und Vorstellungen entspricht, darüber aber das Wohl und die Zukunft des Kindes völlig ausser Acht lassen.
Da muss der Sohn den "Doktor machen", nur weil es der Vater nicht geschafft hat, da muss die Tochter klavierspielen lernen, obwohl sie dafür weder Interesse noch die Begabung hat. Da werden Wünsche der Kinder einfach ignoriert und statt dessen egoistische Vorstellungen der Eltern in sie hineindressiert.
Alles reiner, purer Egoismus der "erziehenden Eltern".
Es stimmt, was Silberling geschrieben hat: für alles Mögliche und Unmögliche wird man geschult, doch das Wichtigste, die "Lebensschule", die gibt es nicht. Wie man Kinder zeugt, weiß jeder, aber dass Kinder auch aufs Leben vorbereitet werden müssen, daran denken die Wenigsten.
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Geli
antwortete am 11.05.02 (09:38):
Gehört hierher nicht auch die Frage, wann ein Kind getauft werden sollte? Als wenige Wochen/Monate alter Säugling? Oder erst dann, wenn das Kind selbst eine Entscheidung treffen kann?
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Heidi
antwortete am 11.05.02 (09:48):
Diese Frage ist Zündstoff, Geli
Habe gerade darüber mit mir selbst diskutiert, mehrere Antworten gefunden und wieder verworfen, weil sie nicht schlüssig sind, muss noch weiter darüber nachdenken ;-)
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Wolfgang
antwortete am 11.05.02 (11:04):
Ich glaube, hier haben wir es auch mit dem Unterschied zwischen Theorie und Praxis zu tun... Was Eltern alles sein und können sollten, ist die eine Seite, und all die lobenswerten Eigenschaften, die Eltern haben sollten, werden immer wieder in Sonntagsreden eingefordert.
Was Eltern tatsächlich sind und können, das ist die andere, die wirkliche Seite. Auf dieser, der wichtigeren Seite spielt sich das Leben ab. Noch keine noch so gut gemeinte Moral und noch keine missionierende Institution hat es geschafft, auf der wirklichen Seite des Lebens Entscheidendes auszurichten.
Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass Eltern sich in aller Regel auch über ihre Kinder verwirklichen wollen, also ihre eigenen Werte und Ziele und ihren eigenen Lebensstil an die Kinder weitergeben, sie also in gewisser Weise für ihre Zwecke benutzen.
Eltern versuchen ihre Kinder nach ihrem Bild zu formen... Das ist so und wird so bleiben und ich finde auch nichts Schlimmes dabei. Denn, ich bin verantwortlich für mein Kind, also muss ich es formen entsprechend seinen Anlagen, Bedürfnissen und Interessen UND nach einer Vorlage, einem Bild und ein anderes Bild, als mein eigenes, steht mir nicht zur Verfügung. :-)
Der Fuchs sagt in Antoine de Saint-Exupéry's "Le Petit Prince": "Die Menschen haben diese Wahrheit vergessen. Aber du darfst sie nicht vergessen. Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir gezähmt (vertraut gemacht) hast. Du bist für deine Rose verantwortlich..." Und: "Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig."
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schorsch
antwortete am 11.05.02 (13:13):
Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild - behauptet die Bibel.
Einige glauben allen Ernstes Gott zu sein.....
Schorsch
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Nuxel
antwortete am 11.05.02 (14:00):
Hallo,Wolfgang
jetzt muß ich aber mal fragen: hast Du eigene Kinder? und: hast Du die dann nach Deinen Wünschen erzogen,daß sie Dir möglichst ähnlich sind?
Dann finde ich,bist Du kein guter Vater gewesen!
Wer das Glück hatte,eigene,Adoptiv-oder Pflegekinder haben zu dürfen,sollte soviel Verantwortungsgefühl haben,daß er jedes Kind seinen Anlagen gemäß fördert und erzieht.
Bist Du mit Dir selber so zufrieden,daß Du Dich in Deinen Kindern spiegeln willst??
Ich bin es nicht!
Meine Kinder haben wohl,so denke ich,eine gute Erziehung und Bildung erhalten.Aber jedes hat völlig andere Bildungswege benötigt,um den Beruf ergreifen zu können,für den sie die Veranlagung hatten. So konnten sie zu eigenständigen Persönlichkeiten heranwachsen,und darauf bin ich stolz!
Nuxel
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Heidi
antwortete am 11.05.02 (14:16):
;-) Also hast auch Du Deine Kinder "geformt", Nuxel, entsprechend ihren Anlagen, Bedürfnissen und Interessen und Du hast Dich dabei nach Deinen Vorstellungen gerichtet - oder haben Deine Kinder bereits in der Grundschule entscheiden können, welche nachfolgende Schule die richtige ist bzw. waren sie da schon in der Lage zu differenzieren?
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Wolfgang
antwortete am 11.05.02 (14:27):
Genaues Lesen, Nuxel, hilft oft, Missverständnisse zu vermeiden... Ich schrieb, dass Eltern ihr Kind formen (sollten) "entsprechend seinen Anlagen, Bedürfnissen und Interessen".
Das mache nicht nur ich so, sondern das machen alle Eltern so, jedenfalls die, die ich bisher in meinem Leben kennengelernt habe. Du bestätigst selbst diese Vorgehensweise am eigenen Beispiel. ;-)
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KlausKlaus
antwortete am 11.05.02 (17:40):
Hallo,
bei uns auf dem Lande gibt schon seit einem Jahrhundert einen Spruch ( zu Pestallozi ): "Lehrers Kinder, Pfarres Vieh, gedeihen selten oder nie".
Ich verstehe diese Aussage so, daß alles theoretische Wissen in der Erziehung nichts nützt, es braucht HERZ und VERSTAND.
Gruß Klaus
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utelo
antwortete am 11.05.02 (17:43):
Natürlich fördern wir (fast alle) unsere Kinder nach ihren Charakteren, Anlagen und Bedürfnissen. Das ist auch völlig in Ordnung. Ich habe drei und jedes ist anders vom Charakter, von der erwählten Ausbildung, vom Umgang mit Leuten und Geld und, und und. Aber alle drei haben auch wieder soviele Eigenschaften von mir, was ja klar ist, da im Miteinander alles abfärbt und prägt. Bei uns ist es -denke ich- das meiste wohl positiv. Man kann eine gangze Zeit relativ großen Einfluß auf Kinder nehmen, aber irgendwann kommt deren eigener Wille durch, egal was Mütter oder Väter wollen.
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Nuxel
antwortete am 11.05.02 (21:51):
Hallo Geli und Wolfgang
Natürlich haben wir gemeinsam mit den Kindern überlegt,in welche weiterbildende Schule sie nach der 4. Grundschulklasse gehen wollten!! Gymnasium wurde gewählt,wobei sich zeigte,daß eins der Kinder in der Quarta in die Realschule wechselte und später erst "zum lernen wach" wurde!
Ich sehe das nicht so,daß ich meine Kinder "geformt" habe. Sie wurden natürlich erzogen,bekamen Grenzen gesetzt,konnten sich aber veranlagungsgemäß entwickeln und sehr früh eigenverantwortlich handeln. Und dieses an der langen Leine großwerden lassen,war absolut positiv! Unter :Kinder formen-wollen oder sollen verstehe ich eher,daß man ihnen eigene Wunschvorstellungen aufzwingt!
Das tun leider sehr viele Eltern!
Ich wollte Euch aber nicht kritisieren! Hab halt Glück gehabt mit meinen Kindern!-ich war aber auch immer für sie da,wenn sie mich brauchten. Hab nicht gejammert,als sie das Haus verließen,war nicht eifersüchtig auf die Schwiegerkinder,ich bekam sie ja "dazu". So wurde aus Mutter-Kind-Verhältnis Freundschaft.
Nuxel
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Geli
antwortete am 11.05.02 (22:05):
Hallo nuxel,
ich glaube, Du hast mich mit Heidi verwechselt (ich habe nichts über Schule geschrieben)! Aber ich gratuliere Dir zu Deinem guten Verhältnis zu Deinen Kindern und Schwiegerkindern! Dann hast Du ja morgen sicher einen schönen Muttertag! Liebe Grüße Geli
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Felix Schweizer
antwortete am 12.05.02 (12:32):
... und hier noch eine These zum Nachdenken:
Die guten Eltern und Pädagogen sind die ... die es fertigbringen ... sich selber überflüssig zu machen!
Ich gebe zu ... etwas provokativ formuliert ... aber d i e zentrale Aussage für jede ernstgemeinte Entwicklungsbegleitung. Das Gegenteil wäre die zu lang andauernde oder sogar bleibende Abhängigkeit.
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Silberling
antwortete am 12.05.02 (12:40):
Hallo, Felix, da bin ich ganz Deiner Meinung. Ich finde Deine Aussage überhaupt nicht provokativ.
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Nuxel
antwortete am 12.05.02 (14:22):
Hallo,Geli entschuldige bitte die Namensverwechslung! Danke,für die Wünsche zum "schönen Muttertag"-hab ihn!!
Liebe Grüße Nuxel
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schorsch
antwortete am 13.05.02 (10:27):
@ Felix: "...Die guten Eltern und Pädagogen sind die ... die es fertigbringen ... sich selber überflüssig zu machen!..."
Mit "Eltern" bin ich mit Dir einverstanden. Aber mit den "Pädagogen" ist es wie mit den Psychiatern und Feldmausern: Wenn sie ihre Arbeit zu gut machen, machen sie sich selber arbeitslos....
Schorsch
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