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THEMA:   .....-bar jeder Vernunft

 19 Antwort(en).

York v. Selasinsky begann die Diskussion am 04.05.02 (12:13) mit folgendem Beitrag:

Die bis dato unflexiblen Arbeitgeber in der Metallindustrie boten plötzlich eine Einmalzahlung und analog dem Chemieabschluss 3,3 mehr Lohn.
Die IG Metall feilte an Modellen,die eine vier vor dem Komma gehabt hätten,tatsächlich aber aber dem von Gewerschaftsseite auf 3,6 % hochgerechneten Chemieabschluss nahe gekommen wäre.Zwickel konnte sich aber im eigenen Lager nicht durchsetzen.
Jetzt wird ab Montag erst einmal gestreikt-bar jeder Vernunft.


KlausD antwortete am 04.05.02 (12:52):

Streiken oder nicht - in diesem unserem Lande geht einiges durcheinander.

Ich kenne Firmen,die kommen mit 35 Std. in der Woche aus.

Jetzt war ich in einer Firma,welche weder im Arbeitgeberverband noch in der Gewerkschaft ist,da werden 44 Std. in der Woche verlangt -und die Leute erfüllen diesen "Wunsch" des Arbeitgebers.Ohne höheren Stundenlohn-versteht sich mitlerweile von selbst.


Horst Krause antwortete am 04.05.02 (12:53):

Selten war ein Streik von Vernunft begeleitet. Möglicherweise wird mit dem Streik ein höherer Abschluss erreicht, aber um welchen Preis ? Wie die Arbeitgeber reagieren werden, hat die Vergangenheit gezeigt, es wird wieder Arbeitsplätze kosten, wann kehrt endlich Vernunft ein ? Man kann eben nicht mehr ausgeben, als erwirtschaftet wird. Wenn der Industrie prächtige Gewinne im letzten Jahr vorgehalten werden, vergisst man, dass davor auch weniger gute Erträge erwirtschaftet wurden. Gewinne müssen sein, damit investiert werden kann und die Kapitaldecke der Unternehmen ausreicht, die Risiken abzudecken, die jede Firma zu tragen hat, wovon die Mitarbeiter nichts mitbekommen.


Fred Reinhardt antwortete am 04.05.02 (13:37):

Bar jeder Vernunft finde ich, wenn Lohn - oder gehaltsabhängige Mitarbeiter sich über Tarifabschlüsse zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber mehr als negativ auslassen, aber jede Lohnerhöhung sich selbst in die Lohntüte stecken lassen.
Warum sagen diese Leute nicht, nein Arbeitgeber dies ist " bar jeder Vernunft " behalte die Lohnerhöhung ich brauch sie nicht.


Nick antwortete am 04.05.02 (13:38):

Der Streik wird auch vielen Mitgliedern der IGM den Arbeitsplatz kosten. Die übrig gebliebenen werden etwas mehr im Geldbeutel haben. Die Gekündigten haben das Nachsehen. Um die kümmert sich die IGM nicht mehr.


wese antwortete am 04.05.02 (14:05):

Vielleicht sollten dann aber auch die dicken Bosse und Manager ihre privaten Verdienste offenlegen. Mit Millionengehältern und Abfindungen in zweistelliger Millionenhöhe, da kann man man leicht über Lohnverzicht der abhängig Beschäftigten sprechen.

Die Gewinne werden nicht immer in die Unternehmen investiert, sondern landen häufig genug in den Hosentaschen dieser Leute, oder auf diversen Bankkonten im Ausland.


Basti antwortete am 04.05.02 (14:37):

Die armen Unternehmer. Vor lauter Tränen in den Augen kann ich nicht mehr schreiben.

Verweise auf folgenden Link:
https://www.box4.boeckler-boxen.de/forschung/fors.wohl/art.61/

(Internet-Tipp: https://www.box4.boeckler-boxen.de/forschung/fors.wohl/art.61/)


schorsch antwortete am 04.05.02 (14:46):

Nick antwortete am 04.05.02 (13:38):

"Der Streik wird auch vielen Mitgliedern der IGM den Arbeitsplatz kosten. Die übrig gebliebenen werden etwas mehr im Geldbeutel haben. Die Gekündigten haben das Nachsehen. Um die kümmert sich die IGM nicht mehr."

Lieber Nick, hätten schon die ersten Gewerkschafter so argumentiert, würden wir heute noch eine Arbeitswoche mit 90 Stunden haben.

"Um die kümmert sich die IGM nicht mehr"? Und wer hat denn die Arbeitslosenkasse erkämpft und laufend Verbesserungen durchgesetzt?

Merke: Die besten Kämpfer für Profit und Ausbeutung der Arbeiter, sind kleinmütige Arbeiter selber!

Schorsch


Horst Krause antwortete am 04.05.02 (15:35):

bar jeder Vernunft sind viele Beiträge. Warum werden eigene Meinungen dogmatisiert und andere stigmatisiert ?


Wolfgang antwortete am 04.05.02 (16:15):

In einer Marktwirtschaft sind Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen und Tarifauseinandersetzungen wichtig, damit der Preis der Ware "Arbeitskraft" bestimmt werden kann...

Tarifauseinandersetzungen sind also nicht "bar jeder Vernunft", sondern sogar äusserst vernünftig. Und wenn es dabei zu Arbeitkämpfen kommt? - Na, wenn schon... Arbeitgeber und Arbeitnehmer rechnen üblicherweise mit spitzem Bleistift... Sie werden auch dieses Mal ausrechnen, was ihnen wertvoller ist: Arbeitsfriede oder Arbeitskampf?

IG Metall: Metalltarifrunde 2002
https://www.igmetall.de/tarife/nachrichten/metall/index.html

P.S.: Danke, Basti, für den Link! :-)

(Internet-Tipp: https://www.igmetall.de/tarife/nachrichten/metall/index.html)


Fred Reinhardt antwortete am 04.05.02 (16:29):

Hallo Horst Krause und noch einige Herren. Heute habe ich eine Einladung zur Aktionärsversammlung erhalten. Die Beiräte möchten sich u.a. die Sitzungsgelder von 1.250,-- ä auf 3.500,-- ä erhöhen. Sind doch nur lächerliche 180 %. Dies passt zu einigen Beiträgen hier im Forum.


Karl antwortete am 04.05.02 (16:39):

Wir sind mit unserem System in der BRD, dass beiden Seiten im Arbeitskampf Zähne verleiht, relativ gut gefahren. Noch ist nichts eskaliert. Warten wir erst einmal ab, was wird.

Mit freundlichen Grüßen

Karl

P.S.: Mir fällt schon auf, dass einige, anstatt sich an der inhaltlichen Diskussion zu beteiligen, sich bei fast jedem Thema nur über die Form der Diskussion erregen. Damit wird die Diskussionskultur auch nicht besser. Lesen ist doch freiwillig ;-))


wese antwortete am 04.05.02 (19:18):

Erstaunlich ist für mich, warum sich ausgerechnet Rentner so intensiv in die Auseinandersetzung einmischen. Noch viel erstaunlicher ist, warum einige sogar darauf bedacht sind, ausgerechnet die Gewerkschaften zu attackieren.

Ich vermute, es liegt daran, daß sich einige schon meilenweit vom eigenen Arbeitsleben entfernt hat. Viele haben wohl bereits vergessen, wie das Leben ohne die Macht der Gewerkschaften gewesen ist.

6-Tage-Woche
Kein gerechter (angemessener) Arbeitslohn
Unbezahlte Überstunden
Nacht- und Sonntagsarbeit ohne Zuschläge
Kein Kündigungsschutz
Keine Lohnfortzahlung bei Krankheit
Kinderarbeit für ein Taschengeld
Keine betriebliche Altersversorgung

Würden sich die heutigen Arbeitnehmer mit dem begnügen, was die Herren Arbeitgeber "freiwillig" anbieten, dann gingen sie mageren Zeiten entgegen. In Ländern ohne Gewerkschaften, in osteuropäischen und asiatischen Ländern, beweisen deutsche Bosse nachhaltig, daß die Begriffe "Sklavenhaltung" und "Hungerlöhne" noch immer auf der Tagesordnung stehen.


KlausD antwortete am 04.05.02 (20:39):

Das Problem dieser Auseinandersetzung liegt ja viel tiefer.

Fakt ist,daß Deutschland in Europa das Schlußlicht bildet.
Das liegt sicher nicht an überhöhten Löhnen der Arbeitnehmer!
Wir haben zu viel Soziallasten zu zahlen.
Ferner werden Gewinne von Unternehmen nicht mehr investiert -es geht in den eigenen Sack.

Viele Unternehmer verkaufen ihre Unternehmen mit 55 und gehen mit Millionen-Vermögen in den Ruhestand.

Wir haben eine derartige Schieflage,welche mit den Lohnrunden nicht ausgemerzt werden kann.
Wir fahren an die Wand.
Städte und Gemeinden stehen mit leeren Taschen vor dem Volk.

Der Unmut wird,ähnlich wie in Frankreich,auch bei uns einziehen.


wese antwortete am 04.05.02 (21:15):

Seit rund 10 Jahren geht das elende Gejammer der Arbeitgeber schon. Jedes Jahr wird die gleiche Forderung erhoben. Arbeiter sollen auf Lohnerhöhung verzichten, weil sonst Arbeitsplätze abgebaut werden müssen.

Sie verschweigen, daß diese Arbeitsplätze sowieso abgebaut und im Zuge der Rationalisierung durch Roboter ersetzt werden. Die Logik, die dahintersteht, ist ganz einfach:

Roboter arbeiten rund um die Uhr. Irgendwann amortisieren sich die Anschaffungskosten. Danach arbeiten sie zum Nulltarif weiter. Sie werden nicht krank. Sie kriegen keine Kinder. Sie brauchen kein Urlaubs- und kein Weihnachtsgeld. Keinen Mutterschutz. Keine Lohnfortzahlung. Roboter streiken auch nicht. Und sie verlangen kein soziales Gewissen.

Menschen hingegen haben vielerlei Wünsche und Bedürfnisse zu befriedigen. Menschen sind keine Roboter. Leider ist das in den Chefetagen nahezu vergessen worden. Und deswegen werden Menschen nicht als Menschen gesehen, sondern lediglich als Unkostenfaktor.


WolfgangM. antwortete am 04.05.02 (22:21):

Henry Ford sagte seinerzeit:

"Autos kaufen keine Autos." - Und verdoppelte (!!) die Löhne seiner Arbeiter. Die Konkurrenz lachte ihn aus und prophezeite ihm eine Pleite - das Gegenteil trat ein.

Er rationalisierte richtig - er rationalisierte seine Produktion und stellte noch viele Arbeiter ein.

Heute hat man Roboter (kaufen Roboter die Produkte??).

Merkwürdig ist nur, daß die armen Unternehmer jedesmal jammern - und ein oder zwei Jahre später verkünden sie stolz, daß sie wieder Rekordgewinne eingefahren haben.

Irgendetwas stimmt da nicht .....


Johannes Michalowsky antwortete am 04.05.02 (22:31):

Wese:

"Erstaunlich ist für mich, warum sich ausgerechnet Rentner so intensiv in die Auseinandersetzung einmischen."

Warum sollten sie es denn nicht tun? Es handelt sich hier um eine Frage, die Rentner durchaus auch betrifft, sei es wegen der Kopplung der Rentenhöhe an die Löhne/Gehälter, sei es durch den Preisschub, der durch Tariferhöhungen ausgelöst werden könnte.

Abgesehen davon handelt es sich um eine Frage von allgemeinem politischen Interesse, warum sollen da Rentner nicht mitreden? Wenn wir das tatsächlich nicht mehr dürften, könnte der Webmaster diesen Themenkreis insgesamt hier schließen.

Die von York angesprochene Unvernunft liegt darin, daß das Ergebnis der Tarifverhandlungen schon an deren Anfang so gut wie feststeht und nur noch gestritten, "gekämpft" und evt. gestreikt wird, um der beiderseitigen Klientel das antiquierte Schauspiel namens Arbeitskampf und dessen Abwehr vorzuführen und damit die Daseinsberechtigung der verantwortlichen Funktionäre jeglicher Couleur zu demonstrieren.




Manfred Franz antwortete am 05.05.02 (06:19):

Es geht doch m.M. nach nur um eine Runde in den ewigen Verteilungskampf zwischen Arbeit und Kapital oder zwischen Verbrauch und Investition. Ein Überhandnehmen einer Seite bringt die Wirtschaft in Schieflage oder gar ein ganzes System ins Rutschen. Das (labile) Gleichgewicht muss erhalten werden. Offenbar geht das nicht ohne Arbeitskämpfe. Die Lohnzurückhaltung hat jedenfalls zu einem Kapitalüberhang geführt, der (Rationalisierungs-)Investitionen förderte, und damit erst recht Arbeitsplätze vernichtete.
Die Gewerkschaften (Kapital und Politik aber auch) sollten endlich einsehen, dass die Arbeitslosigkeit ein reines Verteilungsproblem ist und deshalb nicht unbedingt nur immer über mehr Lohn, sondern über (festgeschriebene und garantierte) Arbeitszeitverkürzungen reden.
Das wäre wirkliche Solidarität mit den Arbeitslosen. Leider ist der Begriff SOLIDARITÄT in der Ellenbogengesellschaft völlig aus der Mode gekommen.


wese antwortete am 05.05.02 (08:59):

Johannes,

so wollte ich mich auch nicht verstanden wissen. Selbstverständlich dürfen sich Rentner einmischen. Bin übrigens selbst Rentner. Ich habe ja auch dazugeschrieben, was ich konkret meine.

Viele der heutigen Rentner haben selbst von den Vorteilen profitiert, die von den Gewerkschaften erkämpft wurden. Und jetzt, wo sie selbst aus dem Berufsleben ausgeschieden sind, jetzt werden die Gewerkschaften plötzlich angegriffen und die reichen Bosse verteidigt. Das verstehe ich beim besten Willen nicht.


York v. Selasinsky antwortete am 05.05.02 (11:12):

Genau,Johannes du hast den Nagel auf den Kopf getroffen.Natürlich stelle ich die Tarifautonomie und den Streik als letztes Mittel nicht in Frage.
Ich stellte nur mal die Frage in den Raum.warum muss gestreikt werden,wenn eine andere große Gewerkschaft(Chemie)die Daten schon festgeschrieben hat.Oder ist der Chemiefacharbeiter ein Arbeiter 2.Klasse?
Außerdem sind die allgemeinen Umstände...wie Konjukturflaute...hohe Arbeitslosigkeit auch nicht außer acht zu lassen.
Beide Seiten wissen doch schon lange,wie das Ergebnis aussieht.
Es ist jetzt nur noch offen,wie lange der Streik andauert.
Bundeskanzler Schröder hofft natürlich nicht lange.sonst
ist tatsächlich sein Chefsessel in Gefahr.
LG York