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THEMA:   Die Rolle der Schweiz im 2. Weltkrieg

 9 Antwort(en).

Felix Schweizer begann die Diskussion am 23.03.02 (00:54) mit folgendem Beitrag:

Ich weiss nicht, wieweit das Problem über unsere Landesgrenzen hinaus interessiert:
Soeben erschien der Schlussbericht der Bergier-Kommission. Sie hatte den Auftrag mit Hilfe der archivierten Zeitdokumente, die Rolle der Schweiz gegenüber Nazi-Deutschland zu untersuchen. Heute fanden kontroverse Diskussionen im Parlament und in den Medien statt.

Einige allgemein interessante Fragen:

- Wie weit hat sich die offizielle Schweiz den nationalsozialistischen, rassistischen Ideen der Nazis angepasst oder sogar unterordnen lassen.
- Welches waren die Gründe? Angst vor Repressionen, materielle Vorteile, teilweise Sympathien?
- Hat die Schweizerbehörde mögliche Entscheidungsfreiräume nicht optimal ausgenutz, um das Flüchtlingselend zu mindern?
- Wie weit waren die Schweizerbanken und die Industrie bereit mit Deutschland zusammenzuarbeiten und fette Gewinne zu machen.
z.B. wendete die Waffenfabrik Bührle von Oerlikon mehr Mittel auf, um die Deutschen für Waffenkäufe zu schmieren, als sie für Angestelltenlöhne einsetzte. (Bührle war ein eingebürgerter Deutscher!)
- War das Boot wirklich voll ... oder hätte die Schweiz noch weitmehr Flüchtlinge aufnehmen können?
- Hat die Schweiz durch die Anerkennung des Judenstempels im Pass die antisemitischen Rassengesetze zur verbreiteten Verwirklichung geholfen?
- Wie weit wurde Raubgold und enteignetes Kapital in der Schweiz gehordet?
- Wurde die Schweiz als internationale Drehscheibe der Spionage verwendet?
- Fanden Transporte der Achsenmächte auf dem Schienennetz durch die Schweiz statt?

Vielleicht etwas spät ... aber immerhin. Gewisse Archive ware erst nach 50 Jahren zugänglich. Ich begrüsse die schonungslose Aufdeckung dieser schweren Zeit. Es gibt nicht viele Nationen, die dies in diesem Umfang gewagt haben. Es gibt auch bei uns Kreise, die sich dagegen stark machen.

(Internet-Tipp: https://www.nzz.ch/dossiers/schatten/scha991211fem.html)


Peter antwortete am 23.03.02 (04:34):

-- Zu der vorletzten Frage.--Kann mich erinnern wie mein Vorgesetzter, ein Direktor einer immer noch sehr grossen Deutschen Firma, Briefe zu seinen Freund in England schrieb, die durch die Schweiz gesendet wurden. Das war in 1944.


Fred Reinhardt antwortete am 23.03.02 (10:15):

Bei uns im " Fränkischen Tag " erschien heute ein Artikel mit der Überschrift : Schweiz hat zum Holocaust beigetragen.
Unabhängige Kommission : Gesamtbild kann Eidgenossen nicht von Vorwürfen entlasten.
Nachzulesen : www.fraenkischer-tag.de

Samstag 23.03.02 Europa und die Welt Seite 3

(Internet-Tipp: https://www.fraenkischer-tag.de)


schorsch antwortete am 23.03.02 (15:14):

Heute im BLICK, der grössten Tageszeitung der Schweiz: "Schweizer finanzierte Hitlers Kristallnacht!"

Wer verteidgt am vehementesten die damaligen Ereignisse in der Schweiz? Ausgerechnte jene, die als Wehrmänner jahrelang an der Grenze standen - derweil ihre Angehörigen zuhause hungerten und darbten - und derweil die Bonzen sich in Anpassung mit Hitler übten und im Hinterland (scheinbar) sichere Unterstände bauen liessen.

Schorsch


Felix Schweizer antwortete am 25.03.02 (23:32):

Heute kam im Schweizer Fernsehen SF1 ein Bericht über von Weiss, den Schweizer Botschafter während der Kriegsjahre in Köln. Seine erschütternden Berichte über das Wüten der Nazi-Schergen liessen schon in den Jahren 1940/41 keine Zweifel über die systematische Verfolgung , Enteignung und Deportationen der jüdischen Bevölkerung. Die Lügen, die von der SS verbreitet wurden, es handle sich um Arbeitseinsätze im Osten, waren unglaubhaft, wenn jedermann beobachten konnte, dass auch sehr alte und ganz junge Menschen dazu abtransportiert wurden.
Er schickte in dieser Zeit auch Fotos in die Schweiz, auf denen Leichenhaufen vor Güterwagen zu sehen waren. Es waren Unglückliche, die auf diesen unmenschlichen Transporten verendet waren. Viele Deutsche behaupten heute noch ... sie hätten davon nichts bemerkt! Mag sein ... gibt mir aber zu denken!
Leider hatten die Berichte in der Schweiz keine Konsequenzen bei der Behandlung der jüdischen Flüchtlinge an der Grenze. Auch bei uns gab es zuviele Anpasser ohne Civilcourage!


schorsch antwortete am 26.03.02 (08:51):

Des Menschen grösste Gabe ist zu vergessen - oder zu verdrängen!

Schorsch


WolfgangM.(Wolfgang Mücke) antwortete am 26.03.02 (17:59):

Viele waren wahrscheinlich auch in der Schweiz von den Vorgängen in Deutschland betroffen, mußten Entscheidungen treffen.

Nur - hatten die Verantwortlichen in der Schweiz nicht auch die Interessen Ihrer Bürger zu berücksichtigen?

Konnte man wissen, ob nicht auch wir Deutschen über die Schweiz hergefallen wären, hätte sich die Schweiz geweigert Forderungen der deutschen Führung nachzukommen?

Man hätte sicherlich viele jüdische Menschen retten und sie nicht wieder nach Deutschland abschieben können.

Wer kann aber wissen, welchen fürchterlichen Preis die Schweiz dafür hätte zahlen müssen?

Könnte es möglich sein, daß derartige Überlegungen in die Beurteilung der damaligen, sehr schwierigen Lage der Schweiz berücksichtigt werden?

Dieser verdammte Krieg wird uns nicht loslassen, so lange wir leben...

WolfgangM.


Fred Reinhardt antwortete am 26.03.02 (19:51):

Warum sollte die Schweiz Angst vor einem Krieg haben ?
Wohin hätte Hitler mit seinen Helfern die geraubten Aktien, das geraubte Gold und die vielen kulturellen Werte sonst verkaufen können ? Vor der Haustür Deutschlands war doch die Schweiz ein wahres Paradies für Nazigrössen und vielen Herren aus den Grossindustrie und deren Familien.

Diese neutrale Schweiz hat gewollt oder ungewollt den Krieg in Europa keineswegs verkürzt denn es steht fest, die Banken haben ihr Geschäft mit dem Krieg gemacht.

Es gab doch nur drei Staaten in Europa, die neurtal und dem braunen Regiem kriegswichtige Importe besorgen konnten und einem Huhn das goldene Eier legt, wie die Schweiz, schlägt man doch den Kopf nicht ab.

Am 25.03.02 gab es übrigens eine Sendung im WDR die sich mit diesem Thema beschäftigte. Es ging hauptsächlich um die Verstrickungen der Firma Otto Wolff. ( Hehler für Hitler )


WolfgangM.(Wolfgang Mücke) antwortete am 26.03.02 (20:12):

Hättest Du, lieber Fred Reinhardt, als Verantwortlicher in der Schweiz in den Jahren 1941-1945 dafür die Hand ins Feuer gelegt, daß sich die Deutschen die Schweiz nicht einverleiben würden?


Fred Reinhardt antwortete am 26.03.02 (23:33):

Hätte man durchaus riskieren können, denn das Risiko war nach heutiger Sicht fast nicht vorhanden.

Den späteren Siegermächte hätte ich aus nachvollziebaren Gründen, den Einmarsch in die Schweiz eher zugetraut. Deutschland war auf diese neutrale Schweiz angewiesen. Den Engländern und den Amerikaner waren die Geschäfte der Deutschen über das Schweizerland mehr als ein Dorn im Auge. Ihre Flugzeuge haben auch auf den neutralen Luftraum der Schweiz ab 44 / 45 immer weniger Rücksicht genommen.