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THEMA:   Was habt Ihr gewusst?

 65 Antwort(en).

Johannes Michalowsky begann die Diskussion am 25.02.02 (13:57) mit folgendem Beitrag:

Das richtet sich nur an die, die tatsächlich der älteren Generation angehören:

Ich bin vor einigen Tagen im Chat von zwei Jugendlichen, die Material für eine Arbeit in ihrem Religionsunterricht zusammensuchten, über mein Erleben der Kriegsjahre befragt worden. Das hat bei mir Erinnerungen geweckt und mich wieder einmal über jene Jahre nachdenken lassen.

Zu einer meiner herausragenden Erinnerungen zählen Monate (mehr war es nicht) in einem KLV-Lager (Kinderlandverschickung) in der Nähe von Stolberg/Harz, wo eine, wie es damals hieß, kriegswichtige Produktionsstätte angesiedelt war und in der auch KZ-Häftlinge zu arbeiten hatten.

Diese wurden täglich an unserem Heim vorbeigeführt, und ich erinnere mich noch deutlich an die von SS-Soldaten umringten "Zebras", wie wir sie wegen iher Kleidung nannten, wie sie in ihren Holzpantinen an uns vorbeiklapperten.

Einiges Schreckliche haben wir von unseren HJ-Führern (15-17-jährige, die vor unseren Gymnsiallehrern das Sagen hatten) erzählt bekommen oder auch am Rande mitbekommen - tagelange Haft im Stehbunker und regelmäßige Auspeitschungen, bei einem Waldbrand in unserer Nähe wurden sie von der SS mit Bajonetten in die Flammen zum Löschen getrieben. Einmal war einer entflohen, und wir Jungens wurden ausgeschickt, ihn zu fangen - und hofften, ihn nicht zu finden, weil wir Angst hatten - wahrscheinlich zu Recht, denn der arme Kerl hat bestimmt nichts mehr zu verlieren gehabt, da wäre es auf zwei umgebrachte Schüler womöglich nicht mehr angekommen.

Nun frage ich mich: Ich war damals dreizehn Jahre alt - wie konnte es da sein, daß nach 1945 niemand etwas gewußt haben wollte? Was habt Ihr Altersgenossen denn gewusst?


Schorsch antwortete am 25.02.02 (16:45):

Gewusst vielleicht schon. Aber ...... siehe die 3 Affen. Man hat Otto Normalverbraucher ja sooo einfach plausibel machen können, jeder, der ein solches Zebrakostüm trage, sei ein Verbrecher!

Schorsch


Fred Reinhardt antwortete am 25.02.02 (17:38):

Gewusst und gesehen gleich null in einem Internat ( Reutte Tirol ) bis Anfang 1945 knapp 13 Jahre alt.
Von meinen Grosseltern die ich immer in den Sommerferien in Thürigen besuchen durfte, habe ich einmal erfahren, dass mein Grossvater bei der Hinrichtung von Polen als Bürgermeister einer Kleinstadt in eine Kreisstadt geladen wurde. Soweit ich mich erinnern kann, war ein Pole ausgerissen, er wurde wieder eingefangen und zur Abschreckung wurden mehrere Zwangsarbeiter oder auch Kriegsgefangene Polen aufgehängt. für meine Opa war dies eine sehr schlimme Zeit und wenn ich zu dieser Zeit nicht dort gewesen wäre, hätte mir dies auch niemand erzählt.
Mein Grossvater hat zum Kriegsende diese Kleinstadt den Amerikanern mit der weissen Fahne in der Hand, übergeben.
Dies habe ich aber erst im Oktober 1945 erfahren als wir von Innsbruck zurück nach Rodach bei Coburg kamen.( meine Eltern sind dort geboren ) Wir wurden aus Tirol wegen deutscher Staatdbürgerschaft ausgewiesen. Das Wort VERTRIEBEN würde zwar besser passen aber es klingt zu hart und meine Bekannten und Freunde in Innsbruck die nichts dafür können möchte ich damit nicht belasten. Die diese Ausweisung veranlasst haben, waren Nachkriegsfanatiker und die gabe es ja zu jener Zeit oft. Von einem Extrem ins Andere, war damals an der Tagesordnung.


Kurt G. antwortete am 26.02.02 (14:41):

Hallo Jo,
darf ich fragen in welchem Jahr Du 13 Jahre alt warst? Nach Deinen Erlebnissen wußten die jungen HJ-Führer ja Bescheid. Ich kann nicht recht glauben, daß sie in "KZ-Praktiken" eingeweiht wurden. Nach dem Gesetz über die Hitlerjugend v. 01.12.1936 kam man mit 10 Jahren ins Jungvolk, mit 14 in die HJ. Angewandt wurde das Gesetz vor Inkrafttreten, erstmalig beim Jahrgang 1926. Du warst vermutlich damals noch im Jungvolk.
Ich bin vom Jahrgang 1926, war im Kriegseinsatz und bis Mitte 1949 in polnischer Kriegsgefangenschaft. Ich habe keinen getroffen, der von den Schrecklichkeiten in den KZ´s wußte. Wir waren erschüttert, als Politoffiziere uns in der Gefangenschaft die ersten Bilder aus den KZ´s zeigten. Eine Welt brach in uns zusammen als wir endlich anfingen das Schreckliche zu begreifen und zu glauben. Was seelisch hinter diesen wenigen Sätzen steht, wird man nicht ermessen können, wahrscheinlich auch gar nicht wissen wollen, aber andeuten wollte ich es an dieser Stelle.
Lieber Jo! Ich glaube, die Jugendlichen sind nicht gut beraten, sich im Diskussionsforum des ST über dies Thema zu informieren, wo es so umfassende historische Quellen gibt. Es ist doch nicht mit ein paar geschriebenen Sätzen getan.
Kurt


York v. Selasinsky antwortete am 26.02.02 (16:46):

Gebe Kurt.G.vollkommen recht,das ist schon Geschichte und die Jugendlichen sollen sich die Angaben aus vielen historischen Quellen suchen.
Viel wichtiger scheint mir zu sein,daß sich die Jugendlichen um die geschichtliche Gegenwart kümmern sollten.
z.B.Warum fordert der ungarische Ministerpräsident Orban die Abschaffung und Annulierung der Benes-Dekrete?
Die ist ein akutes europäisches Problem,weil es die Menschenwürde und die Menschenrechte berührt.
Mit dem Beitritt der Länder Mitteleuropas zur EU muss dieses Thema auf die Tagesordnung,damit diese Jugendlichen in Zukunft weiter ein friedliches Europa mit uns aufbauen können.
Gruß York


Mentz antwortete am 26.02.02 (16:56):

Ich war 1933 Als Hitler gewählt wurde 14 Jahre alt. Ich fand die Aufmärsche toll, als Oberschülerin mußte man in den BDM (Bund Deutscher Mädchen) eintreten. Alles war sehr spannend, aber was eigentlich alles dahinter steckte, Haben wir in Ostpreußen auch später nicht gewußt.Uns hat Adolf Hitler mit seiner großartigen Propaganda so viel Sand in die Augen gestreut, ich kann es heute gar nicht mehr begreifen. Ja, hinterher ist man klüger, dann ist es zu spät.


e k o antwortete am 26.02.02 (17:02):

Ich bin gleicher Jahrgang wie Jo.

In den entscheidenden Jahren lebte ich in einer württembergischen Kleinstadt.
Mein Vater war Berufssoldat und blieb in Rußland. Meine Mutter? Es wäre falsch, sie eine Nazi-Frau zu nennen, aber sie war von der guten Sache des Nationalsozialismus überzeugt und blieb dies auch bis an ihr Lebensende.

Es klingt vielleicht banal, aber ich habe von den Gräueltaten der Nazis damals nie etwas gehört. Ich kann mic h erinnern, dass ich mich damals als 13-jähriger gefragt habe, was wohl kommen würde, wenn "unser Führer Adolf Hitler" einmal sterben würde.

Ich habe diese Zeit so in Erinnerung, dass man von der Propaganda so eingelullt und überschwemmt wurde, dass man vollkommen überzeugt war. Meine Kindfamilie war total unpolitisch, ich kann mir denken, dass die Erwachsenen damals sich mit den Verhältnissen abgefunden hatten und sich eben "einrichteten".

Die Zeit im Jungvolk habe ich nicht abstossend empfunden. Dass man mit uns "Pimpfen" schon exerzierte und somit vormilitärische Ausbildung betrieb, naja, das war halt so....und irgendwie hat es auch Spaß gemacht. Aber das war ja gerade das Teuflische daran.

KZ's gab es in unserer Nähe keine, an Hand derer man entsprechende Erlebnisse oder Informationen hätte bekommen können. Deshalb konnten wir auch solch prägende Erlebnisse wie Jo nicht mitbekommen. Ich bin darüber nicht traurig !


e k o antwortete am 26.02.02 (17:05):

Ach so, ja, ich bin Jahrgang 1931


Werner Bleicher antwortete am 26.02.02 (17:49):

Ich bin Jahrgang 1932 und habe die Zeit genauso erlebt wie eko.
Darf ich in diesem Zusammenhang einmal auf meine Leseprobe und vor allem auf das Inhaltsverzeichnis meines Buches "...und bleib' übrig!" in "Autoren im ST" bzw. "Lesetipps" hinweisen. Ich habe dort ebenfalls dieses Thema angesprochen. Bitte glaubt nicht, dass ich damit auf ein "Geschäft" hinweisen möchte - wer schon mal versucht hat so ein Taschenbuch über einen Copy-Shop zu produzieren, der weiß was dabei "verdient" ist. Aber nachdem die Verlage brutal sagen: "Mit der Vergangenheit ist kein Geschäft zu machen", bleibt mir kein anderer Weg als dieser und ähnliche um mitzuhelfen die Vergangenheit nicht zu vergessen!
Vielleicht könnte das Buch auch etwas für Johannes Michalowsky und diese Schüler sein?


Schorsch antwortete am 26.02.02 (17:59):

An Werner Bleicher und andere AutorInnen.

Falls Interesse vorhanden gebe ich gerne eine Adresse in Deutschland bekannt, wo man gegen geringes Geld Bücher in ansehnlicher Qualität machen lassen kann. Aber ich möchte diese Adresse nicht hier veröffentlichen. Wer Interesse hat, melde sich mittels Klick auf den unterstrichenen Schorsch.


Werner Bleicher antwortete am 26.02.02 (18:12):

Lieber "Schorsch" - gehört jatzt nur am Rande zum Thema - ehe ich dort anfrage:
Kennst du diese Firma?
Handelt es sich um einen dieser Verlage, der die Druckkosten vom Autor bezahlt haben will?
Diese Leute sollten sich dann lieber nicht "Verlag" nennen, denn sie leben von den Druckkosten wie jede normale Druckerei (was nicht verwerflich ist aber einem Autor auch nichts hilft).


Fred Reinhardt antwortete am 26.02.02 (18:50):

Meinst du Jork v.S., dass die Geschichte erst mit der Ausweisung aus dem Sudentenland - Egerland beginnt ?
Vorher nachlesen oder auch kurz mal überblättern.
Menschenwürde, Menschenrechte erst ab den Dekret, heute zum Zusammenleben der Jugend in Europa auf den Tisch bringen und diskutiern. Jork ich glaube du hast den Geschichtsunterricht geschwänzt.


Mulde antwortete am 26.02.02 (20:31):

Auch ich bin Jahrgang 1931 wir wurden ende 1943
aus Dessau ( am 07.03.45 total zerbombt) in ein "KLV"
lager in der nähe von Bernburg/Saale mit der ganzen Klasse
gebracht. Mittwochs und Sonnabends und an bstimmten Tagen
mußten wir Jungvolkuniform tragen obwohl meine Eltern
durch Ihre "SOZI"Vergangenheit gemaßregelt wurden und selbst ich als Kind zur Vernehmung zur Gestapo mußte.
Nicht immer,so aber doch öfters ich dort Prügel bekam.
Von den Eltern haben wir Kinder nichts erfahren über die
Greueltaten das kam erst später so ab Juli 45.
Ein Erlebnis steht mir heute noch vor Augen im Dorf "Leau"
heute krs. Bernbutg in Sachsen-Anhalt waren anfang 44 am
ende des Dorfes an einer Kiesgrube plötzlich SS Männer
und Männer in gestreiften Anzügen - wir Kinder durften
nicht mehr in die Nähe dieser Kiesgrube.
Unsere Lehrer (alle PG's) erzählten im Unterricht und bei
Appel's dort in Leau sind "Verbrecher " sie würden dort
Zur Arbeit erzogen und wenn wir nicht an den Endsieg glauben würden kämen wir auch dort hin. Nun kann sich wohl
vorstellen ein 13-14 jähriger kann den drohenden Unterton
darin noch nicht auseinander halten.
Also waren es "Verbrecher"
sehr viel später - der Krieg war zu ende wir waren wieder in unserer zerstörten Stadt da wurde über das Lager "Leau"
geschrieben dort wurden KZ Häftlinge im Kalischacht Plömnitz
verbracht und mußten Einzelteile für die V2-Produktion
herstellen.
da wurde auch beschrieben ,das in besagter Kiesgrube Häftlinge erschossen wurden.
die Schiesserei haben wir des öfteren gehört - aber welcher
13-14 jährige denkt darüber ernsthaft nach , noch dazu wenn es ihm nicht persönlich betrifft.
geschossen wurde doch laufend- den Grund hat doch nie erfahren.
und selbst ich eingedenk der bezogenen Prügel wollte davon
nichts wissen "hatte ich doch als deutscher Junge etwas
wieder gut zumachen " nur was das wußte ich nun auch wieder nicht.
Fazit die Älteren sofern sie wussten -haben geschwiegen
wir jungen waren der Erziehung der Lehrer "ausgesetzt"
Heute nach über 50 Jahren davon zu sprechen :Glauben uns
die Jugendlichen das noch?


Heidi antwortete am 26.02.02 (20:39):

"..Unsere Lehrer (alle PG's) erzählten im Unterricht und bei Appel's dort in Leau sind "Verbrecher " sie würden dort
Zur Arbeit erzogen und wenn wir nicht an den Endsieg glauben würden kämen wir auch dort hin..."

"..Glauben uns die Jugendlichen das noch?"

Vielleicht ist es wenigstens Warnung und veranlasst zum Nachdenken (Nicht nur bei den Jugendlichen). Denn auch heute wird wieder von "Verbrechern" "Siegern" und "Erziehung zur Arbeit" gesprochen.


Johannes Michalowsky antwortete am 26.02.02 (21:41):

Die beiden Jugendlichen hatten aus dem Religionsunterricht die Aufgabe, Zeitzeugen ausfindig zu machen und sich mit denen über ihre persönlichen und subjektiven Erlebnisse zu unterhalten. Sie haben mir sehr charmant (!) zu verstehen gegeben, daß meine - unsere - Generation ja nun bald aussterben würde und sie die Gelgenheit nicht versäumen möchten, vorher noch mit uns zu sprechen.

Um etwas über die Geschichte zu erfahren, ist es, glaube ich, nicht unüblich, noch lebende Zeugen zu befragen. Was diese Jugendlichen sonst noch alles lernen könnten - wie York meint -, stand nicht zur Diskussion. Das sollten wir den Unterrichtskräften überlassen.

Wie alt ich bin, geht aus dem Beitrag von eko hervor, es ging im Speziellen um das Jahr 1944. Was ich geschildert habe, habe ich nicht erfunden, egal nach welchem Gesetz unsere HJ-Führer damals informiert waren oder nicht.


Karl antwortete am 26.02.02 (21:49):

Ich selbst bin Jahrgang 1948, habe also keine direkten Erfahrungen gemacht. Aufgewachsen bin ich in einem kleinen Dorf in Nordrhein-Westfalen, fernab jeglicher Konzentrationslager. Was mich in Bezug auf die These "Wir haben nichts gewußt" in fortgeschrittenem Alter nachdenklich gemacht hat, ist die Jugenderinnerung an die Sprache der Dorfbewohner. Es sei vorausgeschickt, dass natürlich die Möglichkeit besteht, dass sich diese Redewendungen erst nach dem Krieg gebildet haben, was ich persönlich jedoch bezweifle, da generell bei "bewußten" Diskussionen diese Redewendungen bei den meisten Erwachsenen auf strikte Ablehnung stießen ("das sagt man nicht", etc.). Es ist m.E. eher anzunehmen, dass diese "gedankenlos" verwendeten Redewendungen Überbleibsel einer schlimmen Zeit waren.
Ich meine Begriffe wie "etwas bis zur Vergasung durchziehen" und viele Redewendungen und zusammengesetzte Begriffe, die die "Juden" Vor- oder Nachsilbe zur Abwertung benutzten, auch üble "Judenwitze" habe ich in meiner Kindheit oft gehört.
Heute begegnet mir dies Gott sei Dank nicht mehr. Wir müssen aber aufpassen, nicht wieder in ähnliche, neue Sprachfallen zu tappen.
Mein Eindruck ist, dass man damals sehr vieles irgendwie gewußt hat (wie die Sprache verraten hat), es aber nicht hat wissen wollen. Verdrängung nennt man das.
Ich habe Hochachtung vor denen, die das damals durchschaut haben und sich mutig gegen das Regime gestellt und dies sehr oft mit ihrem Leben bezahlt haben. Es ist beunruhigend für mich nicht zu wissen, wie ich mich verhalten hätte. Ich habe berechtigten Zweifel daran, ob ich diesen Mut aufgebracht hätte. Deshalb halte ich mich auch mit der Be- und Verurteilung der älteren Generation zurück, aber ich könnte mir nicht verzeihen, wenn ich nicht heute schon bei den kleinsten Anzeichen menschenverachtender Sprache aufmerken würde. Wie wir mit "unseren" Ausländern, mit anderen Religionen umgehen, darf nie wieder in einer solchen Katastrophe wie im 3. Reich enden. Deshalb sollten wir unsere Sprache sehr genau beobachten - und auch unsere Witze.


Mulde antwortete am 26.02.02 (22:24):

Auch ich wurde von einem dieser Jugendlichen angesprochen,
er erklärte mir die Vorgehensweise in der Projektwoche
Der eine sollte ältere direkt befragen, der andere Bücher benennen mein"Partner" wiederum und das gab er zu verstehen war nur am Chat interessiert und hier speziell ob
wir auch lustige Erlebnisse gehabt hätten.
die gab es mit Sicherheit auch , aber ich bin nun wiederum dafür das man den Jugendlichen die Unsinnigkeit eines
Krieges erklärtund nicht was daran lustig war. Leider brach er dann das Gespräch im Chat ab.
Das täten schon andere "bearbeiten"
manchmal habe ich nun leider den Eindruck es passt nicht
mehr in die Frontberichterstattung unserer Neuen Medien
Nur das der Jugend begreiflich zu machen ist sehr schwer
und das auch ein Held sich vor Angst in die Hosen macht!
Keiner wird als Held geboren - gut das dem so ist.




Baerliner antwortete am 27.02.02 (08:52):

Zum eigentlichen Thema kann ich nichts beitragen, da ich Jahrgang 1942 bin. Aber ich habe vor einiger Zeit im
Tagesspiegel gelesen, daß Historiker die Aussagen von
Zeitzeugen mit immer größerer Skepsis bewerten.

Wie auch bei den Zeugen vor Gericht ändert sich die Darstellung desssen, was man wahrgenommen hat - bewußt wie auch unbewußt - im Laufe der Zeit.

Mein Internet-Tipp weist auf den Artikel im Tagesspiegel.

(Internet-Tipp: https://www2.tagesspiegel.de/archiv/2002/01/21/ak-ws-5512412.html)


Felix Schweizer antwortete am 27.02.02 (09:05):

Lieber Karl,

wie Recht du hast .... ich möchte auch nicht bei der grässlichen Vergangenheit verweilen. Ich erlebte die letzten Kriegsjahre als Primarschüler. Wir hatten Angst vor den Deutschen ... sie waren für uns die ständige Bedrohung unseres von der "Achse des Bösen" umschlossenen freien Heimatlandes. Ich habe seither oft mit Menschen gesprochen, die in der Wehrmacht waren ... oder den Krieg aus deutscher Sicht erlebt haben. Man musste völlig naiv und unsensibel sein, wenn man wirklich nichts vom Holokaust mitbekommen haben soll.
Sogar wir Ausländer hörten die Worte des Führers, seines Propagandaministers oder anderer "grossen" Deutschen. Mich schauderts heute noch!
Meine Eltern wollten mich schonen ... und verboten mir die Illustrierte anzuschauen ... natürlich schaute ich mir heimlich die eindrücklichen Bilder an ... !

Wichtig ist ... wie Karl sagt ... dass wir ncht die gleichen Fehler wiederholen und Menschen, die uns nicht in den Kram passen, mit herabwürdigenden entmenschlichenden Bezeichnungen zum Freiwild machen.
Wehret den Anfängen!


Werner Bleicher antwortete am 27.02.02 (09:54):

Ich bin der Meinung: „etwas“ gewusst hat jeder in Deutschland; die Frage ist nur „was“ hat er gewusst?
Es kann ja wohl niemand behaupten, er hätte nichts von „Verhaftungen“ von Juden oder von der „Kristallnacht“ gewusst!
Mir ist noch gut in Erinnerung, dass es immer wieder geheißen hat (unter den Erwachsenen): „Sei ruhig, sonst kommst du nach Dachau!“
Nun wurde mir nach dem Krieg bekannt, dass zu Beginn der Nazizeit in Dachau in erster Linie Regimegegner jedweder Couleur gefangengehalten wurden und sogar wieder entlassen wurden. Zu diesem Zeitpunkt gab es auch noch keine gezielten Massenmorde. Sie erzählten (durften nicht) nichts aus dem Lager und so war in breiten Bevölkerungsschichten der Eindruck, dass sich dort ein „verschärftes“ Zuchthaus befinde. Wer niemanden kannte, der dort war, war völlig auf Vermutungen und Gerüchte angewiesen. Als es begann mit Verhaftungen von Nazi-Gegnern und viele Deutsche merkten, dass sie sich ein Unrechts-Regime angelacht hatten, war es zu spät um daran ohne eigene Lebensgefahr Widerstand zu leisten – und es gibt eben einmal kein „Volk von geborenen Helden“.
Die bekannten Anschuldigungen von Volksschädlingen, Asozialen, Wehrkraftzersetzern, Kinderschändern u. v. a. musste wohl oder übel mehr oder weniger gläubig hingenommen werden, wenn man nicht selber in Dachau landen wollte.
Die massenhafte Deportation von jüdischen Mitbürgern wurde ja mit „Umsiedlung in den Osten“ oder „Arbeitslagern für kriegswichtige Arbeiten“ weitgehend vertuscht und als der Massenmord begann, war in Deutschland bereits die Hölle los. Ein latenter Antisemitismus war (allerdings nicht nur in Deutschland) seit vielen Jahren vorhanden und wurde von den Kirchen mit dem Hinweis „die Juden haben Jesus gekreuzigt“ nicht gerade geschürt aber auch nicht gedämpft.
So kam eines zum andern, das sich steigernde Unrecht verkroch sich im Elend des eigenen Volkes und so blieb für die Masse nichts als Gerüchte – wenn auch das Wissen dabei war in einem Unrechtsstaat zu leben. Die Machthaber dieses Unrechtsstaates hatten aber nicht „nur“ die KZ’s zu verantworten sondern das gesamte Unglück, das sie im Namen ihrer Ideologie über fast die ganze Welt brachten.
So ist es fast müßig zu fragen: „Was wusstet ihr?“
Es steht auch fest, dass die überwiegende Mehrzahl des Volkes (außer den Schergen und deren Umfeld) erst durch die Wandzeitungen der jeweiligen Besatzer von dem Holocaust erfahren hat.


Mulde antwortete am 27.02.02 (10:22):

zu den Argumenten von "Felix Schweizer"
Zitat "man müßte völlig naiv und unsensibel sein, wenn
man nichts vom Holocaust mitbekommen haben soll"
Werter Felix :
wie naiv bist Du denn heute noch ,da Du der Meinung bist
das deutsche Volk im allgemeinen hat alles gewußt?
Geh mal in die Archive deutscher Zeitungen und dann
in Archive Schweizer Zeitungen.
Ich als betroffener wußte nur was in meinem direckten
Umfeld war - du aber der du doch weitab der Geschehnisse
gelebt hast erklärst mir und anderen, wir seien naiv gewesen
so wie Du richtig sagtest ihr hattet Angst vor den Deutschen
so hatten wir Angst vor den Bonzen und von denen wußten viele auch nur das was in ihrem Umfeld passierte
aber sie waren gläubige Hitleranhänger die wiederum auch
nur das verkündeten was Radio und Pressen sagte
Der Rest dachte ans Überleben und hatte Angst vor den
Bomben der Engländer und Amis// übrigens die haben damals
schon mehr auf Wohngebiete gebombt als auf strategische Kriegsziele , da hat sich bis heute wenig geändert
-sicher werden die Älteren
einiges mehr geahnt als gewußt haben.In allen Bereichen
gab es in neudeutsch damals den Spruch"Pst Feind hört mit"
und wir kinder waren nun mal für die Älteren ein Risiko-
Faktor siehe HJ und BDM + Jungvolk
Ich bin heute nicht so naiv und werde mich bei Dir nicht entschuldigen weil ich nichts gewußt habe - das wirst Du sicher verstehen - da du ja über die Zeit besser bescheid
als wir , die wir diese Zeit erlebt haben.
Ps lies bitte meinen Eigangsartikel (siehe oben)


Mulde antwortete am 27.02.02 (11:59):

Zu Werner Bleichert
Ich weis nicht wo und wie Du diese Zeit erlebt hast
in einigen Argumenten stimme ich Vorbehaltlos zu.
Bei Einigen begehst Du aber große Denkfehler.
Ausgehend von dem Artikel unsere Freudes Jo und nur das
ist in diesem Thema primär
Du sagst: "etwas gewußt hat jeder" geh doch mal davon aus
und das wäre dem Thema gerecht, welches Alter hatten wir zu der Zeit wir waren so 1938 7 Jahre Du selbst erst 6 jahre!!
Welche politische Bildung hatten wir - obwohl ich aus einem
Linksorienteten Elternhaus komme hatte ich keine . welche, die frage muß erlaubt sein,hattest du als 6 jähriger.Bis zum Jungvolk hattest Du noch 4 Jahre Zeit welche politische Bildung hattest Du zu der Zeit.
ja Sicher ich habe gesehen wie die Synagoge brannte (in dieser war der Vater von Kurt Weill (Drei Groschenoper)
Kantor
Ich hab auch gesehen wie jüdische Geschäfte zerstört wurden
und auch bemerkt das sich die älteren darüber unterhalten haben. aber ein 7-10 jähriger verdrängt das , der hat andere Sorgen - die nachbar strasse hatte uns im Fußball
geschlagen also "RACHE" und in dieser Zeit kam noch etwas
wichtiges für ein nun schon alten Jungen so mit 13-14 jahre
der entdeckte nämlich das es auch noch so etwas wie Mädchen gab.JA es war es Krieg und leider habe ich die ganze Chose in ihrer brutalsten Weise kennen gelernt. Ich wußte Die Flieger die Nachts die Bomben warfen sind meine Feinde
auch das ich den SA Mann in Uniform aus dem Wege gehen
mußte aber das waren Erfahrungen (siehe Oben) und Kindliche
Abwehr aber niemals wissen zur Judenverfolgung
oder Unrechtsstaat.
darum über das Thema diskutieren heißt auch die Kindliche
Psyche als 14 jährige nicht mit den Erkenntnissen Erwachsener gleichsetzen und dann gedankenlos in die heutige
Zeit transportieren
Oder meinst Du heutigen Jugendlichen denken Staatsbewußter?
Das machen noch nicht mal die großen der Politik


e k o antwortete am 27.02.02 (16:11):

"Etwas gewusst hat jeder"......????????????????

Das sind so Gemeinplätze, die nichts, aber auch gar nichts aussagen, nur vage Vermutungen unter die Menschen streuen und ein falsches Bild erzeugen.

Wir dürfen uns dem Thema nicht mit dem Wissen, das wir heute haben, nähern. Wenn man der Sache gerecht werden will, muss man sich in die Gedankenwelt der damaligen Erwachsenen hineindenken. ( Wir jungen Spunde, Kinder, die wir damals noch waren, konnten das alles noch gar nicht durchschauen!)

Was, wenn ich damals Erwachsener gewesen wäre ?

Ich bin mir sicher, dass, wenn ich "etwas gehört" hätte, dass mir dies doch sehr unglaubwürdig vorgekommen wäre. Dem stand doch soviel entgegen, von dem man überzeugt war, dass es gut war. Nach all der schlimmen Zeit, die hinter uns war, verlorener Krieg ( 1914/18), Reparationen, Geldentwertung, Arbeitslosigkeit, da kam nun einer, der uns Hoffnungen machte und der uns sagte, dass wir wer sind !!! Da war Olympia 1936, die "Reichsparteitage", Aufmärsche und und und. Das war doch toll ! Und nun soll das alles verbrecherisch sein ?

Also, da waren doch die meisten Menschen der damaligen Zeit restlos überfordert.

Komme mir keiner mit dem Argument, man hätte sich ja kundig machen können ! Wie denn ? Wo denn ? Wer kein Geld hatte, um sich Radio oder eine Tageszeitung zu leisten oder sich politisch nicht engagierte ( und das war die Mehrzahl!) konnte nichts erfahren. Die Goebbelsche Propagandmaschine war so gut geölt und lief auf Hochtouren, da kam so gut wie niemand auf die Iee, das könnte alles nur getürkt sein. Ausserdem: Es gab ja absolut keine Opposition, die war längst mundtot gemacht.

Nein, die Menschen waren begeistert !

Vor allen Dingen die jungen Erwachsenen !

Man sprach ja dann später von der "betrogenen Generation", denn man hatte ihre Begeisterungsfähigkeit teuflisch missbraucht, man hatte ihnen Ideale vorgegaukelt, die sich als Luftblasen erwiesen.

Eben deshalb hat z.B. meine Mutter auch bis an ihr Lebensende ( 1991) daran festgehalten, dass "Hitler so schlecht ja auch nicht war, immerhin hatte er ja auch Autobahnen gebaut" Das war ihr stehender Satz.

Von diesen Menschen erwarten zu wollen, sie hätten etwas dagegen tun sollen, ist purer Hohn. Und zu dem Zeitpunkt, als wir heute 70jährigen anfingen, die Welt wahrzunehmen, waren wir noch viel zu unkritisch und ganz einfach zu jung, um das alles richtig einzuordnen.

Ich jedenfalls habe meine Zeit im Jungvolk als Vorstufe zur Hitlerjugend als normale Angelegenheit wahrgenommen. Das Marschieren im Gleischschritt, das wir geochst haben bis zum Umfallen, war ja auch keine kriegerische oder sonstwie verbrecherische Angelegenheit. Es hat Spaß gemacht ! Und wenn wir als "Stamm" durch die Stadt marschierten, voraus der Fanfarenzug, dann war das schon etwas Besonderes.

Ebenso kann ich mich noch gut an die bestens organisierten Feiern jedes Jahr zur Übernahme der 14-jährigen in die Hitlerjugend und die 18-jährigen in die SA erinnern. Das war für uns Kinder, die wir ja noch waren, etwas Erhebendes.

KZ? Judenvergasung? wenn überhaupt etwas vernommen, dann hat man das schlicht und ergreifend verdrängt ! Es war wichtiger, ob die Wilhelmstraße gegen die Gerbergasse im Fussball gewonnen hatte.

Krieg? Ja, die uns da von oben angriffen mit ihren Bomben und Tieffliegern mit Maschinengewehren, das waren F e i n d e ! so empfanden wir das damals.

Widerstand? Gegen wen? Gegen Adolf Hitler, unsern Führer ? Undenkbar ! Und auch längst zu spät! Wenn überhaupt, hätten unsere Eltern und Großeltern schon 1930 bis 33 den Anfängen wehren müssen, aber da hat noch niemand vorausgeahnt, was da auf uns zukam, es sei denn, er wäre politisch hochmotiviert gewesen. Aber das waren die wenigsten.


Werner Bleicher antwortete am 27.02.02 (16:26):

Lieber Mulde, du hast völlig Recht. Ich habe mich auch etwas mißverständlich ausgedrückt. Mit "jeder hat etwas gewusst" habe ich natürlich nicht unsere Jahrgänge sondern die unserer Eltern und Großeltern gemeint. Das was zu uns Kindern herübergeschwappt hat wurde natürlich von den anderen Lebensumständen überlagert. Es hat dabei auch eine Rolle gespielt wo jemand wohnte. Ich wohnte in Nürnberg und habe den Parteitag 1938 selbst als Sechsjähriger "genossen".
Zwischen unserer Schule und der Katholischen Kirche war ein Aufmarschplatz für SA und HJ. Später war ich in dieser Kirche Ministrant und habe z. B. hautnah mitbekommen, was da an "Versteckspielen" und "Geheimnistuerei" notwendig war, wenn der Kommandant eines Gefangenenlagers und der Pfarrer einem französischen Priester eine Meßfeier ermöglichen wollte.
Ich war aber 1944 in einem oberfränkischen Dorf evakuiert und dort war nicht einmal das "Heil Hitler" zu hören.
Vielleicht darf ich doch noch einmal auf mein Buch (Inhaltsverzeichnis) "...und bleib' übrig!" - Leseprobe im "Autoren im ST" - verweisen wo alle diese Dinge geschildert sind.


Felix Schweizer antwortete am 27.02.02 (18:23):

Hallo Mulde ...

auch ich habe nachträglich realisiert, dass ich an Menschen gedacht habe, die in den 30er-Jahren erwachsen waren. Mir ist auch klar, dass man den damaligen Kindern und Jugendlichen Verständnis entgegen bringen muss, wenn sie sich für die intensive Jugendarbeit der NSDAP begeistern liessen. Und dies entspricht etwa eurer Generation. Ich sprach natürlich mit eurer Elterngeneration ... und die merkten schon, wo der Wind her pfiff ... aber man wollte sich seine Zukunft nicht verbauen.
Mulde ... ich weiss natürlich nicht besser bescheid als ihr ... aber ich habe es von einem andern Blickwinkel aus erlebt .. und das kann vielleicht als Ergänzung dienen.
Wir Schweizer haben uns ja auch Schuld aufgeladen, indem wir die verfolgten Juden und andere Flüchtlinge zeitweise an unsern Grenzen abwiesen. Oder unsere Rüstungsindustrie und unsere Banken waren dem Nazi- Deutschland dienlich. Obwohl ich damals noch nichts zu sagen hatte ... schäme ich mich für das Verhalten dieser Schweizer ..... und das würden wir von euch Deutschen eigentlich auch erwarten. Statt dessen findet man immer wieder plausible Entschuldigungen.


Schorsch antwortete am 27.02.02 (19:32):

Es war Göbbels, der es meisterhaft verstanden hat, die Tatsachen so zu verdrehen, dass jedermann/frau glaubte, die Deutschen seien absolut im Recht.

Göbbels hat geistige Nachkommen hinterlassen. Nehmt euch in acht vor ihnen.

Schorsch


Karl antwortete am 27.02.02 (21:58):

Mein Lehrer, in der Volksschule sagte der Klasse (1938 ?) „ wenn jemand etwas gegen das Deutsche Volk sagt sage es mir, denn das ist Volksverrat. Auch wenn es deine Eltern sind “. Habe ich meinen Eltern gesagt und sie hatten sich nur angesehen und nichts gesagt. Habe ich mir gedacht, da stimmt was nicht, aber als Kind hat man das gleich wieder vergessen. Mein Vater war ein starker Gewerkschaftsmitglied for 1933.
So vielleicht war da was im hintergrund von dem ich nichts weiss, denn ein Bild von unserem Fuehrer erschien an der Wand und eine Fahne wurde gekauft die man aus dem Fenster haengte an Feiertagen. In der Naehe wird schon ein Parteimitglied wohnen der dir sagt, das deine Fahne nicht da ist. Wir wohnten im ersten Stock, ein Aufgang hatte 8 Wohnungen und da waren 4 Aufgaenge, so man konnte gleich sehen wer keine Fahne hatte. Soviel wie ich weiss, nur einer hatte ein Telefone im ganzen Block und nicht alle hatten ein Radio.
Ich musste den Pimpfen beitreten in 1940. war doch 10 Jahre alt, und bin Stolz mit meiner Uniform rumgelaufen. Muss doch meinen Fuehrer dienen... und wenn wir marschieren, mit der Fahne, musste jeder die Fahne gruessen mit erhobenen Arm, wenn nicht, wurde man nicht sehr hoeflich darauf aufmerksam gemacht.
1944. Wir hatten zwei Arbeitslager wo ich wohnte in Berlin-Haselhorst. Die Leute in dem gestreiften Kleidern sind am morgen zur arbeit marschiert in drei Kolonnen und natuerlich sind sie von Soldaten begleitet. Sie sind doch Gefangene die bei Siemens und von dem anderen Lager bei BMW arbeiten.
Da war noch ein grosses Lager wo es sehr gut sein soll, wie ich gehoert habe, alles neue Unterkunft und Gruenes ueberall. Weiss nur nicht wo es war. ------- Theresienstadt nannte sich der Ort.--------
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Ich lebe seit ueber 50 Jahre in einem anderen Land und spreche eine andere Sprache, deswegen ist meine Satzzusammenstellung nicht sehr gut.


Felix antwortete am 27.02.02 (22:51):

Hallo Karl2,

unser Webmaster nennt sich schon Karl. Bitte wähle einen Zusatz, damit man euch unterscheiden kann


Jutta M antwortete am 28.02.02 (05:19):

Was habt Ihr gewusst?
So lautet die Frage.
Bin 1952 geboren und habe mich mit dem Thema sehr befasst,
in einem Versuch zu verstehen was denn nun eigentlich passiert war.

Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass man Allgemein kaum was wusste, zumindest nichts konkretes.
Sicher hatte man vielleicht hier und da eine Verdacht,
aber man rennt nicht gleich schreiend in die Strasse weil man einen "Verdacht" hat!
Bis solche "Verdachte" stark genug waren, da war es zu
spaet, denn dann hatte man bloss noch Angst!
Wenn ich damit verkehrt liege, sagt's ruhig. Nein,
sagt's bitte! Ich moechte dazulernen.

Aber was mein Anliegen ist:
Oben hat jemand gesagt dass es fuer junge Leute besser
waere sich Geschichte aus Geschichtsbuechern zu holen,
anstatt von "Zeitzeugen".

Das glaube ich absolut nicht!

Kein Geschichtsbuch der Welt ist einen Pfifferling wert,
verglichen mit den Worten einen Menschen der "da war"!
"Dabei" war, es "Erlebt" hat, mit allen Emotionen die
mit Erlebtem verbunden sind.

Ein Beispiel: als Kind hat man uns in der Schule bombardiert
mit "Geschichte" der kuerzlichen Ereignisse!
U.A. natuerlich die (erzwungene) "Voelkerwanderung"
der Deutschen von Osten nach Westen zum Ende des Krieges.
Einschliesslich der Sudetendeutschen.

So, man hat davon gehoert. Man hat gesagt, ach wie schlimm! Und es dann prompt als Schulgelerntes weggesteckt!

Bevor ich Deutschland verliess (ich war 28) habe ich meine
Sudeten Oma etliche male besucht, denn sie war schon alt
und wer wusste ob ich sie wiedersehen wuerde.
Jedenfalls wurde aus den "obligatorischen" Abschiedsbesuchen
sehr schnell eine Geschichtslektion, ohne welche mein
Leben weniger reichvoll waere!
Sie war eine der abertausend Frauen, die mit Kindern (zu
jung zum einziehen) alles zuruecklassen musste. Nicht
wissen wo ihr Mann und 2 andere Soehne sind. Keine Nachricht
hinterlassen koennen wo sie ist - ob sie noch lebt.

Sie hat diesen Konvoy des Schreckens zum Leben gebracht
fuer mich wie kein Geschichtsbuch und kein Schwarz/Weiss
Film dies gekonnt hat!
Ganz einfach weil sie "da war" - "dabei war"!
(Nicht mal zu erwaehnen was ich an Familiengeschichte dabei
mitbekommen habe).

Leider ist das Interesse an Geschichte genau wie der
Mensch: es reift sehr langsam!

Aber wenn jemand fragt, was kann es denn weh tun sich die Zeit zu nehmen zu sagen: was moechtest du denn wissen?

Vielleicht waere es auch hilfreich das grosse Bild der
damaligen Politik auf die hintere Platte zu stellen, und
den menschlichen Faktor des Individuums zu vermitteln.

Sorry, bin da vom Thema ab! Wollte damit nur sagen dass
nichts ueber einen "Zeitzeugen" geht!

Alles Gute
Jutta


Schorsch antwortete am 28.02.02 (10:30):

Du bist überhaupt nicht vom Thema abgekommen, liebe Jutta. Und ich denke, dass noch viele von jenen, die "dabei waren" als es passierte, nicht länger schweigen sollten. Früher hats bei uns geheissen: "Wer redet, schadet der Heimat!" Heute aber muss es heissen: "Wer verschweigt, schadet der Heimat und seinen Nachkommen!"
In den Kriegsjahren habe sich trotzdem ein paar getraut zu reden. Man hat sie kalt gestellt - und gemacht! Haben wir etwas daraus gelernt?

Schorsch


Fred Reinhardt antwortete am 28.02.02 (11:45):

Theateraufführung im Internat.
Lumpazi Vagabundus hatten wir einstudiert. Bei der Erstaufführung sassen in der ersten Reihe unsere Professoren und unser Erzieher in schwarz und braunen Uniformen. Mein Auftritt sollte mit den Worten " picolo dacolo mit quartro haxalo usw. beginnen. Ich ging auf die Bühne grüsste erst mit " Heil Hitler " dann begann ich meinen Spruch.
( Man hat mir dann gesagt, bei einem Theaterauftritt muss nicht erst gegrüsst werden, wenn auch der Führungsstab unten auf den Stühlen sitzt.)
Im Kopf gespeichert, Uniform = Hitlergruss, denn die Strafen für Nichtgrüssen waren sehr hart.
Das war Gehirnwäsche in höchster Vollendung.


elsabe antwortete am 28.02.02 (13:22):

Mit den Strafen hast Du recht, Fred. Auch auf meinen Handrücken haben sich die Rohrstöckchen getummelt -, fürs Nicht-Grüßen.


York v. Selasinsky antwortete am 28.02.02 (16:47):

Geschichtsunterricht nicht geschwänzt.....Bundeskanzler Gerhard Schröder hat seine geplante Reise nach Prag mit Recht abgeblasen.


Mulde antwortete am 28.02.02 (17:26):

An Fred Reinhardt und elsabe und natürlich alle anderen,
die so vieles richtig bewertet haben.
Die Gesetzgebung war im "III.Reich" leider so.
Das erklären kann man nur pesönlich - hier gebe ich der
Jutta recht- kein Geschichtsbuch kann die Qual oder die
Betroffenheit vermitteln.
Dem Fred und der Elsa stimme ich vorbehaltlos zu
(aus eigenem Erleben) man stelle sich das heute mal vor
da marschiert ein Trupp junger Leute durch die Strassen
Mit Fahne (schwarz mit weisser Rune) und ein paar Trommler
und deren Fahne grüßen wir nicht !!! kein Problem heute!
Aber damals, Da sprangen aus den letzen Reihen ein paar wildgewordene Jungen heraus und machte die Männer und Frauen am Strassenrand "zur Schnecke" Kam aber gar die SA mit Fahne und "klingendem Spiel" die kamen dann gleich mit dem Knüppel und schlugen zu ! so meinen Vater das linke Auge aus" Belegbar!! und in der Schule es gab da doch noch den prügelnden Lehrer. Bei manchen dieser "Pädagogen" fuehrte das zu einer innerlichen Befriedungung -- Diese Erkenntnis,
habe ich aber erst Jahrzehnte später bekommen.
Aber eins bringt böse Erinnerungen bei mir hoch
Die Aufmärsche der NPD Jugend genau das gleiche Bild
Fahne --- Trommeln ----- Gleichschritt ---- Parolen
es fehlt eigentlich nur die Lezte Reihe im Zug , die mit den Knüppeln die fehlt (oder ??)
Währen wir den Anfängen - der Samen ist schon gelegt
LEIDER


WolfgangM.(Wolfgang Mücke) antwortete am 28.02.02 (23:35):

e k o bringt mit seinem Beitrag von gestern die Dinge auf einen richtigen Punkt, ohne zu polemisieren. Meine ich.

Unsere Eltern und Großeltern waren politsich weitgehend naiv - das trifft es ungenau, aber mir fällt kein besserer Begriff ein. Es hieß immer, man hätte ja "Mein Kampf" lesen können, daß die meisten im Bücherschrank hatten - nur, gelesen hatte es kaum einer. Mein Vater hatte sogar die Jubiläumsdausgabe zum 50.Geburtstag von Hitler gekauft, ein "schönes" Buch, in blaues Leder gebunden etc.

Er trat sogar noch 1942 (!) in die Partei ein, was er 1945 für 3 Jahre in Sachsenhausen büßen mußte, obgleich er armamputiert war. Man sprach in der Familie davon, daß Juden "abgeholt" wurden, warum, wohin man sie brachte - es wurde nicht nachgefragt, war irgendwie kein Thema. Wen hätte man fragen sollen, unsere "Goldfasane"? Soviel wußte man, daß man besser nicht fragte...

Und dann darf man nicht vergessen, daß die damaligen Parteien und politischen Kräfte bis 1933 - aus der damaligen Sicht der meisten Bürger - "versagt" hatten.

Natürlich sehen wir heute in unzähligen Fernsehberichten die Aufmärsche, hören die Reden auf Parteitagen etc. und denken uns, daß darf doch nicht wahr sein, daß alle, fast alle, da irgendwie "mitmachten"! Widerstand andererseits war Selbstmord - es muß für die Menschen, die Bescheid wußten und doch nicht oder nur unter Lebensgefahr ein wenig tun konnten, auch eine schreckliche Situation gewesen sein.

Unsere heutige Sicht mit dem Wissen um die furchtbaren Verbrechen, die in unserem Namen verübt wurden, hindert uns daran die damalige Zeit "objektiv" zu sehen, das ist einfach unmöglich. Wir wissen nur, daß sich derartige Zeiten niemals wiederholen dürfen.

Und wir? Die Jugend von damals? Ich war nicht nur ein begeisterter Pimpf, sondern durchlief eine Reihe sogenannter "Ausleselager" und kam 1943 auf eine AHS (nicht mit den NAPOLAs zu verwechseln) und wurde dann noch im April 1945 in die HJ aufgenommen (Jahrgang 01/1931).

Und dann nach der Flucht auf Fahrrädern aus dem damaligen Iglau in "Böhmen und Mähren", wo unsere Schule war, über Österreich und mit Hilfe deutscher Heereseinheiten, später mit Hilfe von britischen Soldaten etc. und allen möglichen und unmöglichen Abenteuern wieder zu Hause in Berlin, wutentbrannt, enttäuscht über den Betrug und voller Entsetzen über das, was man unterwegs sah und hörte, mußte man doch auch erstmal akzeptieren, daß das was oben war, jetzt unten war und umgekehrt. Und jetzt erst konnte man fragen: "Habt ihr nichts von Alledem gewußt?"

Ich habe heute noch meine Probleme meine Schulzeit von 1943-1945 - nur diese isoliert betrachtet - zu verdammen, auch wenn ich bereits 1947 die Schule in Berlin, auf die ich zurück gekehrt war, wegen meiner "Vergangenheit" verlassen mußte, ohne Chance zum Abitur.

Selbstverständlich wußte mein späterer Schwiegervater bereits ab 1943, was wir in Rußland angerichtet hatten, als Offizier hatte er später in seiner Einheit Soldaten, die durch diese furchtbaren Erlebnisse (was sie gesehen und erlebt hatten, Erschießungen von Zivilisten, Frauen, Kinder nicht ausgenommen) total kaputt waren - nur, es durfte niemand merken, er konnte diese Landser schützen. Aber selbst seiner eignen Frau konnte er im Urlaub nichts erzählen, ohne sie zu gefährden - außerdem war das natürlich alles "Feindpropaganda" und "Wehrkraftzersetzung" hätte man darüber gesprochen.

Fazit: Wer tatsächlich etwas wußte, hielt den Mund. Man konnte den Londoner Rundfunk abhören, ganz heimlich, denn darauf stand die Todesstrafe. Man wußte dann zwar besser Bescheid - nur, es nutzte gar nichts!

Ausspruch eines Berliner Portiers, alt und nicht mehr Soldat:
"Ehe ick mir uffhängen lasse, gloobick lieba an´Endsiech!"

Nie wieder diese Zeiten - und nie wieder Krieg, egal wo und wer gegen wen! Niemals wieder "Gewaltlösungen".
Das ist mein persönliches "Credo"!


Jutta M antwortete am 01.03.02 (08:45):

Lieber Schorsch!

Soooo total richtig: wer schweigt schadet - naemlich den
zukuenftigen Generationen!
Das was ihr wisst, gesehen und erlebt habt, das muss raus!

Die Tatsache alleine, dass der ueberwiegende Teil der
Deutschen Bevoelkerung so total zugetextet war von dem
ganzen Progaganda Zeug - Anfangs! Dass man sich irgendwann
trotz allem, eigene Gedanken machte - und diese aus Angst
nicht auesserte! Das es soooo zu spaet war, bis man sah was
ueberhaupt lief im Grossn Ganzen...!

In meinen Augen ist es absolut keine Schande dass man an
etwas geglaubt hat, und hat erkennen muessen, dass man
fehlgeleitet ( sehr mildes Wort dafuer) wurde!
Niemand ist perfekt.

Als Menschen streben wir alle akzeptiert zu werden
dazuzugehoeren, ein Teil DAVON zu sein........was immer
dies bedeutet - in der gegebenen Situation!

Es hat schon immer Menschen gegeben die dies schamlos
ausgenutzt haben!
Wenige davon hatten allerdings das Gewisse Etwas, welches den Zuhoernern den letzen
Schuhsenkel aufloesten........

Jesus war einer davon!

Nur damit keiner denkt ich will hier was entschuldigen:
Meine "deutsche Seite" konnte nicht nachweisen dass
Arier in der Familie waren - sie wurden gerettet von einem
steinharten Nazi, Gauleiter, gegenueber der Strasse
(welche die Papiere in der Versenkung verschwinden liess!)
Dafuer hat meine Oma seine Nazi Uniform, Waffen, etc,
in unsrem Garten vergraben als die Amis hoch und runter gingen!
Ich war 7 als der alte Herr Hesselbach starb, aber ich
kann mich allzugut erinnern an seine Tiraden, dass
Naziimsmus das Einzig Richtige System sei!
Er hat nie verstanden dass man ihn "verkackeiert" hatte.

Und "so what?"! Er hat daran geglaubt, war aber mensch
genug gewisse papiere "verschwinden" zu lassen, die meiner
Familie das kollektive Leben haette kosten koennen.

Ich sehe die deutsche Nazi Zeit und ALLE ihre Folgen nicht
als Versagen des Deutschen Volkes - sondern viel mehr als
eine vollkommene "Zudeckung" eines Volkes mit Falsch-Information - sprich propaganda!
Versprechungen, Loesungen, Stolz auf die eigenen RAsse,
Selbstbewusstein zum Deutsch-Sein! - Alles was das Volk
hoeren wollte - und musste - zu dieser Zeit!

Damals hat man gewusst dies zum boesen Zwecke zu nutzen.
Daher ist es verpoent Stolzer Deutscher/Deutsche zu sein!

Aber Heute MUSS Deutschland seinen Stolz wiederfinden, oder
zugrunde gehen!
Dies hat nichts mit dem Krieg oder den Nazis zu tun!
Deutschland und die Deutschen muessen endlich den Mund
auftun und sagen: ich bin stolz darauf Deutsch zu sein
und wen juckts was vor einem Halben Jahrhunder passiert ist.
Und wir haben es satt herumkommandiert zu werden von
andren und wir muessen endlich mal sehen wo wir selber
bleiben( so wie die andern auch)!

Da ist ABSOLUT NIX verkehrt mit stolz auf Deutsch!

Julchen


D.KLiemt antwortete am 01.03.02 (09:58):

Felix, habe nicht gewusst das noch ein Karl hier war, Ich bin Karl K.


schorsch antwortete am 01.03.02 (11:17):

Zitat Mulde: ".....es fehlt eigentlich nur die Lezte Reihe im Zug , die mit den Knüppeln die fehlt (oder ??)
Währen wir den Anfängen - der Samen ist schon gelegt
LEIDER....."

Aktuelle Meldung: In einem kleinen Dorf hier erhielt ein Wirt die Anfrage, ob er kurzfristig seinen Saal für eine Versammlung einer hier angesehenen Partei zur Verfügung stellen könne. Er konnte - und es kam eine Horde brauner Gesellen. Der Anfrager benutzte einen Namen, der hier sehr selten ist - meinen! (Meinen Vornamen plus Familiennamen gibts nur ein Mal in der Schweiz) Ich bins gewöhnt, habe auch schon bis morgens um Halbviere anonyme Drohungen per Telefon erhalten, wenn ich wieder mal gegen die "Braune Gefahr" Leserbriefe schrieb. Aber jetzt schreibe ich keine mehr - mit Rücksicht auf meine Familie!

Schorsch


Jutta M antwortete am 02.03.02 (04:10):

Schorsch,
du lebst in der Schweiz, nicht?

Haben auch da die Verrueckten, die sich Neo Nazis nennen
Fuss gefasst?

Gott Weiss, wir haben genug davon hier!

Grade heute hat es in den Nachrichten geheissen, dass die
Neo Nazi Organisationen hier "die Luecken" fuellen wollen,
fuer alle die potentiellen Terroristen, die hinter Gitter
sind!
Dass damit nicht zu spassen ist, zeigt Oklahoma City!

Ich wollte damit eigentlich nur sagen, dass es mir sehr
leid tut, dass man Dich nun bedroht.
Ist ja wohl der "modus operandi" dieser Leute, weltweit!

Alles Gute,
Jutta


schorsch antwortete am 02.03.02 (13:48):

Die gefährlichsten Zeitgenossen sind die, die sich feige hinter einer Ideologie verstecken, Gewalttaten verüben und dann nicht den Mut haben, mit ihrem Namen dafür einzustehen. Ich möchte als Heerführer keine solchen Leute hinter mir wissen. Denn sie sind die ersten, die vor dem Feind davon laufen.

Schorsch


DieterH antwortete am 02.03.02 (18:05):

Ich bin von den Diskussionsbeiträgen zu diesem Thema in diesem Forum fasziniert.
Selbst 1936 geboren und in einem ländlichen Bereich weit ab von den Geschehnissen in den Zentren aufgewachsen habe ich erst spät nach dem Krieg von den Greueltaten der Nazis erfahren.
Vielleicht auch deshalb weil die Eltern und Bekannten sich niemals zu den Dingen geäußert haben. Der Grund war neben der Konzentration auf die Bestreitung des Lebensunterhaltes ein großes Desinteresse an allen politischen Fragen.
Erst das unvergessere Buch von Eugen Kogon über die Konzentrationslager, ein Besuch in Ausschwitz und Birkenau im Jahre 1965 sowie Bergen Belsen sowie die allgemeine Literatur zu dem Thema haben mir die Augen geöffnet.
Es ist schon sehr peinlich zu wissen zu welchen Schandtaten damals Menschen fähig waren. Es war so schlimm, daß sich Aufrechnungen gegen Untaten Anderer während des Krieges und unmittelbar nach dem Krieg verbieten.
Es sollte eigentlich Pflicht eines jeden Deutschen sein einmal im Leben die Gedenkstätten in den ehemaligen Konzentrationslagern sowie das Jüdische Museum in Frankfurt/M zu besuchen.
Wenn es noch irgendeines Argumentes bedurft hätte, um in den Parteien der Bundesrepublikpolitisch aktiv zu werden, dann ist es dieser Teil der deutschen Geschichte.
Nur dann, wenn möglichst viele Menschen durch ihre Aktivität beweisen, daß sie mitmachen wollen an der Gestaltung einer menschenwürdigen und gerechten Gesellschaft schaffen sie, daß so etwas niemlas wieder vorkommt.
Vielleicht sind wir dann auch eher in der Lage unbefangen Ungerechtigkeiten ganz gleich wo sie passieren zu benennen und zu bekämpfen.
Schön wäre es, wenn wir Älteren einfach mit gutem Beispiel voran gehen. Solche Diskussionen wie diese ermutigen dazu.


Werner Bleicher antwortete am 02.03.02 (19:00):

Leider ist eine Vielzahl der jungen Menschen - beileibe nicht alle - weder an der Vergangenheit noch an der Gegenwart interessiert. Spaß und Events sind angefragt. Wir in Bayern haben morgen Kommunalwahl und da fand sich in der Nürnberger Zeitung dieser Woche ein Leserbrief, der sich über den Wahlkampf mockierte. Weil eine Kandidatin auf ihrer persönlichen Werbung ein Kochrezept angeboten hatte anstatt ihr Programm zu veröffentlichen. Die Parteien zerreissen sich mit Wahlversammlungen, Stadtteilbegehungen und allen möglichen Informationen und als Ausrede für das Nichtmitmachen heißt es dann "die machen doch was sie wollen". Diese Leute haben die Demokratie und ihre Möglichkeiten noch immer nicht erkannt - und davor habe ich Angst. Sie laufen allen möglichen blödsinnigen Werbungen nach und glauben sich cool dabei und merken auch heute nicht wann und wo sie manipuliert werden.


DieterH antwortete am 02.03.02 (22:46):

Ich denke Werner, die Resignation hilft uns da nicht weiter.
Sollte man nicht stärker die Bevölkerung mit durch direkte Abstimmungen stärker einbeziehen? Vielleicht können wir da ja noch mehr von den Schweizern lernen. Vielleicht würden wir dann ja die Politiker dadurch zwingen in der Sache und der Art volksnäher zu sein.
In der repräsentativen Demokratie gibt der Wähler für die Dauer einer Legislaturperiode alle Rechte ab und kann kaum nachvollziehen ob und warum der Politiker sich in bestimmter Weise verhält. Das führt zu Frustrationen und zu der Haltung" die machen doch was sie wollen".
Wer die Demokratie sichern will, sollte über diese und andere Methoden nachdenken.


Barbara antwortete am 03.03.02 (00:01):

@ DieterH

genau diese Gedanken zeichnet Hans Herbert von Arnim in seinem neuesten Buch "Das System" auf. Er sagt dazu:

"In was für einem Staat leben wir eigentlich?
Jeder Deutsche hat die Freiheit, Gesetzen zu gehorchen, denen er niemals zugestimmt hat; er darf die Erhabenheit des Grundgesetzes bewundern, dessen Geltung er nie legitimiert hat; er ist frei, Politikern zu huldigen, die kein Bürger je gewählt hat, und sie üppig zu versorgen - mit seinen Steuergeldern, über deren Verwendung er niemals befragt wurde. Insgesamt sind Staat und Politik in einem Zustand, von dem nur noch Berufsoptimisten oder Heuchler behaupten können, er sei aus dem Willen der Bürger hervorgegangen."

Barbara


seewolf antwortete am 03.03.02 (03:53):

ich habe schon einmal hier in den Foren darauf hingewiesen:

solange der Bürger lieber "Wer wird Millionär" guckt, als zu einer öffentlichen politischen Versammlung zu gehen...

solange die neue Brust von Tina Wasweißich interessanter ist als jede Gemeinderatssitzung...

solange ein Fußballspiel im Fernsehen geeignet ist, NICHT hinzugehen, wenn Delegierte für ein politisches Gremium gewählt werden...

solange die Mehrheit des Volkes ( und die Medien wissen über die Quote, wie groß die ist ) lieber Formel I begafft als sich am Sonntag mit Kommunal-Politik zu befassen...

... usw...

genau so lange wird alles populistische Gemecker über "die Politiker" und "die da oben" allenfalls die Auflagen entsprechender Bücherschreiber oder die Quote entsprechender TV-Sendungen erhöhen.

Ich behaupte: der Bürger hat offensichtlich keinen Willen, die von ihm beklagten Zustände zu ändern. Wenn er ihn denn hätte, so würde er sich nicht damit begnügen, en passant zu lamentieren und ansonsten seinen Vergnügungen nachzugehen.


DieterH antwortete am 03.03.02 (11:56):

Seewolf, Deinen Gedanken zu Ende gedacht kann einem schon Angst machen.
Die Resignation die aus Deinen Worten spricht, ist allenthalben vorhanden. Nur ein Tor würde dies ignorieren.
Ist es aber vielleicht nicht gerade der ältere Mensch, der doch weniger Zwängen ausgesetzt ist wie der der im Berufsleben steht, der solch eine Resignation überwinden sollte und könnte?
Man hat im Berufsleben viele Dinge erlebt und hinter sich gebracht. Als Rentner braucht man zweifelsohne erst Zeit und Abstand zu dem zurückliegenden Lebensabschnitt. Ich meine in dieser neuen Lebensphase sollte man sich nicht nur, aber auch, um Politik kümmern. Sich einmischen ist vor dem Hintergrund der Lebenserfahrung eine Sache die auch Spass machen kann.
Das ist übrigens ein Gebiet auf dem wir mit den Jüngeren allemal mithalten können.


seewolf antwortete am 03.03.02 (13:11):

Lieber DieterH -

die Beschreibung eines allenthalben sichtbaren Zustandes ist nicht per se Resignation. Es gibt auch keinen Grund zu resignieren.

Ich habe gerade heute nacht mit mehreren sogenannten jungen Leuten eine sehr erbauliche Diskussion geführt - erbaulich deshalb, weil man nicht nur die Vitalität dieser heute 25- bis 30-jährigen Frauen und Männer spüren konnte, sondern auch wieder einmal feststellen konnte, daß diese Menschen eben nicht nur "cool" und vergnügungssüchtig sind, wie es gern behauptet wird, sondern in ihrer heutigen Realität ebenso hart arbeiten und sich um ihre Kinder und ihre Zukunft ebenso viel Gedanken machen wie die Generationen zuvor.

Dies allein ist Grund genug, eben nicht zu resignieren.

In den Spiegel der Realitäten müssen wir gleichwohl täglich auf's neue schauen.


schorsch antwortete am 03.03.02 (14:27):

Zitat Seewolf: ".....In den Spiegel der Realitäten müssen wir gleichwohl täglich auf's neue schauen....."

Machen wir doch glatt. Aber vergessen wir doch bitte ob dem Runzeln zählen nicht, dass wir immer noch zahlende und deshalb befehlende, mündige Bürger sind, die, jeder an seinem Platz, seine Meinung kunttun können - und damit ein bisschen Einfluss nehmen auf die Grosse Politik. Diese beginnt nämlich als kleine Politik, in unserem nächsten Umfeld und pflanzt sich fort wie eine Welle im See. Irgendwo schlägt sie an und wird wahrgenommen. Und wenn viele kleine Wellen sich zu einer grossen Woge vereinigen, dann kann keiner mehr sie ignorieren.

Schorsch


Karl antwortete am 03.03.02 (14:29):

Ich habe heute eine E-Mail bekommen, die zeigt, dass ich offensichtlich meinen dörflichen Mitmenschen teilweise Unrecht getan habe. Ich denke, ich muss das auch öffentlich machen, um glaubwürdig zu bleiben. Die E-mail lautete:

"Lieber Karl,

in Deinem Beitrag vom 26.02.02, 21:49, hast Du etwas geschrieben, das mir keine Ruhe liess, denn ich habe diesen Ausdruck selbst auch schon gebraucht (gedankenlos) und ich war entsetzt darüber, dass ich vielleicht (gedankenlos) ein Wort übernommen habe, das in den Verbrechen der Nazizeit
seinen Ursprung haben könnte.
Ich zitiere Dich: *Ich meine Begriffe wie "etwas bis zur Vergasung durchziehen"...* Im KLUGE (Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache - 1995) steht folgendes:
Vergasung f.stil.phras., meist bis zur Vergasung *bis zum Überdruß* (>19.Jh.). aus der technischen Sprache (*bis zum Übergang der Flüssigkeit in Gasform*). Zu Gas.
Soweit zur Herkunft dieser Phrase. Dennoch gebe ich Dir vollkommen recht, was die Aufmerksamkeit und Behutsamkeit im Umgang mit der Sprache betrifft."

Ich bin über diese Information sehr froh. Das zeigt, dass dieser Ausdruck weit älter als die Nazizeit ist. Trotzdem ist es wohl angebracht, heutzutage wegen seiner ungeheuerlichen Assoziation den Ausdruck nicht mehr zu gebrauchen.

Mit freundlichen Grüßen

Karl


Felix Schweizer antwortete am 03.03.02 (16:53):

Zerknirscht muss ich als Schweizer, der weder antisemitisch noch nationalistisch je gedacht hat ... zugeben, dass ich und meine Dienstkollegen unabhängig vom militärischen Rang ... völlig unkritisch für die in der Schweizerarmee gebräuchlichen Fleischkonserven, die in Blechdosen abgegeben wurden, den grässlichen Ausdruck "gschtampfte Jud" verwendet haben. Ich schäme mich noch heute für diese Gedankenlosigkeit!

Schorsch bitte .... sag etwas ... Hasr du das auch so erlebt?


Mulde antwortete am 03.03.02 (18:09):

Liebe Freunde des Forums!
Wie hat doch Jo das Thema begonnen ?
Die heutige Jugend befragt uns ältere , was wie gewußt
haben? wir haben wahrheits gemäß mit "nichts oder nicht
viel" geantwortet, zu dieser Zeit waren wir in deren Alter.
Soweit so gut.
Was ist aber getan worden um der Folgeneration das nahe zu
bringen?
So lange die deutschen Medien von Judenvernichtung oder
verfolgung schreiben sollten , taten sie sich eigenartiger Weise schwer. Man bedenke einer der die Judengesetzgebung
mit geschrieben hat, wahr in Bonn Staatssekretär (Globke) Dann tauchte der Begiff aus dem amerikanischen
Wortschatz "Holocaust"auf und oh wunder nun ging es
los, das geschreibe! (noch nicht mal die Nürnberger Prozesse kennen offiziel das Wortt)jetzt aber ist die Vernichtung und verfolgung bereinigt . "Holocaust"
schon der Klang man braucht sich doch nicht mehr direkt zu schämem. Damit ist das "Salonfähig" geworden nun kann man es verwenden.
für ist mich ein fremder Begriff er ist leer und besagt für Otto Normlis nichts-- noch dazu diese Verbrechen haben in Deutschland stattgefunden und nicht
irgendwo im Niemansland! Nur für Medien und NeuHistoriker
was das auch immer sein mag ist es jetzt leichter.
Dieser Begriff geht bei der Jugend zu einem Ohr rein zum anderen raus. Es besteht also nicht mehr die Gefahr das diese Begriffe sich in der Gedankenwelt unserer Jugend verfestigen könnten
DieterH kommt mit den Begriff "direkte Abstimmung!
das ist gut Dieter sogar sehr gut -- nur warum haben die sogenannten Väter des Grundgesetzs die Volksabstimmung
wohlweislich nicht mit reingenommen und die nachfolgenden
es immer noch mit den Fadenscheinigsten Begründungen ablehnen Die Volksbefragung gesetzlich einzuführen?
Es stimmt Dieter die Mitbestimmung wird an der Wahlurne
abgegeben ( wie an der Garderobe)
Seewolf Du hast recht- das ist so gewollt und lange erprobt
"Zuckerbrot und Peitsche" Keine Regierung wird das ändern
wollen und die Medien schon garnicht
Die Barbara zitiert aus einem Buch (leider kenn ich das nicht) aber was sie da zitiert KÖSTLICH -köstlich darum
weil es wahr ist. Ja Barbara in was für einen Staat leben
wir? Hier können Leute die dem sozialem Sicherheitssystem
nicht angehörem Die aus den Chefetagen dort ganz oben!!!!
Die , die Notfalls ihren Leibarzt haben - frei verkünden
da unten der gewöhnliche Mensch der bei der AOK-Barmer-Techniker und ander Vesicherungen eingeschrieben ist deren Sozialleistungen
die müssen gekürzt werden --- würde jetzt der Gewöhnliche
Mensch die Forderung umkehren -na ja das wäre doch dann
eine Medienwirksame Unhöflichkeit mehr auch nicht. Nun bin ich auch vom eigentlichen Thema abgewichen
aber das mußte auch mal raus.
Und Diskutiert Fleißig aber Fair - denn das war es bis jetzt




Wolfgang antwortete am 04.03.02 (09:30):

Die Frage ist auch, was wir heute (noch) wissen... Weil von Auschwitz gesprochen wurde: Dort "vergast" wurde auch die deutsche Jugendbuchautorin ELSE URY (1877-1943). Ihr "Verbrechen": Sie war Jüdin. Heute ist sie fast vergessen, obwohl ihre Bücher damals, bevor es den deutschen Terrorstaat gab, recht bekannt und beliebt waren. Vielleicht kennt eine(r) der Älteren die Bücher über Annemarie Braun, genannt "Nesthäkchen".

ELSE URY wurde im Januar 1943 von Berlin, ihrem Wohnort, nach Auschwitz deportiert. Dort nahm man ihr zuerst den Namen (sie bekommt die Nummer "638") und danach das Leben. Am Tag nach ihrer Ankunft wurde sie mit vielen anderen in die Gaskammer getrieben und ermordet, "vergast", wie die Mörder das nannten.

Marianne Brentzel:
Nesthäkchen kommt ins KZ
Eine Annäherung an Else Ury 1877-1943
Fischer Taschenbuch 16.80 DM
ISBN 123456789
https://www.mariannebrentzel.de/nest.htm

(Internet-Tipp: https://www.mariannebrentzel.de/nest.htm)


schorsch antwortete am 04.03.02 (09:31):

"....Schorsch bitte .... sag etwas ... Hasr du das auch so erlebt?....."

Ja, auch bei uns in der Truppe war das Wort in Mode, lieber Felix. Ich habe es nicht benutzt. Und als es wieder mal angewendet wurde, habe ich mir erlaubt zu fragen, ob sich eigentlich einer Gedanken mache darüber, woher der Ausdruck komme. Es kam betretenes Schweigen.
Ich habe mir noch einige Bemerkungen erlaubt im Militär. Die Folge: Kaltstellung durch einige Vorgesetzte, krank geworden im Dienst, ausgemustert. Heute ists mir wohler! Was hätte ich denn in meine Bücher schreiben sollen, wenn mein Leben nur Honiglecken gewesen wäre (;--))))))

Schorsch


Felix Schweizer antwortete am 04.03.02 (16:13):

Lieber Schorsch

ich nehme an, man hat dich auch am Ende der Rekrutenschule gegen deinen Willen zum Unteroffizier überredet oder gezwungen. Ich habe in dieser Sandwich-Position stark gelitten und wollte mit dem aufwendigen "Marsch durch die Institutionen" einen minimalen Einfluss aufs militärische Geschehen gewinnen. Es hat mich viel Einsatz und Zeit gekostet .... bis ich in der Funktion eines AC Dienstchefs meinem Regimentskommandaten als Kamerad die Meinung sagen konnte. Es gab mit unsicheren Kommandanten manchmal auch Zoff. Aber darüber habe ich unter " Der Kopf der israelischen Friedensbewegung" am 28.2. schon berichtet.
Ich gehöre wahrscheinlich in diesem Rang zu den wenigen, die in beiden Volksinitiativen für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) als Befürworter eingetreten war.
Eine Armee, wie sie heute leider noch in den meisten Staaten existiert ist meiner Meinung nach ein Anachronismus. In einem kleinen Land wie die Schweiz sowieso. Wir besitzen elendteure Kampfflugzeuge, die ....wenn sie den Nachbrenner betätigen ... im Nu irgendwo über die Landesgrenze hinausschiessen!

(Internet-Tipp: https://www.gsoa.ch)


schorsch antwortete am 04.03.02 (17:56):

"....ich nehme an, man hat dich auch am Ende der Rekrutenschule gegen deinen Willen zum Unteroffizier überredet oder gezwungen...."

Nein, ich musste nicht gezwungen werden, denn ich war so naiv zu glauben, ich könnte ein bisschen Menschlichkeit einbringen.....

Schorsch


Felix antwortete am 04.03.02 (23:32):

Man muss froh sein um jeden, der Verantwortung übernimmt ... und trotzdem menschlich bleibt!


schorsch antwortete am 05.03.02 (09:06):

Menschlichkeit wird von vielen Menschen als Schwäche taxiert. Warum denn werden hochbezahlte Business-Manager dafür bezahlt, dass sie Mitmenschen ins Elend stürzen? Warum erhalten sie beim Abgang, wenn sie das Unternehmen mit ihrer Unmenschlichkeit in den Ruin getrieben haben, Millionen-Abfindungen?

Schorsch


Hans-Jürgen antwortete am 05.03.02 (16:12):

Die von Deutschen an Juden begangenenen Verbrechen – um nur sie zu nennen – waren so furchtbar und entsetzlich, daß man sich über sie als Deutscher nicht genug schämen kann, und es ist wichtig, sie immer wieder in Erinnerung zu rufen, damit Ähnliches in Zukunft nicht wieder passieren kann, weder bei uns noch anderswo ("Juden ins Meer treiben" – der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis zum Beispiel).

Hier im ST geht es viel darum, wer etwas von den Nazi-Untaten wußte, und wie wir dies der jungen Generation beibringen können. Es wird darüber diskutiert, *warum* die meisten damals nichts wußten, wobei die Gründe durchaus einleuchten. Sie hingen - nicht nur - mit der Diktatur, mit den stark eingeschränkten Informationsmöglichkeiten zusammen, mit der Gefahr, bei einem falschen Wort oder beim Abhören eines "Feindsenders" selber umgebracht zu werden (nachzulesen etwa in der Gedenkstätte Plötzensee in Berlin, wo erschütternde Beispiele hierzu dokumentiert sind).

Nun gab es aber in Deutschland noch eine *zweite* Diktatur, die der ersten unmittelbar folgte. Sie betraf nicht alle Deutschen, und es gab in ihr auch keine Gaskammern. Aber schlimm genug war sie schon und trug alle sonstigen Merkmale: Gleichschaltung, Erziehung zum Haß, Denk-, Schreib- und Berufsverbote, politisch motivierte Folterungen und Morde, eine übermäßig starke Militarisierung und ein ausgeprägtes Spitzelwesen. Meine Frage lautet: wer kümmerte sich darum im freien Teil unseres Landes, wer trat in Gesprächen, durch Leserbriefe usw. (den ST gab es damals noch nicht) gegen diese Diktatur auf, wer tut es rückblickend *heute*? Und wie viele schlossen damals, wenn auch nicht gleich zu Anfang, als sie noch neu war, innerlich mit ihr Frieden? Gab es nicht reihenweise Jugendliche, hauptsächlich Studenten, die mit ihr und ähnlichen Regimen sympathisierten und sie zum Teil sogar als Vorbild für uns hinstellten? Wer trug *dafür* die Verantwortung, wenn nicht die Eltern und Lehrer dieser irregeleiteten jungen Leute?

Besagte Diktatur war ein kleiner Ableger einer großen, die bereits Jahrzehnte andauerte und ebenfalls oft verharmlosend hingenommen wurde. Diese war einfach zu stark, und man traute sich nicht, ihre Eigenschaften und Schandtaten ausführlich zu erwähnen, sah lieber weg. Wer gegen sie argumentierte, kam schnell in den Geruch, ein "Kriegshetzer", sogar ein "Faschist" zu sein. Das war die einzige Gefahr, der man sich eventuell aussetzte. Dabei hatte die inzwischen ebenfalls schmählich untergegangene Ursprungsdiktatur, glaubt man einem gewissen "Schwarzbuch", ein Mehrfaches von dem an Menschen auf dem Gewissen, das A. H. und seiner Verbrecherbande anzulasten ist.

Generell ist das Interesse an solchen Themen wie an Teilen der eigenen Geschichte bei uns gering. Man schimpft ein wenig auf die USA und die Kirche, auch auf den Kapitalismus und die Globalisierung – das war's dann aber schon. Militärdiktaturen, "Gottesstaaten", das Kastenwesen, die weltweite Diskriminierung der Frauen werden nicht angemessen unter die Lupe genommen, werden bei weitem nicht ausreichend analysiert und kritisiert. Was da in anderen Ländern passiert, ist eben so, geht uns nichts an. Nunja. Wir haben halt unsere eigenen Probleme.

Hans-Jürgen


Fred Reinhardt antwortete am 05.03.02 (20:14):

Hans - Jürgen ich gehe mit den meisten total einig. Nur wir vergessen immer unsere lieben Brüder und Schwestern in Austria die ja an all dem auch beteiligt waren . Durch die Namenswechslung Österreich sind unsere Nachbarn bei den Nachgeborenen aus dem Schneider.


Felix antwortete am 05.03.02 (23:08):

Schliesslich war Adolf Hitler ein Oesterreicher ... oder?


Florian (24) antwortete am 06.03.02 (03:50):

Was "damals" passierte und wer was getan und gewusst hat,
interessiert die "junge Generation" schon, sie ist auch nicht
so "unpolitisch" wie geglaubt...

Nur - in der heutigen Zeit bringt es wirklich niemanden weiter,
Wissen und Unwissen abzuwägen, Schuld und Unschuld
zuzuweisen... das Wichtigste WIRD GAR NICHT verstanden
an der ganzen Sache, und DA haben die Nachkriegsgenerationen
Schuld !!! Entschuldigung, aber jetzt wird es vielleicht unangenehm: KRIEG ist IMMER Unrecht, Massenmord ist immer
falsch, nur haben dies ALLE Kriegsteilnehmenden Völker
unterstützt, auch an "Unschuldigen".... also z.B. waren die
Menschen der Ostgebiete sicherlich nicht prinzipiell schuldig
oder notwendige Opfer für das "Richtige"...
...so, und dann wird nach dem Krieg gejammert: DIE bösen
Deutschen, und JA wir bösen, schuldigen Deutschen,
NIE WIEDER KRIEG. Und dann den Alliierten "in den Arsch kriechen" und wieder Krieg machen, DIE können es ja
rechtfertigen. Wie blöd muss man sein, sich NOCHEINMAL
manipulieren zu lassen. Ich verstehe es nicht, wie plötzlich
weitere Greueltaten rechtfertigt werden können.
DAS verstehen junge Menschen nicht, und resignieren ein
wenig, und tauschen die Illusion SPASS oder FUN gegen
die ILLUSION Recht oder "Ideologie" usw.

Was wir alle auch heute noch erleben sind immer die gleichen
Mechanismen, und DIE bekämft niemand, und wer den Mund
aufmacht wird irgendwie "mundtot" gemacht...
...DAS erinnert mich an eine Zeit, die sicherlich böse war,
aber sie unterscheidet sich nur unwesentlich von der heutigen!!!

gute Nacht

Flo


Werner Bleicher antwortete am 06.03.02 (09:46):

Wir kommen nun hart an den Rand unseres Themas. Das ist allerdings kaum zu vermeiden, wenn man überlegt, dass die Dinge im Allgemeinen nicht so einfach liegen, dass man sie auf ein Thema zuspitzen kann und dabei die Zusammenhänge außer acht lässt.
Lieber Florian deine Meinung ist natürlich keine Seltenheit und ich bin immer wieder geneigt sie als „idealistisch“ zu akzeptieren, wenn mir – aus persönlicher Erfahrung – nicht auch sofort der Verdacht käme, dass dahinter der „Ohne-mich-Standpunkt“ die Ursache wäre.
Meine eigene Erfahrung liegt in meiner persönlichen Vergangenheit. Als nämlich in den fünfziger Jahren Adenauer begann die Bundeswehr aufzubauen, war für mich noch nicht ganz abzusehen ob ich zu den „weißen“ Jahrgängen gehören würde – und deshalb war ich vehement gegen eine Wiederbewaffnung. Es war natürlich sehr einfach und in weiten Kreisen opportun „nie wieder Krieg! – Keine Waffen in deutsche Hände! – Lieber rot als tot“ zu rufen. „Sollen doch die Amis sich jetzt mit ihren ehemaligen Waffenbrüdern herumschlagen – Zuerst bomben sie unsere Städte nieder und jetzt bräuchten sie uns wieder“, so und ähnlich waren auch meine Gedanken. Ich habe dabei die Augen und Ohren verschlossen und nicht wahr haben wollen, dass im Falle eines heißen Krieges – die Grenze war kaum 100 km von Nürnberg entfernt – den Sowjets völlig egal wäre ob auf der anderen Seite Amerikaner oder auch Deutsche stünden. Den Kopf hätten wir so uns so mitten d’rin gehabt.
Ich glaube das verdeutlicht auch die heutige Weltsituation. Es gibt das bekannte Sprichwort: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“. Leider hat es in der Menschheitsgeschichte schon immer Menschen gegeben, denen völlig egal war was ihr Gegenüber für Ideale hatte. Um seinen Zweck zu erreichen hat Kain den Abel erschlagen und Hitler sich genommen was er wollte (trotz vieler Verhandlungen mit den westlichen Pazifisten) und ein Hussein wird sich einen Dreck d’rum scheren, wie gut gerüstet oder pazifistisch andere sind – wenn er die Möglichkeit hat Massenvernichtungsmittel einzusetzen wird er es tun – außer man hindert ihn daran sich diese zu beschaffen.
Es hat in der Welt schon immer kleinere und größere Hitlers, Stalins, Milosewitsch’s oder Husseins gegeben und wird sie solange geben als es Menschen gibt. Das ist leider die bittere Tatsache. Es wird allerdings auch gelegentlich Gorbatschows geben. Da kann dann in einer Ecke der Welt einmal Frieden einkehren aber gleichzeitig zündelt an der nächsten Ecke der nächste Hitler.
Deshalb halte ich den Pazifismus – trotz aller Religionen des Friedens und der Liebe – für eine schöne Illusion; zumindest so lange die Welt und die Menschheit in dieser Form existiert. Der „Schlag auf die andere Wange“ ist in jedem Fall tödlich!


schorsch antwortete am 06.03.02 (13:01):

"....Durch die Namenswechslung Österreich sind unsere Nachbarn bei den Nachgeborenen aus dem Schneider...."

Ja, aber nicht aus dem Haider!

Schorsch


Ilse Wedelstaedt antwortete am 08.03.02 (09:59):

Zu diesem Thema ein interessanter Artikel vom 07.03.:
www.ksta.de - Archiv (oberer Rand) - Suche im Print-Archiv - "ausgrenzen" - gestern (nur wenn Ihr heute nachschaut, ab Montag "letzte Woche").
Bin gespannt auf Euren Kommentar.

Grüße

(Internet-Tipp: https://www.ksta.de)


seewolf antwortete am 08.03.02 (14:28):

kompletter link zu Ilse's Empfehlung:

https://www.ksta.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksPrintArchiv&aid=1015495285915

(Internet-Tipp: https://www.ksta.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksPrintArchiv&aid=1015495285915)


Felix Schweizer antwortete am 08.03.02 (17:25):

HABT IHR DAS GEWUSST?

- Diese Tage fand in der französisch-sprechenden Schweiz ein Prozess gegen Leugner des Holocaust statt .... unglaublich es gibt heute noch eine ganze Vereinigung, die deutlich zu verstehen gibt, dass das Ganze eine glatte Lüge sei, eine Verschwörung der Zionisten, die die Weltherrschaft anstreben.
Die Vereinigung wurde bereits verboten ... die Exponenten müssen mit einer Verurteilung rechnen.

- Gestern musste von der Feuerwehr in Basel ... eine Hakenkreuzfahne von einem Dachstockfenster heruntergeholt werden ...

Was habt ihr gewusst ... habt ihr das gewusst? Ich kann's kaum Glauben. Die eklig braune Nazi-Brut hat überlebt!

Felix