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THEMA:   Die Bundestagesabgeordneten haben in der Stammzellenfrage entschieden

 16 Antwort(en).

Mechtild begann die Diskussion am 30.01.02 (21:36) mit folgendem Beitrag:

Das Ergebnis war klar. Es gibt kein Verbot der Stammzellenforschung aber auch keine völlige Freigabe der Forschung. Ein Verbot würde wirtschaftlichen Interessen widersprechen. Jetzt wird es ein Gesetz geben, das diesen Beschluss beinhaltet. Die Frage ist jedoch, ob der Gesetzgeber wirklich kontrollieren kann, was die Genetiker mit den Stammzellen anstellen und ob es gesichert ist, dass die Politik bei neuen ethischen Grenzfragen kompetent mitreden kann oder ob die Gesetze wie so oft hinterherhinken.


Karl antwortete am 30.01.02 (22:15):

Liebe Mechthild,

mir ist ein Stein vom Herzen gefallen. Ich hatte doch wirklich befürchtet, die Irrationalität würde siegen. Ein Verbot der Stammzellforschung hätte nicht nur gegen wirtschaftliche Interessen verstoßen, sondern wäre auch ein Sieg der Inhumanität gewesen. Ein Verbot wäre zudem in Kürze widerrufen worden, wenn anderenorts die Forschritte evident geworden wären. Ein Verbot wäre auch unehrlich gewesen. Diejenigen Abgeordneten, die dagegen gestimmt haben, werden nicht zögern, die Therapien in Anspruch zu nehmen, wenn sie es nötig haben.
Das ist meine Meinung.


Rosmarie Vancura antwortete am 31.01.02 (20:40):

Ist es wirklich eine Entscheidung die da stattgefunden hat?
Mich erinnert sie an ein grosses J E I N ! Kein Verbot, keine Freigabe...Wie hätten Sie's denn gerne?

Aber.. allen Leuten recht getan, ist eine Kunst die niemand kann!


Karl antwortete am 31.01.02 (23:29):

Liebe Rosemarie,

ich habe heute mit Kollegen gesprochen. Die Entscheidung wird als hinreichend und gut angesehen. Da Stammzellen vermehrbar sind, reicht im Prinzip eine einzige gute Quelle. Es besteht also überhaupt nicht die Notwendigkeit, neue Linien selbst herzustellen oder immer neue zu importieren. Die Zellen, auf die jetzt zurückgegriffen wird, gab es schon. Es wäre, wie ich bereits gesagt habe, eine krasse Fehlentscheidung gewesen, deren medizinisches Potential nicht zu erforschen.


Gila antwortete am 01.02.02 (12:33):

Hallo Karl,
was sagst du denn zu der Aussage von Christiane Nüsslein-Vollhard, dass der Bundestag in zwei Jahren erneut über den Import embryonaler Stammzellen abstimmen müsse. Sie kritisiert die Stichtagsregelung, die nur die Einfuhr von bereits hergestellten Stammzell-Linien erlaubt. Deren Qualität hält sie für nicht ausreichend. Die Arbeit der deutschen Wissenschaftler sei sinnlos, weil sie sich mit den schlechten Zelllinien begnügen müssten, während den ausländischen Forschern schon bald neues, besseres Zellmaterial zur Verfügung stünde.
Hat sie Recht?

Gruß Gila


Wolfgang antwortete am 01.02.02 (15:03):

Der Bundestag hat entschieden, dass der Import humaner embryonaler Stammzellen grundsätzlich verboten bleibt und nur ausnahmsweise für Forschungsvorhaben unter sehr restriktiven Voraussetzungen zulässig ist. Insbesondere durch die "Stichtagregelung" soll sichergestellt werden, dass zum Zwecke des Imports humaner embryonaler Stammzellen nach Deutschland nicht weitere Embryonen getötet werden.

Ich hoffe, die Begehrlichkeit der ForscherInnen ist durch diese Regelung gestillt. Falls jetzt aber schon wieder darüber spekuliert wird, wie lange man mit diesem Kompromiss leben kann, zweifle ich an der Ehrlichkeit der Kompromissbefürworter.

Die ForscherInnen, die demnächst mit den importierten Stammzellen - gewonnen aus getöteten Embryonen - hantieren, haben hoffentlich den Beschluss des Bundestages genau durchgelesen. Dort steht: "Der Deutsche Bundestag bekräftigt die Zielsetzung des Embryonenschutzgesetzes: Embryonen dürfen nur zum Zweck der Fortpflanzung erzeugt werden. Sie sind zukünftige Kinder zukünftiger Eltern. An dieser Rechtslage ist festzuhalten. Eine Tötung von Embryonen zu Forschungszwecken muss verboten bleiben."

Agenda 21 / Stammzellen:
Anträge im Deutschen Bundestag am 30.01.02
https://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/archiv/02/01/sz-antraege.htm

(Internet-Tipp: https://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/archiv/02/01/sz-antraege.htm)


Karl antwortete am 01.02.02 (16:52):

@ Gila: Frau Nüsslein-Vollhard hat nur dann recht, wenn sich erweist, dass die vorhandenen Zelllinien Mängel haben, was noch nicht bekannt ist. Prinzipiell ist schon richtig, dass eine Stammzellkultur unsterblich ist und beliebig viele zellen davon abgezweigt werden können.

@ Wolfgang: Schon die Diktion ist m.E. tendenziös unter der Gürtellinie. Es wurde für den Zweck der Stammzellgewinnung kein einziger zusätzlicher Embryo getötet, sondern diese wurden vor dem Mülleimer gerettet. Ich kann mich über die Doppelmoral unserer Gesellschaft aufregen, die die Abtreibung erlaubt, selbst von erbkranken 8 monatigen Föten, aber es verbieten möchte, das Heilungspotential embryonaler Stammzellen zu erforschen.


Edith antwortete am 01.02.02 (17:43):

Lieber Karl,
Du sprichst genau das aus, was mich an der ganzen Diskussion auch so aufregt.
Danke,
Edith


Wolfgang antwortete am 01.02.02 (18:30):

Deine Diktion, Karl, ist "m. E. tendenziös unter der Gürtellinie"... Ich glaube nicht, dass Deine Sprache dem ernsten Thema angemessen ist. Ich habe einen Teil des Bundestagsbeschlusses zitiert, von dem Du doch sagtest, Dir sei nach dem Beschluss "ein Stein vom Herzen gefallen". Da steht aber drin, dass menschliche Embryonen menschliches Leben sind, "zukünftige Kinder zukünftiger Eltern". Und es steht drin, dass das Töten menschlicher Embryonen für Forschungszwecke nach wie vor verboten bleibt.

In der Tat hat der Bundestagsbeschluss zum Stammzellenimport eine Tendenz: für das ungeborene menschliche Leben und gegen allzu forsche ForscherInnen, die meinen, ihr Forschungsinteresse sei das Mass aller Dinge.

(Internet-Tipp: https://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/archiv/02/01/sz-antraege.htm)


Karl antwortete am 02.02.02 (11:14):

Einige Widersprüche des Embryonenschutzgesetzes, die auf die herrschende Doppelmoral zurückzuführen sind:
1. In Deutschland werden jährlich Tausende von gesunden Babys durch künstliche Befruchtung zu Welt gebracht. Die weiteren Verbesserungen der Technik hierzu sind in Deutschland laut Embryonenschutzgesetz verboten. Diese Verbesserungen müssen daher außerhalb unserer Landesgrenzen erarbeitet und dann zurück gebracht werden.
2. Das Embryonenschutzgesetz verbietet es auch, durch künstliche Befruchtung hergestellte Embryonen vor ihrer Einnistung auf ihre genetische Unversehrtheit zu prüfen, ein Verfahren, das als Präimplantationsdiagnostik bezeichnet wird (PID). Statt dessen werden die Betroffenen gezwungen, den Embryo zunächst einzupflanzen, um ihn dann gegebenenfalls ganz legal abzutreiben.
3. Bei der künstlichen Befruchtung ist ein Fremdspermium erlaubt und die so befruchtete Eizelle darf der Mutter eingepflanzt werden. Allerdings ist es verboten, den Samen des Vaters eine fremde Eizelle befruchten zu lassen und seiner Frau einzupflanzen. So darf dem Mann, der keine Spermien produziert, geholfen werden, aber nicht der Frau, die keine Oozyten bildet.

Diese Fragen sind alle schwierig und es ist legitim hierüber zu streiten. Aber Widersprüche sind es schon - oder sieht das jemand anders?

(Internet-Tipp: https://www.dfg.de/aktuell/jv2000_elw.html)


Wolfgang antwortete am 02.02.02 (16:08):

Ich sehe das anders... Ich möchte deshalb den Kern des Embryonenschutzgesetzes erwähnen. Das Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz - ESchG) vom 13. 12. 1990 schützt - wie sein Name es vermuten lässt - den menschlichen Embryo. Das ist kein Gesetz zum Vorteil von Vätern oder Müttern oder der Forschung oder von ForscherInnen. Nur der menschliche Embryo soll geschützt werden; alle anderen Interessen haben sich an diesem Schutz auszurichten.

Aus diesem Grund hat der menschliche Embryo Rechtsstatus erhalten. Er ist kein "Zellhaufen", wie das in früheren ST-Diskussionen dargestellt wurde. Als Embryo im Sinne dieses Gesetzes gilt bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag. Solche Embryonen sind ungeborenenes menschliches Leben, sind "zukünftige Kinder zukünftiger Eltern", die es zu schützen gilt, gerade gegen die Interessen von Eltern, ForscherInnen, Unternehmen...

So weit die Rechtslage. Laut Embryonenschutzgesetz ist der Embryo also von Anfang an Mensch. Im Beschluss des Bundestages zum Import von Stammzellen, gewonnen aus getöteten menschlichen Embryonen, wird das noch einmal deutlich ausgesprochen.

"Den Human- und Naturwissenschaften wird nichts von ihrer Größe und ihren Erfolgen genommen, wenn man sie auf diese Grenzen hinweist." - Das ist ein Zitat aus einem Referat von Karl Kardinal Lehmann, das ich als Lektüre zum Thema empfehle:

"Das Recht, ein Mensch zu sein"
Zur Grundfrage der gegenwärtigen bioethischen Probleme
Eröffnungsreferat des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, Mainz, bei der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda
https://dbk.de/presse/pm2001/pm2001092401.html

(Internet-Tipp: https://dbk.de/presse/pm2001/pm2001092401.html)


Karl antwortete am 03.02.02 (12:23):

Lieber Wolfgang,

deine Sicht der Dinge ist in sich konsistent. Meine Kritik der Position besteht darin zu sagen, eine ideologische Festsetzung hat nur dann Sinn, wenn die Chance besteht, sie in der Realität wenigstens ansatzweise durchzuhalten - und dies ist mit Deiner Position, die sich auch im Embryonenschutzgesetz ausdrückt, nicht machbar, weshalb dieses Gesetz auch geändert werden wird. Die Realität ist leider, dass diese "zukünftigen Kinder zukünftiger Eltern", die es zu schützen gilt (befruchtete Eizellen, bzw. daraus hervorgegangene Wenigzellstadien), im letzten Jahr in Deutschland zu Hunderttausenden eingefroren wurden. Niemand glaubt, dass sie jemals wieder aufgetaut werden. Realität ist, dass Hunderttausende von Föten (mit Armen und Beinen) abgetrieben und entsorgt werden.
Ich plädiere für eine humane Lösung, bei der die Anzahl der Abtreibungen verringert und die Anzahl der Eltern mit gesunden Kindern vergrößert werden kann.
Nochmals Wolfgang, ich erkenne Deinen Standpunkt prinzipiell als möglich an, aber ich erlaube mir, ihn als unrealistisch zu verwerfen. Der dogmatische Standpunkt der Kirchen ist in meinen Augen nicht wirklich human, sondern sie haben nur Angst noch mehr Einfluss zu verlieren.


Wolfgang antwortete am 04.02.02 (02:30):

Es ist sinnvoll, nicht alles in dieser Diskussion durcheinander zu werfen, Karl... Import menschlicher embryonaler Stammzellen, Abtreibung, Präimplantationsdiagnostik (PID)... Jedes ist für sich ein Thema, über das sorgfältig zu reden ist. Eins gegen das andere auszuspielen, oder eins mit dem anderen zu begründen, ist nicht gerade die feine Art. Ganz unzulässig ist es aber, nur der eigenen Position Undogmatismus und Humanität zuzuschreiben. Denen aber, denen der Schutz des menschlichen Lebens am Herzen liegt, Dogmatismus und - durch die Blume - Inhumanität oder den Kirchen Angst vor Machtverlust vorzuwerfen, sind böse Unterstellungen. Wissenschaftlich Gebildete sollten nicht auf diesem Niveau argumentieren.

Die angebliche Präimplantationsdiagnostik (PID) zum Beispiel ist für mich ein reiner Etikettenschwindel, ein Spiel mit den Worten. Unter dem heilkundlichen Begriff "Diagnostik" sind alle auf das Erkennen einer Erkrankung gerichteten Maßnahmen zusammengefaßt; diese sollen als Voraussetzung für eine dann einzuleitende Therapie dienen. Erst das eigentliche therapeutische Ziel rechtfertigt diagnostische Maßnahmen. Die PID zielt aber ausschließlich auf eine Selektion von genetisch oder chromosomal beschädigten Zellen. Die PID stellt sich damit nicht in den helfenden Dienst. Der ärztlichen Auftrag zum Heilen wird so zum Tötungsakt. Der Selektor - der Arzt - mag lautere Motive haben und den Eltern helfen wollen, er masst sich aber etwas an, was er auf gar keinen Fall aus seinem ärztlichen Eid herleiten kann: Er masst sich an, Herr über Leben und Tod menschlichen Lebens - der Embryonen - zu sein.


Karl antwortete am 04.02.02 (08:35):

Lieber Wolfgang,

Tatsache ist, dass in der Bundesrepublik Deutschland inzwischen legale in vitro Fertilizationen praktiziert werden - und zwar zigtausendfach. Bei dieser Technik fallen immer mehrere befruchte Eizellen an, die im Reagenzglas ihre ersten Teilungszyklen durchlaufen. Nur einer dieser Embryonen wird der Frau eingepflanzt, die anderen werden eingefroren.

Die Verweigerer der PID verlangen nun vom Arzt, dass er der Frau auch im Falle eines bekannten hohen Familienrisikos für eine Erbkrankheit geschlossenen Auges einen beliebigen Embryo einpflanzt, welcher manchmal mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit viel später wieder (legal) abgetrieben wird, obwohl er (der Arzt) mit offenen Augen vermeiden könnte, gerade den gesunden Embryo einzufrieren.

Ich frage mich hier allen Ernstes, wer sich hier was anmasst. Die Ideologen, die ein "Gottesurteil" der Vernunft vorziehen, halte ich für anmaßend und für im höchsten Maße inhuman.

Ich entschuldige mich für die Schärfe, Wolfgang, aber auf einen Klotz gehört ein Keil ;-)


Wolfgang antwortete am 04.02.02 (09:42):

Zurück zum eigentlichen Thema, der Problematik im Zusammenhang mit Forschungen an und Importen von Stammzellen, gewonnen aus getöteten menschlichen Embryonen. - Hier, Karl, folgt ein Statement von einem der von Dir so diffamierten - ich zitiere Deine Worte - "Ideologen, die ein 'Gottesurteil' der Vernunft vorziehen". Du wirst ihn sicher für "anmaßend und für im höchsten Maße inhuman" halten. Das Statement ist von Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe. Der ist Präsident der Bundesärztekammer und sagte als Repräsentant von über deutschen 350.000 ÄrztInnen (am 12. Juli 2001):

"In Deutschland darf eine Eizelle nur zur Herbeiführung einer Schwangerschaft künstlich befruchtet werden. Die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken ist nach dem Embryonenschutzgesetz verboten. An diesem Verbot darf auch nicht gerüttelt werden. Es ist im höchsten Maße verwerflich und ethisch in keiner Weise zu rechtfertigen, menschliches Leben nur deshalb zu erzeugen, um 'Bio-Rohstoffe' zu gewinnen. Die jetzt bekannt gewordenen Experimente amerikanischer Wissenschaftler sind darauf angelegt, Embryonen zu Rohstofflieferanten zu degradieren. Die Wissenschaftler machen sich damit zu Herren über Leben und Tod menschlicher Embryonen. Ihr Vorgehen widerspricht elementaren ethischen Grundsätzen und internationalen Übereinkünften wie der Menschenrechtskonvention zur Biomedizin des Europarates. Die befruchtete, entwicklungsfähige Eizelle ist und bleibt schützenswertes menschliches Leben, das nicht zur Disposition gestellt werden darf."


Karl antwortete am 04.02.02 (10:08):

Hallo Wolfgang,

ok, die PID ist ein unangenehmes Thema für Dich. Reden wir über die Stammzellimporte. Hier habe ich gesagt, dass ich die Entscheidung des Bundestages in Ordnung finde.


Wolfgang antwortete am 04.02.02 (10:34):

Das Thema "Präimplantationsdiagnostik (PID)" ist ein wichtiges Thema für uns alle und, jedenfalls was die rechtlichen und gesellschaftlichen Folgen der Selektion von menschlichem Leben angeht, meiner Meinung nach das drängendste Thema... Es ist es wert, gründlich und gesondert behandelt zu werden. In diesem Thema hier soll aber nach dem Willen der Initiatorin hauptsächlich über die "Stammzellenfrage" gesprochen werden.

Wenn ich etwas mehr Zeit habe, eröffne ich das Thema "Präimplantationsdiagnostik (PID) - Segen oder Fluch?" (oder jemand anderes tut es für mich und schreibt ein paar einleitende Thesen zur Eröffnung der Diskussion). :-)

(Internet-Tipp: https://www.ecotrip.de/)