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THEMA: Apti Bisultanov Ein tschetschenischer Dichter...
3 Antwort(en).
iustitia
begann die Diskussion am 18.09.04 (18:39) :
Die NZZ stellt in der heutigen Ausgabe Apti Bisultanov, einen tschetschenischen Dichter, vor; er beschuldigt den Westen der Gleichgültigkeit. Ich stelle diesen Artikel zur Diskussion:
18. September 2004, 02:12, Neue Zürcher Zeitung Die Wolken über Tschetschenien Sieglinde Geisel im Gespräch mit dem Schriftsteller Apti Bisultanov
Der tschetschenische Dichter Apti Bisultanov lebt seit zwei Jahren in Deutschland, nachdem er als Partisan im Tschetschenien-Krieg gekämpft hatte. Experimente mit traditionellen Genres der tschetschenischen Literatur findet man in seinen Gedichten ebenso wie freie Verse. Religion und Poesie lassen sich nicht trennen, meint Bisultanov.
Von Beruf Redaktor und Lektor, war Apti Bisultanov im ersten Tschetschenienkrieg noch Dichter geblieben. Als 1999 jedoch der zweite Tschetschenien-Krieg ausbrach, wollte er nicht wieder Opfer sein und schloss sich den Kämpfern an, bis er drei Jahre später sein Land verliess. Was dies für ihn bedeutete, kann man den Anfangszeilen des Gedichts entnehmen, das er diesem Abschied widmete: «Mit beiden Händen das Herz fassen / Diesen alten Igel / Und alle Wunden mit der Schusterahle / Fest vernähn wie man Stiefel flickt.»
Von Kindheit an habe er in der Poesie gelebt, sagt Apti Bisultanov, und wie immer, wenn er von der Poesie spricht, hellt sich sein Gesicht auf. Nur die Umstände hätten ihn zur Politik gebracht, «wenn man es überhaupt so nennen soll», und er hofft, sich in seinem Leben irgendwann wieder ganz der Kunst widmen zu können. In Tschetschenien würden jetzt kaum mehr Gedichte gelesen. «Die Schönheit der Poesie hat mit dem wirklichen Leben der Menschen nichts mehr zu tun», sagt Bisultanov. «Es heisst, nach Auschwitz seien keine Gedichte mehr möglich. Und dies gilt auch für Tschetschenien.» Bisher sind von ursprünglich einer Million Tschetschenen 200 000 Menschen Opfer des Krieges geworden. Und doch sei im zerstörten Tschetschenien mehr Poesie übrig als im Westen. «Hier gibt es kein Geheimnis, kein Sakrament. Alles ist standardisiert.» Beslan als Spiegel
Gegenüber dem Westen hat Apti Bisultanov keinerlei Naivität - er ist sich bewusst, dass er mit seinen Erfahrungen und Haltungen nicht in das Milieu der westlichen Intellektuellen passt. Die Gedichte seines Bandes «Schatten eines Blitzes» (NZZ vom 11. 9. 04) entstammen einer Welt, in der die Religion alle Fasern des Seins durchwebt. «Religion und Dichtung sind eins, das ist für mich überhaupt keine Frage. Gott hat die Welt geschaffen wie ein Gedicht.» für einen religiösen Menschen gibt es keine Zufälle, und so erkennt Bisultanov auch im Tschetschenien-Krieg einen tieferen Sinn. «Künde der Welt, die Tschetschenien opfert, / Dass für die Welt Tschetschenien brennt», heisst es in einem der wenigen Gedichte, die er während des Krieges geschrieben hat. «In Tschetschenien liegt die Welt offen zutage», erklärt er. «Man erfährt die Wahrheit über das Verhältnis der Russen zu den Tschetschenen, der Russen untereinander, der Tschetschenen untereinander. Und in ihrem Schweigen zum Krieg zeigt auch die übrige Welt ihr wahres Gesicht.» Erst wenn Kinder getötet würden, interessiere sich die Welt für den Konflikt - dies habe die Geiselnahme von Beslan offenbart. für die tschetschenischen Opfer jedoch interessiere man sich auch dann nicht, wenn Kinder umgebracht würden. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen sind in den vergangenen fünf Jahren mindestens 40 000 Kinder umgekommen. «Aber auch wenn es 30 000 wären, oder 1000, oder nur eines - es sterben Kinder», sagt Bisultanov, der selbst Vater ist. «Beslan war bisher die grausamste, schrecklichste Widerspiegelung des tschetschenischen Kriegs. Beslan ist Tschetschenien.» Die Gleichgültigkeit des Westens habe auch mit der Religon zu tun..(ö)
Internet-Tipp: https://www.nzz.ch/servlets/ch.nzz.newzz.DruckformatServlet?url=/2004/09/18/fe/article9V5S0.nzzoml
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Wolfgang
antwortete am 18.09.04 (18:52):
Ich habe es selbst hier in den ST-Foren ueber Jahre erlebt: Der Krieg ums Oel gegen die Tschetschenen hat kaum jemanden interessiert. Wahrgenommen wurden Tschetschenen nicht als Opfer, sondern - bei spektakulaeren Anlaessen - als Terroristen.
Dass hunderttausende Tschetschenen (darunter zehntausende tschetschenische Kinder) von der russischen Soldateska in den letzten Jahren abgeschlachtet wurden, wissen die wenigsten oder besser: wollen die wenigsten wissen.
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iustitia
antwortete am 20.09.04 (14:58):
Ja, ich glaube auch, dass der bestialische Krieg dort mechanisch weitergeht, weil von Moskau aus kein neuer General ein friedlich-schiedliches Abkommen mit Tscheschenien abschließen darf und kann. Aus Rom hörte ich die Anregung, am Ort der Schule in Beslan eine Kirche zu errichten. Sicher eine schöne innerrussische Idee der Verständigung unter Religionen, auch als Dank für Hilfeleistungen von der ganzen Welt - aber nicht für das dadurch separierte, politische Tsch.-Problem. Aber - hoffen darf natürlich jeder...!
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Wolfgang
antwortete am 20.09.04 (15:31):
Der Krieg dort (wie ueberall in geostrategisch wichtigen Regionen) wird nicht nur weitergehen, sondern wird sich ausweiten und wird noch grausamer werden.
Fruehestens dann, wenn die fuer die westliche Oel-/Gas-Versorgung derzeit ueberaus wichtige Region keine wichtige Region mehr ist, werden die dort lebenden Voelker ihre Ruhe kriegen.
Die Kolonisatoren werden dann abgezogen sein und die dann noch lebenden ehemals Kolonisierten werden zurueckbleiben in einem verwuesteten ausgepluenderten Land.
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