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THEMA:   Eine Chance, die wir nicht verspielen sollten

 44 Antwort(en).

Karl begann die Diskussion am 17.09.04 (20:35) :

Ich bin für den Beitritt der Türkei zu der EU. Die Gründe hierfür sind einfach. M. E. sollten wir Brücken bauen und keine Grenzzäune errichten. Die EU ist nicht an geografische Grenzen gebunden, sondern ist eine Idee, mit der westeuropäische Standards exportiert werden. Beitretende Staaten müssen sich den Regeln der EU unterwerfen und schon deshalb hat der Wunsch der Türken zur EU beizutreten dort über die Jahrzehnte einen großen Wandel bewirkt. Z. B. die Todesstrafe ist abgeschafft, Folter wird mit lebenslanger Haft geahndet. Die EU-Staaten sind den Türken gegenüber im Wort. Wir haben die große Chance, ein friedliches Zusammenleben mit einem Staat zu festigen, der seit vielen Jahrzehnten die strikte Trennung von Staat und Religion praktiziert.

Schon heute ist die Türkei einer unserer besten Handelspartner. Der Beitritt dieses bevölkerungsreichen Staates wird von unseren Wirtschaftsvertretern begrüßt. Aber der Effekt auf den wirtschaftlichen Fortschritt wird überstrahlt von der historischen Chance, die Türkei auf Dauer den Fängen der islamistischen Bewegung zu entreißen. Unsere Kinder werden es uns danken.

Was wenn die EU den Türken gegenüber wortbrüchig wird und sie trotz ihrer für alle erkennbaren Anstrengungen um den Lohn des Beitritts betrogen werden? Ich weiß es nicht, aber ich befürchte, dass dies die demokratiefeindlichen Kräfte stärken würde, dass die Türkei ihre Westorientierung verlieren könnte, dass wir langfristig das schaffen, was wir gerade nicht wollen, einen islamistischen Gottesstaat in direkter Nachbarschaft.

für mich gibt es keine gute Alternative zum Beitritt der Türkei und ich empfinde die wahltaktischen Aktivitäten einer Frau Merkel als kleinkariert und wenig zukunftsweisend.


guenter antwortete am 17.09.04 (23:59):

Hallo Freunde,
mann sollte bei underm Verhältnis zur Türkei die geschichtlichen Verhältnisse nicht vergessen. Eben dieses Land war schon Lange Zeit unser Freund. Die Bagdadbahn wurde von den deutschen gebaut und weil die Türkei im ersten Weltrieg unser Verbündeter war verlor sie unter dem Druck der Engländer fast 70% ihres Staatsgebietes (Syrien, Libanon, Saudi Arabien, Israel, Irak und die Emirate) trotzdem blieb die türkische Regierung deutschfreundlich. 100terte von türkischen Ingenieurinnen wurden in Deutschland weitergebildet. Man muß in der Türkei deutlich zwischen Stadt und Land unterscheiden. Die Türken sind in der übrwiegenden Mehrzahl Sunniten und Islamistn gibt es bei uns möglicerweise mehr als in der Türkei
Gruß Günter


Medea. antwortete am 18.09.04 (07:22):

"Wir wollen nicht um jeden Preis in die EU" und "Ein EU-Sprecher hat sich nicht in unsere inneren Angelegenheiten einzumischen" - rief Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan gestern bei einer Versammlung seiner Regierungspartei AKP unter dem Beifall seiner Zuhörer.

Er denke gar nicht daran, wie von der EU gefordert, auf den Plan zur Bestrafung von Ehebruch zu verzichten. "Wir sind die Türkei, wir sind Türken, wir treffen unsere eigenen Entscheidungen" - damit zeigt er sich nun plötzlich als nationalistischer Populist.
Die AKP hatte wegen der Forderung von religiösen Hardlinern nach einer Kriminalisierung des Ehebruchs die Beratung über ein neues Strafrecht gestoppt und damit eines der wichtigsten Reformprojekte der Türkei für den EU-Beitritt zu den Akten gelegt.
Die Volksvertretung hatte bereits
mehr Rechte für Frauen, mehr Meinungsfreiheit, ein Ende der Strafminderung für die berüchtigten "Ehrenmorde", härtere Strafen für Folterer
beschlossen.
Doch diese neuen Gesetze können nun nicht in Kraft treten, weil Erdogans AKP die Schlußabstimmung verhinderte.

nach einem Bericht der
Korrespondentin Susanne Güsten


York65 antwortete am 18.09.04 (10:20):

@Karl
Es gibt viele Gründe für oder gegen den Beitritt der Türkei ,aber es wird dann ein gefährlicher Präsidenzfall für andere Staaten,die nur darauf warten auch aufgenommen zu werden.
Beliebige Reihenfolge:ISRAEL,Marrokko,Algerien,Tunesien Weißrußland.Ukraine
Etc.!!!!!!Ob es eine Chance ist?Ich zweifle daran.


juergenschmidb antwortete am 18.09.04 (10:36):

Hab eben entdeckt, dass hier ebenfalls über EU und Türkei diskutiert wird, war aus Titel nicht erkennbar, hader hier meine Sicht, neuerdings mit anderem Licht, bisher dachte ich wie Karl:

Ich dachte, ich wüsste alles, was man für eine Beurteilung der Frage Türkei in die EU rein oder nicht braucht, und wenn ja wann.
Wurde aber eines besseren belehrt.
Natürlich, oberflächlich betrachtet, schönes Urlaubsland, Millionen türkischstämmige im Land, laizistisch, durch Attatürk dem Westen sehr nahegebracht, deutschfreundlich und so weiter.
3 Sendungen im TV haben mich nachdenklich gemacht:
*In Ostanatolien kümmern sich die Clans nicht um die Vorgaben der Regierung, Mehrehen. so schön sie für den Clanchef sein mögen, werden dort nach wie vor praktiziert, schroffer Gegensatz zu allen EU-Staaten.
*Mädchen werden z.T. immer noch als Kinder irgendeinem Mann nach Gusto des Familienchefs zugeteilt. In beiden Richtungen, auf der Schiene Deutschland-Türkei. Bei Verweigerung gibt es auch Morde.
*Angela Merkel Merkels sicher ohne zeitliches Gespür versuchter Weg, die Türkei nur zu asoziieren.

Eins ist mir schon klar, wenn wir nicht für EU und Türkei brauchbare Zusammenarbeit installieren, geht letztere für Europa total verloren, kann katastrphales passieren.
Aber mein ja zur Aufnahme der Türkei ist in den letzten Tagen gewaltig ins Trudeln gekommen.
Eins noch:
Ich hab die Religionen nicht erwähnt, obwohl die auch eine grosse Rolle spielen, als Gegenargument, dass allein schon Muslime und Christen nicht in einem Staatenverbund zusammenpassen, wäre mir zu naiv.


Medea. antwortete am 18.09.04 (10:56):

Aber nein, JürgenS, die Türkei geht keinesfalls Europa total verloren (wie Du es so nett ausdrückst) und Katastrophales kann auch nicht passieren ....., denn es gibt genug andere Möglichkeiten, sie an Europa zu binden.
Durch Erdogan und seine Regierungspartei hat sie sich nur ein wenig entlarvt, wenn er sagt: "Wir wollen nicht um jeden Preis in die EU".
Na so etwas! Da steht sie schon viele Jahre Schlange, fährt seit ca. 2 Jahren einen Reformkurs - und nun ?

Angela Merkels Vorstellung einer 'privilegierten Partnerschaft' sollte nicht immer gleich vom Tisch gewischt werden. (Ich bin weder Mitglied noch Wählerin der CDU).

Unklarheiten bestehen offensichtlich beim Begriff 'privilegierte Partnerschaft', diese würde weit über die 1996 eingegangene Zollunion zwischen der EU und der Türkei hinausgehen.
Es könnte eine alle Warengruppen umfassende Freihandelszone geschaffen werden, die Zusammenarbeit zur Stärkung der Zivilgesellschaft, zur Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen, im Umweltschutz, im Bildungs- und Gesundheitsbereich könnte verstärkt werden, sie könnte mehr in die gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik, auch in die europäische Verteidigungspolitik einbezogen werden.
Die Kooperation bei der Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus sollte intensiviert werden. So würde die Türkei an vielen wesentlichen Bereichen des Gemeinlebens teilhaben - was ihr versagt bliebe, wäre ein Mitspracherecht in den Institutionen.
Seitdem die Türkei 1999 den Status eines Bewerberlandes bekam, fließen jährlich rund 200 Millionen Euro aus Brüssel an die Regierung in Ankara.

Lieber JürgenS
Vorstehendes sind meine Gedanken zu dem von Dir eingebrachten Thema.





mart antwortete am 18.09.04 (10:58):

<<ein Ende der Strafminderung für die berüchtigten "Ehrenmorde"<<

gälte allerdings nur, wennn der Familienclan gemeinsam diese Morde beschließt und plant, - aber nicht, wenn der einzelne Mann in seiner "berechtigten" Empörung seine Ehre wiederherstellen möchte.


Karl antwortete am 18.09.04 (15:12):

Ach Medea,

du bist doch gar nicht bereit den Türken eine faire Chance zu geben. Du nützest doch selbst solche Selbstverständlichkeiten wie "Wir wollen nicht um jeden Preis in die EU", um Stimmung zu machen.

Ich hoffe, dass wir es nicht fertig bringen, die Türkei so vor den Kopf zu stoßen, dass wir uns die Probleme schaffen, die sich jeder vom Hals halten möchte. Ich wiederhole, m. E. gibt es keine gute Alternative zur Aufnahme der Türkei in die EU und vor allem gibt es keine bessere Chance der Einflussnahme auf die Menschenrechtssituation dort als durch die Mitgliedschaft in der EU.

Mein Eindruck ist es, dass sehr kurzsichtig Wahlpolitik gemacht wird, wenn Frau Merkel jetzt gegen den Beitritt der Türkei hetzt. Diese Frau lag schon einmal völlig falsch als sie die Deutschen in den Irakkrieg mit hineinziehen wollte. Sie setzt ihre Fehler fort und setzt jetzt noch einen drauf. Ihr fehlt die politische Weitsicht und sie kocht halt ihr spießbürgerliches Süppchen.


petrone antwortete am 18.09.04 (16:56):

JürgenS

ich habe heute in der Zeitung gelesen, dass jede zweite Frau in Deutschland, mißhandelt, geschlagen, vergewaltigt oder gequält wird.
Das alles geschehe sowohl in Villen als auch in Vorstadthochhäusern.
Mit welchem Recht also dürfen wir die Türkei ablehnen?

Eine andere Frage wäre natürlich die: Wer soll das bezahlen?
Der Türkei stünden ca. 11 Mrd Finanzhilfe allein für die Landwirtschaft zu.


Wolfgang antwortete am 18.09.04 (17:52):

Schauen wir uns die Zahlen an: Der gesamte EU-Haushalt war im Jahr 2003 100 Mrd. Euro stark (wovon die BRD rund 22 Mrd. beisteuerte und einen grossen Teil davon wieder zurueckbekam - hauptsaechlich in Form von Zahlungen in Richtung deutscher Landwirte).

Nehmen wir an, petrone, die von Dir angegebene Zahl stimmt... Dann wuerde sich der Gesamthaushalt der EU nur wenig erhoehen. Es sollte dann den reichen Laendern der EU leicht moeglich sein, mehr Mittel fuer die Tuerkei aufzubringen oder, was haushaltstechnisch aufs selbe rauskommt, auf ihnen selbst zustehende Mittel zu verzichten. Zumal die Tuerken ja auch erst einmal entsprechend ihrer Wirtschaftskraft (wie alle anderen) einzahlen muessen, bevor umverteilt wird.

Volkswirtschaftlich ueber die gesamte EU gesehen, wuerde die Tuerkei ihre Wirtschaftskraft einbringen. Dank wegfallender Grenzen wuerden Geschaefte zu geringeren Kosten moeglich, die jetzt ueberhaupt nicht moeglich sind oder nur zu hoeheren Kosten. Wachstum und Wohlstand waeren die Folge. Das ausgegebene Geld wuerde sich schnell vermehren.

Quelle der von mir genannten Zahlen: https://www.arte-tv.com/


juergenschmidb antwortete am 18.09.04 (18:13):

Hallo Karl und 100% ige Befürworter einer EU-Türkei:
Vielen von euch ist scheinbar entgangen, dass ich nur nachdenklich geworden bin. Es ist doch nix Falsches, wenn man die Debatte noch mal eröffnet, wenn man neues weiss.
Ich hab keine Lösung, es lohnt aber, sich ausgiebig Zeit zu nehmen, um ggf. einen Königsweg wachsen zu lassen, den ich nicht parat habe.

Zu dir, Karl passt folgende Äusserung überhaupt nicht:
"Mein Eindruck ist es, dass sehr kurzsichtig Wahlpolitik gemacht wird, wenn Frau Merkel jetzt gegen den Beitritt der Türkei hetzt. Diese Frau lag schon einmal völlig falsch als sie die Deutschen in den Irakkrieg mit hineinziehen wollte. Sie setzt ihre Fehler fort und setzt jetzt noch einen drauf. Ihr fehlt die politische Weitsicht und sie kocht halt ihr spießbürgerliches Süppchen."

Einseitig festgelegt, einmal falsch, immer falsch, also Killerargumente.
Ich sehe Merkel nicht anders als bisher, aber das war eh klar.


Medea. antwortete am 18.09.04 (18:20):

Hallo Karl,

Frau Merkel war schlecht beraten, als sie Verständnis für einen Krieg, den die meisten hier, mich eingeschlossen, als falsch und verderblich ansahen, zeigte - muß sie deswegen in der Frage: die Türkei in die EU, ja oder nein, erneut falsch liegen? Die Situationen sind m.E. nicht vergleichbar,
Wahltaktik mag eine Rolle spielen, aber ihre Meinung in dieser Frage ist ja schon lange bekannt und hier in den Foren auch bereits dargestellt.

"Wir wollen nicht um jeden Preis in die EU" und "Wir sind die Türkei, wir sind Türken und wir treffen unsere eigenen Entscheidungen" - das sind die Worte von Erdogan, nicht die meinen - und wer damit 'Stimmung macht' bin nicht ich, sondern er.
Unfair soll das sein? Weil ich wiederhole, was er sagt?
Wer geht denn auf Konfrontationskurs?
Brüssel ließ durchblicken, daß die Strafrechtsreform vor der Präsentation des Türkei-Berichts unter Dach und Fach sein müsse, falls Ankara an guten Noten interessiert sei.
Ich las, sollte die Türkei versuchen, an der Kriminalisierung des Ehebruchs festzuhalten, würde dies "Zweifel an der europäischen Orientierung" wecken.
EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen nannte es 'Besorgnis erregende Entwicklungen' in der Türkei.

Wen stößt wohl die Türkei vor den Kopf?
Ganz kleine Frage aus meiner Sicht .....


Karl antwortete am 19.09.04 (08:49):

"Wir sind die Türkei, wir sind Türken und wir treffen unsere eigenen Entscheidungen"

Das ist in meinen Augen ein Ausdruck der Selbstachtung. Das würden wir von unseren Politikern doch auch verlangen. In Bezug auf die Strafrechtsreform: ich hoffe, dass sie verabschiedet wird ohne den Ehebruchparagrafen.
Mein Verdacht ist, dass Du und andere dann bereit stehen, neue Haare in der Suppe zu finden, weil ihr prinzipiell- aus was für Grpnden auch immer - die Türkei nicht integrieren, sondern ausgrenzen wollt.

Ich wiederhole noch einmal meine Sicht der Dinge: Man kann sich Freunde schaffen oder Feinde. Ich bin für Ersteres und finde, die EU ist hierbei extrem erfolgreich gewesen und hoffe, sie wird es bleiben.


Medea. antwortete am 19.09.04 (10:34):

Nun, für's Freunde schaffen bin ich ebenfalls - aber eben nicht um jeden Preis.

In Diskussionen treffen nun einmal die unterschiedlichsten Auffassungen und Meinungen aufeinander, jeder aus seiner Sichtweise - und der Gegenstand der Betrachtung wird nunmal unterschiedlich gesehen.
Das ist für mich nie ein Problem gewesen.


juergenschmidb antwortete am 19.09.04 (10:41):

@karl
kann man sich wirklich nur Freunde oder Feinde schaffen?
Respektvolles Miteinander kann doch auch gut sein?
KLingt sonst wie, "wer nicht mein Freund ist, ist mein Feind", oder "der Freund meines Feindes ist mein Feind".Da gibt es doch zahllose Zwischenstufen.
Auch Neutralität von Staaten kann funktionieren, wenngleich vielleicht nicht ewig, aber was hält schon ewig, ausser der Evolution.


seewolf antwortete am 19.09.04 (12:15):

Karl - Deine Worte:

"Wir sind die Türkei, wir sind Türken und wir treffen unsere eigenen Entscheidungen"

Das ist in meinen Augen ein Ausdruck der Selbstachtung.
-
Nun ersetzen wir "Türkei" durch "Deutschland" und "Türken" durch "Deutsche".

Was hältst Du denn "von sowas"?


Medea. antwortete am 19.09.04 (13:40):

Hey Seewolf,

wenn zwei dasselbe meinen, ist es noch längst nicht das Gleiche. :-))


Wolfgang antwortete am 19.09.04 (14:04):

Gilt das denn etwas nicht ? Sind wir nicht Deutschland ? Sind wir keine Deutschen, die ihre eigenen Entscheidungen treffen ?
In welcher Welt lebt ihr denn, dass ihr meint, das waere etwas, was nicht jeder Europaer, auch jeder Deutsche, fuer sich in Anspruch nehmen kann und auch tatsaechlich in Anspruch nimmt ?


seewolf antwortete am 19.09.04 (17:07):

wolfgang - ich habe DICH nicht gefragt, sondern Karl.

Also bitte !!!


hl antwortete am 19.09.04 (17:22):

Ist ja sehr interessant, dass Seewolf jetzt den Mitschreibern das Wort verbieten will.

hl .. ungefragt!


seewolf antwortete am 19.09.04 (17:38):

hl - seewolf gewöhnt sich langsam an die Art anderer. OK?


Wolfgang antwortete am 19.09.04 (20:26):

Jedenfalls, liebe hl, kann der nicht Leuten verbieten, hier zu schreiben. Sei sicher: Ich werde weiter - ob gefragt oder nicht gefragt - hier antworten. Und wenn's den 'Seewolf' stoert, ist mir das ganz lieb. *fg*


Karl antwortete am 19.09.04 (21:22):

@ seewolf,

du kannst auch meine Antwort haben. Ich habe Schröder Beifall geklatscht als er in Richtung USA vor dem Irakkrieg ähnliches an die Adresse der USA gewandt gesagt hat. "Über Kriege, an denen sich Deutschland beteiligt, wird in Berlin entschieden".
Er hätte das durchaus auch so formulieren können: "Wir sind Deutschland, wir sind Deutsche und wir treffen unsere eigenen Entscheidungen".

Sollte das nicht eine Selbstverständlichkeit sein?


seewolf antwortete am 19.09.04 (22:09):

Karl - einverstanden. Danke.


mart antwortete am 22.09.04 (20:53):

Manche Politiker (z.B. Elmar Brok) glauben sogar, daß der Streit um die Strafrechtsreform "inszeniert" worden sei:

Die türkische Regierung demonstriert nationalen Stolz.

Die EU zeigt sich hart.

So spielt jeder für sein eigenes Publikum, und am Ende einigt man sich.


Medea. antwortete am 23.09.04 (08:33):

Mit Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments, sprach sich erstmals jemand einflußreiches offen gegen den Beginn der Gespräche aus:
'Zwei bis drei Jahre lang sollten die Wirkungen der türkischen Reformen abgewartet werden und der Aufnahmeantrag Ankaras dann erneut debattiert werden.'
Er bemängelt den fehlenden Mut einiger EU-Regierungschefs, ihre ablehnende Haltung zur EU-Mitgliedschaft der Türkei öffentlich zu machen.
"Niemand hat die Courage, der Katze die Schelle umzuhängen", sagt Elmar Brok. Dabei gäbe es im Parlament zahlreiche warnende Stimmen.


rolf antwortete am 23.09.04 (10:08):

Ist der Beginn der Beitrittsverhandlungen denn eine Garantie für die Aufnahme?


mart antwortete am 23.09.04 (10:51):

Ein Argument der Befürworter ist, daß sich die Türkei schon jahrzehntelang um einen Beitritt zur EU bemüht und ihr dieser unter bestimmten Voraussetzung versprochen worden sei.


Seit 1963 sei die Türkei "assoziiertes Mitglied der EU ", seit 1966 mit dieser in einer Zollunion verbunden und 1999 schließlich in den offiziellen Kandidatenstatus erhoben worden.

"Das alles war wie eine lange Verlobung. Wenn es nun nicht zur Ehe käme, wäre das eine bittere Kränkung."schreibt Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung.


1963 gab es freilich noch keine EU, sondern nur eine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die etwas qualitativ Anderes war als die Union von heute und morgen.

Aus der Tatsache, dass der Türkei 1963 eine spätere Mitgliedschaft in der EWG in Aussicht gestellt wurde, lässt sich also noch kein Recht auf die Mitgliedschaft in der EU ableiten.

Und über den Druck der USA Türkei in die EU aufzunehmen, habe ich schon an anderer Stelle geschrieben.

Ist eine starke EU im Sinne der Hegemonialpolitik der USA?


Ist also nicht die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen bereits die "Polternacht"? Ein arger Bösewicht, der dann sein Ja-Wort zurückzieht!


Wolfgang antwortete am 23.09.04 (10:59):

Eins haben die BUSH-Krieger begriffen: Wenn die Tuerkei in die Haende der Islamisten faellt - und das wird sie eher frueher als spaeter, scheitert die Politik des Herrn ERDOGAN - dann kriegt das imperium americanum und mit ihm der gesamte Westen wohl seinen letzten Sargnagel eingeschlagen.


mart antwortete am 23.09.04 (11:30):

Ist es eigentlich schon bekannt, welch geringes Ansehen die Türkei in der arabischen Welt genießt - daher ist es eher absurd eine Vorbildwirkung und ein Ausstrahlen des türkischen Wegs für die arabische Welt anzunehmen - und das ist offensichtlich der Wunschtraum der Eurasien-Union Vertreter.

Türkei würde sofort und nun endgültig in der Welt des Shaitan, des Bösen, der EU/USA Weltverschwörung angesiedelt werden. Die Türkei wird bereits jetzt als Abtrünniger angesehen - und was mit moslemischen Abtrünnigen zu geschehen hat, kann man in vielen islamischen Rechtsgutachten nachlesen.

So könnte also der Versuch, die Türkei in die westliche "Wertegesellschaft" zu integrieren, ein Schuß nach hinten sein - gebe ich einfach zu bedenken.


Wolfgang antwortete am 23.09.04 (11:38):

Es ist gar nicht so schwer zu begreifen: Die islamische Welt ist jetzt schon verloren fuer den Westen... Allzu wuest haben es die westlichen Kolonisatoren getrieben. Dort werden sie keinen Blumentopf mehr gewinnen. Im Gegenteil: Muslime koennen kaum mehr militaerisch klein gehalten werden. An eine politische Loesung ist dort gar nicht mehr zu denken.

Um was geht es also: Wer den Islamismus eindaemmen will, muss die Tuerkei ins westliche Lager holen (nach Lage der Dinge geht das nur noch via EU).

Wer diese Chance verspielt, hat den Krieg unmittelbar vor der Haustuer, im schlimmsten Fall sogar im eigenen Land.


mart antwortete am 23.09.04 (11:58):

Wenn ich daran denke welche innerislamischen Konflikte sich die EU mit der Türkei einkauft,
an welche Länder die Türkei grenzt z.B. Armenien, Syrien, Iran, Irak -
Länder mit denen zum Teil Grenzstreitigkeiten bestehen wie z.B. mit Syrien
Irak, ein Land, das sehr wahrscheinlich zerfallen wird, auf jeden Fall aber eine shiitische Gesellschaftsordnung bekommen wird, inklusive des Kurdenproblems, das dann erst richtig virulent werden wird

Nun, wenn ich mir das alles überlege, ist mir ein Pufferstaat Türkei, wo die EU eben nicht den Krieg unmittelbar vor der Haustür hat, auf jeden Fall lieber - zynisch, aber Politik war noch nie ein humanistisches Experimentierfeld.


Wolfgang antwortete am 23.09.04 (14:08):

Es geht doch:

EU-Erweiterungskommissar VERHEUGEN und der tuerkische Premier ERDOGAN haben ihren Streit ueber die Strafrechtsreform beigelegt. VERHEUGEN signalisierte nach einem Treffen der beiden, er werde dem Beginn von Verhandlungen ueber einen EU-Beitritt des Landes zustimmen. Der umstrittene Ehebruch-Paragraf ist offenbar vom Tisch.

Die Karawane zieht weiter... :-)


mart antwortete am 23.09.04 (14:12):

Ist doch schön, diese Spiegelfechtereien, nennt man das nicht anderswo auch Schattenboxen?, dieses Herzeigen des angespannten Biceps, zu verfolgen:-)))


Wolfgang antwortete am 23.09.04 (14:40):

Genau... Die geBILDeten 'Lemminge' brauchen ihr Futter. *groehl*

Wenn was Gescheites (z. B. die Beitrittsverhandlungen) dabei herauskommt, soll's mir recht sein. ;-)


mart antwortete am 23.09.04 (15:04):

Neben der Tatsache, daß sich die USA für einen Beitritt stark machen, ist auch die Tatsache, daß du dich dafür einsetzt ohne auf die Gegenargumente einzugehen, ein Alarmzeichen.

Aber da fällt mir noch ein wichtiges Proargument ein.

Türkei als Wächter über den Erdölstrom wäre natürlich ein Segen in der Eurasien-Union. Dieses Argument hört man nur verschämt und nur hinter der vorgehaltenen Hand, dieser prosaische Grund kann in der Öffentlichkeit im Augenblick wohl nicht geäußert werden.


rolf antwortete am 23.09.04 (15:32):

Der einzige Grund, der mich an der Zustimmung zum Beitritt hindern könnte:
Weniger als 10 % der Türkei gehören zu Europa, der größte Teil gehört zu Asien.


mart antwortete am 23.09.04 (16:29):

rolf,

Wie du weißt, mußt weder Du noch ich noch irgend jemand anderer in der EU oder in der Türkei den Ratschlüssen der Regierungschefs zustimmen.

Daß war so, als 1999 Türkei unter Druck der USA den offiziellen Kandidatenstatus erhielt, das ist jetzt so und das wird in ca. 14 Jahren wiederum so sein.

Die EU, als politisches Spielfeld von Regierungschefs, die ihre Beschlüsse nie selbst ausbaden müssen, die jetzt ohne Zustimmung der Beherrschten sich eine neue Verfassung genehmigen, in der die Bevölkerungszahl eines Staates eine wesentliche Rolle spielen wird, also diese EU wird an ihrer Ausdehnung zerplatzen. Aber dieses Spiel ist schon sehr oft in der Geschichte gespielt worden, und es gibt immer einige, die davon profitieren.

Das gemeine Volk ist es überlicherweise nicht.


rolf antwortete am 23.09.04 (17:09):

Mit dem Argument könnte man auch die Diskussion ins Archiv verbannen.


mart antwortete am 23.09.04 (17:43):

Verstehe das, wer gescheiter und sensibler ist als ich!


Aber unser Jörgl Haider hat ja auch festgestellt,
Gegner des Beitritts sind "offenbar Hornochsen".

Und seine Partei daran erinnert, daß sie die Stimmen der türkischen Österreicher dringendst brauchen würden.


Medea. antwortete am 23.09.04 (21:26):

Hallo Rolf:

Du sprichst von 10%, in der Debatte waren immer nur 3 % der Türkei zu hören, die noch auf europäischem Boden liegen ....

Die Städte Ankara und Istanbul mit ihrem europäischen Gepränge symbolisieren doch nicht ein ganzes großes Land, in dem z.T. noch feudalistische Strukturen gelten.


rolf antwortete am 24.09.04 (10:40):

Sind 3 % nicht weniger als 10 %?


Medea. antwortete am 24.09.04 (12:41):

;-))


Karl antwortete am 25.09.04 (12:15):

Ist das geographische Argument nicht das allerschwächste dafür oder dagegen zu sein?


rolf antwortete am 25.09.04 (13:49):

Dann ist der Name EUROPÄISCHE Union falsch gewählt.
Er sagt doch, daß es sich um die Vereingung europäischer Länder handelt.
Wenn auf eine Dose Zucker steht, erwarte ich darin auch kein Salz.