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THEMA: Wir haben viel zu viele Krankenkassen!
15 Antwort(en).
Graugans
begann die Diskussion am 10.09.04 (08:54) :
Hallo lebenserfahrene Forumsfreunde,
in der BRD gibt es über 400 verschiedene Krankenkassen. Jede dieser Einrichtungen unterhält mehrere Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder. Diese Damen und Herren werden wie die Entscheidungsträger großer Industriebetriebe fürstlich entlohnt, obwohl sie nur einen kleinen Bruchteil der Verantwortung ihrer Kollegen aus der freien Wirtschaft tragen. Darüber hinaus werden wirtschaftlich schlecht geführte Krankenkassen über einen Solidarfond finanziell so abgesichert, daß Verluste ausgeglichen werden. Somit tragen die Geschäftsführer der Krankenkassen kein wirtschaftliches Risiko! All dies kostet den Beitragszahlern Milliarden Euros !!!!! Aus Kostengründen ist es notwendig, die Anzahl der viel zu vielen Krankenkassen drastisch zu reduzieren!
Viele Grüße Graugans
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ricardo
antwortete am 10.09.04 (09:57):
Hallo liebe Graugans Diese Tiere habe ich noch kennengelernt beim Besuch von Konrad Lorenz am Starnberger See. Was die Kassen betrifft, darüber habe ich auch schon nachgedacht, aber lieber so als eine Billig-Einheitskasse. Auch hier belebt Konkurrenz das Geschäft. Und Weltmeister in der Bürokratie waren immer die staatlichen Kassen.Eine Reduzierung würde m.E. eher die Sache teurer machen, weil sich die übrig Gebliebenen dann aufs hohe Ross setzen. Der freie Markt ist immer noch am billigsten meine ich.
Grüßle Ric
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rolf
antwortete am 10.09.04 (10:05):
Wenn es echten Wettbewerb gäbe, aber der wird durch den Solidaritätsausgleich und die gesetzliche Festschreibung fast aller Leistungen ausgeschaltet.
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ricardo
antwortete am 10.09.04 (10:29):
Das ist richtig, aber es weist in eine andere Richtung Ich bin für mehr Wettbewerb. schon weil auch meine Kasse zu wenig Spielraum hat.
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schorsch
antwortete am 10.09.04 (10:39):
Ich gehe fast vollständig mit Graugans einig und vertrete diese Meinung seit Jahrzehnten wo immer sich eine Gelegenheit bbdazu bietet. Skeptikern und "Freie-Wirtschaft-Anbetern" möchte ich folgende Frage stellen: Was wäre denn, wenn jeder Einwohner eine Krankenkasse gründen würde, mit eigenem Verwaltungsapparat? Aha; das würde doch nicht rentieren? Also meine Meinung: Je mehr Krankenkassen mit Verwaltungsaparat, desto höher die Gesamtkosten. Oder umgekehrt: Je weniger Verwaltungen, desto mehr Geld bleibt für die Versicherten übrig.....
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iustitia
antwortete am 10.09.04 (10:43):
Aber warum ist der freie ricardo in einer nicht-freien Kasse - am freien Markt? Die wirklich Freien sind in keiner unfreien Kasse. Die haben elitär feine, freie Bedingungen. Und die "Un-Versicherten", die sich Privat-Versicherte nennen, freuen sich, dass sie nicht die Kosten von Jan und Allemann und ricardo mittragen müssen.
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jo
antwortete am 11.09.04 (00:04):
@schorsch
das ist ein wenig überzeichnet, das hast Du bestimmt bewußt gemacht.
Klar ist, daß ein Verwaltungsapparat im Verhältnis zu der Menge des zu Verwaltenden überproportional anwächst - kommt hinzu, daß er sich ja auch selbst verwalten muß.
Man muß ja nur Superbehörden wie bei uns die Bundesanstalt für Angestelltenversicherung in Berlin betrachten.
Die Führung eines solchen Unternehmens ist aus der Verantwortung gegenüber dem Markt, wirtschaftlichem Handeln und seinen Kunden entlassen. Im Zweifelsfall hält man beim Fiskus die Hand auf oder erhöht die Preise - wie jetzt gerade wieder einmal von der Deutschen Bahn vorgeführt wird.
Ich habe jahrelang für ein Versicherungsunternehmen mittlerer Größe - als freier Mitarbeiter, also nicht angestellt - gearbeitet und mitbekommen, wie die agieren müssen, um sich am Markt zu behaupten. Das Konkurrenzdenken kommt dabei durchaus, ja sogar in erster Linie, den Kunden, also den Versicherungsnehmern zugute. Das ausschalten zu wollen würde ich nicht als im Interesse der zu Versichernden verstehen.
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schorsch
antwortete am 11.09.04 (15:21):
.....aber in erster Linie leben doch die Versicherer inkl. ihre Vertreter von den von ihnen verkauften Verträgen?
Wenn ich z.B. daran denke, dass ich einmal 3 Jahre nach Abschluss einer Lebensversicherung diese sistierte und noch hätte draufzahlen sollen, statt etwas zurück zu erhalten, geht mir heute noch die Galle hoch.
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rolf
antwortete am 11.09.04 (18:35):
Die gesetzlichen Sozialversicherungen sind keine Versicherungen im allgemeinen Sinne. Sieverteilen Gelder von den Beitragszahlern an die Leistungsempfänger um. Ein echter Wettbewerb kann dort aus mehreren Gründen nicht entstehen, solange die gesetzlichen Grundlagen nicht geändert werden. Arbeitslosen- und Rentenversicherung scheiden hier völlig aus, da sie ein Monopol, also keine Mitbewerber, haben. Bei den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) wird der Wettbewerb vor allem durch drei Kriterien stark eingeschränkt: 1. Ihre Leistungen werden zu ca. 95 % vom Gesetzgeber vorgeschrieben. 2. Unterschiedliche Ergebnisse werden durch den Strukturausgleich ausgeglichen. 3. Sie dürfen keinen Gewinn erzielen.
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schorsch
antwortete am 12.09.04 (10:04):
@ rolf: "...3. Sie dürfen keinen Gewinn erzielen..."
Das wäre falsch, rolf. Es soll ruhig in guten Zeiten Gewinn erwirtschaftet werden können. Nur soll dieser eben nicht an nichts tuende Aktionäre alimentiert werden, sondern in einen Pot geworfen, wo er für schlechtere Zeiten als Not- und Ausgleichsreseve dient.
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rolf
antwortete am 12.09.04 (10:28):
Gewinnerzielung ist gesetzlich verboten, Überschüsse müssen, nachdem die Schulden getilgt sind, durch Beitragssenkungen abgebaut werden.
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ricardo
antwortete am 12.09.04 (11:40):
Jo So sehe ich das auch, Konkurrenz belebt das Geschäft und läßt auch meine Kasse nicht einschlafen, so wie das die staatlichen Einrichtungen regelmäßig tun. Die wachen nur dann auf, wenns nicht mehr reicht, dann werden flugs die Gebühren erhöht, und dann gehts wieder in Morpheus Arme. Die Privaten kennen ganz genau die Möglichkeiten der Konkurrenz und zum Überleben hilft ihnen nur, wenn sie besser sind!
Mich wundert schon, wie hier die Illusionen aufblühen!
Und Gewinn machen welch eine Todsünde! bei den anderen natürlich!
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rolf
antwortete am 12.09.04 (12:32):
Gewinn ist keine Sünde, widerspricht aber dem Grundgedanken bei den GKV und den für diese geltenden Gesetzen. Eine Dezimierung der GKV wäre daher kostensparend und würde, wenn mindestens der Strukturausgleich abgeschafft würde, auch eine für den gesunden Wettbewerb noch ausreichende Anzahl an Kassen übriglassen.
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rolf
antwortete am 15.09.04 (12:28):
*** Rechnungshof will 2005 erstmals Krankenkassen prüfen +++ Gegen den Widerstand des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales (BMGS) und der Krankenkassen will der Bundesrechnungshof erstmals das Finanzgebaren der gesetzlichen Krankenversicherung...
Internet-Tipp: https://www.krankenkassen-direkt.de/nl.pl?news=57646,86561650
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schorsch
antwortete am 15.09.04 (16:32):
Einen Pot mit überschüssigen Beitragszahlungen zu bestücken, damit in Notzeiten wieder Ausgleich geschaffen werden kann, widerspricht nicht dem Kein-Gewinn-Gedanken. Es ist einfach nicht möglich, die Beiträge im Voraus so anzusetzen, dass sie genau mit den Schadenereignissen übereinstimmen. Zudem würden die Versicherten das wohl kaum schätzen, wenn in einem Jahr der Monatsbeitrag doppelt so hoch wäre, wie im Vorjahr. Auch Versicherungsmathematiker sind schliesslich keine Hellseher! Natürlich könnte man den Geldausgleich auch einer Rückversicherung übertragen. Aber dann wäre ja schon wieder ein Kostenfaktor und Geldfresser mehr im Spiel.
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benin
antwortete am 15.09.04 (20:55):
Ein Vorschlag aus der Schweiz: Eine Einheitskasse oder noch besser: DAS PERSÖNLICHE SPERRKONTO. Unsere heutige Krankenversicherung wird über kurz oder lang kollabieren. Die Gründe sind vielfältig und im System begründet: a) Das Modell der Krankenkassen verliert unter den heutigen Bedingungen immer mehr an Realbezug und Berechtigung. b)Die Versicherten entziehen sich der (Eigen-)Verantwortung und delegieren diese an ihre KK (Krankenkasse) c)Alle wollen von den KK profitieren, Aerzte, Spitäler, Kurhäuser, Apotheken, medizinische und psychologische Therapeuten, Firmen der Medizinaltechnik und der Pharma.... d)Die Rechnungsstellungen sind oft übertrieben, häufig gar an der Grenze der unstatthaften persönlichen Bereicherung. Nachforschungen und Ahndungen der Missbräuche kosten die KK ebenfalls Geld. e)Wer hohe Prämien zahlt, will von seiner KK wiederum profitieren („Nur zu, die KK bezahlt es ja!“), und treibt so die Prämien weiter in die Höhe. f)Die Raummieten, der Betrieb, die Verwaltungs- und Personalkosten der 93(!)Krankenkassen und die Verwertung des Reingewinnes verschlingen hohe Summen. Die Lösung: An die Stelle der obligatorischen KK tritt das obligatorische private Gesundheits-Sperrkonto. Das geht so: Jedermann/frau ist verpflichtet, anstelle der bisherigen monatlichen Krankenkassenprämie (zur Zeit bezahle ich ca. Fr. 250.- ) einen Betrag von (angenommene Zahlen) Fr 150.- auf ein persönliches Sperrkonto bei seiner Bank einzuzahlen. Alle künftigen Gesundheitsrechnungen werden dann über die Bank ab diesem Sperrkonto bezahlt, oder man bezahlt seine Rechnungen selber. Von den 150 Fr. leitet die Bank jeweils Fr. 50.- an eine schweizerische Risiko- und Solidaritäts-Versicherung weiter für Extrem-Kosten z.B. bei chronischer, behandlungsintensiver Erkrankung, schweren Unfällen, Operationen, Spitalaufenthalt etc. (nicht aber Invalidität; diese ist bereits über die IV versichert!), wenn das Sperrkonto eines Sperrkontoinhabers dadurch geleert wurde. Diese Risikoversicherung dürfte meinen Schätzungen nach nur noch ca. ¼ der heutigen Krankenkassen-Prämien ausmachen und trotzdem genügen.
Gewaltiger Vorteil: Der Überschuss an Einzahlungen (also was nicht wieder für Krankheitskosten usw ausgegeben werden muss), welche in der Regel die KK auf Nimmerwiedersehen für sich selber braucht, bleibt mein Vermögen und vermehrt sich dauernd mit den Einzahlungen und dem Zins. Bei Lebensende z.B mit 75 Jahren bei Einzahlungen ab 18. Lebensjahr und heutigem Prämienniveau von ca. Fr 250.-/Monat erreiche ich so im Schnitt ein Vermögen von über Fr. 80'000.- Statt dass die Krankenkasse diesen Betrag für ihre Verwaltungskosten und ihren Reingewinn geschluckt hat, vermache ich diesen meinen Betrag nach meinem Willen als Erbschaft meiner Frau, meinen Nachkommen, Begünstigten, einem guten Zweck oder wie auch immer.
Detailfragen gäbe es natürlich noch viele zu lösen und die Zahlen zu präzisieren. Die Umstellung auf das Sperrkonto-System bräuchte eine längere Uebergangsfrist und Übergangsbestimmungen von vielleicht 20 bis 30 Jahren.Ältere Versicherte müssten vorübergehend aus einem Staatsfonds unterstützt werden. Negative Auswirkungen: Die Krankenkassen schliessen und entlassen Leute. Das ist schmerzlich, aber vorübergehend. Man kann ein überholtes und nicht mehr taugliches System (Betrieb, Organisation) nicht einfach weiterhin in alle Ewigkeit aufrechterhalten. Der Staat müsste sie dauerhaft mit x Milliarden subventionieren. Die Postulierung dieser Idee würde natürlich gewaltige Widerstände von den Profiteuren des heutigen Systems auslösen.
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