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THEMA:   Die hässliche Seite des Euro

 16 Antwort(en).

Wolfgang begann die Diskussion am 23.01.02 (18:51) mit folgendem Beitrag:

"Die hässliche Seite des Euro"... So ist es im SPIEGEL als Überschrift zu lesen. Was einige vorhergesagt hatten, aber viele nicht hören wollten: Die Einführung des Euro ist nicht so problemlos und einfaches Umrechnen wird nicht reichen... Der Euro heizt die Inflation an, denn viele Unternehmen (es gibt nur wenige Ausnahmen, Aldi zum Beispiel) und Behörden wollen jetzt Kasse machen und benutzen die Gelegenheit und runden ihre Preise auf oder erhöhen sie kräftig. Der Verlierer ist in aller Regel der Kunde (wo doch alle sagen, er sei der König).

PREISSTEIGERUNGEN: Die hässliche Seite des Euro
https://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,178582,00.html

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,178582,00.html)


Baerliner antwortete am 24.01.02 (10:31):

Wolfgang, ganz so schwarz sehe ich die Sache nicht. Und
viele Preiserhöhungen sind ja auch nicht damit zu begründen,
daß gewisse Leute Kasse machen wollen. Schließlich hat sich
die Ökosteuer erhöht, um nur eine Quelle für die Preiserhöhungen anzuführen. Im Augenblick vergleichen wir
noch durch Orientierung an den DM-Preisen, die wir noch
im Kopf haben. Auf lange Sicht wird der Euro m.E. sogar
zu einem niedrigeren Preisniveau führen, wenn man staatliche
Preissteigerungen rausrechnet. Dann vergleichen wir wieder,
was ein Artikel bei verschiedenen Anbietern kostet.

Restaurants werden derzeit auch als Preistreiber bezeichnet.
Da wird gern vergessen, daß die auf die Währungsumstellung gewartet haben, um Kosten für neue Speisekarten zu sparen.
Denn eigentlich wäre eine Erhöhung wegen der gestiegenen Kosten in diesem Gewerbe schon viel früher nötig gewesen.


Wolfgang antwortete am 24.01.02 (10:57):

Tatsache ist, dass einige 'Wirtschaftsweise' im Januar eine Preissteigerungsrate von etwa 3 Prozent erwarten. Davon soll 1/3, also 1 Prozent, alleine auf die Einführung des Euro zurückzuführen sein (der Rest soll seine Gründe in Steuererhöhungen und jahreszeitlich bedingten Preiserhöhungen haben). Dazu kommt noch, dass wichtige volkswirtschaftliche Rechnungen in Dollar bezahlt werden müssen, alle Energieimporte zum Beispiel. Der Euro hat sich aber gegenüber dem Dollar erneut verschlechtert.

Die Mark war eine Aufwertungswährung, der Euro scheint eine Abwertungswährung zu werden. Bei den Jubelfeiern für den Euro wurde von den Offiziellen wenig über Inflationstendenzen des neuen Geldes geredet. Oder habe ich vielleicht nicht richtig aufgepasst? :-)


kh antwortete am 24.01.02 (15:07):

Auch bei uns in Österreich klagen die Leute einerseits darüber, daß alles etwas teurer wird, andererseits schreiben sich die Journalisten die Finger wund, wie unpraktisch und unnotwendig die kleinen Münzwerte (1, 2 und 5 Cent) wären.
Solange sich die Wirtschaft darauf ausreden kann, daß die Kunden runde Preise bevorzugen, werden sie eben runden, und zwar eher auf als ab - na klar.
Die einfachste Möglichheit dagegen ist, endlich mit dem Jammern über die "unrunden" Preise und die kleinen Centmünzen aufzuhören und zur Kenntnis zu nehmen, daß der Wert des Euro und Cent eben dem fast 14-fachen von Schilling und Groschen (bzw. dem doppelten von Mark un Pfennig) entspricht und sich Rundungen deshalb viel gravierender auf die Preise auswirken. Ich kann die dummen Sprüche wie "Die Ein- und Zwei-Cent werden sich ohnehin nicht halten" schon nicht mehr hören. Jeden Tag aufgrund mehrerer "runder" Preise angenommen nur 50 Cent mehr gezahlt macht pro Monat 15 Euro, also 206,4 Schilling oder rund 30 Mark Mehrausgabe nur für die Bequemlichkeit, nicht mit den kleinen Münzen hantieren zu müssen. Kann sich das die Mehrzahl der Durchschnittseuropäer auf die Dauer leisten?


Johannes Michalowsky antwortete am 24.01.02 (15:26):

In Deutschland gab es doch bis zuletzt 1-Pfennig- und 2-Pfennigstücke und in Österreich die 10 Groschen - wieso soll das, was bis dahin möglich war und sich gehalten hatte, nun für den Euro auf einmal nicht mehr gelten?


Baerliner antwortete am 24.01.02 (18:42):

Wolfgang,

Preiserhöhungen infolge der Währungsumstellungen und EURO-Schwäche haben ja zunächst mal nichts
miteinander zu tun. Im ersten Fall (Aufrundung durch deutsche Händler, Dienstleister usw.) handelt es sich um ein völlig von der Währung unabhängiges Phänomen.

Ich behaupte auch, daß der Kurs von Währungen untereinander nicht unbedingt die wirtschaftlichen Bedingungen
wiederspiegelt, sondern daß da (wie in der Wirtschaft üblich) viel die Psychologie bewirkt, mit der man eine
Währung drücken oder stärken kann. Ich sehe natürlich auch die Tatsache, daß eine starke Währung wie die DM
bei Zusammenlegung mit schwachen Währungen in einem Währungstopf leiden muß. Aber so etwas hat in der
Außenwirtschaft auch wiederum seine Vorteile. Irgendwie ist das Ganze für mich ein Nullsummenspiel, wobei man
auch nicht auf einen kurzen Zeitraum abstellen sollte, sondern auf längere Zeit. Es ist doch völlig irrelevant, wenn
im Monat Januar die Inflationsrate 3,x % beträgt, wenn sie im Jahresdurchschnitt nicht höher ist als im Vorjahr.


e k o antwortete am 24.01.02 (20:56):

Jedes Ding hat zwei Seiten, auch der EURO.

Ihn aber jetzt schon verdammen zu wollen, halte ich nicht für gerechtfertigt.

Schwarzsehen ist nicht angebracht. Dass so manche versuchen, sich bei der Währungsumstellung eine goldene Nase zu verdienen, nun ja, es wäre weltfremd, würde man meinen, so etwas dürfte es nicht geben. Ich glaube aber, dass sich ungerechtfertigte Preiserhöhungen von selbst wieder einebnen, dafür dürfte der Wettbewerb schon sorgen.

Die Sorgen unserer österreichischen Nachbarn mit den 1 und 2 Cent-Münzen lassen sich bei uns in Deutschland schwer nachvollziehen. Ein Cent hat immerhin den Wert von ca. 2 Pfennigen, und wir hatten ja bis zum Schluß Preise, die nach dem Pfennig berechnet wurden. Umsomehr jetzt beim Cent.

Neu ist ja an den Tankstellen, dass es nun nicht mehr nur Preise mit einer 9 hinterm Komma gibt, sondern auch mit einer 4. Also, so schnell wird der Cent nicht aus der Mode kommen, lieber kh.

Und wenn der so genannte "Aussenwert" nach unten geht, dann freuts die Exportwirtschaft, weil sie jetzt günstiger verkaufen kann. Die Kehrseite der Medaille ist eben, dass uns Rohöl und Bananen teurer zu stehen kommen.

Ich denke aber, auch da ist Jammern nicht angebracht.

Jedenfalls fand ich es ganz toll, als ich vergangenes Wochenende nach Holland fuhr und nun nicht mehr umrechnen musste, sondern die Preise gleich richtig vergleichen konnte und auch kein Geld mehr umwechseln musste.

Es gibt so viele Vorteile, warum muss man denn da die vermeintlichen Nachteile so sehr hervorheben ?

Gruß vom e k o


Heinzdieter antwortete am 25.01.02 (10:32):

Hallo!!
Der einzige Vorteil für Privatleute liegt doch darin, daß ich im Urlaub innerhalb der EU kein Geld wechseln muß. Andere Vorteile sehe ich als Privatperson keine.
Anders sieht es jedoch in der Wirtschaft aus.


schorsch antwortete am 25.01.02 (12:47):

Probleme mit dem EURO? Schenkt sie einer gemeinnützigen Institution - und kehrt zum Gütertausch zurück!

Schorsch


KlausD antwortete am 25.01.02 (13:15):

Preisvergleich im Dreiländereck.

------------Mehl-Butter-Magermilch-Nutella-Sonnenblumenöl
Saarbrücken-0,29--0,85----0,69-------1,38-----1,47
Metz--------0,35--1,05----1,06-------1,69-----1,75
Luxemburg---0,30--0,79----0,86-------1,51-----2,58


Baerliner antwortete am 25.01.02 (14:06):

HeinzDieter,

Du als privater Verbraucher bist Teilnehmer an der Wirtschaft. Und wirst damit Deine Vor- und Nachteile
haben, die eine gemeinsame Währung unterschiedlicher
Volkswirtschaften mit sich bringt. Die Frage ist, ob
auf lange Sicht die Vorteile die Nachteile überwiegen.

Ich meine, ja, aber es muß noch viel mehr harmonisiert
werden in Europa, damit was Großes herauskommt. Irgendwomit
muß man ja anfangen.


seewolf antwortete am 25.01.02 (14:11):

danke - KlausD ...

... da kann man mal sehen, was die deutschen Händler im Dreiländereck an Preiserhöhungen UNTERLASSEN haben...

Transparenz hat doch was für sich :-)))


KlausD antwortete am 25.01.02 (17:54):

So einfach ist das nicht,Seewolf!

Die Preise im Saarland hatten immer schon diesen Abstand!
Das kann man an der Masse Franzosen beim Aldi sehen :-)

Übrigens scheint es im Saarland teuerer als im übrigen Bundesgebiet zu sein.

Meine Bäckersfrau hat neulich geklagt,daß schon während des gesamten Jahres 2001 die Preise im Einkauf geklettert sind.

Die Energiekosten bei den Stadtwerken sind um ca. 9,5% gestiegen!!


Manfred Franz antwortete am 25.01.02 (19:46):

Gleicher sind die Preise nicht geworden, aber vergleichbarer. Die Macht des "Königs Kunde" besteht eben darin, das günstigste Angebot auszuwählen und auch einmal abwarten zu können. Am Verhungern sind wir ja alle wohl nicht. Die jetzt schon vom Einzelhandel mit Krokodilstränen beweinte Kaufzurückhaltung wird die kleinen (und großen!) Euro-Geschäftemacher schon auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Die Klage über angeblich so gestiegene Energiepreise sollte man nur denen abnehmen, bei denen diese stark zu Buche schlagen. Ist die Lohnrunde erst einmal dran, werden es wieder die "überzogenen" Lohnforderungen sein, die für Preistreibereien herhalten müssen.


Johannes Michalowsky antwortete am 27.01.02 (22:20):

Einer unserer Supermärkte hier brüstet sich damit, ein Sortiment von 40.000 Artikeln anzubieten. Nun frage ich mich, welcher durchschnittliche Kunde außer für Butter, Milch, Brot, Kaffee und dergleichen alltägliche Dinge den Preis so im Kopf hat, daß er die Preispolitik wirklich beurteilen und sagen kann, was da unter dem Strich für die eine oder andere Seite herauskommt.

Außerdem gibt man sein Geld nicht nur im Supermarkt oder bei ALDI aus. Ein paar andere Dinge im Leben gibt es ja auch noch, und da kann man schon unerquickliche Beobachtungen machen, eine Aufzählung würde hier zu weit führen - es müssen übrigens nicht gerade die Kosten für ein Schaukelpferd sein, wie der Bildzeitung unterstellt wird (habe ich nicht selbst gelesen).

Ich denke, die sogenannte öffentliche Hand hat instinktlos gehandelt, daß sie entweder an staatlich verordneten Verteuerungen (Stichwort Ökosteuer) zu diesem Termin festgehalten oder just zum 1.1.2002 entdeckt hat (Stichwort für mich Stuttgarter Verkehrsverbund), daß mal wieder eine Preisrunde (+4%) fällig ist. Das hätte man ja vielleicht mal ein wenig vertagen können.


Wolfgang antwortete am 28.01.02 (01:28):

Eine Währung lebt vom Vertrauen in ihre Stabilität. Und mit dem Euro steht es nicht zum Besten, weder, was die Entwicklung seines Innenwertes betrifft, noch was die seines Aussenwertes angeht. Müssten wir nicht grosse Rechnungen (z. B. für Erdöl- und Erdgas) in Dollar bezahlen, wäre für den Verbraucher das Wechselkursverhältnis Euro / Dollar nicht sehr wichtig. Seit Einführung des Euro Anfang 1999 ist sein Wechselkurs von rund 1,18 US$ auf zeitweise unter 0,83 US$ gesunken. Nennenswert erholt hat sich der Kurs des Euro bisher nicht. Mit anderen Worten: Die Erdöl- und Erdgaslieferungen sind um eben dieses Verhältnis für uns teurer geworden. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer 'importierten Inflation'.

Das muss nicht so bleiben... Wechselkurse heissen so, weil sie 'wechseln'. Bisher war der Trend für die Verbraucher in Euroland aber eindeutig negativ. Seine Bewährungsproben muss der Euro erst noch bestehen. Was bisher geschah, deutet - auch beim Innenwert - eher auf ein 'weiches', inflationäres Geld hin. Bis zu 2% durchschnittlicher jährlicher Inflationsrate kalkuliert die EZB für Euroland bereits ein, ohne dass sie intervenieren würde. Das, finde ich, ist ganz schön viel, denn es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass Löhne bzw. Gehälter und Renten, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe usw. real (!) um denselben Betrag steigen werden. Den VerbraucherInnen, vor allem den 'kleinen Leuten', wird eine ganze Menge zugemutet.


HL antwortete am 05.02.02 (22:44):

Im Juli 2001 ist meine Rente um 2% gestiegen. Dieser Betrag entspricht exakt der Erhöhung der Betriebskosten für die Wohnung. Alles andere müsste demnach stabile Preise haben. Denkste! Aber es gibt auch fallende Preise: die Ware ARBEITSKRAFT ist im Überangebot vorhanden und wer seine Arbeitskraft verkaufen will, der muss handeln, wie beim Winterschlussverkauf oder er bleibt ganz "außenvor" wie das jetzt neudeutsch heißt. Wovon er dann seine Familie ernährt (und das heißt nicht nur Essen!), ist ein anderes Problem.
Übrigens, dazu ist die ganze EU geschaffen worden: Billige Arbeitskräfte einführen oder die Produktion nach außen verlagern. Das erleichtert der Euro. Die runden Dingerchen selber sind völlig unschuldig am Profitstreben.