Zur Seniorentreff Homepage Die Foren 

Aktuelles ChatsPartnersucheFreundeKleinanzeigenLesetippsReisehilfenWegweiser


Übersicht Archiv "Politik und Gesellschaft"

THEMA:   Nochmals: Wilm HOSENFELD

 9 Antwort(en).

iustitia begann die Diskussion am 21.07.04 (12:38) :

Im SPIEGEL steht ein mäßig interessante, teilweise schiefe, im Kern ungerechte Rezension, ohne die Bedeutung dieses Lehrers und Hauptmanns und Humanisten zu erfassen:
Henryk M. B r o d e r : "Man übt Vergeltung." (30/2004. 132ff.) [Ja, von dem B r o d e r , dessen Heimatland Polen war - wovon er in seiner dünnen Kritik nix vermitteln kann...]
*
Ich setze eine frühe Aufzeichnung Hosefelds hierher, um sein menschliches Engament zu kennzeichnen; "Hosenfeld" war nicht der Typ, der das Nazireich ermöglichte - wie Broder uns weiß machen will, indem er so geringschätzig und dumm formuliert: "Der Schlüssel zum Verständnis des zwölfjährigen Reichs liegt nicht bei den Eichmanns, sondern bei den Hosenfelds" (S. 135). Broder kann hier aber nur - das fällt ihm logisch nicht auf - e i n e n Hosenfeld vermelden, im Geldauftrag vom SPIEGEL, redaktiionell läuft das wohl so durch auf irgendein Konto; sonst wüsste Broder gar nix Wichtiges, wenn er nicht phyllo-saufieren könnte. Irgendwie dumm für einen Polemiker, der glaubt, andere können Geschichte nicht bewerten...
Nein - ich kenne keinen zweiten Hosenfeld - in der deutschen Lehrerschaft, im Heer, im Katholizismus - auch nicht im sonst bekannten Widerstand (der ganz anders, versteckt, aggressiv im Attentat, militärisch oder ideell-religiös ablief...)

*

HIER:
Hosenfelds Aufzeichnung nach dem militärischen Sieg (und den vielen, vielen Verzweiflungen und menschlichen Tragödien, denen er begegnete...) im Polenfeldzug, 1939:

(...)
"Das Leben dankt dem Leben! In diesen kindlichen Herzen eines Bauernvolkes bleibt in aller Not der Zeit eins unerschüttert, das demütige Gefühl göttlicher Bindung, die gläubige Hingabe: »Wir nennen es Frommsein.«
Ist das primitive Religion? Diese Menschen kennen nicht das bohrende Grübeln des nordischen Menschen; der zergliedernde Verstand schob sich nicht zwischen Gott und Mensch! Sie sind anders als ich, als wir! Da ist nur Hingabe, Ergebung! Fast beschleicht mich etwas wie Neid, Sehnsucht, Heimweh! Wie war doch die letzte Weisheit des alten Goethe in seinem B. Lebensjahrzehnt?
»In unsers Busens Reine wogt ein Streben,
Sich einem Höhern, Reinern, Unbekannten
Aus Dankbarkeit freiwillig hinzugeben,
Enträtselnd sich dem ewig Ungenannten;
wir heißens Frommsein!«

[Aus Goethes Elegie "Trilogie der Leidenschaft; 3. Strophe; hier nicht vollständig erinnert; aber im zentralen Moment erfasst.]

"In wie unendlich vielen Formen enträtselt sich dem Mensch dieser ewig Ungenannte! Ich beneide diese Menschen! Mir scheint, sie sind glücklich! Hier liegt das Geheimnis der polnischen wie auch der russischen Seele: bedingungslose Hingabe, die zur Selbstaufgabe wird. Dieses Polen kann sich niemals ganz verlieren; von hier aus wird es sich wiederfinden. Und dieses neue Polen wird seinen Ausgleich mit Deutschland finden, weil wir dieses Polen achten können.
Ich gehe sinnend durch mein Lager; das ist nicht mehr formloses Chaos, nicht mehr ein bloßer Haufe, Masse! Es sind Menschen. Menschen, anders als ich. Ich selber, wir Deutsche, wir müssen schon andere Wege gehen! Und es wächst in mir zugleich der Stolz auf dieses Anderssein. Aber in den tiefsten Hintergründen des Menschseins gehören wir auch mit diesen hier zusammen! Und darum dürfen wir alles erhoffen von einer gemeinsamen Zukunft."
*
(Aus „Aufzeichnungen, die Wilm Hosenfeld im September 1939, in dem Gefangenenlager Pabianice; in W.H.: „Ich versuche, jeden zu retten.“ DVA. S. 266f.)


Karl antwortete am 21.07.04 (16:39):

Ein schlimmer Text, iustitia: "In diesen kindlichen Herzen eines Bauernvolkes bleibt in aller Not der Zeit eins unerschüttert, das demütige Gefühl göttlicher Bindung, die gläubige Hingabe: »Wir nennen es Frommsein.« Ist das primitive Religion? Diese Menschen kennen nicht das bohrende Grübeln des nordischen Menschen"

Wie gnädig, er sieht in den "anderen" auch die Menschen, aber ist gleichzeitig stolz nicht dazu zu gehören. Hosenfeld gefällt sich offenbar in seinem menschelnden Rassenwahn, aber es ist Rassenwahn.


werner antwortete am 21.07.04 (23:13):

@iustitia - spontan wollte ich schreiben: Wieso kannst Du so einem arroganten Stuss noch eine grössere Öffentlichkeit geben. Aber andererseits zeigt es auch die Gründe für die faschistische Diktatur in Deutschland: Die grenzenlose Arroganz der Menschen dieser Generation welcher dieser Diktatur zur Macht verhalfen. Und auch die grenzenlose Verblödung: Das Geheimnis der polnischen und der russischen Seele. Das bohrende Grübeln des nordischen Menschen. Mann, bin ich froh, dass ich aus Bayern bin. Sonst würde ich auch noch bohrend grübeln. Wie grübelt man eigentlich bohrend?


Miriam antwortete am 21.07.04 (23:34):

@werner

Wie man bohrend grübelt ?
Es ist eine Art Klären mit Tiefgang!..


werner antwortete am 22.07.04 (00:50):

gibt es auch Klären ohne Tiefgang oder ist da noch etwas dazwischen? Irgendwie verpasse ich was. Technisch sind die Nordischen doch besser.


Miriam antwortete am 22.07.04 (06:50):

Darüber muss ich noch klären.


schorsch antwortete am 22.07.04 (09:15):

@Werner: "...Wie grübelt man eigentlich bohrend?..."

Frag umgekehrt - und denk an deine Nase (;--))))


werner antwortete am 22.07.04 (09:44):

@schorsch - meinst Du wirklich, dass war im Einführungsbeitrag gemeint. Ich habe ganz leichte Zweifel ob Du da nicht einen gutgläubigen Bayern verulken willst. So nasal habe ich das Thema nicht aufgefasst.


dutchweepee antwortete am 22.07.04 (12:33):

schön! wunderbar! ...daß bereits die erste antwort in diesem thread, den text des herrn hosenfeld als rassistisch entlarvt hat. auch ohne nasenboren erkennt man die überheblichkeit der faschistischen eroberer.


iustitia antwortete am 02.08.04 (15:54):

Juchu - dutchwichtel:
*
Am 14.12.1939 notierte schon ein W.H.:

"Da liegt System darin, man will diese Menschen krank, elend, hilflos machen, sie sollen umkommen. Was der Krieg verschont hat, will man so umbringen, auf diese ruchlose Weise. Woher ist dieser teuflische Plan, wer kann so mit Menschen umgehen? für uns fordern wir Gerechtigkeit, und redet davon, daß unsere Lebensrechte in Gefahr waren', daß wir bedroht waren von Engländern, von Tschechen, Polen, und hier stößt man Millionen Menschen ins Elend. Sind wir die Barbaren, die wir genannt werden in den Zeitungen aller Welt? Nun, wir sind es nicht, es sind nur diese gegenwärtigen Machthaber, das deutsche Volk in seiner Gesamtheit ist unschuldig, sie wissen nichts davon. Unser gutes deutsches Volk wird sich empören und schämen, wenn man ihm solche Gesinnung zumutete. Und doch sind wir alle schuld, nein, wir sind alle betrogen und belogen und hintergangen worden. Eine tiefe Traurigkeit legt sich mir in die Seele. Ich steige in das Auto und fahre durch die ängstlich auseinanderstiebenden Menschen hindurch. Sie zerren ihre Bündel von der Straße und warten weiter. Und morgen wird der Platz leer sein. Irgendwo wird man die Ausgestoßenen zusammenpferchen, in kalten Scheuern, in Ställen, vielleicht auch in Häusern, wo schon die Not wohnt. Auf der Straße kommt ein Blinder uns entgegen, er hat einen Stock in der rechten Hand und tastet am Straßenrand entlang, daß er den Weg nicht verliert. Er sieht nichts von dem Elend, das ich gesehen. Wohin gehen seine Schritte? Wohin geht unser Weg?"
*
Am 15. Dezember 1939:
(ö) "Mag die Propaganda noch so geschickt sein, sie könnte uns nichts schaden, wenn wir in Deutschland eines Sinnes und eines Glaubens wären, aber wie kann eine Einheit entstehen, wenn zahllose Volksgenossen brutal verfolgt wurden, ungerecht behandelt, schimpflich herabgesetzt wurden, nur weil sie andern Sinnes als die Nazi waren. Gerade die religiösen Verfolgungen haben viel böses Blut [...]`und bleiben unvergessen. Und nun sieht man's, wie es die G.Sta.Po. hier treibt. Zahllose Polen, von den Juden ganz zu schweigen, werden verhaftet. Ein Offizier fragt einen G.Sta.Po. Mann: »Glauben Sie, mit diesen Methoden können Sie die Männer gewinnen zum Aufbau? Wenn die aus dem Konzentrationslager zurückkommen, sind sie die schlimmsten Gegner der Deutschen!« Darauf erwidert der G.Sta.Po[lizist]: »Ja, glauben Sie denn, daß einer davon zurückkommt? Die werden alle auf der Flucht erschossen.«
(Erläuterungen sind hier weggelassen.)
*
W.H.: „Ich versuche jeden zu retten.“ 2004. S. 302f.
- Natürlich hat Hosenfeld bestimmte banale und pedantische und peinliche Verpflichtungen und Zeittypisches eingehalten, das ihn 1939 und länger nicht zum Widerstandskämpfer werden ließ, als Soldat, als Lehrer, als Katholik, als "Deutscher", auch lange Zeit als einer, der die Propaganda und Hitlers national verhüllten Ziele nicht durchschaute - damals.
Solch dumme Juchzereien - über obsoleten Rassismus - sind denkdumm. Heute! Und früher auch schon. Aber man muss alt werden, um sich zu freuen, weil andere für mehr als 60 Jahren ihre Irrtümer bekannten - Wie lange noch - schwarz-weiß-gar: rot? Oder einfach: ein Besserwisser-Ich. Unfähig - zu.....?