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Übersicht Archiv "Politik und Gesellschaft"

THEMA:   Die gute Nachricht (3)

 16 Antwort(en).

mart begann die Diskussion am 18.07.04 (22:21) :




Das Fortschritts-Paradox

VON MATTHIAS HORX (Die Presse) 26.06.2004

www.horx.com
Der Autor ist deutscher Trend- und Zukunftsforscher und wohnt in Wien.




"Wie kommt es, dass niemand Fortschritt als solchen erkennen, geschweige denn genießen kann?

Der amerikanische Publizist Gregg Easterbrook hat jetzt ein Buch über dieses bizarre Phänomen geschrieben. "The Progress Paradox" versucht, systematisch zu ergründen, warum es uns immer schlechter geht, während es uns immer besser geht.



1. Befriedigte Erwartungen.

Menschen, so Easterbrook, funktionieren wie Börsenkurse. Glücklich sind wir nicht durch Lebensumstände, sondern in Steigerungs-Erwartungen. Da der Wohlstand schon für das Zweitauto reicht, ist Steigerung nur mühsam vorstellbar.


2. Die Tyrannei des eingeengten Gesichtskreises.
Wir sind selektive Wahr-nehmer. Dass eine erhöhte Anzahl dicker Kinder existiert, nehmen wir für das Ganze und vergessen dabei, dass heute die meisten Kinderkrankheiten (man denke an Kinderlähmung, Rachitis) nahezu ausgerottet sind, dass Karies massiv auf dem Rückzug ist. SARS wird zu einem gigantischen Problem, während wir Rückgänge in der Infarktmortalität (die in vielen Ländern stattfinden) ausblenden.


3. Die depressive Geisteselite.
Immer schon haben die Intellektuellen dunkle Geschichten bevorzugt. In den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts war Yeats mit seiner Theorie von der "verlorenen Mittelschicht" en vogue. In den Fünfzigern wurden Spengler und Sartre ("Untergang des Abendlandes", "Der geworfene Mensch") zu Takt-Gebern intellektuellen Lebens. Warum das so ist, das liegt an der selbst-erhöhenden Funktion des Negativen, die dem Erzähler stets die Aura des Erzengels, des moralisch Überlegenen verleiht.

4.Evolutionäre Konditionierung.
Könnte es nicht auch sein, dass uns die Evolution selbst den Hang zur ständigen Besorgnis in die Wiege gelegt hat? Aus nahe liegenden Gründen war es in der Steinzeit von Vorteil, ständig auf der Hut vor Weltuntergängen in Form von Buschbränden, Mammuts oder Säbelzahntigern zu sein. Es lohnte sich also, ständig Adrenalin in den Adern zu haben, auch wenn der Winter mild und die Vorratskammern gefüllt waren . . .

5. Jammerprofite.
Schließlich ist es aber auch ganz banal. Wir sind als Menschen seit Anbeginn im Jammern trainiert. Wem es schlecht geht, der wird in vielerlei Hinsicht entlastet und belohnt. Er entzieht sich dem moralischen Vorwurf des Privilegs. Er begibt sich auf Augenhöhe mit den Schwächeren. Und in unserem Kulturkreis erhält er fast zwangsläufig Subventionen.

Aus all diesen Gründen bleiben das Glücklichsein, Positivsein, Konstruktiv-Sein, Erwachsensein kostbare Raritäten.

Es ist ganz banal.
Wir sind als Menschen seit Anbeginn im Jammern trainiert.




ricardo antwortete am 18.07.04 (22:45):

Mart
Das war ein Beitrag ganz in meinem Sinne.Du hast ja auch das Buch von Hofbauer über die deutsche Seele gelesen, der wundert sich in ähnlicher Weise.
Ich gestehe, daß ich auch bis ins Alter eher zu den Pessimisten gehört habe.
Aber meine Erlebnisse im Alter sind dergestalt, daß ich immer mehr erkenne, wie frühere Vorbilder verblassen angesichts ihrer Schwarzseherei.
Ich frage mich inzwischen ob solche Menschen dazu neigen, es sich in der Hoffnungslosigkeit gemütlich machen.

Zur Zeit lese ich die Untersuchung über eine Kongregation von Schulschwestern ( Notre Dame) aus den USA mit erstaunlichen Befunden.
Depressionen fast unbekannt, Lebensfreude und Aktivität bis ins hohe Alter, Bescheidenheit und Glückseligkeit im Dienst für die Menschen.

Man mag das für eine naive Lebenseinstellung halten, aber die Damen haben an Schulen unterrichtet, oft jahrzehntelang und waren durchaus up to date.
Das Buch heißt:
"Lieber alt und gesund
Dem Alter seinen Schrecken nehmen",
von David Snowdon
Der Herr ist Professor für Präventiv- und Umweltmedizin an der University of Kentucky


Karl antwortete am 19.07.04 (06:46):

Es ist auch Jammern, wenn immer wieder speziell "die deutsche Seele" beklagt wird und immer wieder den Deutschen besonderer Trübsinn angedichtet werden soll.

Das von Mart geschilderte Problem ist ein allgemein menschliches und es ist eines der Gründe für den Erfolg der Menschheit. Wenn alle nur in Glückseeligkeit verharren würden, weil doch alles so viel besser ist als vor tausend Jahren, dann wären die Errungenschaften bald dahin.

Es ist schon richtig, die eigenen Erwartungen an das Leben als Maß zu nehmen, aber auch nicht falsch, ab und zu zu staunen, was alles bisher von der Menschheit erreicht worden ist. Ein Blick zurück kann nicht schaden. Optimistisch für die Zukunft zu sein, kann eine Lebenshilfe bedeuten. Die Natur hat es aber wahrscheinlich gut eingerichtet, dass quer durch die Population eine Balance zwischen Optimismus und Pessimismus besteht, denn zuviel von dem einen oder dem anderen kann schädlich sein. Hätte man öfters auf die Kassandras gehört, so manches Unglück wäre abgewendet worden. Aber auch die Optimisten sind nicht immer falsch gelegen.


mart antwortete am 19.07.04 (08:43):

So ist es sicher richtig,

sowohl die Berufsoptimisten als auch die Berufspessimisten haben aufgrund ihres Tunnelblicks nur eine sehr eingeschränkte Wahrnehmung der Vergangenheit und der Gegenwart. Daraus folgt aber der geringe Wert ihrer Voraussagen für die Zukunft, obwohl sie natürlich durchaus interessant und überlegenswert sein können.

"Prognostiker haben Hochkonjunktur, doch woher beziehen die Propheten ihr Wissen? Zukunftsforscher ECKARD MINX über die phantasievollen Etiketten der Trendgurus und die mühsame Suche nach Antworten, die manchmal nur zu besseren Fragen führt."

Dieser Artikel "Daumen in den Wind" ist einer des 5 teiligen (zu bezahlenden) Spiegeldossier unter:

https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,71927,00.html





Prof. Dr. Eckhard Minx
ist Zukunftsforscher. In seinem
Referat hat er die ungewisse
Zukunft der Gesellschaft und somit
auch der deutschen und internationalen
Unternehmen dargestellt.

Anhand zahlreicher
Beispiele demonstrierte er, wie in
der Vergangenheit vieles undenkbar
erschien, was heute bereits
zum alltäglichen Leben gehört.

Und damit gehören viele Zukunftsforscher der Zunft der Zukunftsdeuter oder Wahrsager an.

„Aus den gemachten Erfahrungen
wird nämlich deutlich: Erstens
kommt alles anders und zweitens
als man denkt.“


Zukunft sollte man nicht
voraussagen sondern machen
wollen.

Wichtige Voraussetzungen hierfür aus seiner Sicht:
– Vertrauen Sie Ihren eigenen Augen!
– Offenheit
– Leistungsbereitschaft
– Flexibilität, da es häufig keine
perfekten Lösungen gibt
– Mut, auch manchmal die unbequemeren
Lösungen zu präferieren.

Internet-Tipp: https://www.wirtschaftsjunioren.org/unserInfo/Info_4_02.pdf


schorsch antwortete am 19.07.04 (09:37):

Schon der Säugling merkt, dass er durch Jammern zu seiner nahrung kommt. Warum denn sollte er das nicht sein Leben lang durchziehen - oder doch so lange, als es Erfolge zeitigt?


ricardo antwortete am 22.07.04 (15:42):

Mart
Zu deinem Beitrag habe ich noch ein Bild gemacht, das Portrait eines Zukunftsforschers.
Bitte um milde Beurteilung

Internet-Tipp: https://www.freiburger-stadtmusikanten.de/pics/full/forscher.jpg


rut antwortete am 23.07.04 (08:35):

Ein schöner Mann!
Ach würden die Zukunftsforscher doch mehr gute Nachrichten
überhaupt bemerken!
Daran fehlt es!


mart antwortete am 28.07.04 (00:25):

Was sagt unser schöner Zukunftsforscher:

Die Welt wird nicht immer brutaler!

oder doch,

die Welt wird immer brutaler?


Es gibt eine Menge Anlässe für so einen Satz, .......ja und wir nicken mit routinierter Betroffenheit. Ja, so ist es.

Ist es so?
Vor etwa einem Jahr erschien im Spiegel eine Statistik :

Die Zahl der Sexualmorde an Kindern, so diese Statistik, ist seit den 50er Jahren gesunken. Und zwar mehr als deutlich.

Ist das zu fassen? Wer wäre nicht vom Gegenteil überzeugt gewesen. Wie kann man sich so irren?

Der Grund dafür ist paradox:

Wir leben in einer friedfertigen Gesellschaft. Diese Gesellschaft ächtet Gewalt. Gewalt fällt auf. Sie schockt.

Früher war Gewalt allgegenwärtig:

Galt es nicht als Erziehungsfehler, seinem Kind nicht den Hintern zu versohlen? Striemen am Rücken? Gerade in ländlichen Gegenden normal.
Sadismus unter Jugendlichen? In Musils "Verwirrungen des Zöglings Törless" kommen die Peiniger ganz selbstverständlich ungeschoren davon. Es ist das Opfer, das der Schule verwiesen wird.

Die Empörung über heutige Schüleruntaten ist groß. Niemand spricht von Bubenstreichen. Keiner von jugendlichem Übermut.

Manchmal ist die Empörung auch ein wenig scheinheilig.
Denn ganz sicher sind unter jenen, die da über die Brutalität der Welt im allgemeinen und der Jugend im besonderen klagen, etliche, die die 30iger und 40iger Jahre des vorigen Jahrhunderts erlebt haben....


seewolf antwortete am 28.07.04 (03:51):

Ich möchte nicht schätzen, wieviel von denen, die heute über die schrecklichen Dinge auf der Welt lamentieren, gerade vorhin eine Seele gequält haben... einen üblen Fluch gedacht oder gesprochen haben... ein unschuldiges Kind geschändet oder deprimiert haben... in Gedanken irgendwem die Pest an den Hals gewünscht haben... Sprengstoff physikalischer oder psychologischer Art verteilt haben... einen Falschparker denunziert haben... eine Rechnung nicht bezahlen, obwohl sie ganz genau wissen, daß sie sie schulden... ihre Versicherung bescheißen, weil die ja sowieso nur immer kassieren... usw.usw.usw...

Der Vorwurf des üblen Denkens und Handelns gegenüber anderen entsteht zumeist aus der eigenen verdorbenen Gedankenwelt...

Homo homine lupus est.


ricardo antwortete am 28.07.04 (08:30):

Moin Moin Seewolf

Aber die gute Nachricht wird fortgesetzt. Ich habe das mal angeregt und bitte alle, mal auf solche Dinge zu achten,
Heute ist schönes Wetter, und die Situation auf dem Planeten Erde nicht überall düster.
Wenn etwa Bilder aus den Slums von Rio gesendet werden, so fällt auf, daß die Menschen oft strahlen und lachen.

Bitte schreibt AUCH in dem Sinn!


Wolfgang antwortete am 28.07.04 (13:08):

Noch eine gute Nachricht... Der Oelpreis erreichte gestern (in New York) einen recht hohen Preis - 41,84 US$ pro Barrel kostete der fuer die nicht-nachhaltige fossile Weltwirtschaft so dringend benoetigte Treibstoff.

Grund zur Freude also fuer alle, denen die Umwelt am Herzen liegt und die auf eine nachhaltige Weltwirtschaft setzen.

Merke: Jeder Cent mehr fuers Oel macht erneuerbare Energien wirtschaftlich interessanter.

:-)

Internet-Tipp: https://www.ecofreak.de/inhalt.html


mart antwortete am 28.07.04 (13:33):

Eine wirklich gute Nachricht für die erdölfördernden Ländern;

Nun können mit den Mehreinnahmen sicherlich noch besser die nötigen Wirtschaftssanierungen, Bildungsprogramme, Verhütungsprogramme, Gesundheitsvorsorge und Behandlungen durchgeführt werden.


bernhard antwortete am 28.07.04 (13:44):

gute nachrichten aus israel.

Internet-Tipp: https://www.graswurzel.net/283/israel.shtml


mart antwortete am 28.07.04 (13:50):

.."Die Friedensbewegung richtet ihre Kritik nicht nur gegen die Sharon-Regierung.

In einem offenen Brief, der auch in den meisten palästinensischen Medien veröffentlicht wurde, riefen rund 100 israelische Kriegsdienstverweigerer zu einem Ende der Selbstmordattentate auf:

"Die Selbstmordattentate palästinensischer Organisationen töten unschuldige Menschen: Kinder, Alte, Männer und Frauen, Juden, Araber und ausländische UnterstützerInnen und GegnerInnen der Besatzung. Diese Aktionen sind nicht moralisch (...) sie sind kaltblütig, töten unterschiedslos. Die zufälligen Morde erschrecken die meisten Israelis, was die Rechtfertigung der Besatzung für Sharon und seine Kollegen sehr viel einfacher macht.

Wir Verweigerer zeigen uns für das, was in der israelischen Gesellschaft geschieht, verantwortlich und sind bereit, mit unseren Widerstandshandlungen einen Preis dafür zu bezahlen (...) wir glauben, dass der palästinensische Kampf, wenn er auf die Verletzung von Zivilpersonen verzichtet, an Zielgerichtetheit gewinnen wird. Demonstrationen, Generalstreiks und gemeinsame Aktivitäten mit der israelischen Friedensbewegung sind sehr viel effektivere Widerstandshandlungen als irgendein Selbstmordattentat..."

Internet-Tipp: https://www.graswurzel.net/283/israel.shtml


ricardo antwortete am 28.07.04 (15:47):

Allerdings möchte ich einwenden, daß die Graswurzel-Nachrichten auf der in meinen Augen falschen Annahme beruhen, daß die Soldaten auf beiden Seiten die schlechteren Vertreter ihres Volkes seien.
Es ist die Illusion besonders der Europäer, daß Friede ohne Kampf und Streit möglich sei.


ricardo antwortete am 28.07.04 (15:48):

Allerdings möchte ich einwenden, daß die Graswurzel-Nachrichten auf der in meinen Augen falschen Annahme beruhen, daß die Soldaten auf beiden Seiten die schlechteren Vertreter ihres Volkes seien.
Es ist die Illusion besonders der Europäer, daß Friede ohne Kampf und Streit möglich sei.


bernhard antwortete am 28.07.04 (15:57):

die gute nachricht ist nicht, es braucht krieg.