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THEMA: Sind die Deutschen (noch) tüchtig?
43 Antwort(en).
jo
begann die Diskussion am 13.07.04 (11:11) :
Eine Umfrage, die vor Kurzem hier diskutiert wurde, förderte zu Tage, daß die Deutschen unter den Befragten als die unsympathischsten, aber wenigstens als die tüchtigsten Europäer gelten.
Das mag sogar zusammenpassen und fördert immerhin unsere Selbstgefälligkeit, denn mangelnde Sympathiewerte lassen sich hinwegdiskutieren. Worin aber besteht die spezifisch deutsche Tüchtigkeit, was ist überhaupt tüchtig? Wirtschaftlich, wissenschaftlich, kulturell besonders herausragende Leistungen? Fleiß, Einsatzwillen, Motiviertheit? Gemeinsinn und gesellschaftlicher Konsens?
Wo ist all dies oder wenigstens Einiges davon in Deutschland in einem Ausmaß erkennbar, das dieses Land über andere stellt?
Wenn man in die europäische Runde blickt, dann mag man vielen anderen Nationen Tüchtigkeit nicht absprechen. Bei kleinen Ländern – ich denke an die skandinavischen Nationen – ist sie wegen ihrer geringeren Bevölkerungszahl besonders hoch zu bewerten und hat, so sehe ich es, im Vergleich zu unserem Land sogar überproportionales Gewicht.
Also – wo ist sie, die deutsche Tüchtigkeit?
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Medea.
antwortete am 13.07.04 (12:03):
Nun, ich halte mich schon zu den Tüchtigen und auch nicht zu den Unsympathischen - wäre ja noch schöner, so mein Licht unter den Scheffel zu stellen .... :-)) Ein gewisses Maß an Selbstbewustsein darf schon sein ... ;-))
Aber erst einmal alle anderen zu Worte kommen lassen - denn höflich bin ich auch noch ... - lach
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ricardo
antwortete am 13.07.04 (12:45):
Vielleicht sind wir sympathischer geworden, seitdem wir nicht mehr so fürchterlich tüchtig sind :-))))
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Miriam
antwortete am 13.07.04 (13:16):
Was mir auffällt, bei einer ersten Kontaktaufnahme mit diesem Thema : einige Sprachen, die ich mehr oder weniger beherrsche, kennen keine Übersetzung eins zu eins des Wortes Tüchtigkeit. So bieten die Engländer dafür : capable, qualified, efficient an. Die Franzosen müssen auch auf Umschreibungen ausweichen: valeur, capacite, effectivite. Die Rumänen? na, die schütteln sich wahrscheinlich allein beim Gedanken. Aber die Ungarn haben ein Wort dafür : tehetseges.
Sehr amüsant auch ein Hinweis aus Google zu einer Übersetzung. Der Titel eines Aufsatzes : "Survival of the fittest" wurde ins deutsche übersetzt mit "Überleben des Tüchtigsten". Die Kritik an der Übersetzung : es müsste heissen : "Überleben des Geeignetsten"
Ich hoffe, dass mir niemand diesen kleinen Exkurs übel nimmt. Es ist immer bezeichnend, ob eine Sprache einen Ausdruck genau kennt oder nicht.
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rebbia
antwortete am 13.07.04 (13:25):
was ist/bedeutet tüchtig ????
wer tüchtig erntet, darf auch tüchtig feiern (fg)
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ricardo
antwortete am 13.07.04 (14:19):
Miriam in meinem schlauen Duden steht, dass es in mhd das Substantiv Tught gab und das bedeutete auch soviel wie Tapferkeit oder Gewalt.. Nahe dazu steht auch das wort Taugen und vielleicht auch Tugend. englisch verwandt doughty = tapfer. Vielleicht reden wir heute weniger vom tüchtig sein als vom fit sein und sind damit offensichtlich bemüht, Herrn Darwin zufrieden zu stellen :-)))))
Mir fiel noch ein Bestseller im Deutschland des 19. Jahrhunderts ein: "Aus dem Leben eines Taugenichts" von Eichendorff
geheime Sehnsucht?
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Miriam
antwortete am 13.07.04 (15:05):
Ricardo, bis ich herausfand was mhd ist! Erst fand ich magnetohydrodynamisch für mhd, dann Maltheser Hilfswerk Deutschland, dann im Tschehischen eine immer wiederkehrende Abkürzung die ich nicht verstehe - auch darauf verzichtet habe. Also mhd = mittelhochdeutsch, ja?
für mich hat "tüchtig sein" jedenfalls etwas Positives, wie auch die höfliche Medea es schon sagte. Ein wenig neidisch bin ich auf die von Geburt aus Tüchtigen, ich bin eine sekundär Tüchtige, aber auch nur nach einigen Fusstritten, selbstverpasste oder aber von aussen verabreichte.
Was aber "wer tüchtig erntet, darf auch tüchtig feiern" - nein, nein - da fällt mir unverzüglich "Die Grille und die Ameise" ein, und da liebe ich die künsterische, etwas trödlige Grille und nicht die Ameise, die vielleicht den ganzen sommerlang beim Ernten, durch das Musizieren der Grille angespornt wurde! Und jetzt gönnt sie ihr nichteinmal ein Butterbrot!
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rebbia
antwortete am 13.07.04 (15:56):
@ miriam nicht verstanden??? <smile>
Wer viel im Leben "gearbeitet" hat - darf sich "später" auch `mal "was" gönnen!
Ich war immer beruflich engagiert - d.h. "tüchtig" --- und heute? `mal ein Glas Wein ohne Probleme zu geniessen? -- Ist das nicht herrlich?
Also, ich war immer "tüchtig" -- und jetzt darf ich auch `mal "feiern" ---- Bitte, lasst keinen Neid oder Frust aufkommen/entstehen ......
Herzlich rebbia
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Miriam
antwortete am 13.07.04 (16:10):
@rebbia, nicht die Spur von Neid, hatte Dich tatsächlich missverstanden. War so sehr mit der Tüchtigkeit befasst - und mit meiner positiven Einstellung dazu, dass ich froh war, an Hand der Fabel, mich doch mal GEGEN die Tüchtigkeit und für das Künstlerische auszusprechen!
Aber so einfach ist der Ausstieg aus der Tüchtigkeit in den so zu sagen wohlverdienten Ruhestand auch nicht. Darüber aber erst später, ich denke wir sollten beim Thema bleiben, und das heisst: Tüchtigkeit.
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Gudrun_D
antwortete am 13.07.04 (16:29):
Es ist schon sehr interessant,dass in anderen Sprachen eine Direktübersetzung des Wortes: Tüchtigkeit nicht möglich ist. Ich bin der Ansicht,dass Tüchtigkeit nicht durch Fitness ersetzt werden kann -wie ricardo meint- ich denke,Tüchtigkeit hat etwas mit Fleiss zu tun- und ob das NUR eine deutsche Eigenart ist,möchte ich doch sehr bezweifeln.
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ricardo
antwortete am 13.07.04 (16:34):
Frage: Darf man auch genießen, wenn man wenig gearbeitet hat? Es heißt ja: den Seinen gibts der Herr im Schlaf. Oder ist man oft neidisch auf Menschen, die mit Hilfe von Fortuna durchs Leben kamen und jetzt keinen Mangel leiden?
Son bissel in eigener Sache! Ric
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Miriam
antwortete am 13.07.04 (16:44):
Na Gudrun, aus der "Suppe" (wo ich Dir grad schrieb), treffen wir uns jetzt hier. Ich glaube nicht, dass die Tüchtigkeit eine ausschliesslich deutsche Tugend ist. Ich denke aber einfach laut weiter, und frage mich, ob die Tüchtigkeit hier als so wichtig erachtet wurde, dass auch umbedigt eine Bezeichnung, eine sehr genaue, dafür stehen sollte? Also nicht Fleiss, (man kann ja fleissig sein aber nicht begabt für eine Arbeit), nicht Qualifikation, nicht Effektivität, sondern ganz genau : Tüchtigkeit.
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Medea.
antwortete am 13.07.04 (17:05):
Schon Altvater Goethe schrieb:
Tages Arbeit, abends Gäste - saure Wochen, frohe Feste sei Dein künftig Zauberwort. (Der Schatzgräber)
Ich habe versucht, mich in meinem Leben ein wenig danach zu richten - und ......
Herr Goethe hatte wiedermal recht .... :-))
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schorsch
antwortete am 13.07.04 (17:45):
@ rebbia: "...wer tüchtig erntet, darf auch tüchtig feiern (fg)..."
Aber der Schorsch meint dazu: Aber nur, wenn er auch selber gesäht, gehackt und gejätet hat!
Es gibt nämlich eine Spezies, die will zwar tüchtig ernten und feiern, das Arbeiten aber überlassen sie lieber den vielen Dummen.....
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rebbia
antwortete am 13.07.04 (17:55):
@ schorsch -wie recht Du hast ...... schmunzel
Ja, lieber schorsch, ich habe selber gesät, gehackt und gejätet. Auch im Berufsleben stand/stehe ich mit "beiden Beinen".
Und? Es gibt tatsächlich "Spezies" - wollen auch tüchtig ernten und feiern! Sieh aber lieber nicht hinter den Kulissen.
Gruss rebbia
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hugo1
antwortete am 13.07.04 (18:43):
na klar wer tüchtig fetet, kann auch mal tüchtig auf die Nase fallen *g* ,,den kann so ein einfacher Schnupfen tüchtig aufs Kreuz legen,, ich nehm mal an der Jo meint nicht nur Lebensleistung sondern Vergleichsleistung z.B zwischen Deutschland und anderen Ländern. Das ist jedoch sehr relativ. Da sah ich im Urlaub Leute auf Reisfeldern die schufteten bis zu 13 Stunden (so lange das Tageslicht es erlaubte) in gebückter Haltung ,knietief barfuss im trüben Wasser mit nur kurzen Erholungspausen für einen Dollar die Stunde. Wenn die nicht fleißig, arbeitsam,..TÜCHTIG sind , na dann weiss ich auch nicht weiter. Aber erfolgreich sind die nicht, so gesehen sind diese Schufter unproduktiv, erfolglos,,also, gemessen am Ergebnis total untüchtig. Wenn ich durch die deutschen Lande fahre, die gepflegten Felder, die Strassen, Brücken Tunnels, die Autokolonnen die netten Häüschen , die Riesenvillen, die gigantischen Bürobauten usw sehe dann bin ich doch sehr der Meinung,,ja wir Deutschen brauchen uns hinter keinem Land, keinem Staat , keinem Volk in Europa zu verstecken. Die Differenz zwischen dem Anfang (für mich in diesem Falle mal 1945) und dem Ergebnis 2004 ist schon beeindruckend. Aber ob wir bei den Möglichkeiten die wir hatten und haben ,diese auch besser nutzen als andere, diesen Vergleich kann man so ohne weiteres wohl nicht machen, da müßten einheitliche Kriterien gelten.
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ricardo
antwortete am 13.07.04 (21:46):
Niemand hat meine Frage beantwortet, scheint also doch so, daß man nicht gönnt! Also Ihr Tüchtigen alle mit einander, Gute Nacht
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Miriam
antwortete am 13.07.04 (22:09):
Ricardo, wollte Dir schon ewig antworten, war aber sehr beschäftigt Heute mit einen gewissen Kasten. Jetzt aber trete ich garantiert in einen der berühmten Fettnäpfchen, denn ich hab Dich nicht so ganz verstanden:
Du schreibst am Ende : son bissel in eigener Sache. Schön.
Aber welche wäre die eigene Sache ? Bist doch hoffentlich der Geniesser...aber wenig gearbeitet ? Nimm ich Dir nicht ab.
Seinen gibts der Herr im Schlaf ? Gibt es das - und wenn ja, was gibt ihm (korrekter Dativ! Hurra!) der Herr? Daran glaube ich tatsächlich nicht, ich denke es muss fast immer alles schwer erarbeitet werden - und das ist auch richtig so (spreche hier nicht von materiellen Werten. Die hätte ich gerne auch durch ein Lottogewinn entgegengenommen).
Bleibt noch die Frage nach den neidisch sein auf Menschen mit fortune! Na, da suche ich Dich erst garnicht! Also die Lösung?
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hugo1
antwortete am 13.07.04 (22:17):
na hallo ricardo,,damit du dich nicht ganz und gar missdeutet fühlen musst, raff ich mich mal zu einer (meiner) Meinung zu Deiner Frage auf. Du darfst geniessen, auch wenn du nicht viel gearbeitet hast , ,,sogar mit gutem Gewissen wenn Du Dir Was erarbeitet hast aber auch wenn Dir das Glück in den Schoß gefallen ist ,,und da niemand Deine Frage ernsthaft verärgert hat, haben sich alle bisher gebremst und denken sich Ihren Teil von Deinem Glück oder sind anscheinend selber noch glücklicher mit Ihrem Glück als Du mit Deinem Überfluss an Mangellosigkeit und somit nichtneidisch. Denn Mangel an Überfluss ist schon nicht zum neiderblassen, doch Überfluß an Mangel,,den gönn ich uns tüchtigen Deutschen nun schon ganz und gar nicht, den haben wir lange genug gehätschelt und gepflegt, zumindest die, die von der Halbschattenseite des deutschen Glückes kamen *gg*
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hugo1
antwortete am 13.07.04 (22:26):
oh,,tut mir leid miriam,,da feilte ich gerade noch an meinem Beitrag, als Du den Deinen aktiviertest und somit wäre meiner unnötig gewesen.. Jedoch mit Deiner Bemerkung : ,,"Der Herr bereichert die Penner" oder so ähnlich da hat mir meine Großmutter was anderes erzählt- die war uralt und müßte es eigentlich wissen sie sagte : Der Teufel sucht sich immer den größten Haufen ,,,und ich hab wohl nie kapiert wie sie das meinte, denn bei mir erschien auch der nicht mal im Schlaf, der muss dann wohl beim Ric gewesen sein. herzlichen, neidlosen und tüchtigen Glückwunsch *gg*
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ricardo
antwortete am 13.07.04 (23:15):
Miriam Was mir nur auffiel alle wollten hier so tüchtig gewesen sein.Und das reizt zum Widerspruch! Es gibt doch ganz viele, von denen auch hier manchesmal die Rede ist, die durch Glück reich geworden sind und den Neid der Götter hervorrufen:
Polykrates Er stand auf seines Daches Zinnen und schaute mit vergnügten Sinnen auf das beherrschte Samos hin Dies alles ist mir untertänig, so sprach er zu Ägyptens König, Gestehe daß ich glücklich bin!.........
Nur zu oft ist das Thema in den Regenbogenzeitungen, wie jemand unverdient zu Geld kommt. Auch im Märchen kommt dieses Motiv vor, Alladin der Müßiggänger mit der Wunderlampe.
Und auch du, teuerste Miriam, wolltest nicht, daß ich so ein Alladin bin. Aber ich glaube, es ist eine Übung, auch in Toleranz, daß man gönnt. Ist aber nicht einfach :-)))
Ich kanns oft selber nicht!
Das neidlose Bewundern meine ich!
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elena
antwortete am 14.07.04 (03:37):
Ich sehe sie noch immer die deutsche Tüchtigkeit und den Fleiß, aber es ist ja viel leichter mit der zur Zeit in Mode gekommenen ‚Daumen-nach-unten-Mentalität’ zu argumentieren. Sonst würde die Frage keinen Sinn machen.
Möchte hier mal ein Beispiel aus dem Kreis unseres ST anführen. Maggy, die sich sicher entspannt zurücklehnen könnte, um ihren Ruhestand zu genießen, leitet und führt die Oldenburger Tafel. Andere sind in sozialen Einrichtungen tätig, betreuen Internet-Cafés und das alles zum Nulltarif.
Bei mir hat das mit der Orientierung, aus bestimmten Gründen, ein wenig länger gedauert, aber nun arbeite ich sicher oft mehr als eine 40 Stunden Woche, und das ist nicht nur ‚etwas chices Soziales’ sondern ein Knochenjob, der mir aber eine ganze Menge gibt.
Bei Reisen in andere Länder, hier mal Dänemark, Schweden und die baltischen Länder, sehen wir doch meist als Touristen nur die Schokoladenseite und wissen viel zu wenig. Es ist eine Momentaufnahme, die war nicht hinterfragen (können). Das Baltikum ist im Aufbruch begriffen und die Menschen nehmen ihre Chancen wahr und sind ganz sicher ebenso fleißig und tüchtig, sie haben ja auch eine Vorstellung, was sie zu erreichen zu gedenken.
Ein Land wie Deutschland mit 83 Mill. Einwohnern und seinen Problemen bewegt sich da viel träger. Wenn ich aber meine Kinder ansehen, ist es mir um Tüchtigkeit und Fleiß in diesem unseren Land nicht bange.
Johannes, da frage ich dich aber mal persönlich. Was machst du mit deiner Freizeit, gehst als PC-Experte in die Schulen, Jugendzentren oder in die Erwachsenenbildung, um dort zu arbeiten, oder verbringst du hobbymäßig deine Zeit nur am eigenen PC?
Zunächst sollte man bei sich mal nachfragen, wie es mit der Tüchtigkeit bestellt ist.
Grüße von Elena
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wanda
antwortete am 14.07.04 (07:39):
vielleicht ist es auch so, dass der Tüchtige tüchtig ist, weil er Anerkennung braucht. Meine Ehrenämter sorgen dafür, dass ich Anerkennung bekomme, die man alleinlebend und ohne Beruf sonst nicht mehr hätte. Eine in Italien lebende Tochter (z.Zt. hier) meinte Tüchtigkeit sei ein altes Wort und in ihrer Generation nicht mehr gebraucht. Hierbei meint sie das Wort. Die Tüchtigkeit als solche wird immer gebraucht, ohne sie wäre die Welt ein Chaos.
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Miriam
antwortete am 14.07.04 (08:07):
Ricardo, eigentlich ist dies noch nicht "meine" Stunde zum schreiben. Aber ich stiess auf Deinen Text von 23:15 und da finde ich eine Aussage, die mich stutzig macht.
An mich gerichtet : "wolltest nicht, daß ich so ein Alladin bin. Aber ich glaube, es ist eine Übung auch in Toleranz, daß man gönnt."
Das klingt doch nach Mißsgunst, Neid (meinerseits)- oder verstehe ich Dich falsch? Ich sagte: "ich denke es muss fast immer alles schwer erarbeitet werden und das ist auch richtig so" - dabei ging es mir nicht so zu sagen um einen moralischen Imperativ. Sondern erstens : um eine Feststellung, wie es so im Leben abläuft (also eine gewisse Gesetzmässigkeit), und zweitens meine Aussage: "es ist auch richtig so", denn ich betrachte die individuelle Entwicklung nicht als einen netten Spaziergang durch die eigene Vita. Feststeht für mich, die Menschen bei denen eine richtige Individuation stattgefunden hat, haben den Weg dahin nicht im Schlaf durchquert.
"es ist eine Übung in Toleranz daß man gönnt" - hat mit den von mir geschriebenen Text nichts zu tun.
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ricardo
antwortete am 14.07.04 (08:40):
Miriam Nein so war das nicht gemeint, vor allem nicht du :-))) Aber ich bleibe dabei, daß es gerade bei uns im preußisch geprägten Pflichteifer-Deutschland schwierig ist etwas so außer der Reihe anzuerkennen. Natürlich hast du recht, daß im allgemeinen niemandem etwas geschenkt wird, Aber es gibt eben auch Ausnahmen und die gilt es zu schützen wie seltene Pflanzen vor dem Neid. Warum erbt im Märchen der Dummling das Reich? Und warum spielen soooo viele Menschen im Lotto und gewinnen nie! Wenn man etwa viel Geld geerbt hat, ist das dann eher schlecht?
Non olet, das ist ein altes Wort und das habe ich eigentlich gemeint!. Mir wurde auch nix geschenkt , und manches genommen, aber ich spiele eben gerne den advocatus diaboli, ok?
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Miriam
antwortete am 14.07.04 (09:06):
Natürlich Ricardo, sollst Du weiter den besagten advocatus spielen, würde mir auch sehr fehlen, wenn Du es nicht tätest. Aber wenn ich das Teufelchen grad erwische wie es an mir herumknabbert, na, da ist das Teufelchen mal an der Reihe!
Ich erhoffte mir aber mehr im Gegenzug der Darstellung meines uneigennützigen, netten, neidlosen Charakters. Hauptsächlich der eine Köder hat nix gebracht : die Individuation. Hier hatte ich mir sooo viel erhofft. Und hätte mit allerhand jungianischen Weisheiten zurückgeschlagen! Es ist aber noch früh, vielleicht musstest Du, wie ich auch, erst frühstücken. Also bis später mal!
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schorsch
antwortete am 14.07.04 (12:02):
Ich verurteile all jene, die durch das Unglück oder durch den unterbezahlten Fleiss Tausender zu ihrem Glück gekommen sind. Bin ich deswegen vielleicht neidisch?
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jo
antwortete am 14.07.04 (12:45):
Ich achte alle, die durch eigenen Fleiß, Initiative, Ideenreichtum, Einsatzwillen ihr Glück gemacht haben - soweit man Glück an materiellen Werten überhaupt messen kann. Ich verurteile diejenigen, die angesichts selbst erarbeitetem Wohlstand anderer diesen neiden und ihnen den Ertrag ihrer Mühen streitig machen oder schmälern wollen.
Eine soundsoviel Stunden Woche gibt es nicht, Feierabend wird nicht von der Uhr sondern von der Arbeit bestimmt, Urlaub und Krankheit sind zweitrangig, man verschanzt sich nicht hinter Betriebsrat oder Gewerkschaft und stellt keine Forderungen außer in erster Linie an sich selbst.
Ich weiß nicht, wer durch das Unglück anderer zum Glück gekommen ist. Menschen, die im Beruf und im Leben erfolgreich waren, haben das nicht unbedingt auf dem Rücken Anderer erreicht. Vor wenigen Tagen hörte ich eine Rundfunksendung über den Sklavenhandel des 19. Jahrhunderts: Da haben wirklich Viele ihr Glück mit dem Leid und sogar dem Tod von Millionen Menschen gemacht, und zwar Europäer vieler Nationen wie auch US Amerikaner - war z.B. das vielleicht gemeint?
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Medea.
antwortete am 14.07.04 (14:23):
Vergiß die Araber nicht, die ebenfalls durch Überfälle in die afrikanischen Dörfer und Verschleppen der Bevölkerung schwungehaften Handel mit der Ware Mensch betrieben .... Eine dunkle schlimme Vergangenheit für viele Menschenhändler ..... die immer noch nicht ausgerottet und bis in die Gegenwart praktiziert wird .... :-((
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BarbaraH
antwortete am 14.07.04 (16:37):
Und so haben wir endlich auch in diesem Thema wieder die Kurve zu den schlimmen Arabern gekriegt....
Ob die Deutschen noch tüchtig sind? Früher waren sie auf jeden Fall ausgesprochen tüchtig, gleichermaßen die Portugiesen, die Holländer, die Dänen, die Briten, die Franzosen und die Schweden:
>>Major von der Groeben rammte 1683 unweit vom Kap der drei Spitzen die brandenburgische Fahne in den Sand und ließ auf einem Hügel die Großfriedrichsburg aus brandenburgischen Ziegeln erbauen. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte seine Mannen um den halben Globus geschickt, weil seine Staatskasse leer war, der Überseehandel aber lukrativ und die Aufteilung Westafrikas in vollem Gange. Portugiesen, Holländer, Dänen, Briten, Franzosen, selbst die Schweden errichteten Befestigungen an der Goldküste... (...) Von den schätzungsweise mehr als 20 Millionen Afrikanern wurden vermutlich 20000 von der Großfriedrichsburg nach Amerika verschifft. Vor ihrer Abfahrt waren sie in der Festung kaserniert. Die Verliese im Untergeschoss sind nichts als nackte Zellen, ein steinerner Sarg, in dessen pestilenter Luft Frauen und Männer siechten.<<
Quelle: DIE ZEIT Nr. 08/2004 Ghana Die Nacht, als Jan Cunny verschwand Wo einst Sklaven kaserniert waren, können heute Touristen wohnen. Die Großfriedrichsburg an der Küste Ghanas erinnert an den kolonialen Größenwahn Brandenburgs Von Richard Fraunberger https://www.zeit.de/2004/08/Ghana
Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2004/08/Ghana
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Sofia204
antwortete am 14.07.04 (16:38):
"Wo gehobelt wird, fallen Späne"
Das Glück des Tüchtigen oder sein Ertrag kann auftragen oder abtragen auch von Schuld sein
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ricardo
antwortete am 14.07.04 (17:01):
Hallo Miriam Ich sehe dich nur noch schwach am Horizont wir wurden durch ein neues Thema (Sklavenhandel) auseinandergetrieben. Trotzdem versuche ich zu antworten. Du meinst, daß eine Individuation ,wenn gelungen, zu einem arbeitssamen und glücklichen Mensch führt? Wieso kommst du da auf CG Jung? Muß ein gelungenes Leben bedeuten, dass es mühevoll war? Mir ist manches sehr leicht gefallen, anderes aber schwer. Und die Leichtigkeit liegt wohl darin, daß die Begabung angetroffen wurde. Ich denke, dass in unserer Heimat die Neigung besteht, vieles zu schwer zu nehmen und vor lauter Beschwernis die andere, die leichte Qualität verdirbt. Das meinte ich mit dem Alladin. Also lauter Fragen zurück. die auch offen bleiben dürfen.
Ich denke auch , virtuelle Diskussionen sollten ein gewisses Gewicht nicht überschreiten, da Mißverständnisse sooooo häufig vorkommen, die man nur schwer wieder ausbügeln kann!
Das mit dem Quantenchaos war auch eine Schuhnummer zu groß :-))))) Aber es macht Freude, mit dir zu disputieren!
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Miriam
antwortete am 14.07.04 (18:17):
Ricardo, als ich in Deinem Beitrag über das wünschenswerte Gewicht der Diskussionen -hier im ST- las, musste ich zuerst lachen, sah aber dann, dass Du mir die Gegenargumentation, vorsichtshalber weg genommen hast : das Quantenthema.
Die Individuation : ich habe C.G.Jung erwähnt, denkend, dass der Begriff aus seiner Schule kommt. Hatte das Glück in Zürich eine seiner letzten Mitarbeiterinen kennen zu lernen, Frau Jolande Jakobi, wenn ich mich recht entsinne schenkte sie mir ihr Buch mit den Titel : Der Weg zur Individuation. (Hoffentlich gebe ich den Titel genau wieder - Buch ist natürlich verschwunden!
Habe jetzt doch nachgelesen, es ist tatsächlich Jung, der den Begriff Individuation einführt, als "Entwicklung von der bewusstseinszentrierten Ich-Einstellung zum reiferen Selbst"
Das hat aber nichts mit der "Neigung vieles zu schwer zu nehmen" oder mit dem Verderben der leichten Qualität - wie Du sagst, zu tun. Es bedeutet aber hauptsächlich, dass unsere Entwicklung nicht immer eingebettet und abgestützt im Kollektiv ablaufen kann, dass wir zwar in einem solchen leben, und auf dieses Kollektiv auch rücksicht nehmen sollten, aber unseren eigenen Weg finden und gehen sollten, ein Weg der tatsächlich unserer Persönlichkeit auch entspricht - diese wiederum auch fördert.
Natürlich ist diese Ich-Findung ein schwieriger Prozess. Dies war auch der Kern meiner Zweifel betreffend einer Existenz, die von ständigen Ausweichsmanöver geprägt wäre.
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hugo1
antwortete am 14.07.04 (19:02):
IM SCHWEISSE DEINES ANGESICHTS... dazu einige markante Sprüche : Auf die Arbeit schimpft man nur so lange, bis man keine mehr hat. (Sinclair Lewis)
Wir verdienen unseren Lebensunterhalt mit dem, was wir nehmen, aber wir verdienen unser Leben mit dem, was wir geben. unbekannter Verfasser
Ob Sie glauben, daß Sie etwas können, oder nicht – beide Male haben Sie recht. Henry Ford,
Wenn Sie tun, was alle tun, werden Sie haben, was alle haben. unbekannter Verfasser
Nimm Dein Leben in Deine eigenen Hände, und was passiert? Etwas Schreckliches: Es gibt niemanden mehr zu beschuldigen. Erica Jong,
Ich glaube, daß auf der Welt viel zu viel gearbeitet wird und daß unermeßlicher Schaden hervorgerufen wird durch die Überzeugung, Arbeit sei an sich schon etwas Tugendhaftes. Bertrand Russell
Arbeit ist die einzige Entschuldigung für Erfolg. Helmar Nahr
Wer nicht rasten kann, kann auch nicht arbeiten. Harry Emerson Fosdick,
Gehe in deiner Arbeit auf, nicht unter. Jacques Tati
Internet-Tipp: https://www.kontiki.at/neu/texte/schweiss.htm
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juergen1
antwortete am 14.07.04 (19:57):
Hier in NL jedenfalls wird bei Küchenmöbeln und Spezialwerkzeugen immer deutlich auf die "duitse kwaliteit" hingewiesen. Weniger bei Käse :-(
Auch BMW und Mercedes werden wieder "gern genommen". Früher war das mal ganz anders. Aber das hat was mit Politik zu tun :-( Bah
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Miriam
antwortete am 14.07.04 (20:05):
Juergen, Du Tüchtiger!
wie schön Dich hier aufkreuzen zu sehen! Freue mich so tüchtig, muss mich tüchtig zurückhalten um nicht zu überschwenglich zu werden. Wenn ich das wäre, müsste ich mich tüchtig schämen - oder auch nicht? In jeden Fall : schreibe tüchtig mit. Bin doch ganz beim Thema geblieben?!
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juergen1
antwortete am 14.07.04 (21:05):
Hallo Miriam, ich war ne Weile "aushäusig" und seit heute nachmittag wieder "inhäusig" :-))
Du bist die erste, die sich freudig an meinen Hals wirft :-)) Ich kann mir denken, wer da auch gleich kommt :-))
Nur danach kommt ne Weile niX :-(
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ricardo
antwortete am 14.07.04 (21:49):
Miriam Könnte es sein daß dein CG Jung auch so seine Probleme hatte, da er wenn auch nicht bis ins Alter, eine Schwäche hatte für s dritte Reich? Und gar für Esoterik! Und dass Freud ihn nicht ausstehen konnte? Also mein Fall ist das nie gewesen.
Woher willst du wissen dass es mit meinen Gedanken nichts zu tun hat. Mir haben Rezepte dieser Art nie imponiert, eher Goethe der gesagt hat: Es irrt der Mensch solang er strebt.
Vorbilder waren für mich bescheidene Menschen, ich hatte sehr viel zu tun mit Kranken, deren Leben ein einziges Geheimnis darstellte. Und ich weiß jetzt auch warum mir Heinrich Heine einer der liebsten deutschen Dichter war und ist. Weil er einer der leichtesten ist, für mich jedenfalls!
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Miriam
antwortete am 14.07.04 (22:27):
Ricardo,
was mich betrifft habe ich längst gelern von manchen biographischen Daten abzusehen, natürlich nur wenn sie nicht schlimme, konkrete Auswirkungen gehabt haben. Auch muss die Person um die es geht, so manches, durch ihre Meriten, dies Wert sein. Ich meine, Jung war es. Die Mitarbeiter, die mir bekannt waren, (Frau Jacobi z.B. persönlich) waren Juden : Aniela Jaffe, oder Neumann, der sich in der Kinderpsychotherapie einen Namen gemacht hat. Dass er sich mit Freud überworfen hat ist bekannt, als Laie habe ich Jungs Kritik auch zum Teil verstanden.
Ich habe auch nicht die Persönlichkeit Jung als Masstab genannt. Sondern einzig und alleine die Individuation in's Gespräch gebracht.
Du sagst, dass Dir Heine der liebste sei, und nennst auch den Grund : weil er einer der leichtesten ist. Natürlich. Sprühend vor Einfallsreichtum und von Farben, dabei so Glasklar. Das ist sein Werk. Er selber war nicht leicht, besser gesagt : sein Leben war es keineswegs. Er war ein zerissener Mensch zwischen seiner jüdischen Abstammung aber doch der Entscheidung zur Taufe, zerissen auch durch die schmerzhafte Liebe zu Deutschland - sein Leben aber zum Teil in Frankreich verbringend, und so manches mehr.
Es ist eben sein Genie, welches mit diesen biographischen Hintergrund, ein solches Werk schuf. Wüsste man nicht konkret wie sein Leben verlief, könnte man sich hinter diesen Werk auch eine ganz andere Biographie vorstellen.
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ricardo
antwortete am 14.07.04 (23:25):
Miriam Du hast natürlich recht, man sollte das biografische nicht überbewerten. Dir gelingt das vielleicht, mir weniger und das hängt mit meiner Lebensgeschichte zusammen. Das kann ich hier nur andeuten, die Psychiatrie in Deutschland wartet bis heute vergeblich auf eine Verarbeitung der schrecklichen Verfehlungen im dritten Reich.
Unsere Tüchtigkeit hatte schon immer zwei Seiten, deren Unheimliche verborgen liegt. Das ist aber ein weites Feld.
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Miriam
antwortete am 14.07.04 (23:44):
Ricardo,
ich verstehe genau was Du meinst. Tut sich da nicht wieder etwas Richtung Aufklärungsarbeit?
Gerne möchte ich Dir meinen Katalog zur Ausstellung "Heilen und Vernichten im Nationalsozialismus" zuschicken. Falls Du Dich mit so etwas "tüchtigen" überhaupt belasten möchtest. Der Katalog bezieht sich zwar auf eine Ausstellung die 1985 stattfand. Die Austellung wurde organisiert von der Geselschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Fachschaft Medizin an der Universität Köln, etc..etc.. Es sind erschütternde Dokumente.
Schlaf trotzdem gut.
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Medea.
antwortete am 15.07.04 (07:58):
moin, moin Jürgen - was lese ich da gerade? Der Unsterbliche ist wieder auferstanden :-)) - aber das haben ja die 'unsterblichen' auch so an sich. ;-))
Freue mich auf niveauvolle Unterhaltungen ..... .-)
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juergen1
antwortete am 15.07.04 (09:43):
@ Medea :-))
Dachte ich es mir doch, dass du und Miriam das "Begrüssungsteam" stellen.
Die beiden "Sahnehäub'chen" des ST :-))
vielen Dank Jürgen
Internet-Tipp: " target="_new">
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Medea.
antwortete am 15.07.04 (15:51):
lach Jürgen :
so lange nicht "Arsen und Spitzenhäubchen" ... ;-))
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