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THEMA: Lösungsstrategien im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen’
6 Antwort(en).
mart
begann die Diskussion am 03.06.04 (15:14) :
„Im Rahmen einer Veranstaltung, die unter dem Motto ‚Menschenrechte - von der Theorie zur Praxis’ von einer studentischen Gruppe organisiert wurde, sprach Mohssen Kadiwar, einer der bekanntesten Reformislamisten und Geistlichen im Iran, über ‚Lösungsstrategien im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen.’
Mohssen Kadiwar sagte: ‚Wenn wir gemäß den Geboten der Sharia handeln, finden wir in ihr alle Menschenrechte wieder.
Wir brauchen die Sharia nicht zu ändern.
Wenn nämlich eine Religion feste und eindeutige Gesetze und Gebote hat, dann braucht sie keine Diskussionen um die Menschenrechte.
Vielmehr können wir sagen, dass die Menschenrechte in den islamischen Gesetzen schon formuliert worden sind.
Wenn aber in manchen Fällen die Gebote uneindeutig [ö] sind, müssen die Menschenrechte einbezogen werden. Manche religiösen Gebote sind zeitbedingt und veränderbar. Und hier ist die Anwendung der Menschenrechte für religiöse Menschen nützlich’.
Kadiwar fügte hinzu: ‚Mehr als irgendwo sonst in der Welt werden die Menschenrechte zur Zeit in Palästina verletzt. Wenn wir unabhängig die Politik aller Regierungen betrachten, erkennen wir, dass dort quantitativ und qualitativ die meisten Menschenrechtsverletzungen geschehen.
Diejenigen also, welche die Menschenrechte am meisten verletzen, haben alle internationalen Erklärungen unterschrieben und propagieren diese auch am stärksten. So wird weltweit propagiert, dass die Verteidigung von Menschenrechten der Palästinenser eine Verteidigung des Terrorismus bedeute.
Dabei sind Märtyrer-Aktionen keine terroristischen Aktionen. Braucht denn jemand, der wegen des Vorwurfs der Verletzung der nationalen Sicherheit verurteilt wird, im Gefängnis etwa keine Menschenrechte mehr? Kann man einem solchen Menschen die elementaren Menschenrechte rauben und ihm nicht einmal einen Anwalt gewähren?’“
So weit so gut - also die Sharia gewährt die beste Garantie für Menschenrechte für alle Menschen.
Ich würde also empfehlen, die Länder mit der hier so in Hinblick auf Menschenrecht gepriesenen Sharia, in dieser Hinsicht einmal stärker zu analysieren:
bes. was unabhängige Gerichtsbarkeit, Frauenrechte, Folter, Todesurteile, faire Gerichtsverfahren, Medienfreiheit etc. etc. betrifft.
Einen ersten Überblick liefern die Jahresberichte von Amnesty international.
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Medea.
antwortete am 03.06.04 (20:36):
Die Anwendung der Sharia bei Straftaten spricht allem Hohn, was zugunsten der Sharia propagiert wird. Das Amputieren von Händen und Füßen, die Auspeitschungen, die Steinigungen, das Hinunterstürzen in tiefe Schluchten zum Zwecke der Tötung, das Enthaupten kann nicht dadurch gerechtfertigt werden, daß ein "Reformislamist" (Mohssen Kadiwar aus dem Iran), verkündet, daß die Sharia nicht geändert zu werden brauche, weil sich in ihr alle Menschenrechte wiederfinden.
Da trennen ja wohl Welten die Rechtsauffassungen in der islamischen Welt von denen der westlichen Welt.
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Karl
antwortete am 03.06.04 (22:46):
Ein Herr Kadiwar ist nicht die islamische Welt. Die Sharia gilt keineswegs in allen Staaten, in denen die Moslems die Mehrheit stellen. Die Türkei z. B. ist bevölkerungsmäßig so groß wie die Bundesrepublik und die Sharia gilt nicht, sondern die Türkei hat aus eigener Kraft seit Attatürk eine weltliche Gerichtsbarkeit geschaffen, die durch die Annäherung an die EU der unseren zunehmend angeglichen wird.
Meiner bescheidenen Meinung nach wäre es zudem eine der Lösungsstrategien im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen, dass westliche Staaten selbst glaubhaft machen, dass sie die Menschenrechte achten. Wie jeder weiß, liegt hier sehr viel im Argen. Falls wir also unserem Rechtssystem und unserem Verständnis der Menschenrechte weltweit Geltung verschaffen wollen, dann müssen wir (der Westen) diese Menschenrechte leben.
In der Tat sind dann akzeptable Lösungen von westlichen Staaten besonders im Nahen Osten zu finden, die nicht auf Mord und Totschlag beruhen.
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mart
antwortete am 04.06.04 (19:06):
Am 27.Mai 04 veröffentlichten 34 arabischen NGOs eine Erklärung, in der sie die Ergebnisse des Arabischen Gipfel in Tunis scharf kritisieren.
Die NGO-Erklärung und eine Liste der unterzeichnenden Organisationen wie sie in Al-Quds al-Arabi erschien (https://www.alquds.co.uk:8080/archives/pdf/2004/05May/27MayThu/Quds04.pdf)
.."Durch die Verknüpfung der Umsetzung von Reformen mit einer Lösung der Palästinafrage und der Beendigung der Besatzung des Irak verschwenden die arabischen Regierungen Zeit und verzögern [die Reformen] – als wenn die Befreiung Palästinas und des Iraks die Fortsetzung von Korruption, Folter, autokratischer Herrschaft und die Abschaffung von Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte in der arabischen Welt erfordern würde.
"Die [unterzeichneten NGOs] sind ebenfalls sehr über die Zustimmung zu der so genannten ‚überarbeiteten Version der Arabischen Menschenrechtscharta’ enttäuscht, da sie erhebliche Mängel aufweist und nicht die international geltenden Kriterien achtet, wodurch den Menschen in der Region im Vergleich zur übrigen Welt schlechtere Bedingungen entstehen.
In ihrer jetzigen Version garantiert die Charta keinen effektiven Mechanismus zur Überwachung und Wahrung der Menschenrechte in den arabischen Ländern und sie sichert auch nicht das Recht auf politische Partizipation durch objektive, freie Wahlen oder das Recht auf die Gründung von politischen Parteien, Berufsverbänden und Gewerkschaften. Sie engt das Streikrecht ein, erlaubt die Einschränkung von Frauenrechten und ignoriert die Existenz und die Rolle von Menschenrechtsorganisationen!“
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gorden
antwortete am 04.06.04 (19:32):
Immer dann wenn Religion im Rahmen wirtschaftlicher und sozialer Auseinandersetzungen eine Rolle spielt ist der Hass auf Andersdenke und Fanatismus nicht weit. Wieviele Menschen sind im Laufe der Zeit unter dem Kreuzzeichen gefoltert und ermordet? Dies wird wohl unter allen Religionen, also auch unter dem Islam, so sein. Wo liegen dann aber Werte die allgemeingültig sind? Politische Ideen sind seit dem Staatskapitalismus in der UDSSR und dem Kapitalismus der letzten 100 Jahre diskreditiert. Wenn wir ehrlich sind, dann stellen wir fest: wir haben ein Vakuum. Die große Gefahr besteht in solch einer Zeit, daß irgendwelche selbsternannten Führer das Volk hinter sich scharen. Wir Deutsche sind da ja nun in der Vergangenheit nicht unbeteiligt gewesen. Es gibt ja immer noch Unverbesserliche und "NAPOLI-Schüler" unter uns. Ich wünschte mir, wir würden stärker unter den Begriffen Solidarität und Gerechtigkeit allgemeingültige Spielregeln entwickeln können.
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Titus
antwortete am 04.06.04 (20:04):
gorden,
Frage, was ist ein "Napoli-Schüler"?
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BarbaraH
antwortete am 07.06.04 (15:13):
Wie wäre es denn mit folgender "Lösungsstrategie im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen", die in den USA ausgeheckt wurde:
>>Amerikanische Zivil- und Militärjuristen haben im letzten Jahr ein Gutachten erstellt, aus dem hervorgeht, dass der US-Präsident nicht an Gesetze und Verträge zum Verbot der Folter gebunden ist. Jene, die in seinem Auftrag und im Namen der nationalen Sicherheit foltern, könnten demnach juristisch nicht belangt werden, so ihr Schluss.<<
Lösungsstrategie: Menschenrechtsverletzungen im Auftrage des Präsidenten der USA sind keine Menschenrechtsverletzungen.
Versteht jemand die Logik?
Süddeutsche Zeitung vom 07.06.04 Gegen die Genfer Konvention US-Juristen: Folter im Auftrag des Präsidenten wäre gerechtfertigt https://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/32/32999/
Internet-Tipp: https://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/32/32999/
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