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THEMA: Schlagzeilen Auslandsnachrichten t-online
26 Antwort(en).
Tobias
begann die Diskussion am 29.04.04 (09:51) mit folgendem Beitrag:
US Präsident George W. Bush will im Irak noch entschlossener als bisher gegen Aufständische vorgehen. Unser Militär wird tun, was nötig ist, um Falludscha im Namen des irakischen Volkes sicher zu machen. Panzer werden nicht abgezogen, wie geplant, sondern zusätzliches Kriegsgerät hinzugezogen.
US Kampfflugzeuge greifen Falludscha an. US General Sattler vermutet ca. 1.500 Aufständische in der Stadt. Flammen und Rauch steigen am Nachthimmel auf.
124 US Soldaten im April im Irak gestorben.
Umfrage unter Irakern : 57 % der Iraker befürworten einen raschen Abzug der von den USA geführten alliierten Truppen. 71 % halten die alliierten Truppen für Besatzer.
Meine Anmerkung. Zum Schluss wird die Frage stehen, wer war der größere Feind der Irakis, Saddam oder deren Befreier, denn wie damals füllen sich auch jetzt die Massengräber.
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Irina
antwortete am 29.04.04 (09:52):
" ... Zum Schluss wird die Frage stehen ..." (Tobias)
Stimmt!
Irina
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mart
antwortete am 29.04.04 (13:31):
Unter "Der Mahdi aus Texas hat ausgedient" beschreibt Hussain Al-Mozany, seit langen Jahren in Deutschland lebender Iraker mit gr. Verwandschaft in Sadr-City die vergebenen Chancen der Amerikaner
"Die gegenwärtigen Führer der schiitischen Glaubensrichtung verstehen sich als Vorboten des verborgenen Imams. Ihr Leben ist ausschließlich darauf ausgerichtet, der Rückkehr des ersehnten Mahdis ins Diesseits beizuwohnen. Und so flüstern sie jedesmal, wenn sie diesen magischen Namen erwähnen, die Wunschformel: "Gott möge sein Erscheinen beschleunigen."
Die Verheißungen lassen auf sich warten
Kurzfristig sahen die ungeduldigen und vom langen Warten zermürbten Schiiten im Irak in George W. Bush den Mahdi, der ihrem Peiniger, Saddam Hussein, den Garaus machte und ihnen Freiheit, Wohlstand und Gerechtigkeit versprach. Tauchte sein Bild auf dem Fernsehbildschirm auf, brachen sie in Jubelrufe aus: "Das ist der Mahdi, auf den wir seit einem Jahrtausend gewartet haben!" Doch George W. Bush löste lediglich sein Versprechen ein, den irakischen Tyrannen zu stürzen; die anderen Verheißungen lassen weiter auf sich warten. Das Bild des neuen Mahdis aus Texas, der sich von Gott berufen fühlte, den Krieg gegen das "Böse" zu führen, bekam Risse. Zwar sind die leidgeprüften irakischen Gläubigen Bush durchaus dankbar, aber er ist ihnen allmählich unheimlich geworden - er ist eben doch der falsche Messias.
Krasser konnten keine zwei Kulturen aufeinanderprallen als im Irak, obwohl beim genaueren Hinsehen zwischen den Polen gewisse Gemeinsamkeiten existieren: Der Kampf gegen die "Ungläubigen", die "Bösen" und "Gesetzlosen" und, vor allem, der "Schutz" vor der sunnitischen Dominanz. Einigen scheint dieser Schulterschluß zu gefallen, wie dem Obersten Rat der islamischen Revolution im Irak, "Sciri", unter Abdalaziz al-Hakim. Andere um den moderaten Ajatollah Ali al-Sistani warten weiterhin ab und hüllen sich in Schweigen.
...Das ersehnte Märtyrertum
"Nach der Verabschiedung der vorläufigen Verfassung, in welcher der Islam nicht als die ausschließliche Quelle der Gesetzgebung vorgesehen, sondern nur als eine unter anderen verankert ist, witterte al-Sadr seine politische Chance. Er bekräftigte seine Kampfansage an die Amerikaner, den Übergangsrat und dessen Verfassung. "Die Amerikaner kamen nur hierher", sagte er in einer Predigt, "um dem Islam Schaden zuzufügen. Aber die Besatzer können niemals den Islam auslöschen." Er forderte den Zivilverwalter Bremer auf, seine "antiislamischen Äußerungen" zurückzunehmen, den Islam als Hauptquelle der Verfassung zu akzeptieren. Deutlich verkündete Muqtada al-Sadr seinen Kurs: "Ich werde diesen Weg weitergehen, selbst wenn ich verhaftet oder umgebracht werde."...
Internet-Tipp: https://makeashorterlink.com/?E27421928
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werner
antwortete am 29.04.04 (15:49):
welche Frage am Schluss stehen wird, werden wir am Schluss sehen und keine Minute vorher. Inzwischen gibt es genug zu tun um Fakten zu analysieren.
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ricardo
antwortete am 29.04.04 (17:40):
Hallo Schon gehört? Der Spiegel will es selbst nicht glauben Nach all den schlechten Tagen im April steigen die Zahlen für Bush:
Das Gallup-Institut bestimmt Bushs Popularitätswert sogar auf 57 Prozent . In einer separaten Wahlumfrage konnte Bush seinen Vorsprung gegenüber Kerry von 48 auf 51 Prozent ausbauen, während der Demokrat bei 46 Prozent stagnierte.
Na da hört sich aber alles auf! Und das trotz des Wooodward-Buches, wo allerdings Bush garnicht so schlecht wegkommt.
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Tobias
antwortete am 29.04.04 (19:53):
Na sicher ricardo , die wahl ist schon gewonnen :-))))
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Karl
antwortete am 29.04.04 (20:30):
Die Internationale Föderation der Menschenrechtsligen (FIDH) appellierte an die Schweiz, die Vertragsparteien der Genfer Konventionen einzuberufen. Es müsse etwas "gegen die schlimmen Menschenrechtsverletzungen" im Irak unternommen werden, heißt es in der heutigen Erklärung.
Die FIDH nannte die amerikanische Militäroperation "einen unverhältnismäßigen Vergeltungsakt gegen die Zivilbevölkerung". Die Exekutionen, die Hauszerstörungen, die gezielten Schüsse gegen medizinisches Personal stellten massive Verletzungen der 4. Genfer Konvention zum Schutz der Zivilbevölkerung dar", schreibt die FIDH, der nach eigenen Angaben 116 Menschenrechtsorganisationen aus fast 100 Staaten angehören. Am Hauptkontrollpunkt vor Falludscha eröffneten US-Truppen heute das Feuer auf ein Auto und töteten mehrere Insassen. Wie ein Armeesprecher mitteilte, handelte es sich um Aufständische, die aus dem Wagen auf die Soldaten gefeuert hätten. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AP beobachtete dagegen, wie US-Soldaten auf einen Kleinlastwagen schossen und eine siebenköpfige Familie töteten, die aus der Stadt zu fliehen versuchte.
Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,297595,00.html
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Karl
antwortete am 29.04.04 (20:33):
@ Ricardo,
möglicherweise versagt die Selbstreinigug des amerikanischen Systems. Du rechtfertigst die amerikanischen Gräuel oder negierst sie einfach, eine Methode, der offensichtlich auch viele Amerikaner anhängen. Aber nicht alle! Auch nur wenige waren gegen Hitler.
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ricardo
antwortete am 29.04.04 (22:07):
Die Vergleiche mit Hitler hören nimmer auf und sind doch armselig.
Nein, die Amerikaner wissen es noch aus Erfahrung, daß eine freiheitliche Ordung unter Umständen mit dem Leben bezahlt werden muß.
Wir haben dieses Wissen schon lange verloren.
Natürlich geschehen im Irak schreckliche Dinge, aber dies nicht, wie hier stets zu lesen, immer nur durch die Hand der Alliierten. Mir wird vorgeworfen ich sei für einen Krieg. Das stimmt so nicht. Der Krieg entsteht niemals aufgrund EINER SEITE: Aber es ist verlockend einfach, eine Seite allein für die Geschehnisse verantwortlich zu machen. Das lehne ich ab!
Und dafür bekomme ich jetzt wieder Prügel.
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Karl
antwortete am 29.04.04 (22:25):
@ ricardo,
erstens, wie erwartet gehst Du nicht auf den Beitrag über Falludscha ein. Kopf in den Sand, Verbrechen, die Du nicht wahrnimmst, gibt es auch nicht.
Zweitens, wo ist hier zu lesen, dass schreckliche Dinge "immer nur" von den Alliierten ausgehen? Dass aber auch von den Alliierten schreckliche Verbrechen verübt werden, übersiehst Du geflissentlich.
Drittens, ich habe nichts mit Hitler verglichen, sondern die Tatsache "Auch nur wenige waren gegen Hitler" macht sehr deutlich, dass es möglich ist, dass eine Mehrheit nicht erkennt wie verbrecherisch eine Politik ist. Es ist deshalb gut möglich, dass Bush im Herbst wiedergewählt wird, aber deshalb ist seine Politik keinen Deut menschlicher. Bush ist für mich ein Massenmörder. Aber Vergleiche im Sinne von "noch nicht so schlimm wie Saddam oder Hitler" wären makaber. Jedes Opfer ist zuviel.
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schorsch
antwortete am 29.04.04 (22:29):
Was erachtet Bush als Mass aller Dinge? 2. Das Wohl seiner Wähler. Aber 1. sein eigenes.
Er hat das Mass verloren.....
Anderes Thema: Heute wurden im TV Bilder gezeigt, wie AmerikanerInnen im Irak Gefangene als Kulisse übler Fotos missbrauchen. Ein amerikanischer Offizier warnte das internationale Publikum, sich aufgrund solcher Ausreisser kein Bild der amerikanischen Armee im Irak zu machen.
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Tobias
antwortete am 29.04.04 (22:46):
Deine grosszügigkeit mit anderen menschen leben umzugehn ist erschreckend. Warum sollte dich desshalb jemand prügeln ? So eine einstellung ricardo ist doch eher bedauernswert.
Solche täter, die am schreibtisch blut und ehre parolen ausgegeben haben, gab es schon immer. Der rechte weg muss hier schon mal aufgezeigt werden wo kommen wir denn sonst hin. Irgendwie bekannt.
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julchen
antwortete am 30.04.04 (06:18):
Wenn ich das also recht verstehen, dann war Bush fuer eine Weile so eine Art "Zauberer" fuer die Irakis, weil der Boese Saddam innerhalb Wochen weg war vom Fenster....
Wenn ich das recht verstehe, erwartete man aber auch dass das Irak der 30 Jahre Saddam-Greuel von Bush innerhalb Wochen in das Land wo Milch und Honig fliesst verwandelt werden sollte.... ...ins Paradies des Reichtums und Friedens....
..Und weil das eben nicht passierte -sofort und auf der Stelle.....nun ist Bush wieder der Shaitan.
Oh 1000 und eine Nacht - lulle mich ein!
Was soll der Quatsch? Wenn Irakis an Maerchen glauben wollen und sich wuenschen dass aus der Irakischen Saddam-Kroete von heute auf morgen ein Freier-Prinz-Irak werden muss - fein!
Aber Als Europaer haette ich hier einigen mehr Realitaets Sinn zugetraut! 30 Jahre totale Unterdrueckung sind nicht in einem Jahr ausgewischt.
Dazu noch ne Umfrage: Glauben Amerikaner dass Iraker auf eigenen Beinen stehen werden und willens sind fuer ihre neugewonnene Freiheit zu kaempfen?
Grosses Nein! Grosse Enttaeuschung! Militaer- und Presseberichten nach, haben Irakische Soldaten (der neuen Armee wohlgemerkt) wiederholt die Waffen geschmissen und Fersengeld gegeben wenn es drauf an kam.
Man kann ein Pferd zum Wasser bringen - es aber nicht zum trinken zwingen.
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Karl
antwortete am 30.04.04 (08:33):
Immerhin, die Schuldigen werden angeklagt! Aber jedem sollte klar sein, dass dies nur die Spitze des Eisberges ist.
Internet-Tipp: https://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID3235378_NAVSPM1_REF1,00.html
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schorsch
antwortete am 30.04.04 (09:30):
julchen, es ist ein Unterschied, ob man einem Staat zuhilfe kommt, oder ob man diese Hilfe nach dem Motto gibt "Und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein!"
Die beste Hilfe ist Anleitung und Praxishilfe für Selbsthilfe......
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Titus
antwortete am 30.04.04 (11:22):
Julchen,
abseits von dem, was einzelne US-Soldaten im Irak an Kriegsverbrechen begangen haben oder nicht - das ist Sache der US-Militärjustiz.
Abseits davon, daß der Krieg des Herrn Bush gegen den Irak ein Verbrechen war, das nun auch viele US-SoldatenInnen mit ihrem Leben bezahlen mußten und noch viele mehr bezahlen müssen.
Dieser Krieg war das absolut Dämlichste, was einem westlichen Staatsmann einfallen konnte. Nun sind weltweit die fanatischen Kräfte geweckt, die im Namen ihres Glaubens ganz offen herrschen wollen, egal, zu welchem Preis. Sie haben gemerkt, daß man die Weltmacht USA in die Knie zwingen kann - und damit alle Länder mit "ungläubiger" Bevölkerung.
Können wir uns wehren? Wir könnten - aber wir tun es nicht. Wir haben Angst vor Terroranschlägen. Nicht nur wir Deutschen, mit einer "wehrhaften Demokratie" - , das war einmal.
Julchen, es ist unmöglich hier Fakten aufzuzeigen, das brauche ich wohl nicht näher zu erläutern.
Und nun sage ich etwas, das Dich überraschen wird: Die USA sitzen zwar gegenwärtig ganz tief in einer übelriechenden Masse, noch halten sich viele die Nase zu, frei nach dem Motto - was ich nicht rieche, ist auch nicht da. Aber wir wären weltweit schlecht beraten, wenn wir uns nicht - um unser aller Überleben willen - ganz schnell und konsequent zur Unterstützung der USA entschliessen. Erforderlich ist dabei jedoch, daß die USA ihre Karten offen aufdecken, sich von den Schweinereien ihrer Administration (Krieg und schamlose wirtschaftliche Vorhaben zum Schaden der dortigen Region) distanzieren.
Wie, das müssen die (noch) Mächtigen der Länder herausfinden. Gelingt das nicht - dann für uns alle gute Nacht.....
Eventuell sollte man auswandern, nach Kanada, Vancouver, würde mir gefallen.............
Schlußsatz: Wie dumm und völlig realitätsfremd immernoch ein paar deutsche Politiker (Schröder und Fischer) sind, siehst Du daran, daß heftig für den EU-Beitritt der Türkei geworben wird. Ich werde mich in zwei Jahren fürchterlich betrinken und dann schweren Herzens CDU wählen müssen (Schande über mich, aber es wird nicht anders gehen...)
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Medea.
antwortete am 30.04.04 (12:54):
Noch ist Deutschland nicht verloren ... :-)) - ich sehe auch die Türkei noch nicht in der EU - wenigstens nicht in zwei Jahren - und Kanada ist auch nicht mehr das, was es mal war .....
dort sind Bestrebungen imgange, wie ich mich erinnere, hier gelesen zu haben, die islamische Gerichtsbarkeit (Sharia) für private Belange der Moslems zu etablieren. Noch halten kanadische islamische Frauenverbände und andere dagegen - wie die derzeitige Situation dort ist, weiß ich nicht.
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Karl
antwortete am 30.04.04 (19:48):
Sensibilität ist gefordert gegen jede Form von Rassismus.
Bei der Antisemitismus-Konferenz in Berlin wurde klar erkannt, dass die Politik an Israels von Antisemiten als Vehikel für ihren Antisemitismus benutzt werden kann, aber auch wiederholt erklärt, dass die Kritik an Israel nicht mit Antisemitismus geich gesetzt werden kann. Besonders perfide finde ich es, wenn Menschen, die die Einhaltung der Menschenrechte auch gegenüber den Palästinensern verlangen, als Antisemiten diffamiert werden. Hierdurch wird das Gedenken an die Opfer des Rassismus in den Schmutz gezogen.
Mich erfüllt es mit großer Sorge, wenn heute wieder Propaganda gegen alles Fremde gemacht wird und z. B. ein Beitritt der Türkei zur EU pauschal mit der Angst vor dem Islamismus abgewehrt wird und unzulässige Gleichsetzungen von Islam mit Terror vorgenommen werden. Dabei wäre die Integration der Türkei als laizistischer Staat mit moslemischer Bevölkerung nach Europa eine Chance für den Frieden. Diesen sehe ich jedoch schwinden, wenn sich alte Ressentiments neue Opfer suchen.
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werner
antwortete am 30.04.04 (20:24):
@Karl - da kommen wir uns doch wieder näher. Denn selbst hier im ST sehe ich diese Vehikel-Fahrer (Dazu rechne ich Dich nicht - nicht dass Du jetzt schon wieder meinen Beitrag löscht weil Du Dich angesprochen fühlst). Wenn wir jetzt noch ein bisschen über unseren eigenen Schatten springen (und hier bist auch Du einbezogen) und die Einhaltung der Menschenrechte gegenüber den Palästinenser wie auch gegenüber den Israelis auch bei den palästinensischen Führern einklagen, dann sind wir 1. schon ein ganzes Stück weiter und 2. dem Frieden einen Riesenschritt näher gekommen. Stelle Dir vor, Arafat würde uns sagen wie er seine Gelder verteilt. Welche Bevölkerungsteile davon profitieren. Wäre das nicht toll. Wir könnten das Wachsen des Wohlstands des palästinensischen Volkes beobachten. Wenn dann die Herrschaften die Terroreinsätze beenden würden und sich aufs Verhandeln verlegen, dann hätten sie eine stärkere Position und würden schnell wesentlich erfolgreicher sein als bisher wo sie aus reinem Egoismus und Profitgier ihr Volk haben bluten lassen. Nochmal: Im Jahr 2000 waren sie meines Erachtens schon wesentlich weiter als jetzt. Zur Türkei: Willst Du Dich wirklich auf das türkische Militär als regulierende Kraft verlassen. Denn das ist Deine einzige Garantie für die Trennung von Islam und Staat. Bis jetzt hatten wir noch keine Militärdiktatur in der EU.
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Karl
antwortete am 30.04.04 (23:10):
@ werner,
die Türkei als Militärdiktatur zu bezeichen ist einfach falsch. Die Türkei hat ein demokratisch gewähltes Parlament und eine demokratische Regierung. Der Sieg der jetzigen Regierungspartei war nicht im Sinne des Militärs.
Die Trennung von "Kirche" (sprich dort Islam) und Staat ist viel weiter fortgeschritten als bei uns. Die Türkei ist kein islamischer Staat, sondern ein laizistischer Staat mit überwieged moslemischer Bevölkerung. Die Integration der Türkei nach Europa ist eine enorme Chance diesen Zustand zu erhalten und auszubauen. Das Verstoßen der Türkei würde diesen Staat wahrscheinlich über kurz oder lang in die Arme der radikalen Islamisten treiben. Das kann nicht unser Interesse (auch nicht das von Titus sein).
Ich freue mich deshalb sehr darüber, dass nun auch Frankreich den Beitritt der Türkei zur EU befürwortet. Wir sollten dies im Interesse unserer Kinder und Enkel wünschen, ein friedliches Nebeneinander von Christen und Moslems, wie wir dies hier in der Bundesrepublik schon lange praktiziert haben und wobei uns die Türkei helfen könnte, die seit vielen Jahrzehnten trotz überwiegend moslemischer Bevölkerung eben nicht ein "Gottesstaat" geworden ist.
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Titus
antwortete am 30.04.04 (23:37):
Karl,
Propaganda gegen alles Fremde? Da kann ich nicht mitreden. Bereits ganz kurz nach dem Krieg waren die ersten Fremden Soldaten unterschiedlicher Nationalität und DPs (displaced persons), Menschen, die aus Lagern befreit worden waren etc.
Verständigungsprobleme gab es nicht, notfalls funktionierte die Verständigung mit Zeichen. An Schwierigkeiten kann ich mich nicht erinnern, nur an freundliche, teilweise kuriose Situationen.
Die Ablehnung alles Fremden kann auf Nichtwissen, mangel an Erfahrung zurück zu führen sein. Diese Ablehnung findet man auch im Land selbst - bis man sich näher gekommen ist. Meine Familie hatte nie Probleme, wir wohnten sowohl im tiefsten Schwarzwald, als auch in grösseren Städten, wie Offenbach, im Raum Wuppertal, natürlich Berlin.
Fremde aus dem Ausland mögen es schwieriger haben, sie bringen unter Umständen andere kulturelle Eigenheiten mit, müssen erst unsere Sprache erlernen - und sind dann, wenn sie es wollen - voll integriert. Umgekehrt passiert es uns Deutschen ja auch, wenn wir im Ausland, zu Besuch oder ständig dort sind. Je nach dem, wie man sich benimmt, wird man mehr oder minder schnell akzeptiert. Ich hatte nie Problem, ob in Europa oder auch z.B. in Fernost.
Mit dem Islam ist es ein ganz anderes Problem. Wir Deutschen und auch andere Europäer haben keine Probleme, man hat sie aufgenommen und alle Freiheiten gelassen, die im Rahmen der Gesetze, an die sich alle halten müssen, möglich sind.
Und nun müssen wir erleben, daß wir Deutschen als "Ungläubige" beschimpft werden, in den Großstädten ganz offen, man hetzt gegen unsere demokratische Lebensart, gegen unsere Religion - und dann dreht man den Spieß um und man behauptet, man fühle sich bedroht.
Die noch kleine Anzahl Radikaler wird nicht klein bleiben, es liegt an der Durchsetzung unserer Gesetze, z.B. der Anwendung des Gesetzes gegen "Volksverhetzung", damit könnte man diese Radikalen ganz schnell ausschalten, auch zum Wohl der friedlichen Moslems, die absolut in der Mehrzahl sind.
Nur, der Staat scheut sich einzugreifen, was mir unbegreiflich ist. Wer wollte diese Tatsache - und es ist eine Tatsche - bestreiten?
Die Behauptung, daß über eine allgemeine Popaganda gegen Fremde (wo bitte?) der Islam diffamiert wird, oder als Begründung für die Gegnerschaft gegen den EU-Beitriff der Türkei herhalten soll, das ist mir nicht verständlich.
Und die Türkei in der EU als Chance für den Frieden? Also, da bleibt mir doch etwas die Luft weg.
Dieses möchte ich nicht näher begründen, vielleicht als kleiner Hinweis die Okkupation von Nordzypern und dann die Besatzung von 40.000 türkischen Soldaten. Da könnte man doch auf ganz merkwürdige Gedanken kommen, meine ich.
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mart
antwortete am 01.05.04 (00:06):
Nicht gerade die neueste Schlagzeile, aber zum Vorhergehenden passend:
Gaddafi überrascht mit antitürkischer Aussage Artikel der spanischen Zeitung La Vanguardia vom 20. Dezember 2002,
Dasselbe ist auf Gaddafis Homepage auf Englisch zu lesen.
Welche Interessen verfolgt er dabei?
Internet-Tipp: https://www.libyen-news.de/gaddafi_zur_tuerkei.htm
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werner
antwortete am 01.05.04 (07:36):
@Karl - wie kannst Du nur so etwas missverstehen. Natürlich ist die Türkei im Moment wieder einmal keine Militärdiktatur sondern funktioniert nach demokratischen Mustern. Dies ist doch aber nicht den gefestigten demokratischen Strukturen in der Türkei zu verdanken sondern dem Druck der Militärs. Atatürk war Freimaurer und ein Grossteil der türkischen militärische Führungsspitze sind dies heute noch. Und nur dies erhält uns die Demokratie in der Türkei. Wie im Dritten Reich würden auch in einer orthodox islamischen Gesellschaft Freimaurer sofort verschwinden. Wir haben doch heute Islamisten an der Regierung in der Türkei. Und warum sind sie so brav? Weil sie genau wissen, dass das Militär sie nach Hause schicken würden, wollten sie ihr Parteiprogramm voll ausleben. So wie die Militärs voher schon unzählige Male Politiker nach Hause geschickt und die Regierung übernommen haben wenn die Demokraten auf Abwege gelangten. @mart - der Link zu Gaddafi ist wirklich herrlich. Der Typ ist in all seiner Grausamkeit ein Unikum.
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Medea.
antwortete am 01.05.04 (08:13):
Nicht nur die Freimaurer wären bedroht, die Alewiten, eine islamische, sehr freiheitliche Religionsgemeinschaft, die immerhin ein Viertel der türkischen Bevölkerung stellt, sind es ebenfalls. Offiziell existieren sie überhaupt nicht - sie bauen keine Moscheen, halten ihre Gottesdienste unter freiem Himmel ab, die Frauen sitzen gleichberechtigt ohne Kopftücher neben den Männern im Gottesdienst, Einflüsse in ihre Religion gehen auf Zaratrustra zurück.
Zur Warnung Gaddafis, den die westliche Gemeinschaft, siehe gerade auch England, wieder ernst zu nehmen beginnt:
Er ist eine schillernde Figur, gilt unter der Hand als ein wenig verrückt - aber sagen nicht (laut Volksmund) Kinder und Verrückte die Wahrheit? .-)) - Der Link von mart ist wirklich lesenswert -
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schorsch
antwortete am 01.05.04 (12:30):
Der Unterschied Bush-Gaddafi: Letzterer war früher verrückter als heute - er beginnt langsam sich zu normalisieren. Bei Bush ists umgekehrt.....
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julchen
antwortete am 02.05.04 (07:04):
Oh Come on, Schorsch....
julchen, es ist ein Unterschied, ob man einem Staat zuhilfe kommt, oder ob man diese Hilfe nach dem Motto gibt "Und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein!".....
Die Irakis haben unter Saddam ebenso gelitten wie die Deutschen unter Hitler... Wie, bitte, waere man ihnen denn zu Hilfe gekommen ohne Saddam dabei zu beleidigen? Und ohne der "Schaedel-Einschlager" zu sein?
..Ach ja, Richtig, man haette i hm NOCH EINE UN Resoltution geliefert....................
Naja, ist eben alles Anschauungssache!
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werner
antwortete am 02.05.04 (08:29):
schorsch - zu Deinem Beitrag vom 1.5. um 12.30 Uhr. Ich danke Dir für Deinen konstruktiven Beitrag. Er ist frei von Polemik und hat mich in meiner politischen Willensbildung einen grossen Schritt weitergebracht. Bestechend finde ich die Erörterung der Probleme im Detail welche mir sowohl die lybische wie auch die US-amerikanische Politik doch durchaus verständlich machte. Woher hast Du eigentlich diese Fülle an Information? Wäre es nicht besser für alle Beteiligten wenn Du Deine Quellen offenbarst?
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