Übersicht Archiv "Politik und Gesellschaft"
THEMA: Testfall für Europa
7 Antwort(en).
mart
begann die Diskussion am 21.04.04 (12:44) mit folgendem Beitrag:
Leyla Zana, die Hoffnungsträgerin der Kurden in der Türkei, bleibt weiter hinter Gittern.
Das ist das Ergebnis des Wiederaufnahmeverfahrens vor einem türkischen Sondergerichtshof in Ankara, das für schwere politische Straftaten zuständig ist. Dieses zweite Verfahren wurde notwendig, da das urprüngliche Urteil 2001 über 15 Jahre Haft ! vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg beandstandet wurde.
Die Vorgeschichte: Umstrittene Eidesformel
Der Anlass, der zu Zanas Inhaftierung führte, wäre in anderen Ländern kaum der Rede wert gewesen. 1991 fügte sie ihrem Amtseid als Parlamentsabgeordnete im Plenum von Ankara den Wunsch nach brüderlicher Verbundenheit von Türken und Kurden hinzu - und zwar in kurdischer Sprache.
Wenig später wurde ihre parlamentarische Immunität aufgehoben. Zusammen mit anderen Politikern der damaligen Kurdenpartei DEP wurde die aus der Kurdenmetropole Diyarbakir stammende Zana vor Gericht gestellt und 1994 wegen Mitgliedschaft in der kurdischen Rebellengruppe PKK zu 15 Jahren Haft verurteilt.
https://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/26/0,1367,POL-0-2120922,00.html
https://english.aljazeera.net/NR/exeres/1B2F2902-0FDC-4A23-9641-4814D7BA5A54.htm
|
schorsch
antwortete am 21.04.04 (21:25):
Solange die Türkei glaubt im Recht zu sein, wenn sie jemand verurtelt, der eine missliebige - sprich der Regierung nicht genehme - Meinungen vertritt, solange ist die Türkei nicht fähig, in die europäische Staatengemeinschaft aufgenommen zu werden.
|
julchen
antwortete am 22.04.04 (06:41):
Da stehe ich voellig hinter Dir, Schorsch!
|
Karl
antwortete am 22.04.04 (07:22):
Durch die Aussicht der Integration nach Europa besteht der Druck, dass sich die Verhältnisse in der Türkei bessern.
|
utelo
antwortete am 22.04.04 (18:42):
Der Günther Verheugen glaubt -lt. Mitteilung im Express- dass die Türkei bis Ende 2004 reif ist für den EU-Beitritt. Na ja, Hauptsache, die Politiker glauben dran.
|
mart
antwortete am 29.04.04 (08:32):
Wie unsensibel selbst die Grünen mit Problemen des Genozids umgehen wird in der Faz in einem bitterbösen Artikel beschrieben:
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.04.2004
"Am Wochenende gedachten die Armenier in der Paulskirche des Genozids an ihrem Volk. Als Vertreterin des Bundestags war die Gruene Angelika Beer eingeladen. Es war eine Katastrophe, berichtet Michael Jeismann.
"Die Gruenen galten einmal als Verteidiger verfolgter Minderheiten. Frau Beer blieb nicht einmal bis zum Ende der Veranstaltung. Frau Beer ging vorher. Waere sie doch gar nicht erst gekommen! Ihre Rede war lamentabel: grammatisch auf dem Niveau von Verona Feldbusch, inhaltlich geradezu selbstzufrieden-infantil. Sie bedauerte das Los der armenischen Kulturgueter in der Tuerkei und erzaehlte im gleichen Atemzug, dass sie dort eine alte armenische Tischplatte erstanden haette, die nun ihr Wohnzimmer ziere, zur moralischen Ermahnung selbstverstaendlich. Sie sprach davon, dass es nicht um Schuld gehe. Ja, aber worum denn sonst?" Na, um Antiquitaeten."
|
Medea.
antwortete am 29.04.04 (13:03):
Was immer Völker anderen Völkern angetan haben, bedarf nicht der Verdrängung von Schuld, sondern deren Aufarbeitung.
Von dem Eingeständnis an dem Genozid an dem armenischen Volk in den Zwanziger Jahres des vorigen Jahrhunderts sind die Türken aber noch weit entfernt.
Empfehle immer wieder den Roman von Franz Werfel: "Die vierzig Tage des Musa Dagh", den ich bereits vor mehr als zwanzig Jahren gelesen habe.
Glaubst Du Karl, wenn die Türken erst in der EU sind, werden sie mit ihrer Vergangenheitsbewältigung beginnen?
|
Wolfgang
antwortete am 29.04.04 (13:30):
die eu ist keine veranstaltung zwecks 'vergangenheitsbewaeltigung'. mit hilfe der eu sollen politische und rechtliche grenzen wegfallen, die einem ungehinderten kapital- und warenverkehr im wege stehen.
die eu ist also eine ziemlich grosse wirtschaftszone... unspektakulaer... gottseidank kein kulturelles grossereignis (davon gab es schon viel zu viel)... kein versuch, eine einige und irgendwie 'heilige' welt zu schaffen... eher eine schlichte einsicht in wirtschaftliche sachverhalte... das eldorado all derer, die nach vorne schauen und denen es um produktion und konsumtion geht... nichts fuer die, die ewig mit geruempfter nase abfallhaufen der geschichte nach alten leichen durchsuchen.
mir persoenlich ist es voellig egal, ob sich ein volk mit seiner vergangenheit beschaeftigt oder nicht. wie auch immer: was sinnvolles wird sowieso nicht dabei herauskommen. ich glaube nicht an die maer von der verpflichtung des lernens aus vergangenem geschehen. jede neue generation macht zwar nicht unbedingt alte, aber bestimmt neue fehler. so ist das. es ist auch gut so. staendiger versuch und staendiger irrtum. dabei wird es wohl bleiben. wenn's dabei nicht allzu blutig zugeht, wuerde mir das reichen. :-)
|
|