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THEMA:   Wahlen in Frankreich und Lehren hieraus?

 32 Antwort(en).

Karl begann die Diskussion am 29.03.04 (09:02) mit folgendem Beitrag:

Frankreich hat die Regionalparlamente neu gewählt (s. Link), dabei hat es einen starken Linksrutsch gegeben. Warum?

"Ministerpräsident Jean-Pierre Raffarin hatte sich beim Entwurf seiner Reformen vom Modell der deutschen Sozialdemokraten leiten lassen. Noch am Wahlabend kündigte er an, an den Reformen festhalten zu wollen. 'Ganz einfach weil sie nötig sind ', sagte Raffarin."

Was können wir daraus lernen? Regierungen, die Reformen wagen, werden abgestraft, egal ob sie rechts (wie in Frankreich) oder links (wie in Deutschland) orientiert sind. Interessant ist, dass bei uns die Opposition hoch im Kurs steht, obwohl ihre Reformen wohl eher noch schmerzlicher, da drastischer, ausfallen würden. Aber nicht die theoretischen Ankündigungen werden zu Kenntnis genommen, sondern die realen Taten einer Regierung.

Internet-Tipp: https://www.n-tv.de/5229379.html


schorsch antwortete am 29.03.04 (10:09):

Die Politik ist wie das Meer: Mal schwappt sie nach Links, mal schwappt sie nach Rechts.....

Aber wenn die Flut kommt, kriegen alle nasse Füsse.....


Medea. antwortete am 29.03.04 (10:12):

Staatspräsident Jacques Chirac wird als Konsequenz aus dieser schweren Schlappe voraussichtlich in den kommenden Tagen das Kabinett umbilden. Premierminister Jean-Pierre Raffarin wird wohl seinen Stuhl räumen müssen.
Justizminister Dominique Perben entgegnete auf die Forderung der Sozialisten, die Kürzungen im Gesundheitswesen und Sozialen Sicherungssystemen zurückzunehmen, daß man auf die nötigen Reformen nicht deshalb verzichten könne, weil sie unpopulär seien. Das Land würde durch die Rücknahme zu wirtschaftlichem Niedergang verurteilt sein.

Schon im Altertum wurden die Überbringer schlechter Nachrichten bestraft - daran hat sich wohl bis zum heutigen Tage nicht viel geändert ....


Wolfgang antwortete am 29.03.04 (10:22):

Du hast ja so recht, Medea... Die Botschaft will man nicht hoeren, also wird der Bote verpruegelt. ;-)


rolf antwortete am 29.03.04 (10:27):

Karl,
vielleicht wird es der Union nicht angekreidet, weil Wahlversprechen nicht ernst genommen werden, nicht einmal, wenn sie negativ sind.


Wolfgang antwortete am 29.03.04 (10:36):

Vielleicht ist es auch ja nur eine Zeit, die gebraucht wird, um zu erkennen, dass alle etablierten sogenannten 'Volksparteien' nicht die Loesung, sondern Teil des Problems sind.

Was wird wohl passieren, wenn massenhaft WaehlerInnen bewusst wird, dass, egal wen sie waehlen, die ihnen das Fell anschliessend ueber die Ohren ziehen ?


hl antwortete am 29.03.04 (10:50):

Dann wird vermutlich irgendwann der Wahltag kommen, an dem keiner zum Wählen geht. ;-)


rolf antwortete am 29.03.04 (15:23):

oder der Zulauf zu den Neonazis macht sich auch bei der Wahl bemerkbar.


info antwortete am 29.03.04 (15:53):

---sorry, nur ein Testeintrag---


Mechtild antwortete am 29.03.04 (16:54):

Lösungen bringen, was meinst Du mit Lösung? Fakten lassen sich nicht wegdiskutieren. Es war zwar alles lange bekannt, aber es wollte keiner hören und es hat auch bisher keiner gesagt. Weder das Wort Alterspyramide gibt es sehr lange, noch über Staatsverschuldung wird schon so lange geredet, wie es sie gibt.
„Was wird wohl passieren, wenn massenhaft WaehlerInnen bewusst wird, dass, egal wen sie waehlen, die ihnen das Fell anschliessend ueber die Ohren ziehen?“ fragt Wolfgang. Meist haben extreme Parteien dann gute Chancen, lehrt uns die Geschichte.


Karl antwortete am 29.03.04 (18:41):

Richtig Mechthild. Weil die Nichtwähler ihre politische Verantwortung schleifen lassen, erhalten die wenigen Wähler immer mehr Gewicht.

Wahlboykott führt garantiert dazu, dass gerade diejenigen an die Macht kommen, die man am wenigsten dort sehen möchte. Ein Beispiel aus der jüngeren Geschichte ist z. B. der Iran, wo die Streichung von Kandidaten von der Liste durch die Abstinenz der oppositionellen Wähler verstärkt wurde und erst recht dazu geführt hat, dass überall die Stockkonservativsten gewonnen haben.

In meinen Augen ist Wahlboykott keine Lösung.


werner antwortete am 29.03.04 (19:56):

solange sich die Wähler (und die Politiker) daran erinnern, dass ihnen das Fell bei den Faschischten und bei den Kommunisten noch mehr über die Ohren gezogen wurden und solange sie sich wehren als politische Versuchsmeerschweinchen missbraucht zu werden, wird die Apokalypse wohl ausbleiben. Wenn die etablierten sogenannten Volksparteien nicht die Lösung sind sondern das Problem, welche nicht-etablierten ???-Parteien sind den dann die Alternative?


Wolfgang antwortete am 29.03.04 (20:30):

So folgsam oder sogar deppert, dass sie fortwaehrend das eine oder das andere kleinere Uebel waehlen, sind die WaehlerInnen nun doch nicht. Zunehmend geben sie ihre Stimme nicht mehr ab, sondern erheben sie.

Heute zum Beispiel: Zehntausende RentnerInnen, alleine 25.000 in Muenchen, demonstrierten gegen den Rentenklau. Ein Slogan: 'Schwarz, gruen, rot sparen unsere Renten tot'. Fuers Wochenende rufen die Gewerkschaften auf zur Demonstration in Berlin gegen die sogenannte 'Reformpolitik' (das ist Neusprech und bedeutet, den 'kleinen' Leuten das Fell ueber die Ohren ziehen, damit es den Reichen und Maechtigen noch besser geht).

Es spricht sich herum: Demokratie ist mehr, als 'VolksvertreterInnen' alle paar Jahre einen unterschriebenen Blankoscheck zu geben. :-)

Internet-Tipp: https://www.dgb.de/themen/europa/aktionstag/index_html


guglielmo antwortete am 29.03.04 (21:44):

Alleine 25.000 in München? Hahaha .. München hat 1,2 Mio Einwohner, also haben gerade mal 2% der Münchner Bewohner demonstriert - nicht gerechnet die aus dem Umland herbeigeholten Demonstranten.

Eine solche Zahl wird wohl kaum einen Politiker hinter dem Ofen hervorlocken können.


seewolf antwortete am 29.03.04 (22:17):

Das Wort "Rentenlüge" gibt es seit dem Bundestagswahlkampf 1976.

Die Begründung dafür stand bereits damals in allen ernstzunehmenden Zeitungen.

Ein Volk, das nicht beizeiten bereit ist nachzudenken, kann ruhig als Rentner-Demo seine jahrzehntelang gehegten Nachtmützen-Fertigkeiten mit geschwungenen Stöcken beweisen :-)))


Karl antwortete am 29.03.04 (22:49):

@ Wolfgang,

"So folgsam oder sogar deppert", schade eigentlich, dass Du immer versuchst Hiebe auszuteilen. In der Sache hast Du zudem Unrecht. Was eigentlich möchtest Du an die Stelle einer Demokratie setzen? Ich wiederhole mich. Nichtwähler verhelfen gerade denjenigen an die Macht, die sie dort nicht sehen wollen. Soll ich sagen, wie ich sie finde? ;-)


BarbaraH antwortete am 29.03.04 (22:57):

guglielmo,

wolltest Du sagen: München hat 1,2 Mio RENTNER?

Warum sollten Kinder, junge Menschen, Arbeitnehmer... gegen die Kürzung der Renten demonstrieren? Selbst die Forderung, alle Rentner aus München hätten teilnehmen müssen, wäre wohl reichlich überzogen, da es unter ihnen sehr viele gibt, die nicht mehr mobil sind.


Wolfgang antwortete am 29.03.04 (23:23):

In der Sache habe ich nicht Unrecht, Karl... Zehntausende RentnerInnen sind heute tatsaechlich auf die Strassen gegangen (vgl. Link). Der Slogan, den ich zitierte, wurde tatsaechlich als Transparent mitgefuehrt. Und Menschen, die ihre Stimme nicht mehr nur abgeben, sondern erheben, gibt es tatsaechlich die Menge (Tendenz: stark steigend).

Ausserdem: Wie Du diese Menschen findest, ist denen wahrscheinlich voellig egal. :-)

Internet-Tipp: https://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID3156868_REF1_NAVSPM1,00.html


Karl antwortete am 29.03.04 (23:26):

@ Wolfgang,

in meinem Beitrag ging es um Wählen oder Nichtwählen und nicht um die Demo und deren Inhalte. Hattest Du wahrscheinlich schon verstanden.


Wolfgang antwortete am 29.03.04 (23:29):

Auch das ZDF meldet, dass massenhaft RentnerInnen heute gegen den Sozialabbau auf die Strasse gegangen sind. Es muss also was dran sein an meiner These, dass Menschen nicht mehr nur Stimmvieh sein wollen, ihre Stimme also nicht mehr nur abgeben wollen (wenn ueberhaupt), sondern ihre Stimme erheben.

ZDF-Heute - 29.03.2004
Rentner demonstrieren gegen Sozialabbau
Bundesweit Kundgebungen - Allein in Muenchen 25.000 Teilnehmer bei Demos
https://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/9/0,1367,POL-0-2115753,00.html

Internet-Tipp: https://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/9/0,1367,POL-0-2115753,00.html


Wolfgang antwortete am 29.03.04 (23:34):

In meinen Beitraegen ging es mir um beides - um Stimme abgeben und um Stimme erheben... Ich ueberlasse es den Menschen, wie sie das handhaben wollen. Mir ist das eine so recht wie das andere. Dein Sendungsbewusstsein habe ich eben nicht. Aber, sei sicher, Karl, ich vermisse das auch nicht. :-)))


julchen antwortete am 30.03.04 (07:50):

@ karl
zu Seewolf sagst Du
...Was eigentlich möchtest Du an die Stelle einer Demokratie setzen?...

Moeglicherweise... eine Demokratie die das Selbstwusstsein
ihrer Angehoerigen foerdert und nicht mit zuviel
Sozial-Leistungen, Verhaetschelungen und Staatlich
gegebener "Ansprueche" unterminiert und zerstoert?...
...aber trotzdem noch eine wirkliche Demokratie ist?....

...Vielleicht so wie das Deutschland, das ich kannte
vor 24 jahren?


Karl antwortete am 30.03.04 (08:14):

@ julchen,

nicht zu Seewolf, zu Wolfgang.


schorsch antwortete am 30.03.04 (08:47):

Wer es noch nicht begriffen hat, der lese: Die unbeteiligten, uninteressierten Jungen von heute sind die lamentierenden, protestierenden Rentner von morgen!


ricardo antwortete am 30.03.04 (08:48):

Also die Rentner, die jetzt auffe Straße gehen sind zwar menschlich zu verstehen, aber es ist doch sehr alterskurzsichtig, was sich da abspielt.
Wir Alten müssen froh sein, wenn wir nicht tiefer in der Gunst der Jungen absinken!
Und vor allem müssen wir überlegen, was wir selbst tun können, um möglichst Wenigen zur Last zu fallen.
Selbsthilfe und Ehrenamt sind angesagt, Sowie Vermögenswerte vernünftig anlegen.
Wesentlich mehr als zugegeben liegt auffe hohen Kante.
In Freiburg gibt es die Stiftungsverwaltung, bei der Menschen mit Vermögen und ohne Familie der Stadt zu sozialen Zwecken ihre Werte hinterlassen können.
Wenn die Alten sich auf ihre Pflichten und nicht zu sehr auf ihre Rechte berufen
dann is mir garnicht bange!
Ich selbst habe die Einzahlungen zu meiner Rente so gut wie aufgebraucht und lebe jetzt schon auf Kosten anderer.
Das sollte sich jeder mal ausrechnen wieviel er einbezahlt hat und wieviel Rente er verbraucht hat.
Da werden sich manche wundern! Vor allem diejenigen, die vorzeitig etwa aus Gesundheitsgründen in Rente gegangen sind.
Aber nicht nur die!!


guglielmo antwortete am 30.03.04 (10:30):

"Das sollte sich jeder mal ausrechnen wieviel er einbezahlt hat und wieviel Rente er verbraucht hat."

Das ist gar nicht so einfach, dafür müsste man die Zinseszinsberechnung beherrschen - oder hier im Internet nach Angeboten suchen (siehe unten).

Eine Zahl: Dm 100,--, 40 Jahre lang monatlich angespart, sind bei einem Zinssatz von 5% auf Dm 148.885 angewachsen.

Tatsächlich einbezahlt haben Viele von uns wesentlich mehr, und die lange Jahre anhaltende Hochzinsphase ist ebenfalls zu berücksichtigen. Nicht unrealistisch anzunehmen, daß so Mancher alleine auf diese Weise heute Dm-Millionär sein könnte.

Dafür, meine ich, darf man schon Ansprüche stellen, ohne als Sozialschädling diffamiert zu werden.


guglielmo antwortete am 30.03.04 (10:39):

Pardon, die vergessene URL liefere ich hier nach - es gibt bestimmt noch mehr Angebote dieser Art, aber die Mathematik sollte für alle gleich sein.

Internet-Tipp: https://www.vermoegensplan.de/Vermoegensplan.htm


rolf antwortete am 30.03.04 (11:22):

Außerdem ist auch der Arbeitgeberanteil zu berücksichtigen, denn ohne diesen hätte er einen höheren Lohn zahlen können.


Felix antwortete am 31.03.04 (00:57):

Beim Thema ging es ursprünglich um den Linksrutsch bei den letzten Wahlen in Frankreich .... und da fiel mir etwas auf, das ich nicht so einfach erklären kann. Das uns benachbarte Elsass bildete eine Ausnahme und wählte mehrheitlich rechts bürgerlich .... weshalb?
Spielt der Umstand eine Rolle, dass das Elsass zeitweise zu Deutschland gehörte und die elsässer Mundart mehrheitlich alemannisch klingt?


heinzdieter antwortete am 31.03.04 (13:27):

Endlich wird einmal ein Thema angesprochen, trotzdem es mit dem vorgegeben Thema nur im weitesten Sinne zu tun hat.
Ich lese eifrig die zur Diskussion vorgegebenen Themata und stelle fest es wird über alles diskutiert aber nur nicht über Probleme die uns Älteren berühren.
Wir sind doch alle von diesen unpopulären Maßnahmen der Bundesregierung betroffen. Ein jeder bekommt doch ein paar Euro weniger.
Nur sovieöl zum Thema: Wahlen in Frankreich.
Etwas sollte uns doch zudenken geben: die NF verzeichnet eine Stimmenzunahme


schorsch antwortete am 31.03.04 (21:30):

Es gibt eben die gescheiten Alten. Sie machen hier im ST mit. Und es gibt die dummen Alten. Sie lassen sich von Rattenfängern für deren Eigeninteressen einspannen.


Wolfgang antwortete am 01.04.04 (11:52):

Das linke Buendnis aus Sozialisten, Radikalsozialisten, Kommunisten und Gruenen holte bei dieser Regionalwahl mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen. In allen Regionen (ausser in Alsace, Felix hat es schon erwaehnt) regiert nunmehr die Linke.

Jede(r) wird seine eigene Lehre aus dieser Wahl ziehen... Meine Lehre: Wenn es eine wirkliche linke Alternative gibt (so, wie das in Frankreich der Fall ist), sind auch WaehlerInnen zu motivieren, zur Wahl zu gehen, die das bisher nicht taten und aus Protest zu Hause blieben.

Auf Deutschland bezogen: Da es hier keine wirkliche linke Alternative gibt, werden die Protestler (das sind vor allem die 'kleinen Leute', die vom Sozialklau am meisten betroffen sind) am Wahltag in grosser Zahl zu Hause bleiben. Das staerkt die Rechten.


Medea. antwortete am 01.04.04 (13:13):


Meinst du, Wolfgang, es müsse wieder so etwas wie eine DKP ins Leben gerufen werden, weil die vorhandene PdS doch nicht die richtige Vertreterin für die sogenannten "kleinen Leute" wäre? Sieht sie sich denn nicht als linke Alternative zu den etablierten Parteien?