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THEMA:   Volksentscheid in Sachen EU-Beitritt der Türkei?

 42 Antwort(en).

Medea. begann die Diskussion am 21.02.04 (08:52) mit folgendem Beitrag:

Nach einer ap-Meldung vom heutigen Tage lehnt die FDP-Spitzenkandidatin, Silvana Koch-Mehring, einen EU-Beitritt der Türkei ab. Sie fordert einen Volksentscheid darüber.
"So etwas darf nicht in Kungelrunden entschieden werden", sagte sie.


schorsch antwortete am 21.02.04 (10:06):

Frage: Welches Volk soll diesen Volksentscheid treffen?


mart antwortete am 21.02.04 (12:41):

lesenswert:


"Angst um Atatürks Erbe

Von Alexander Bürgin

"Argwöhnisch beobachten viele Türken den Versuch ihres Ministerpräsidenten Erdogan, mehr Religionsfreiheit zuzulassen. Sie fürchten eine schleichende Islamisierung des Staates. Eine EU-Mitgliedschaft, so die Hoffnung, würde dieser Entwicklung ein jähes Ende bereiten und den Weg zu einer nachhaltigen Demokratie ebnen."


Da die demokratischen Strukturen der EU ausgesprochen schwach sind, - kann man eigentlich hier von einer Demokratie und rechtsstaatlichen Grundsätzen sprechen?(gerade im Lichte der jüngsten Ereignisse um den Stabilitätspakt u. ähnl.) - wird es sicherlich zu keinen Volksbefragungen kommen.

Wurde auch bisher bei keinem der neuen Beitrittsländer durchgeführt - und man könnte hier mit Recht von einer Ungleichbehandlung der Türkei sprechen.

Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,284140,00.html


Medea. antwortete am 21.02.04 (12:51):

Um in Deutschland einen Volksentscheid durchzuführen, muß dafür eine Gesetzesgrundlage geschaffen werden. Die kann eingebracht werden, muß aber eine notwendige Mehrheit im Bundestag finden. Bisher sieht unsere Verfassung den Volksentscheid noch nicht vor - ich verstehe die Aussage von Frau Koch-Mehrin so, daß die FDP wohl ein solches Referandum ins Auge gefaßt hat.


Ursula_J antwortete am 21.02.04 (15:50):

Selbst wenn ein Volksentscheid möglich wäre, so können wir allein es doch nicht entscheiden.


Wolfgang antwortete am 21.02.04 (16:25):

In der Tat: Politisch sind EU-weite Volksentscheide derzeit wohl nicht durchsetzbar. Gaebe es dieses direkte demokratische Mittel, wuerde sogar ich mich zum Wahllokal bequemen.

Ich wuerde allerdings gegen einen schnellen Beitritt der Tuerkei stimmen (in anderen Themen habe ich das schon begruendet). Erst muss die tuerkische Regierung rechtsstaatliche Zustaende, die diesen anspruchsvollen Namen verdienen, nachweislich und ueber einen laengeren Zeitraum sicherstellen... Denn ich bin der Meinung, dass die EU fuer die Idee der Menschenrechte, fuer das sich darauf gruendende Recht und fuer den dafuer garantierenden Rechtsstaat stehen muss.


ricardo antwortete am 24.02.04 (21:51):

Laut einer Umfrage aktuell in NTV
von heute
Frage: Ist die Türkei reif für die EU?
antworteten nur 15% mit JA
und 85% mit NEIN.
Ob sich unser Kanzler mit seinem Wahlmanöver nicht getäuscht hat?


mart antwortete am 24.02.04 (22:06):

Wenn das dem Schröder nur nicht auf den Kopf fällt:

Schröder in der Türkei(in der FAZ.NET, 24.2.04)

"Am Anfang, vor der ersten Begegnung mit den türkischen Gastgebern, trägt Schröder noch die Miene abwartender Ungewißheit. Wie drastisch werden die Ansprüche Erdogans ausfallen, welche innenpolitische Resonanz wird deutscher Wille zum Entgegenkommen finden?
Während der zwei Tage verändert sich das anfangs sachlich kühl wirkende Verhältnis der beiden Regierungschefs in ein freundlich-distanziertes Einvernehmen.
Je stärker Schröder die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen als ein wahrscheinlich eintreffendes Datum verkündet, desto mehr nimmt Erdogan, seinem Gast auf diesem Wege folgend, die Verhandlungsaufnahme schon als gegeben an.

Hatte er in der ersten öffentlichen Äußerung noch festgestellt, die "kritische Phase" bei der Reform der Türkei nach dem Gebot der EU-Kriterien sei überwunden, so behauptete er seinem deutschen Gast gegenüber zu Mittag schon, die Türkei habe die Kriterien vor Verhandlungsbeginn ja schon erfüllt.

Abends dankte Erdogan Schröder dann schließlich schon beinahe in Vergangenheitsform dafür, daß "Deutschland eine wichtige Rolle gespielt hat, den Weg der Türkei zur EU-Mitgliedschaft zu ebnen"."


Karl antwortete am 25.02.04 (07:35):

Wieso wird Schröder schon wieder Wahltaktik unterstellt? Er hat seine Meinung doch nicht geändert. Wie Ricardo richtig wiedergibt, sind mit dieser Haltung kaum Wählerstimmen zu gewinnen.
Objektiv betrachtet ist es dann doch wohl eher Wahltaktik, wenn Frau Merkel von den Überzeugungen früherer CDU-geführter Regierungen abrückt und die Türkei nun plötzlich nicht mehr in der EU haben will.
In meinen Augen würden wir mit Frau Merkels und Stoibers Kurs in eine verhängnissvolle Zukunft steuern. Wir haben die Wahl Fronten auf oder abzubauen.
Wie bereits mehrfach hier in den Foren erwähnt, würde eine in den Westen voll integrierte Türkei m. E. eine Brücke für die Aussöhnung mit der islamischen Welt darstellen.
Wir können als Alternative natürlich auch beginnen, Mauern zu bauen.


mart antwortete am 25.02.04 (08:08):

Natürlich kann auch das ein Motiv sein kann. Immerhin sind ca. 80% aus dieser Soziätät Rot/Grünwähler.



Aber Umfragen liefern derzeit keine einheitliche Antwort - mal dominieren die Beitrittsbefürworter, mal bilden die Beitrittsgegner die Mehrheit.

Eine Umfrage von TNS Infratest für den "Spiegel" sieht dagegen die Beitrittsbefürworter in der Mehrheit. Demnach plädieren 54 Prozent für einen mittel- bis langfristigen EU-Beitritt, nur 37 Prozent lehnen ihn ab. Selbst unter den Anhängern der Union sprechen sich danach 55 Prozent für die Aufnahme der Türkei in die EU aus.

Glaubt man dagegen einer Umfrage des Essener Instituts für Türkeistudien, ist mit knapp zwei Dritteln der Befragten die klare Mehrheit der Deutschen für die mittelfristige Aufnahme - sofern das Land die Menschenrechte achtet und Rechtsstaatlichkeit garantiert.

Ich glaube allerdings, daß durch diese Methode die EU - und das ist nicht nur Schröder - in dieser heiklen Frage vor Tatsachen zu stellen, ist nicht gerade im Sinne der Gemeinschaft und der dazu gehörigen Staaten.

Mir kommt der Abschieddank von Erdogang an Schröder, der
praktisch in Vergangenheitsform sich dafür bedankt hat, daß "Deutschland eine wichtige Rolle gespielt hat, den Weg der Türkei zur EU-Mitgliedschaft zu ebnen".", vielleicht etwas verfrüht vor.

Mauern errichten zur Türkei? War davon hier irgendwo die Rede?
Du scheinst allerdings zu meinen, die Menschen, die Zweifel an der Richtigkeit dieses Wegs haben, haben eine Mauer vor dem Kopf.

Ich meine halt, warten wir ab, wie sich das mit den neu beigetretenen Kandidaten entwickelt.Und da sehe ich noch sehr viel Probleme auf die EU zukommen.


werner antwortete am 25.02.04 (08:18):

Einen Volksentscheid halte ich nicht für das geeignete Mittel - durchführbar oder nicht - allein aus dem Grund weil die Problematik in der Türkei den wenigsten bekannt ist. Interessante Fragen gibt es allerdings und ich habe auch keine Antwort darauf.
Einerseits ist es richtig aber auch leicht von unserer Seite Demokratie und Menschenrechte für die Türkei zu fordern. Andererseits gibt es auch in der Türkei die ungezügelte Ausbeutung der Bevölkerung welche diejenigen, die unter einer imaginären Armutsgrenze leben in die Arme der religiösen Radikalen treibt. Wenn die Türkei nun demokratisch in unserem Sinne wäre - und das soll ja eine Säule der Europäischen Gemeinschaft sein - und die Bevölkerung wählt eine orthodox religiöse Partei an die Regierung welche all die Werte durchsetzt, die im restlichen Europa abgelehnt werden da sie in unserem Verständnis ein Rückschritt für die Gleichberechtigung der Frau bedeuten - was dann? Bis jetzt konnte man sich auf das türkische Militär verlassen welches eine solche Regierung -aus anderen Gründen- nicht zulässt. Aber dann sind wieder die Demokratie und Menschenrechte in Gefahr. Algerien lässt grüssen. Ein Beitritt würde vermutlich die Demokratie in der Türkei stärken. Aber wer weiss das genau? Bei dieser Problematik ist meines Erachtens die finanzielle Seite sekundär obwohl hier auch noch einiges zu diskutieren wäre. Also ich persönlich weiss nicht ob ich für oder gegen einen Beitritt wäre. Das Herz sagt natürlich ja aber der Verstand hat sich noch nicht entschieden.


Medea. antwortete am 25.02.04 (09:09):

Werner, wenn Du Herz und Verstand entscheiden läßt, würdest Du die von Angela Merkel und anderen favorisierte privilegierte Mitgliedschaft Unterstützen - (die natürlich aus für Erdogan guten Gründen heraus abgelehnt wird)......
EU und Türkei passen nach meiner Auffassung zusammen wie zwei linke Latschen.


Medea. antwortete am 25.02.04 (12:00):

Selbst von Johannes Rau war zu vernehmen, daß er eine EU-Mitgliedschaft der Türkei für problematisch hält ....


heinzdieter antwortete am 25.02.04 (12:26):

Ich gehe davon aus, daß dies wieder ein Schachzug von Herrn Schröder ist, denn er spricht damit die in Hamburg lebenden Türken mit "Deutscher Staatsbürgerschaft" an.
Seine Kollegen in den noch restlichen 9 EU-Ländern,vertreten da eine wesentlich andere Auffassung.


BarbaraH antwortete am 25.02.04 (14:02):

Es gibt doch immer wieder etwas zu lachen, wenn man in den ST schaut:

Schröders Stärkung der Regierungsvertreter der Türkei, auf dem richtigen Weg zu einer Vollmitgliedschaft in der EU zu sein, als Inszenierung für die Hamburg-Wahl zu interpretieren....

Ganz schön aufwändig.... bei den leeren (Wahlkampf-)Kassen.... :-))))


linus antwortete am 25.02.04 (21:29):

Wenn die Türkei in die EU will, muß man die Völker der EU und die Türkei über Volksentscheid befragen. Falls alle die Türkei drinn haben wollen, aber die Türken nicht drinn sein wollen, bleiben sie drausen. Im umgekehrten Fall kommen sie nicht rein.

Die Durchsetzbarkeit ist als Argument nur dann angenommen, wenn wir es hier in der Runde durchsetzen müssen ... dann sollte jeder dazu seine Einschätzung geben... Ansonsten halte ich so ein Urteil für ein wenig überzeugendes Geschmacksurteil wie: Ich denke, dass ein europaweiter Volksentscheid nicht machbar ist ...


Medea. antwortete am 26.02.04 (07:05):

ap-Meldung vom heutigen Tage:

Die Mehrheit der Deutschen ist offenbar gegen eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union. Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins "Stern" und des Privatsenders RTL lehnen 57 Prozent der Bundesbürger einen EU-Beitritt ab, 38 Prozent der Befragten votierten dafür, fünf Prozent zeigten sich noch unentschlossen.
Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Silvana Koch-Mehrin, forderte erneut einen Volksentscheid in Deutschland zu dieser Frage. Die Erweiterung der EU habe bisher stets unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattgefunden, kritisierte sie.


linus antwortete am 26.02.04 (07:16):

@medea
danke - ich bin gegen den EU-Beitritt der Türkei, u.a. solange dort die Menschenrechte mißachtet werden.


Titus antwortete am 26.02.04 (11:16):

Warum wird nicht die Frage gestellt:
Warum bin ich für einen EU-Beitritt der Türkei,
warum bin ich dagegen?

Karls Position ist klar: "...... eine Brücke für eine Aussöhnung mit der islamischen Welt bedeuten."

Wie das? Leben wir im Streit mit der islamischen Welt?

Meine Meinung gegen den EU-Beitritt der Türkei ist leider nicht "ST-fähig"..........


Titus antwortete am 26.02.04 (11:19):

Ach, ja, noch etwas:

Eine Tag bevor Schröder in der Türkei ankam, wurde eine Abgeordnete des türkischen Parlaments für ein weiteres Jahr eingesperrt, weil sie für die Rechte der Kurden eingetreten war. Vor zehn Jahren, seit dem sitzt die Frau im Gefängnis.

Nur so viel zu den Menschenrechten in der Türkei.


Medea. antwortete am 26.02.04 (15:26):

Titus
"Meine Meinung gegen den EU-Beitritt der Türkei ist leider nicht 'ST-fähig' "....

Das glaube ich nicht - ST-fähig wird sie schon sein, aber vielleicht nicht ganz salonfähig? ;-))

'Jeder muß den Mut seiner Meinung haben' meinte Alexander von Humboldt .
Aber das ist wieder ein sehr weites Feld ... ;-))


BarbaraH antwortete am 26.02.04 (16:13):

Was meint ihr denn, wird die Führung der Türkei eher veranlassen, sich in ihrem Land für die Achtung von Menschenrechten und die Umsetzung von EU-Standards einzusetzen, wenn man ihnen am Ende des Entwicklungsprozesses eine Vollmitgliedschaft in der EU in Aussicht stellt oder wenn man ihnen sagt: als vollwertiges Mitglied werden wir euch in unserer EU sowieso nie akzeptieren?

Ein langer Weg der Entwicklung liegt noch vor ihnen. Es ist jedoch ein positiver. Die Türkei ist bereit, sich weiter in Richtung Achtung demokratischer Grundwerte zu bewegen. Wir sollten das anerkennen und die Politiker weiter Unterstützen, die sich dafür einsetzen.


mart antwortete am 26.02.04 (16:30):

Bis jetzt garantierte das Militär die Trennung von Staat und Religion. Der Einfluß des Militärs auf die Regierungspolitik soll lt. EU zurückgedrängt werden.

Na da warten wir einmal ab, wer sich dann durchsetzen wird.

Übrigens, welche Pläne hat die EU, falsch in der Türkei so wie in Österreich die "falsche" Regierung gewählt wird. Ebenfalls sogenannte "Sanktionen"? oder ein Schwanzeinziehen?
------

Über die Kosten eines Vollbeitritts gibt es folgende noch unveröffentliche Schätzung:

"Berlin (rpo). Ein Beitritt der Türkei zur Europäischen Union würde den Haushalt des Staatenbündnisses zum Kollabieren bringen.

Eine Mitgliedschaft, so berichtet die "Welt", wäre teurer als die gesamte Osterweiterung.
Die Zeitung beruft sich auf eine noch unveröffentlichte Studie des Münchner Osteuropa-Instituts.

Die ausführliche Untersuchung des Instituts, die am 1. März veröffentlicht werden soll, kommt demnach zu dem Schluss, dass die Aufnahme der Türkei zu "Nettotransfers von bis zu 14 Milliarden Euro" pro Jahr führen würde.

Wenn die EU-Agrar- und Regionalpolitik in ihrer bisherigen Form beibehalten würden, lägen die finanziellen Belastungen in dieser Größenordnung, schreibt die Zeitung.


Der Beitritt der Türkei würde dem Bericht zufolge zu höheren Kosten für die EU führen als die jetzige Erweiterung um zehn Länder Mittel- und Osteuropas. Vor allem die rückständige Landwirtschaft der Türkei würde demnach Milliarden-Subventionen der EU verschlingen.

Da das Pro-Kopf-Einkommen der Türkei nicht einmal ein Drittel des EU-Durchschnitts erreiche, hätte Ankara dem Bericht zufolge bei EU-Aufnahme Anrecht auf einen Großteil der Milliarden aus den europäischen Regional- und Strukturfonds.

Deutschland als größte Volkswirtschaft der EU müsste demnach knapp 22 Prozent dieser zusätzlichen Belastungen schultern. Das wären mehr als drei Milliarden Euro pro Jahr, die Berlin nach Brüssel zusätzlich überweisen müsste, berichtet "Die Welt"."

Internet-Tipp: https://makeashorterlink.com/?E2CE41887


Titus antwortete am 26.02.04 (17:24):

Nein, Medea, mit "nicht salonfähig" hat das nichts zu tun. Es geht darum, daß die Gefahren für uns in Deutschland und Europa nicht diskutiert werden dürfen, weil nicht sein kann, was nicht darf - frei nach Morgenstern.

Mit Geld oder Finanzierungen hat das nichts zu tun.


Karl antwortete am 26.02.04 (18:24):

@ Titus,

ich möchte Dir entschieden widersprechen. Deine Äußerungen finde ich diffamierend gegenüber dem ST. Es wird hier nicht geprüft, ob jemand gegen oder für den Beitritt der Türlei ist. Ich werde nur keine rassistischen Begründungen dafür oder dagegen gelten lassen. An anderer Stelle hast Du bekannt, dass es dein Problem sei, nicht zu wissen, was Rassismus wäre. Dann mache dich erst kundig und komme dann wieder.


Titus antwortete am 26.02.04 (22:53):

@Karl,

nun, ich habe mich ständig für den ST und nie dagegen ausgesprochen. Da Du alle Beiträge liest ist Dir das wohl bekannt. Von Diffamierung kann hier keine Rede sein.

Weder die Türken, noch deren Religion sind eine Rasse, bestenfalls könnte man den Begriff auf die unterschiedliche Farbigkeit der Weltbevölkerung anwenden, nur meine ich, daß es sich hier um ethnische Unterschiede handelt.

"Rasse", das sind alle Menschen dieser Erde, nämlich die menschliche Rasse, im Gegensatz zur Tierwelt und deren unterschiedliche Rassen.

Wenn ich hier zum Ausdruck brachte, daß ich meine Gründe zur Ablehnung des EU-Beitritts hier im ST nicht sagen darf, dann bezog ich das auf meine, Dir sicherlich bekannte Meinung (Bedrohung unserer westlichen Werte und unserer Demokratie durch hier in Europa und besonders in Deutschland den Ton angebenden islamischen Kräfte, die offen und ungestört in ihren Moscheen und Koranschulen gegen unsere Gesellschaft hetzen - das ist kein Geheimnis und sollte nach Deiner Definition dann wohl ein gegen uns gerichteter Rassismus sein).

Ich habe gefragt nach den Gründen der anderen BetragsverfasserInnen für eine Ablehnung eines EU-Betritts der Türkei. Ich meine, daß hier niemand "bloß so" - ohne Grund - seine/ihre Meinung gesagt hat.

Es muß und soll auch nicht geprüft werden, ob jemand gegen den EU-Beitritt ist, aber es muß doch erlaubt sein zu fragen, warum man gegen den Beitritt ist.

Ehrlich gesagt, ich verstehe Deine Argumente und Deinen Angriff gegen mich nicht. Ich habe Dir hierzu keine Veranlassung gegeben - meine ich.


dirgni antwortete am 26.02.04 (23:30):

Unabhängig von der EU-Reife und den wirtschaftlichen Aspekten wird (zumindest in meinem Umfeld) häufig die Frage gestellt, gehört die Türkei zu Europa?


mart antwortete am 27.02.04 (10:16):

Die Türkei verdient eine klare Antwort: Nein

VON MICHAEL FLEISCHHACKER (Die Presse) 06.11.2003

Europa sollte sich um eine eindeutige Position zur Türkei nicht drücken - und dennoch pragmatisch bleiben.


"Während die Befürworter eines türkischen Beitritts darauf hinweisen, dass es, bei allem Unbehagen, eigentlich gar kein Zurück mehr gebe, fordern die Gegner, endlich mit dem "Herumreden" Schluss zu machen und den Türken unmissverständlich klar zu machen, dass man zwar an speziellen Beziehungen, nicht aber an einer Mitgliedschaft interessiert sei.

Das "Zu spät"-Argument hat zunächst einiges für sich: Nachdem die Staats- und Regierungschefs der Union Ankara - bei Erfüllung der "Kopenhagener Kriterien" in Sachen Demokratie und Marktwirtschaft - formelle Beitrittsverhandlungen in Aussicht gestellt haben, würde ein definitives Nein die Zurücknahme einer Zusage bedeuten. Das wäre ein politisches Signal, dessen Auswirkungen auf die politische Stabilität der europäischen Südostflanke schwer auszurechnen sind.

Was, wenn nach einem endgültigen "Nein" der Europäer die gemäßigten Islamisten keinen Grund mehr zur Mäßigung sähen?

Dann hätte es die Nato an ihrer sicherheitspolitisch sensibelsten Stelle mit einer islamischen Republik zu tun oder aber mit einem Staat, dessen laizistische Ausrichtung sich nur durch die Macht der Militärs aufrecht erhalten ließe. Durch eben jenes System also, das viele Gegner eines türkischen Beitritts als Haupthindernis für die Mitgliedschaft ins Treffen führen.

Das riecht in der Tat ein wenig nach Zynismus.

Abgesehen davon, dass Europa sich zugleich eine Chance entgehen ließe, die der Bundestagsabgeordnete und ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz Mitte September in der Süddeutschen Zeitung angesprochen hat. "Eine Mitgliedschaft der Türkei", schrieb Polenz, "würde aller Welt deutlich machen: Europa will keinen Kampf der Kulturen."

Die Schwäche dieses an sich sympathischen Ansatzes - wer wäre schon dagegen, den "Kampf der Kulturen" zu verhindern? - offenbart sich in der Umkehrung der Fragestellung:

Würde eine Ablehnung des türkischen Beitritts also den Kampf der Kulturen anheizen? Hinter dieser moralisierenden Sicht auf die Erweiterungsdebatte verbirgt sich eine eminente Gefahr:

Wer meint, es bestünde aus Gründen der politischen Korrektheit ein Aufnahmezwang, stellt den Gedanken der Union an sich in Frage.

Im Zentrum der Ablehnung steht das "kulturelle Argument", das besagt, dass die Türkei von seiner religiösen und kulturellen Tradition her nicht zu Europa gehöre.

Es fußt zwar "nur" auf einem nicht präzise ausformulierten Unbehagen - und es dient Populisten zur Bemäntelung xenophober Reflexe.

Dennoch ist es, streng genommen das einzige, mit dem sich die definitive Ablehnung eines türkischen EU-Beitritts begründen lässt: Alle anderen Hindernisse, auch der unzureichenden Status der demokratiepolitischen Standards, sind eine Frage der Zeit.


So kommt es, dass sich die "kulturellen" Gegner des türkischen EU-Beitritts und Ministerpräsident Erdogan einig sind: Die offiziellen Gründe für die Verzögerung der Beitrittsverhandlungen - im jüngsten Fortschrittsbericht wird vor allem Ankaras Zypern-Politik angesprochen - sind "Ausreden."


Die EU ist, angesichts der kulturel len Heterogenität, die sich in der Debatte um die Wertebasis der europäischen Verfassung zeigt, dennoch gut beraten, pragmatisch zu argumentieren.

Das schließt Eindeutigkeit nicht aus.
Der Pragmatiker fragt nicht nach Identität und Religion, er wägt Risiken ab:

Das Risiko der Ablehnung besteht in einer instabilen Türkei. Das Risiko halbherziger Verhandlungen besteht in einer instabilen Türkei und einer - infolge ihrer offensichtlichen Überforderung - instabilen Union.

Die Antwort lautet also: "Nein"."

Internet-Tipp: https://makeashorterlink.com/?T17625B87


Wolfgang antwortete am 27.02.04 (10:49):

Es besteht natuerlich kein Aufnahmezwang... Ich selbst bin aktuell gegen eine Aufnahme der Tuerkei (ich habe das in anderen Beitraegen wiederholt mit dem nicht ausreichenden Rechtsstandard und der dort praktizierten Folter begruendet). Aber, keine Frage: Die Tuerkei ist aus vielerlei Gruenden europaeisch im besten Sinne. Das schlagendste Argument: Die meisten TuerkInnen sagen heute von sich, dass sie Europaer und nicht Asiaten seien.

Was ich feststelle (auch hier in den Foren), ist eine diffuse Angst vor 'dem' Islam und 'den' Muslimen... Ich halte die fuer eine Hybris, gezuechtet im sogenannten 'Krieg der Kulturen' (das ist die passende Ideologie zum Krieg ums Oel). Mit Leuten, die diese Hybris verbreiten, moechte ich nichts zu tun haben. Sie sind ein Problem und die Ursache dafuer, dass es der Tuerkei uebermaessig schwer gemacht wird, EU-Land zu werden.

Ein wenig mehr Mut zur Vernunft taete den ueber alle Massen Aengstlichen unter uns gut. Damit die Tuerkei schnell EU-Land werden kann. Denn die Bemuehungen der Verantwortlichen in der Tuerkei sind offensichtlich. :-)


Sofia204 antwortete am 27.02.04 (14:46):

oh ihr Ängstlichen, haltet euch nicht zurück
im Jammern euerer Gefühligkeiten,
solidarisiert euch alltags weiterhin
auf daß dem Vorrecht nichts genommen wird


mart antwortete am 27.02.04 (15:24):

<<solidarisiert euch alltags weiterhin
auf daß dem Vorrecht nichts genommen wird<<

Es ist denn Staaten unbenommen einen Staatenverbund zu bilden und diejenigen aufzunehmen, die sie wollen.

Welches Vorrecht meinst du sofia? Das Vorrecht, Souveränität abzugeben und die Mehrzahl der Gesetze in Brüssel machen zu lassen.

Das Vorrecht zu zahlen?, das Vorrecht, keine Kontrolle über den Verkehr, über die exorbitanten Spesen unserer EU Vertreter und den Brüssler Subventionsdschungel und -mißbrauch zu haben.

Oder welches anderes Vorrecht meinst du? Das Vorrecht zu einem Bündnis zu gehören, indem zunehmend mehr ein Triumvirat tonangebend ist und die Gesetze so auslegt, wie es ihm paßt.

Weißt Du eigentlich, wie niedrig die Begeisterung für die EU inzwischen in vielen Staaten ist?

Begreift die Türkei, daß nach Beitritt in die EU die Mehrzahl der Gesetze in Brüssel gemacht werden.

Übrigends vom arabischen Staatenbund hört man schon lange nichts mehr - warum eigentlich nicht?


Sofia204 antwortete am 27.02.04 (16:55):

Das Vorrecht des Habenden
und das Vorrecht des Habenwollenden
reichen sich die Hand und
machen daraus das Recht des Habens,
während das Soll die Korruption ernährt,
und es versteht sich, daß die Türkei
europäischer ist als asiatisch,
und das könnten auch mehrere Andere sein


Medea. antwortete am 28.02.04 (00:19):

Sophia, leider ist mir das zu sybillisch ....

Ich stimme wie mart für ein klares Nein - und diffuse Ängste sind darin wirklich nicht enthalten.

Die Alternative wäre nach wie vor eine privilegierte Partnerschaft - warum wehrt sich die Türkei wohl so sehr dagegen? Weiß das jemand?


mart antwortete am 28.02.04 (01:41):

Ich habe nur folgendes gefunden:

<<Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Hakki Keskin,
hat sich empört über die Türkeipolitik der Union geäußert. Der Vorschlag von
CDU-Chefin Angela Merkel, der Türkei statt einer EU-Mitgliedschaft eine
privilegierte Partnerschaft anzubieten, sei eine "große Unverschämtheit",
sagte Keskin der in Hannover erscheinenden Zeitung "Neuen Presse". Die
Türkei sei seit fast 40 Jahren der EU assoziiert, warum solle sie "etwas
anderes akzeptieren, als alle anderen EU-Mitglieder?"<<

-----

Demnach gibt es also die EU schon 40 Jahre!


jeanny antwortete am 28.02.04 (09:26):

meine freundin A.L.ist seit vielen jahren
europaparlementarier.(luxemburg hat 6 mitglieder)

als ich sie vor einigen monaten fragte,ob die
türkei mitglied der Eu werden wird,antwortete sie mir:
jeannchen,das werden wir beide nicht mehr erleben.

hoffentlich behält sie recht.für sie und für mich
kommt auch nur eine priviligierte partnerschaft in frage.


BarbaraH antwortete am 28.02.04 (10:49):

In einem Artikel der Frankfurter Rundschau von heute gibt Alaton, der Gründer und Aufsichtsratschef der Alarko-Holding, eines der größten Konglomerate der Türkei, zu bedenken:

>>Auch mit der Umsetzung der jüngst verabschiedeten Reformen hapere es noch, gesteht Alaton. Gerade deswegen aber hält er den Zeitpunkt für gekommen, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen: "Wir brauchen den Kontakt, um unser Land weiter an die EU heranzuführen.". Wann der Beitritt besiegelt werden könne, darüber will Alaton nicht spekulieren. "Auf dem Weg zu sein ist wichtiger als anzukommen."

Internet-Tipp:
Frankfurter Rundschau vom 28.02.04
Türkische Unternehmen setzen auf Europäische Union
VON GERD HÖHLER
https://www.frankfurter-rundschau.de/ressorts/wirtschaft_
und_boerse/wirtschaft/?sid=06e2378fd780ae079e3bd74ab6e0b3df&cnt=395768

Internet-Tipp: https://makeashorterlink.com/?D27712E87


BarbaraH antwortete am 08.03.04 (19:31):

Ein weiterer interessanter Artikel ist heute in der Frankfurter Rundschau zu lesen, in dem HERFRIED MÜNKLER begründet, warum ein EU-Beitritt der Türkei in unserem Interesse liegt:

Ein Heraushalten ist nicht mehr möglich
Es wird keinen Puffer zwischen Europa und der islamischen Welt geben: Weshalb der EU-Beitritt der Türkei in unserem Interesse liegt
https://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/debatte/?cnt=400384

Internet-Tipp: https://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/debatte/?cnt=400384


mart antwortete am 08.03.04 (22:34):

Ja ein sehr interessanter, differenzierender Standpunkt!


Nur hat Herfried Münkler vor einem Jahr das Gegenteilige in einem Interview gesagt:

"Ja. Mit der Türkei hätte man als Europäische Union ja tatsächlich eine Grenze zum Irak, aber auch zu Syrien. Die Probleme des vorderen Orient tangieren die Europäer geopolitisch in ganz anderer Weise als die USA.

Aber das kann man sich ernstlich überhaupt erst auf die Schulter laden, wenn man sich vom politischen Willen, gegebenenfalls aber auch von den gemeinsamen militärischen Kapazitäten in der Lage sieht, sich dieses Problem aufzuhalsen.

In der gegenwärtigen Situation kann man den Europäern dazu nur abraten.
Weil das Ergebnis einer Selbstüberforderung dann doch nur ist, dass das, was an Integration geschafft wurde, unter einem solchen Problemdruck wieder rückgängig gemacht wird. Das beobachten wir ja gegenwärtig."


Medea. antwortete am 11.03.04 (11:33):

dpa vom heutigen Tage:

In der Türkei wird nach Aussage des Menschenrechtsvereins IHD nach wie vor systematisch gefoltert.
Die Regierung geben dem internationalen Druck formal nach, doch am autoritären und undemokratischen Staatsverständnis der Behörden habe sich nichts geändert, sagte die IHD-Vertreterin Reyhan Yalcindag in Berlin.
Darunter litten besonders politisch und gesellschaftlich aktive Frauen. Sie würden von Zivilpolizisten in Autos entführt und mit verbundenen Augen sexuell mißbraucht.


BarbaraH antwortete am 11.03.04 (13:34):

Medea,

der Weg ist das Ziel....
Welche Konsequenzen hätte Deine Alternative?

https://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/debatte/?cnt=400384

Internet-Tipp: https://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/debatte/?cnt=400384


mart antwortete am 11.03.04 (15:57):

Vielleicht könnte diese Frage heute gestellt werden:

11.03. 19:00

Vortrag von Reyhan Yalcindag, türkische Rechtsanwältin und stellvertretende Vorsitzende des türkischen Menschenrechtsvereins \"IHD\". Mit Diskussion. Eine Veranstaltung von ai, Hinbun e. V. und der Evangelischen Akademie Berlin Französischer Dom


mart antwortete am 11.03.04 (16:02):

Ach BarbaraH,

Dieser Link mit der Meinung des Herrn Herfried Münkler
ist interessant, aber noch mehr würde mich interessieren, wie er seinen Sinneswandel innerhalb eines Jahres erklärt:

Vor einem Jahr äußerte er sich folgendermaßen:

"Ja. Mit der Türkei hätte man als Europäische Union ja tatsächlich eine Grenze zum Irak, aber auch zu Syrien. Die Probleme des vorderen Orient tangieren die Europäer geopolitisch in ganz anderer Weise als die USA.

Aber das kann man sich ernstlich überhaupt erst auf die Schulter laden, wenn man sich vom politischen Willen, gegebenenfalls aber auch von den gemeinsamen militärischen Kapazitäten in der Lage sieht, sich dieses Problem aufzuhalsen.

In der gegenwärtigen Situation kann man den Europäern dazu nur abraten.
Weil das Ergebnis einer Selbstüberforderung dann doch nur ist, dass das, was an Integration geschafft wurde, unter einem solchen Problemdruck wieder rückgängig gemacht wird. Das beobachten wir ja gegenwärtig."

Was hat sich innerhalb dieses Jahres so gewaltig geändert, daß die Fahne jetzt anders weht? - frage ich mich mal.-)


mart antwortete am 11.03.04 (18:12):

Attentat auf Freimaurer in Istanbul


"Bei einem Selbstmordanschlag werden zwei Menschen getötet und fünf weitere verletzt. Die Täter, vermutlich Trittbrettfahrer von al-Qaida, riefen religiöse und politische Parolen. Islamisten sehen in den Logenbrüdern Freunde Israels und der USA"

"juden, schwule ö und jetzt freimaurer:
Hass auf die Moderne
Zwei Männer liefen in einem Istanbuler Freimaurerhaus Amok. "Nieder mit der israelischen Loge!", riefen sie. Das zeigt: Auch Freimaurer sind seit jeher Objekt antisemitischen Wahns.

"Es ist völlig gleich, welches Verhältnis diese Istanbuler Freimaurerloge zu Israel hat: Faschisten aller Couleur, waren und sind es Nazis oder Islamisten vom Zuschnitt al-Qaidas, fantasierten für ihren antisemitischen Wahn immer diese Trias. Dass die Welt - sie meinen die westliche Welt - krank ist, weil in ihr nur noch Juden und Schwule und Freimaurer die Geschicke bestimmen."

Internet-Tipp: https://www.taz.de/pt/2004/03/11/a0174.nf/text.ges,1