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THEMA: Der Maybach in Indien?
15 Antwort(en).
Karl
begann die Diskussion am 10.02.04 (20:40) mit folgendem Beitrag:
DaimlerChrysler will den Maybach in Indien für eben mal 50 Millionen Rupien (870.000 Euro) verkaufen. Ich war in den
80er Jahren in Goa und Bombay und diese Meldung will so gar nicht zu dem Bild passen, das ich damals gewonnen habe.
Allerdings - dies ist inzwischen 20 Jahre her. Offensichtlich hat sich eine superreiche Oberschicht gebildet, die DaimlerChrysler
jetzt ansprechen will. Wer kennt sich besser in Indien aus als ich, vor allem wer war in jüngerer Zeit einmal dort?
Mir drängt sich das Bild auf, Maybachs auf Strassen, an deren Rand Menschen in Pappkartons hausen.
Was läuft eigentlich
schief, läuft etwas schief, wenn die Unterschiede zwischen Arm und Reich ins Unermessliche steigen?
Wer
ist pervers, der Käufer oder der Verkäufer und Hersteller solcher Karossen? Ist es zu tadeln oder eben einfach
nur Ausdruck von Angebot und Nachfrage? Ich jedenfalls habe kein gutes Gefühl, wenn wir solchen Luxus exportieren
anstatt Güter herstellen, die Menschen benötigen. Benötigen heutige Reiche Maybachs zur Machtdemonstration
sowie die Erzbischöfe und fürsten vergangener Zeiten ihre Residenzen und Schlösser?
Internet-Tipp: https://www.n-tv.de/5213196.html
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Wolfgang
antwortete am 10.02.04 (21:31):
Eine kleine Korrektur moechte ich anbringen, Karl... Es sind ja nicht "WIR", die solchen Luxus exportieren, sondern es sind ziemlich wenig Menschen, die darueber entscheiden, was produziert wird, wie und wo etwas produziert wird, und wohin das dann exportiert wird.
Diese wenigen Menschen, die das entscheiden, lassen u. a. 'Maybachs' exportieren, weil 'Maybachs' ihnen Mittel zum Zweck sind. Andere exportieren anderes, ebenfalls weil das von ihnen Produzierte Mittel zum Zweck ist. Der Zweck ist nicht der Konsum, sondern der per Verkauf realisierte Profit. Menschen, die verantwortlich 'Maybachs' in die Welt setzen, interessiert es nicht, was arme Menschen benoetigen. Warum auch ? Ihr Steuerungsinstrument ist der Markt. Ein anderes Steuerungsinstrument gibt es nicht in einer kapitalistischen Volkswirtschaft. Der Markt aber hat keine wie immer geartete Moral oder Absicht.
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Karl
antwortete am 10.02.04 (22:23):
Nun, zumindest in der Theorie haben wir in der BRD keinen reinen Kapitalismus, sondern soziale Marktwirtschaft. Fragt sich, ob die internationalen Grosskonzerne das noch wissen - gebunden fühlen sie sich sicher nicht daran. Wenn nur der Markt entscheidet, dann werden wir Menschen irgendwann völlig wegrationalisiert. Da der Mensch aus der Produktion schon weitgehend verdrängt ist, warte ich nur noch darauf, dass Maschinen beginnen ihre eigenen Bedürfnisse zu entwickeln und selbsttätig Bestellungen aufgeben, dann bräuchte es die Menschen auch nicht mehr als Verbraucher.
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wanda
antwortete am 11.02.04 (08:00):
Ich war 96 das letzte Mal in Indien. In Delhi und dort im Kashoggi wurden wir (mein Mann und ich) zu einer "Wahnsinns-Hochzeit" eingeladen, und zwar vom Brautvater, der auch dort logierte. Dadurch gewann ich den Eindruck, dass die Wohlhabenden Indiens, die schon seit Generationen wohlhabend sind, nun anfangen ihren Wohlstand zu leben. Also, die jüngere Generation gibt das vorhandene Geld eher aus, als die ältere. Im Laufe dieser Reise erfuhren wir auch, dass es Glück bringt, auf der Hochzeit Europäer zu haben, und da konnten wir uns erklären, warum wir eingeladen waren. Ansonsten bin ich genau der Ansicht wie Karl. Aber Wirtschaft ist Wirtschaft und Geschäfte sind Geschäfte, so ist das eben.
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schorsch
antwortete am 11.02.04 (10:18):
Es gibt Leute, die würden dem ärgsten Feind ihrer Grossmutter eine Pistole verkaufen. Auch wenn sie genau wüssten, dass der Käufer damit die Grossmutter umbringen will!
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Wolfgang
antwortete am 11.02.04 (11:59):
Es gibt drollige Vorstellungen, wie sich ein Unternehmer zu verhalten habe... WILHELM RIEGER, einer der aelteren Oekonomen, dessen Werk ich verehre, hat die gegenueber frueheren Zeiten dramatischen Veraenderungen der wirtschaftlichen Welt und der Unternehmungen und der Unternehmer in seinem Buch "Einfuehrung in die Privatwirtschaftslehre" (Nuernberg, 1928) schon sehr frueh beschrieben:
"Die Unternehmung ist eine Veranstaltung zur Erzielung von Geldeinkommen - hier Gewinn genannt - durch Betaetigung im Wirtschaftsleben. Wenn wir also von einem Zweck der Unternehmung reden, so kann es nur dieser sein, Gewinn zu erzielen, und zwar fuer den Unternehmer. Die Aufgabe oder Taetigkeit [...] ist für sie oder besser für die Unternehmer ausschliesslich Mittel zum Zweck."
Und weiter:
"Dass eine Unternehmung sich als Aufgabe die Versorgung des Marktes setzt, ist eine ganz unmoegliche Vorstellung. [...] Man ist versucht, zu sagen: Die Unternehmung kann es leider nicht verhindern, dass sie im Verfolg ihres Strebens nach Gewinn den Markt versorgen muss."
So weit Herr RIEGER... 'Maybachs' - wie alle anderen angeblich nuetzlichen oder angeblich unnuetzen Gueter - sind also Mittel zum Zweck. Wer meint, es gehe vorrangig um Gueter oder sogar um 'nuetzliche' Gueter und um die Versorgung der Menschen mit denselben, hat das System "Kapitalismus" nicht begriffen. - Wer soll uebrigens entscheiden, welche Gueter nuetzlich sind und welche nicht? ;-)
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hugo1
antwortete am 11.02.04 (12:22):
in Bombay soll es mehr Millionäre als in Manhatten geben. Auch Superreiche die sich ganze Nobelkarossensammlungen anschaffen- fast so wie einige arabische Scheichs, die hunderte bis tausende Rennkamele nebenbei halten und keines kostet unter 100000 Euro. Wo viel Schatten (Armut)ist, gibts meistens auch viel Licht (Reichtum). Wer hätte noch vor 10 Jahren geglaubt, das es Superreiche Kenianer gibt, oder das eine Unmenge unserer hiesigen Luxusautos in die Nachfolgestaaten der Sowjetunion (nicht nur illegal) exportiert werden. Schon der Gegenwert einiger weniger indischer Prachtbauten würden für 100 gegenwärtige Jahresproduktionen des Maibach ausreichen.
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BarbaraH
antwortete am 11.02.04 (13:25):
Luxusautos auf den Straßen und in Pappkartons oder Hauseingängen lebende Menschen gibt es nicht nur in Indien. Selbst in den ärmsten Ländern unserer Erde gibt es eine Schicht von reichen und superreichen Menschen.
Marschieren wir in Deutschland weiter auf dem Weg der Sprechblasen-Politik, deren Hauptaugenmerk der "Verkaufe" der Unternehmensinteressen dient, dann brauchen wir bald nicht mehr bis nach Indien zu schauen, um ein derartiges Phänomen zu betrachten. Die Anfänge dieser Entwicklung sind bereits heute zu erkennen.
>>Wer ist pervers, der Käufer oder der Verkäufer und Hersteller solcher Karossen?<<
Ich denke, keiner der genannten. Das System des ungezügelten Kapitalismus an sich ist pervers.
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Roalf
antwortete am 11.02.04 (16:32):
Wenn jemand einen Maybach kaufen möchte...soll man ihm den dann mit dem Hinweis nicht verkaufen , dass es in seinem Land nicht "angemessen" ist einen solch zu fahren?
Wenn ja...wo hört es auf? Dürfen keine Pralinen in Länder verkauft werden, wo viele Menschen hungern?
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mart
antwortete am 11.02.04 (16:43):
Opportunismus, Korruption, Lüge: Gräfin Dönhoffs Mahnung, dass die Gesellschaft ohne Moral nicht leben kann, ist aktueller denn je. Eine Liberale Standpauke für den Neoliberalismus in den beiden sehr empfehlenswerten Büchern:
"Zivilisiert den Kapitalismus" und "Macht und Moral"
Jede Gesellschaft ohne einen Minimalkonsens und ein Mindestmaß an Bindungen, Spielregeln, Tradition und ethischen Normen werde zerbröseln und "unser Gemeinwesen werde genauso zusammenbrechen wie vor kurzem das sozialistische System", prophezeit Frau Dönhoff.
"Niemand könne bestreiten, daß das Marktsystem in seiner Effizienz von keinem anderen Wirtschaftssytem übertroffen werde. Wenn der Markt aber kritiklos idealisiert werde und keine ethischen Grenzen mehr kenne, entarte das Ganze zum catch-as-catch-can. Der Egoismus mache dann vor nichts mehr halt, unterminiere durch zunehmende Brutalität und Korruption die sittliche Grundlage der Gemeinschaft und münde letzten Endes in den "Ruf nach dem starken Mann" bzw. in den Totalitarismus.
"Die neoliberale Vorstellung vom Menschen als "homo oeconomicus", der streng rational seinen Vorteil kalkuliert und seinen Nutzen präzis maximiert, ist für Frau Dönhoff ebenso inhuman wie "der totale Positivismus, der sich nur mit der Oberfläche der Dinge beschäftigt". Der Mensch könne nicht auf Dauer ohne Metaphysik und transzendentale Bindungen leben. Sie möchte jedenfalls nicht in einer "Raffgesellschaft" leben, in der das Einkommen das Maß aller Dinge bildet.
"Bei ihrer Standpauke für die radikalen Verfechter der Marktwirtschaft vermeidet Frau Dönhoff die gängigen Begriffe "Neoliberalismus" bzw. "neoliberal", als wolle sie damit zum Ausdruck bringen, wie entfernt deren Ansichten von dem sind, was sie unter Liberalismus versteht. Sie benutzt stattdessen Umschreibungen wie: "Heute ist man damit beschäftigt, das Ideal der Marktwirtschaft auf den Kaminsims der Nation zu stellen, dorthin, wo bisher im Osten die Götzen Marx und Lenin standen." Oder sie verweist darauf, daß schon Adam Smith als Stammvater des Liberalismus seine Theorie keineswegs "so simpel positivistisch" gemeint habe, sondern ethische Bindungen für ganz selbstverständlich gehalten habe.
Die zunehmende Brutalisierung unserer Gesellschaft und das Umsichgreifen der Korruption sind zwei besonders hervorstechende Punkte, die es Frau Dönhoff notwendig erscheinen lassen, den Kapitalismus zu "zivilisieren". Ihr Unbehagen an der Borniertheit einer rein marktwirtschaftlichen Sichtweise verwandelt sich mitunter in heiligen Zorn über den Krämergeist, der im Tempel des Liberalismus seine kleinkarierten Geschäfte betreibt. In ihrer Kritik schwingt auch viel Preußisch-Protestantisches im besten Sinne mit."
Internet-Tipp: https://uleuschner.bei.t-online.de/rezensionen/rk9712globalkapital.htm
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Wolfgang
antwortete am 11.02.04 (17:21):
Die Klagen ueber einen ungebaendigten Kapitalismus sind Legion. Die Frage ist aber: WIE kann der Kapitalismus gebaendigt werden ? Lustig ist die Vorstellung, 'Preussisch-protestantisches' (was immer das ist) koenne das bewerkstelligen. :-)
Ist es nicht vielmehr so, dass der entwickelte Kapitalismus in seiner hoechsten Form, dem mittlerweile globalisierten Imperialismus, zur vorherrschenden bestimmenden Wirtschaftsordnung geworden ist ?
Doch, keine Panik,, es ist Land in Sicht: Widerstandsbewegungen (in aller Regel sind das Widerstandsbewegungen aus der sogenannten '3. Welt') gegen den globalisierten Imperialismus entstanden und werden von Tag zu Tag staerker. Schlechte Zeiten fuer Imperialisten... Schlechte Zeiten aber auch fuer Moralisierer, die meinen, das Problem waeren von Indern gefahrene 'Maybachs'. *fg*
Internet-Tipp: https://www.ecofreak.de/inhalt.html
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Karl
antwortete am 11.02.04 (22:55):
Ich denke, dass der Kapitalismus in der frühen BRD,
gebändigt als soziale Marktwirtschaft den meisten Bürgern Gutes getan hat.
Das Problem besteht nicht darin, dass dem Kapitalismus prinzipiell keine Zügel angelegt werden könnten,
sondern in dem enormen Entwicklungsvorsprung der internationalen Konzerne vor den politischen Strukturen.
Internationale Konzerne nützen die politischen Lücken (Nischen) aus, die vorhanden sind.
Da wir keine Weltregierung und einheitliche Gesetzgebung haben, sondern nur eine schwache UNO gibt
es keine soziale Marktwirtschaft weltweit. Dabei wäre m. E. ein Kompromiß zwischen Kapitalismus und
sozialer Verantwortung durchaus möglich und nötig. Wir wissen, dass der reine
Kapitalismus unmenschlich wird und dass umgekehrt der Kommunismus zur Erlahmung des Unternehmertums und
zur Verarmung der Massen führt. Ich denke, dass der sozial gezügelte Kapitalismus möglich ist,
dazu bedarf es heute aber einer gobal organisierten Politik, die fehlt.
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Wolfgang
antwortete am 11.02.04 (23:24):
Du sagst es, Karl... ich glaube allerdings nicht, dass die vom globalisierten Imperialismus, der hoechsten Form des Kapitalismus, am meisten ausgebeuteten und unterdrueckten Menschen so lange warten werden, bis es diese ominoese 'global organisierte Politik' gibt. Diese Menschen wollen naemlich nicht bis auf den St.-Nimmerleins-Tag warten. Sie tun jetzt schon und recht erfolgreich was. Sie sind so erfolgreich, dass die BUSH-Krieger, die Fuehrungsmaechtigen des globalisierten Imperialismus, ihnen nur noch mit Soldaten und Krieg beikommen koennen.
Es gibt also Hoffnung, dass es bald aus sein wird mit dem ungezuegelten Kapitalismus. :-)
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BarbaraH
antwortete am 11.02.04 (23:41):
Passend zur Diskussion ist heute folgender Artikel von Thomas Pogge in der Frankfurter Rundschau zu lesen:
>>Eine Frage des Willens Die Massenarmut in den Ländern des Südens ist nicht einfach Schicksal, sondern Konsequenz der gegenwärtigen Ordnung der Welt (.....) Wir haben die Welt unseren Interessen gemäß eingerichtet, und es ist völlig klar, dass der Großteil der heutigen Armut durch eine gerechtere Weltordnung vermeidbar wäre. Somit tragen wir zur Weltarmut nicht nur passiv (durch Hilfsverweigerung) bei, sondern auch aktiv: Durch die Aufrechterhaltung einer ungerechten Weltordnung, die - vorhersehbar und vermeidbar - das unvorstellbare Elend der armen Hälfte der Menschheit reproduziert.<< https://www.frankfurter-rundschau.de/ressorts/nachrichten_und_politik/standpunkte/
Internet-Tipp: https://www.frankfurter-rundschau.de/ressorts/nachrichten_und_politik/standpunkte/
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Karl
antwortete am 12.02.04 (06:40):
@ mart,
verrutschen Beitrag wunschgemäß gelöscht. Ich würde mich freuen, wenn Du ihn beim richtigen Thema platzierst!
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schorsch
antwortete am 12.02.04 (08:58):
Ist euch auch schon aufgefallen, wie nahe sich die Wörter "Kapitalismus" und "Kanibalismus" sind?
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