"Gäbe es nicht eine weitgehende Vorverurteilung Milosevic's in der europäischen Öffentlichkeit, würden die schwerwiegenden rechtsstaatlichen Defizite des Tribunals schon lange die Forderung nach Aussetzung des Verfahrens und Neugründung des Gerichts hervorgerufen haben.
Der Verdacht ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass die NATO-Staaten den Prozess benutzen, um nachträglich die immer noch bestrittene Legitimation ihrer Bombardierung Jugoslawiens zu festigen. Ob unter diesen Umständen eine unanfechtbare Klärung der Tatbestände der Verbrechen unabhängig von der interessierten Propaganda der Tribunalmächte erwartet werden kann, ist sehr zweifelhaft. Da der Prozess jedoch seinen Fortgang nehmen wird, ist er - unabhängig von seinem Ausgang - als ein Menetekel, als warnendes Beispiel für die Abwege einer Strafjustiz zu nehmen, die eher der Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln dient als der Sicherung des internationalen Friedens. Dieses Ziel darf jedoch darüber nicht aus den Augen verloren werden. Nur wenn der zukünftige Weltstrafgerichtshof die Fehler vermeidet, die dem Jugoslawientribunal von den NATO-Staaten aufgezwungen wurden, kann er das Vermächtnis der Nürnberger Prozesse antreten."