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THEMA:   kaum zu glauben

 11 Antwort(en).

cilia begann die Diskussion am 02.01.04 (19:07) mit folgendem Beitrag:

der kleine Bruder muckt auf- ein etwas gekürzter Artikel aus der FAZ
Österreich, Du hast es besser
Österreicher wechseln deutlich häufiger ihren Arbeitsplatz als ihre deutschen Kollegen. Das liegt einmal am Fremdenverkehr, wo viele Beschäftigte nach der Saison einen neuen Job suchen. Wichtiger aber sind die lockeren Kündigungsregeln. Einem österreichischen Arbeitnehmer kann grundsätzlich mit dreimonatiger Frist gekündigt werden. Die Einhaltung von sozialen Prioritäten wie Alter, Betriebszugehörigkeit oder Zahl der zu versorgenden Familienmitglieder ist bei betriebsbedingter Kündigung nicht vorgesehen. Die Folge: Die Unternehmen sind daher nicht gezwungen, zuerst die jüngsten Mitarbeiter wegen der erst kurzen Zugehörigkeit zum Unternehmen zu kündigen. Zudem ist das Risiko geringer, auch ältere Arbeitnehmer einzustellen. Die Lohnforderungen der österreichischen Arbeitnehmervertreter fallen immer deutlich geringer als jene der deutschen Gewerkschaften aus. Austrias Gewerkschaften zeigen sich bei Tarifverhandlungen stets nicht nur über den Zustand der Branche, sondern über alle wichtigen einzelnen Unternehmen bestens informiert. Die Gewerkschaftler beurteilen die Aussichten für Lohnforderungen von vornherein realistischer als ihre deutschen Kollegen.
Daher ist es auch nicht überraschend, daß seit der Öffnung des Landes nach Osteuropa Mitte der neunziger Jahre die Lohnabschlüsse in der Industrie systematisch hinter den Produktivitätsfortschritten zurückgeblieben sind. Die sogenannten Lohnstückkosten sind seither jedes Jahr leicht gesunken. Hingegen haben sich die deutschen Lohnstückkosten wegen höherer Lohnabschlüsse in den neunziger Jahren wenig verändert.
Im Gesundheitswesen fallen die öffentlichen und privaten Kosten, bezogen auf die Wertschöpfung, um etwa zehn Prozent niedriger als in Deutschland aus. Beispielsweise wird in jeder Stadt nur eine, genau nach dem Bedarf ausgerichtete Zahl von Kassenärzten zugelassen. Konsultiert ein Patient einen Arzt ohne Kassenvertrag, erhält er nur vier Fünftel der erstattungsfähigen Kosten von seiner gesetzlichen Krankenversicherung. Diese Maßnahme hat einen starken Lenkungseffekt und führt in Verbindung mit entsprechenden Anweisungen, die die Kassenärzte zur Sparsamkeit anhalten, zu einem vergleichsweise sorgfältigen Umgang mit Krankenversicherungsbeiträgen.
Auf den ersten Blick belastet Österreich seine Bürger stärker als Deutschland. Eine geplante Steuerreform in den kommenden beiden Jahren soll allerdings massive Entlastungen schaffen. Hauptschuld an der hohen Belastung trägt die hohe Mehrwertsteuer, die in Österreich 20 Prozent beträgt (in Deutschland 16 Prozent).
Die standort- und unternehmensrelevanten Steuern sind dagegen effektiv niedriger als in Deutschland. So ergibt sich auch hier ein leichter Vorteil zugunsten Österreichs. Der Körperschaftsteuersatz liegt seit Jahren bei 34 Prozent. Der effektive Steuersatz dürfte deutlich geringer als 30 Prozent ausfallen. Kapitalerträge unterliegen der Kapitalertragsteuer, die einheitlich 25 Prozent beträgt. Mit der Entrichtung der Kapitalertragssteuer wird diese Einkommensart nicht mehr der Einkommensteuer unterworfen; auch die Erbschaftssteuer ist damit abgegolten.
Ebenso erfreuen sich die österreichischen Arbeitnehmer seit Jahrzehnten eines geringeren maximalen Grenzsteuersatzes als ihre deutschen Kollegen. Offiziell ist der Höchstsatz des Lohn- und Einkommenssteuertarifs 50 Prozent. Durch eine geringe Besteuerung von gesetzlich festgelegten Sonderzahlungen ermäßigt sich der maximale Steuersatz auf 43,7 Prozent.
Austria bleibt - nicht zuletzt für deutsche Investoren - dank seiner geographischen Lage interessant. Es grenzt an die kräftig wachsenden Länder Osteuropas. Zudem punktet das Land mit gut ausgebildeten Arbeitskräften. Und schließlich: Österreich ist schön.


pilli antwortete am 02.01.04 (22:22):

den gekürzten artikel aus der FAZ habe ich sehr aufmerksam gelesen. nun stellen sich mir zwei fragen.

die eine lautet: ist der verfasser des artikels eventuell bekannt und hat es verdient, genannt zu werden? :-)und die zweite betrifft die feststellende themenüberschrift: "kaum zu glauben". magst du deine dich bewegenden gedanken zu dieser thematik nennen?

:-)


radefeld antwortete am 03.01.04 (06:00):

Das System gefällt mir vor allem deshalb, weil offenbar weniger Lobbyisten bedient werden (müssen). Deshalb ist es einfacher, klarer. Und ob dabei für den einzelnen weniger bleibt, ist noch nicht einmal erwiesen. Jedenfalls könnte auch mal der große vom kleinen Bruder etws lernen.


Irina antwortete am 03.01.04 (07:52):

An cilia,

"pilli" ist hier der Unter-Aufseher. *grins*

Irina


Karl antwortete am 03.01.04 (09:22):

Guten Morgen Irina,

Deine Aussage ist mir neu. Aber sind die obigen Fragen von Pilli nicht angebracht?

Einen schönen Samstag, Karl


simba antwortete am 03.01.04 (11:37):

Wie schön dass du ein bisserl Werbung machst für uns Cilia :-) Aber so toll ists bei uns auch nimmer, wie es mal war - man macht Rückbau in gesundheitlichen und sozialen Belangen - und viele fallen durch das Netz. So war meine Tochter vor einigen Monaten mit der Kleinen beim EEG im Krankenhaus auf der Neurologie. Dort gibt es zwei Geräte um die Gehirnfunktionen zu messen - eines ist schon seit Monaten defekt und man wird sich sicher noch länger Zeit lassen um es zu zu reparieren - die Leute können ja warten...
Dann verscherbelt man bei uns das Familiensilber - das heisst man verkauft gewinnbringende Unternehmen an Private, die für einige Jahre eine Standortgarantie abgeben und dafür eine recht ordentliche Förderung kassieren, um dann die Betriebe in den Osten verlagern, weil dort billiger gearbeitet wird. So geschehen mit dem Autoreifenwerk Semperit, das an Conti verkauft wurde. Mit den Lohnnebenkosten ists auch nicht soo toll - wenn man zum Nettolohn von ca 1000.-Euro nochmal 1000.- dazurechnet, kommt man auf den Betrag, den ein Unternehmer für eine Arbeitskraft aufbringen muss - mal so über den Daumen gepeilt....


Irina antwortete am 03.01.04 (16:05):

"... Deine Aussage ist mir neu. Aber sind die obigen Fragen von Pilli nicht angebracht?" (Karl)

Wenn jemand einen Verstoß gegen das Reglement zum Ausdruck bringt, kann man ihn doch als "Unter-Aufseher" bezeichnen, oder?
Es könnte ja sein, daß der Ober-Aufseher gerade verhindert war.
Sollte der aber wegen meines *grins* zur Stelle gerufen worden sein, so bitte ich tausendmal um Entschuldigung. Mein Verstoß muß wohl noch größer sein ..., wenn er denn gleich den Chef zu Wort zwingt.
:-((

Irina


cilia antwortete am 03.01.04 (19:40):

"Frankfurter Allgem. Sonntagszeitung" Nr. 51 vom 21.12.2003Seite: 37
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Ressort: Wirtschaft
Österreich, Du hast es besser

Wer hätte das gedacht. Die verkrustete Republik hängt Deutschland ab. Hier sind die Gründe.

VON MICHAELA SEISER

ist jetzt allem Genüge getan - ich habe es nur aus Platzgründen weggelassen


cilia antwortete am 03.01.04 (19:44):

Hallo simba, natürlich fallen bei uns genug Leute durch den Rost - ich bin absolut kein Freund der Politik die uns derzeit aufgezwängt wird. Dieser Artikel war nur deshalb für mich interessant, weil er unsere Abnabelung dokumentiert. Obwohl ich natürlich der Meinung bin, dass Deutschland allein durch die Wiederaufnahme der neuen Bundesländer so geblutet hat, wie wir uns es gar nich vorstellen können. Trotzdem ein wenig dürfen wir doch selbstbewusst sein. cilia


simba antwortete am 03.01.04 (19:53):

Ach ich wusste nicht dass du auch Österreicherin bist Cilia - wie schön ein bisserl Verstärkung zu haben! Klar sind wir selbstbewusst und wir werden die EU jetzt gehörig wegen des Transitvertrages sekkieren ;-)


schorsch antwortete am 04.01.04 (12:40):

In Dubai (soeben von dort zurück gekommen) gibts keine Gewerkschaften, die das Los der Arbeiter und kleinen Angestellten verbessern helfen. Ist dort aber auch gar nicht nötig. Denn Scheich Muhammad Maktoum weiss sich zu helfen. Seine Devise: Gebt jedem Menschen das, was er braucht, und darüber noch die Mittel, sich einige Dinge zu kaufen, die er eigentlich gar nicht benötigt. Wenn er alles hat, was sein Herz begehrt, dann verlangt er nicht nach mehr.

Übrigens: In Dubai bezahlt niemand Steuern, auch keine Autosteuer. Alles wird durch die Einnahmen aus dem Erdöl bezahlt. Auch die Spitäler, die Ärzte, die Schulen. Wenn jemand in eine Schule gehen will, die es in Dubai nicht gibt, dann wird ihm eine dementsprechende Ausbildung im Ausland bezahlt. Und wenn er eine Krankheit hat, die kein Arzt oder Spital in Dubai heilen kann, dann kann er sich im Ausland kostenlos behandeln lassen - und ein paar Angehörige reisen kostenlos mit!

Dumm nur, dass die Einnahmen aus dem Erdöl eigentlich von uns stammen!


Medea. antwortete am 04.01.04 (12:51):

Hallo Schorsch -
so ähnlich läuft es auch in Katar und im Oman - wer
fast alles hat, zettelt auch keine Revolutionen an ... :-))