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THEMA:   "Anna Walentynowic, die kleinste Kranführerin der Welt oder: Wer gründete Solidarnosc?"

 7 Antwort(en).

pilli begann die Diskussion am 28.11.03 (12:16) mit folgendem Beitrag:

so lautet der titel einer dokumentation, die der WDR3 heute um 23.00 uhr sendet. im rahmen des themas "Aufbruch im Osten - Polen 1980" zeigt dieser film von Sylke Renè Mayer unter der redaktion von Gudrun Wolter die hintergründe auf und stellt "die eigentliche und unbekannte Gründerin der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc" vor

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ich zitiere aus der wdr-doc:

" Diese Dokumentation erzählt eine Geschichte aus Polen, eine Geschichte über Männer und Frauen im Verhältnis zur Macht und das abenteuerliche Leben der (mit 1,54 Meter) wahrscheinlich kleinsten Kranführerin der Welt.

Es ist der 14.8.1980, als auf der Danziger Leninwerft die Arbeiter die Arbeit niederlegen. Sie fordern die Wiedereinstellung ihrer Kollegin, der Arbeiterführerin Anna Walentynowicz. Das ist der Auslöser für eine landesweite Protestwelle - ein Wendepunkt der polnischen Nachkriegsgeschichte. Der Film beschreibt das Leben dieser ungewöhnlichen Frau.

Anna Walentynowicz wird 1929 als Anna Lubczyk in Polen an der litauischen Grenze geboren. Sie wächst als Waise auf. 1945 wird sie vertrieben, kommt nach Gdansk. Die Straßen, der Bahnhof, die Geschäfte sind deutsch beschriftet. Anna, die Analphabetin ist, fühlt sich zum ersten mal nicht benachteiligt: denn niemand unter den Neuankömmlingen kann die fremde Schrift lesen.

Anna findet Arbeit auf der Werft. Sie lernt lesen und schreiben, wird die Vorzeigearbeiterin der Danziger Leninwerft, "Heldin der Arbeit", Delegierte der Werft zu den Arbeiterbestentreffen in Warschau. Als junge Witwe setzt sie sich auf der Werft für bessere Arbeitsbedingungen und unabhängige Gewerkschaften ein. Schon ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes ist sie eine bekannte Arbeiterführerin. Im ständigen Konflikt mit dem Staat. Immer wieder verhaftet, überwacht, unter Druck gesetzt.

Am 14.8.1980 wird Anna unter einem Vorwand fristlos gekündigt. Die unbequeme Politikerin soll endgültig mundtot gemacht werden. Spontan solidarisieren sich ihre Kollegen, legen die Arbeit nieder. Anna Walentynowicz gründet mit den streikenden Werftarbeitern die erste freie Gewerkschaft des Ostblocks: Solidarnosc.

Als es um den Vorsitz der neuen Gewerkschaft geht, übernimmt allerdings nicht sie, sondern lässt einem Mann - dem ehemaligen Werftelektriker Lech Walesa - "für das Wohl der Sache" den Vortritt. "Leute! Wenn dieser Streik von einer Frau geleitet wird, dann wird die Bedeutung der Sache niedriger sein und es wird nicht leicht sein, wenn nötig, einen zweiten Streik zu führen." Dass sie sich damit selber ins "Aus" befördert hat, wird ihr erst später klar.

Am 5. Oktober 1983 erhält Lech Walesa den Friedensnobelpreis, während Anna Walentynowicz außerhalb Polens bereits in Vergessenheit geraten ist. Doch die Bewegung, die sie begründet hat, lebt weiter. 1988 - Die Kommunisten setzen sich mit Solidarnosc und der Kirche zusammen. Der erste "runde Tisch" Osteuropas ist geboren. Der Fall des eisernen Vorhangs wird damit eingeleitet..."


schorsch antwortete am 28.11.03 (16:10):

Als die Solidarnosc auf ihrem Höhepunkt war, da gehörten ihr Arbeiter, Ärzte, Schriftsteller, Bürolisten undundund an. Ein einziger Schrei ging durch ganz Polen: Solidarnosc!

Vertreter der Solidarnosc wurden in alle Länder des Westens eingeladen um uns zu erklären, was die Bewegung 1. wollte und 2. schon bewirkte.

Wir - die Gewerkschaft SMUV - hatten einen Arzt eingeladen. Er redete mit Feuer.

Am Ende der Veranstaltung konnten wir noch Fragen an ihn richten. Niemand ausser mir meldete sich. Ich fragte den Arzt: Glaubst du, dass in zehn Jahren die Ärzte immer noch den gleichen Lohn haben wie die Arbeiter? Glaubst du, dass in zehn Jahren die Solidarnosc noch immer solidarisch ist im ganzen Volk?

Er verstand meine einfachen Fragen nicht.......

......und wie steht es heute mit der Solidarität in Polen?


trux antwortete am 28.11.03 (16:33):

@ pilli
ich habe schon einige Deiner Beiträge im ST-Forum gelesen. Mit diesem hier triffst Du bei mir ins Schwarze. Schon lange vermisse ich im Forum Beiträge, die sich mit unserem Nachbarstaat Polen beschäftigen. Polen tritt am 1. Mai nächsten Jahres der EU bei. Ist das nicht ein politisches Ereignis ersten Ranges? Meim Beitrag hier im Forum "EU Beitritt am 1. Mai 2004" fand keine erwähnenswerte Resonanz, aber so ist nun mal das Leben. Es gibt eben wichtigere Themen mit höheren Beteiligungs-Quoten, sie sind halt spannender. Ich danke Dir für den Hinweis, pilli, und werde mir die Dokumentation anschauen. Eine Frage: "Kann man hier im Forum auch mit polnischem Schriftbild schreiben?"


hugo1 antwortete am 28.11.03 (17:13):

hallo trux na dann probieren wirs doch einfach mal mit polnischem Text. mal sehn was passiert, Karl bzw sein Kalfaktor möchten diesen Beitrag bitte sofort wieder löschen , es ging ja nur um ein Muster gg
Stanowisko Poczty Polskiej w sprawie badania przeprowadzonego w czerwcu br. przez Urząd Regulacji Telekomunikacji i Poczty dotyczącego jakości powszechnych usług pocztowych ...wiêcej


hugo1 antwortete am 28.11.03 (17:17):

nun wissen wir, daß es nicht funktioniert, aber mit etwas Phantasie kann man den größten Teil der Buchstaben entziffern und somit auch den Text z.T lesen und z.T erraten.


pilli antwortete am 28.11.03 (17:22):

@ trux

ich möchte dir gerne den grund nennen, warum ich einige zeit sehr zögerlich war, das thema und den von mir mit grosser freude aber auch mit sorge erwarteten beitritt Polens in die EU hier im forum in irgendeiner form zu kommentieren.

meine mutter und meine großeltern stammen aus Danzig und der näheren umgebung. ich bin aufgewachsen mit vielen erlebnis-berichten und erzählungen aber auch mit so mancher kritischen haltung zu geschehnissen, die einer verständigung zwischen den menschen und vor allem der neuen, nachwachsenden generation m.e. entgegenwirken und die ich immer noch versuche zu verstehe.

auch Karl hatte bereits ein thema eingestellt und die darauf von mir geschriebene antwort habe ich seinerzeit wieder gelöscht. :-)ich befürchtete einmal mehr eine vielleicht nicht so sachgerechte diskussion. viele leben in der erinnerung und können und wollen vielleicht nicht akzeptieren, daß nun endlich die zeit da ist "miteinander" zu leben und erschweren die annäherung gezielt. ich befürchtete halt, auch hier auf menschen zu treffen, die meiner vorstellung vom wunsch einer EU mit Polen wortgewaltig entgegentreten.


pucki antwortete am 28.11.03 (21:47):

Helmut Schmidt, ein eifriger Verfechter der Aussöhnung
mit unseren Nachbarn schrieb in seinem Buch:
Die Deutschen und ihre Nachbarn

...Wer als Deutscher den Frieden in Europa will, der muß
wissen: als Partner zum Frieden sind die Polen für uns von
ebenso überragender Bedeutung wie die Franzosen. Diese
beiden Nationen sind -wenn wir von den zwei in Europa prä-
senten Weltmächten absehen -für unser eigenes Wohl die
wichtigsten Nachbarn. Uns Deutschen kann es nur gutgehen,
wenn es ihnen gutgeht. Deshalb müssen wir lernen, uns in
die schwierige Situation Polens einzufühlen und sie zu
verstehen............

Daran hat sich sicherlich nichts geändert. Auch Polen
wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Und ich glaube kaum,
daß ein vertriebener Pole anders empfindet als ein Deutscher. -Und eine Aufnahme in die EG wäre sicherlich
gerade für Polen und Deutschland , was das Vertrauen
und den Frieden betrifft, wünschenswert.


trux antwortete am 28.11.03 (22:46):

Ja schorsch, wie steht es heute mit der Solidarität in Polen? Auf die Frage wirst Du wohl viele verschiedene Antworten bekommen. Was meinst Du denn selbst dazu?
Polen ist jedenfalls dabei, sich an westliche Demokratien anzupassen, was nicht von heute auf morgen möglich ist. Sie werden sich durchboxen, da bin ich mir sicher. Doch haben nicht auch wir Deutsche Anpassungsbedarf? Ich hätte z.B. nichts dagegen, wenn man in unseren Schulen auch die polnische Sprache als Fremdsprache anbieten würde. In Polen kann man Deutsch lernen. Nach Englisch stand dort Deutsch 1999 an zweiter Stelle.
Aber wie pilli durchblicken ließ sind wir Deutschen noch nicht mit dem Herzen dabei. Zu tief sind die Ereignisse von 1945 in uns verankert, die Austreibung der deutschen Bevölkerung aus ihrer Heimat mit allen Arten von Gewalt. Aber die Polen haben sich entschuldigt, haben diesen Teil ihrer Geschichte offengelegt und verschweigen heute nichts mehr. für uns alle ist und bleibt es ein furchtbar dunkles Kapitel. Doch wir wollen es heute besser machen, und wir müssen es besser machen, Polen wie Deutsche. Wer weiß schon wie die Polen sind und wie die Deutschen.
Als Besucher bei polnischen Familien erlebt man so viel Herzlichkeit, wie vielleicht in keinem anderen Land. Mit gemischten Gefühlen schaue ich auf die damals fehlgeleiteten Menschen zurück hier wie da. Ich schrieb in polnischer Kriegsgefangenschaft als Zwanzigjähriger ein paar Gedichte, hier eines davon:

In Kriegsgefangenschaft lebt man bald ohne Schöngeistereien,
nur auf Erhalt des Körpers bedacht.
Gepeinigt von Erniedrigungen igelt psychisch man sich ein.
Wo bleibt die Kirche, das Rote Kreuz, das Menschenrecht?
In großer Not bleibt man allein.
Manch Pole trieb´s schlimm mit den Gefangenen, nicht nur aus Staatspflicht oder Zorn,
wer wirklich Grund zur Rache hatte, tat eher Gutes, ich hab es oft genug erfahr´n.

@ hugo1: Es wäre nicht schlecht, wenn man jedenfalls Namen korrekt in Polnisch schreiben könnte.

So pilli, jetzt gehe ich gleich an den Fernseher und schau mir die Sendung an.