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THEMA:   Demokratie nur bei christlichen Völkern?

 36 Antwort(en).

funk begann die Diskussion am 10.11.03 (22:43) mit folgendem Beitrag:

Ich habe die Idee, dass erst die Vorstellung von der Gleichwertigkeit der Menschen vorhanden sein muss, bevor ein Land eine demokratische Verfassung ertragen kann. Diese Gleichwertigkeit könnte auf dem christlichen Gebot beruhen, man solle seinen Nächsten lieben wie sich selbst. Daraus wäre abzuleiten, dass es in Ländern mit extrem autoritären, gottähnlichen Regierungen und entsprechend unmündigen Staatsangehörigen nicht möglich ist, eine Demokratie einzurichten. Oder bin ich auf dem Holzweg mit dieser Vermutung?


tiramisusi antwortete am 10.11.03 (23:09):

Ganz im Gegenteil, es waren die "Heiden", bei denen die Demokratie ihren Ursprung hat. Und die "Erfinder" des Wortes Demokratie, die alten Griechen, waren ja auch noch keine Christen. Der Ursprung der Volksherrschaft geht aber viel weiter zurück - die Kelten auf der Isle of Man praktizierten sie lange vor unserer Zeitrechnung. Freiheitliche Demokratie hat ihren Ursprung in den Naturreligionen, wenn ma denn schon eine Brpücke schlagen will zwischen Religion und Politik. Deutsche "Heiden" waren also ganz sicher die besseren Demokraten und - naturschützer.

Erst das dogmatische Christentum wurde zum Nährboden für totalitäre Herrschaft und uneingeschränkte Macht.


Karl antwortete am 10.11.03 (23:55):

Danke tiramisusi, dass Du das richtig gestellt hast.


seewolf antwortete am 11.11.03 (00:18):

Echte Demokratie gibt es eh nur in dem kleinen merkwürdigen Dorf irgendwo in Gallien...

Hinkelsteine, Mistelzweige, und gefesselte Barden sind eben eine unverzichtbare Voraussetzung für sowas :-)


julchen antwortete am 11.11.03 (06:49):

Demokratie gab es aber auch bereits auf dem
Amerikanischen Kontinent, BEVOR dieser "entdeckt"
wurde.

Nicht dass man den Griechen, Heiden, oder Obelix
was absprechen wollte... :))

Eine wahrlich volks- und nicht religions-getriebene
Demokratie gab unter dem Irokesen Volk ( und 5
derer Staemme) bereits im 12. Jahrhundert (allerdings
teilen sich da die Meinungen der Meinungsmacher,
denn geschriebene ueberlieferungen gab es nicht).
Tatsache ist, dass durch Benjamin Franklins contact
mit den Indianern etliches der Irokesischen constitution
im Jahr 1776 in die constitution der neu-geborenen
Vereinigten Staaten aufgenommen wurde, und sich
auch in der constitution Deutschlands und der UN
wiederfindet.

Die Constitution der Irokesen hatte nichts mit Religion
zu tun, lediglich damit, dass der Representative eines
Clans, oder Stammes verbindlich das Beste fuer seine
Leute vertreten musste. Tat er das nicht, wurde er
abgewaehlt und ersetzt - und das Pronto!

Ja, the good old times :)))

Wer sich fuer mehr interessiert, einfach mal Iroquoi-
Confederation in eine Suchmaschine geben, oder
mich fuer kurzform anschreiben.


schorsch antwortete am 11.11.03 (09:13):

Die Demokratie beginnt innerhalb der eigenen Familie. Jedes Kind weiss, dass nur dort Gerechtigkeit herrschen kann, wo keines viel mehr hat oder bekommt, als das andere. Und dass die Pflichten und Rechte gleichermassen unter den Familienmitgliedern aufgeteilt werden.

Später, wenn das Kind dann erwachsen wird, muss es zusehen, wie ein paar Prozente der Bevölkerung 95 Prozente allen Besitzes haben - und sich damit Rechte erkaufen können - und 95 Prozente der Bevölkerung müssen sich in den Rest teilen. Und da soll einem Kind weisgemacht werden, dass alle Menschen gleich sind, resp. dass in unserem Land Demokratie herrscht!?


juergenschmidb antwortete am 11.11.03 (10:34):

ohne die Historien genau zu kennen, geschweige denn interpretieren zu können, habe ich das Gefühl, dass Demokratie zwar aus dem Griechischen kommt, schon vor dem Christentum praktiziert wurde. Aber offensichtlich haben die westlichen Staaten, die sich auf das Chr.tum berufen, der Demokratie den nötigen Spielraum gelassen, daher gibt es dort so viele, nicht aber alle nachahmenswerten Demokratien.
Ich habe aber nicht das Gefühl, dass dort, wo es eine breite Mittelschicht gibt, das Demokratiemodell besonders gut ist.
Deweiteren denke ich, dass man als Demokratie schon oft bezeichnet, wo es freie Parteien gibt, und Mehrheitsbildungen durch frei Wahlen.Ein Minimum also.

Jürgen Schmidbauer


Renate2 antwortete am 11.11.03 (21:46):

Nanu, nanu?

Hatten denn die Athener in ihrer *Demokratie* nicht auch eine Menge Sklaven???
Und waren die eisenzeitlichen keltischen Gesellschaften davon so völlig frei? Wie gingen sie denn mit ihren Kriegsgefangenen um? Woher kamen die bekannten Menschenopfer?

Also Vorsicht: Ich meine, daß man diese frühen Gesellschaften immer in ihrem ökonomischen, religiösen und bewußtseinsmäßigen Hintergrund sehen muß, und man darf sie keinesfalls mit den heutigen Entwicklungen gleichsetzen. Schließlich sind seit hundert Jahren immer mehr bewußtseinsbildende und gesellschaftsbildenede Gedankengänge weltweit zugängig. Und dieser Prozeß mitsamt den damit zusammenhängenden Auseinandersetzungen gewinnt durch die Medien eine immer weitergehende Dynamik. Wir stehen, wie ich meine, also erst am Anfang einer wirklich demokratischen Entwicklung, wenn sie denn Erfolg haben wird...

Renate.


mart antwortete am 12.11.03 (00:07):

"Liberalität, die unterschiedslos den Menschen ihr Recht widerfahren lässt, läuft auf Vernichtung hinaus wie der Wille der Majorität, die der Minorität Böses zufügt und so der Demokratie Hohn spricht, nach deren Prinzip sie handelt."
(Theodor W. Adorno,1944)

Die attische Demokratie und die römischen Republik hatte wie schon von der Renate2 erklärt einen wesentlichen Mangel:

Sklaven, Frauen und Nichtbürger waren von der Mitbestimmung ausgeschlossen.

Der antike Philosoph Aristoteles verwendet den Begriff Demokratie in seiner "Politik" in negativer Weise, um die Herrschaft des Pöbels zu bezeichnen und propagiert stattdessen eine Form der Mischverfassung zwischen Demokratie und Oligarchie.

Im großen christlich bestimmten Zeitalter, dem Mittelalter, waren die demokratischen Ideen allerdings nahezu vollständig aus Europa verdrängt.



Die freiheitliche Verfassung der Irokesen aus dem 16.Jhd. hat bei der ersten modernen demokratischen Verfassung (USA) Pate gestanden, die wiederum die französische Revolution inspirierte. Auch die Schweizer Verfassung wurde dadurch mitbestimmt. Der Einfluß der Verfassung des Irokesenbundes auf das europäische Denken der Aufklärung war groß.(z.B. bei Herder und F. Engels).

Wobei natürlich noch immer offen bleibt, was unter Demokratie verstanden werden kann.


Wolfgang antwortete am 12.11.03 (00:37):

Demokratische Strukturen hat es eher bei nicht-europaeischen, nicht-christlichen, nicht-modernen Kulturen gegeben... Die Kultur der Indianer als gutes Beispiel fuer diese These wurde schon genannt.

Die 'Native American Association of Germany e. V.' (NAAoG) hat eine umfangreiche Linksammlung zusammengestellt... Eine erstklassige Quelle fuer die, die weiter als bis zum Rand der eigenen Kultur (die allzugerne als die beste aller Kulturen gesehen wird) schauen moechten:

Links zu Rechtsfragen
https://www.naaog.de/Links_Recht.html

Internet-Tipp: https://www.naaog.de/Links_Recht.html


Felix antwortete am 12.11.03 (01:12):

Ich mache einen Unterschied zwischen Demokratie als Utopie, als Tendenz, als idealisierte Staatsform und den reell existierenden Demokratien, die nur teilweise die Bedingungen dazu erfüllen.
Voraussetzung, wäre, dass alle Mitglieder gleichberechtigt, kompetent und autonom mitentscheiden können.

Einigermassen realisiert sehe ich das nur in kleinen übersichtlichen Gemeinschaften mit einer homogenen Struktur.
z.B. gewisse Bruderschaften oder Vereine ohne Hierachie.
Entscheide werden durch Gespräche erarbeitet, bis ein Konsens zustande kommt ... also nicht einfach Mehrheitsentscheide durch Abstimmungen.
Je grösser und inhomogener das Gebilde ist ... umso schwieriger wird eine echtdemokratische Form zu realisieren sein.
Immerhin hat die Schweiz eine beachtliche Annäherung an eine demokratische Staatsform seit langem schon realisiert.
Auch hier wären Verbesserungen noch möglich!
Man muss sich auch im Klaren sein, dass das Finden eines Konsenses bedeutend mehr Zeit braucht als ein diktatorischer Entschluss. Deshalb nimmt diese Staatsform eine gewisse Trägheit in Kauf, die sich anderseits auch als Stabilität auswirken kann.
Mit dem Glauben hat das nur insofern etwas zu tun, dass er die Annahme einer Gleichberechtigung und -wertung zulässt.
Gottesknadentum, Priesterklassen, Adelsgeschlechter, Auserwähltheitsansprüche etc. sind undemokratisch!


julchen antwortete am 12.11.03 (05:15):

Danke Mart und auch Wolfgang, dass Ihr Euch die
Muehe gemacht habt.

Wenn es auf der von Wolfgang genannten Seite eine
Liste der 117 Artikel der Irokesischen Verfassung
in deutsch zu lesen gibt, wuerde ich vorschlagen das
zu tun. Man wird ueberrascht sein wieweit die
Indianer eine "echte" demokratie hatten, ohne
Unterdrueckung, Sklavenhaltung, etc...


schorsch antwortete am 12.11.03 (09:46):

Ich denke, man muss auch unterscheiden zwischen echten Demokratien und jenen, die nur das Wort "Demokratie" im Munde führen ohne überhaupt zu wissen, was das Wort bedeutet. Ich denke dabei an die "Schweizer Demokraten", die glauben, als einzige zu wissen, was Demokratie ist, dabei aber als einen ihrer obersten Grundsätze die Unterdrückung von Minderheiten in ihren Sturmbannern führen.....


funk antwortete am 12.11.03 (10:19):

Dann ist meine Idee doch nicht richtig. Ich suchte nach einem Grund, warum die Amerikaner im Irak keinen Erfolg haben könnten bei ihrem Versuch, dort eine Demokratie einzurichten. - Ich freue mich sehr über die Art, wie Ihr alle Euer immenses Wissen dargelegt habt, ohne mich anzugreifen. So lerne ich gern dazu. Danke an alle.


hugo1 antwortete am 12.11.03 (10:38):

,,durch die neuen Medien, die Möglichkeiten der Technik, demnächst in jedem Haushalt eine Abstimmungsbox (oder registriertes Abstimmungshandy) zu installieren, wär die Durchführung von Mehrheistentscheidungen Mehrheitsbeschlüssen usw kein Problem mehr (die Änderung des GG und einiger z.Z geltender Gesetze vorausgesetzt).
Meine Sorge wär jedoch dann, daß im Vorfeld von Abstimmungen die jeweiligen Wortführer, Lobbyisten und sonnstige Pro-, oder Kontraeingestellten die Meinungen der Massen natürlich erheblich beeinflussen, so daß die Entscheidungen nicht durch die Sachkenntnis, den Fachverstand und die besten Argumente getroffen werden, sondern wieder über finanzielle Möglichkeiten der Argumentierer, die äußerlich einleuchtendsten , überzeugendsten aber inhaltlich auch untauglichen Ansichten.


julchen antwortete am 13.11.03 (02:35):

Funk,

" es ist ganz einfach falsch zu glauben dass
Irakis nicht faehig sind eine Demokratie zu formen
und zu unterhalten...und viele meiner Landsleute
begruessen die Idee ganz ausserordentlich..

so hat's mir ein Iraki gesagt und das - oh schreck -
auf einer "Rallye For America" obendrein.


funk antwortete am 13.11.03 (21:17):

Ich meinte, die Islamisten würden sehr autoritär erzogen und würden stets treue Koranschüler bleiben. Ich kenne einige Menschen aus dem Islam, die entweder im Sinne des Korans führen müssen oder sich ihrem Führer klaglos unterwerfen. Es ist für sie schon schwieriger als für uns, sich der Religion zu entziehen und selbstständig zu werden. Sie haben niemanden erlebt, der die Göttlichkeit der Gesetze in Frage stellte.
Julchen, die verfassungsgebene Versammlung der Irakis kommt nicht weiter, weil die Teilnehmer ihre persönlichen Vorteile daraus ziehen wollen statt dem Volk zu dienen.


Wolfgang antwortete am 13.11.03 (23:00):

Die irakischen Menschen sind schon faehig, einen Staat so zu fuehren, so, wie sie das wollen. Nur lassen die Besatzer sie nicht. Das Problem liegt bei den AmerikanerInnen... Die haben (zwar nicht mehrheitlich, aber faktisch) eine Regierung ins Amt gehievt, die BUSH-Krieger, die ganz offensichtlich nicht Willens sind, nach demokratischen Grundsaetzen und friedlich zu handeln.


Medea. antwortete am 14.11.03 (07:51):

Tut mir leid, aber auch ich halte (wenigstens zur Zeit), die Menschen im Irak nicht für demokratiefähig .....
aber es ist genauso ein Trugschluß zu glauben, daß es den Amerikanern gelingt, dort auch nur ansatzweise eine derartige aufzubauen. Die Amis haben im Irak nichts verloren, das steht doch wohl mehrheitlich fest, je eher sie verschwinden, desto besser - warum geht das nicht in die Köpfe von Mr. Bush und Company?
Ich wage sogar die Behauptung, daß dieses zerrissene Land in der derzeitigen Lage wahrscheinlich nur durch einen
Diktator "regierbar gemacht" würde, und was das dann wieder bedeuten würde, ist auch absehbar.... :-((
Hier wurde Satan mit Beelzebub ausgetrieben - das Ergebnis
ist ein zerstörtes Land.


Mechtild antwortete am 14.11.03 (11:56):

Ich halte manchen Europäer oder Amerikaner auch nicht für demokratiefähig! Konsequenz?


mart antwortete am 14.11.03 (15:55):

Mechtild,

ich glaube es ist nötig zuerst zu beschreiben und zu definieren, was unter Demokratie verstanden wird und sich dann die Frage zu stellen, inwieweit sie in versch. Staaten bereits verwirklicht worden ist bzw. verwirklichts werden kann.


tiramisusi antwortete am 14.11.03 (20:49):

ja wolfgang, im irak sind nur zu viele, die etwas anderes wollen und bei der niedrigen reizschwelle und der hohen gewaltbereitschaft und der so ganz anderen wertigkeit, die ein menschenleben dort hat ist es wohl nur eine frage der zeit, wann wieder ein saddam an der macht sitzt und alle anderen niedermetzelt. liest du die geschichtsbücher nicht? weisst du nicht, was hunderte von jahren dort unten los ist? hast du nie iun einem arabichen land gelebt? dann solttest du nicht so träumerische thesen aufstellen.


mart antwortete am 14.11.03 (23:58):


"Demokratie statt Ba´thismus?"

In Konkret 7/03 werden Fragen an Vertreter iraqischer Parteien über die Vergangenheit und die Zukunft des Iraks gestellt.

Ich finde diesen Artikel ausgesprochen interessant.

Internet-Tipp: https://www.wadinet.de/analyse/iraq/demokratie.htm


Wolfgang antwortete am 15.11.03 (02:08):

Ich denke, die IrakerInnen werden sich schon ihr Recht auf Selbstbestimmung erkaempfen und werden sich nicht arg drum kuemmern, was westliche Menschen ihnen vorschreiben wollen. Denn schliesslich hat man ihnen die Freiheit versprochen. Die fordern sie jetzt ein. :-)


tiramisusi antwortete am 15.11.03 (05:41):

ja .... erkämpfen...ganz arg ... und am westen werden sie sich kaum orientieren


julchen antwortete am 15.11.03 (08:14):

Funk,
davon bin ich nicht ueberzeugt.
sicherlich ist es ein weiter weg von einem religions-dominiertem Regime zu einer Demokratie,
so wie's ein weiter weg war von einem Diktator
zur Demokratie in Deutschland.

KEINER hat je behaupted dass dies alles in 4 wochen erledigt und vergessen sein wird.
Von einem religions-dominierten Staat ,besonders
von der Sorte eines Saddam-dominierten Staates,
ist es ein besonders harter Weg - aber vielleicht sogar ein guter Grundstein - auf der andren Seite.
Aber ich glaube man unterschaetzt das irakische Volk
gerne.

Wolfgang:
"Die irakischen Menschen sind schon faehig, einen Staat so zu fuehren, so, wie sie das wollen. Nur lassen die Besatzer sie nicht."

Was Du sagst ist nonsense. die meisten Irakis wollen
ihren Staat nicht mehr SO GEFUEHRT HABEN WIE ER WAR (unter Saddam) im Moment sind sie noch dabei ihre
Nase zum ersten Mal seit 30 Jahren in freien Wind
zu stecken. Bis jetzt kannten sie nur Saddam

Gebt den Menschen doch mal ein bisschen Zeit zu sich
zu kommen bevor ihr entscheidet was "UNMOEGLICH" ist fuer sie.

Mir faellt hier sehr unangenehm auf, dass man im Rahmen des 'Schmeiss-Festes" auf die Amis immer
wieder das Licht Anderer unter den Scheffel stellt.
Was ist bloss loss mit Euch?

Aus welchen Grund auch immer, Saddam ist weg
vom Fenster! Ich streite mich nicht mehr ob das falsch,
legal, oder richtig war!

Aber es macht mich total sauer
dass man hier dauernd so tut als ob man auf der
humanen Seite sei und dabei andre Voelker beurteilt
wie zu bevormundente Kinder!
Das scheint mir ein Hauch der vergangen Kolonial Zeiten zu sein.


BarbaraH antwortete am 15.11.03 (09:45):

>>Saddam ist weg vom Fenster....<<

Jetzt agiert er nicht vom Fenster sondern aus irgendeinem Keller heraus. Wer weiß, was auf Dauer verheerender ist?


mart antwortete am 15.11.03 (10:08):

Nochmals zur Information der sehr interessante Link zu Meinungen zu diesem Thema von Irakis

https://www.wadinet.de/analyse/iraq/demokratie.htm

Internet-Tipp: https://www.wadinet.de/analyse/iraq/demokratie.htm


BarbaraH antwortete am 15.11.03 (11:20):

mart,

der Link ist wirklich sehr interessant. Wiederholt wird auch Europa vorgeworfen, lange vor diesem schrecklichen Krieg die oppositionellen Kräfte Iraks nicht genügend unterstützt zu haben. Der Vorwurf ist sicher berechtigt.

Ginge es den Bush-Leuten wirklich darum, den Irakern Freiheit und Demokratie zu bringen, hätten sie diese oppositionellen Kräfte stärken und damit dem irakischen Volk ihren eigenen Weg ermöglichen können.

Im Irak geht es nicht um Demokratie sondern um die Ausbeute der letzten und größten Ölreserven unserer Welt. Das wird immer wieder vernebelt.


Wolfgang antwortete am 15.11.03 (11:59):

Gerne vergessen wird, dass SADDAM HUSSEIN ein Geschoepf der USA ist... SADDAM ist ein Monster erzeugt von einem weit groesseren Monster... Von diversen amerikanischen Administrationen aufgebaut, hochgeruestet (auch mit B- und C-Waffen), lange Jahre gehaetschelt im Kampf gegen den Iran.

Immer ging es ums Oel. Um nichts anderes. Die USA, die dem Irak die Demokratie brachten bzw. bringen ?

Not und Elend, instabile Verhaeltnisse, zerstoerte Infrastrukturen, massenhaft Tote und Verletzte... Die Spur der USA im Irak ist eine der blutigsten Spuren der juengsten Geschichte.

Internet-Tipp: https://www.ecotrip.de/Aktuell/02_2003/aktuell_02_2003.html


mart antwortete am 15.11.03 (12:25):

Ich dachte, es ging in diesem Thema um die Möglichkeit im Irak ein demokratisches System zu errichten:

mit folgenden Fragestellungen:

-von außen aufoktruiert?

-aus irakischer (auch wenn das ursprünglich ein künstliches Staatsgebilde war)Tradition?

-mit den Schwierigkeiten, die sich aus den dort wohnenden versch. Völker ergeben

-mit den Schwierigkeiten, die sich aus den versch. Glaubensrichtungen ergeben, die einen unterschiedlich großen Einfluß auf die Gestaltung der Staatsverfassung und des Rechts anmelden

Ich dachte, es geht hier um das zukünftiges Problem, wie eine Nachkriegsordnung erfolgreich und für alle Gruppierungen zufriedenstellend errichtet werden kann.

Daß durch die vergangenen und gegenwärtigen kriegerischen Aktionen und durch die unsensible Politik der USA der Boden für eine friedliche Weiterentwicklung ausgesprochen morsch geworden ist, ist doch eine Tatsache.


Wolfgang antwortete am 15.11.03 (13:41):

Wichtig ist, dass das ausgesprochen wird: Jedes Volk (wie und wo immer es sich definiert) hat das Recht auf Selbstbestimmung. Per UNO-Resolutionen ist das immer wieder festgestellt worden. Keinem Volk ist es erlaubt, ueber ein anderes Volk zu bestimmen.

Genau das geschieht aber (seit Jahrzehnten) im Irak.

Dass sich die Lage dort nach einem amerikanischen Angriffskrieg zum Schlechten entwickeln wuerde, habe ich (und ein halbes Dutzend MitdiskutantInnen) hier oft genug geschrieben... Schon damals, als (auch hier in den ST-Foren) der westliche Groessenwahn vorherrschte, 'wir' haetten das Wissen und die Weisheit und waeren dazu berufen, anderen Voelkern beizubringen, wenn noetig, mit Gewalt, wie und zu was sie sich zu organisieren haben.

Dieser Groessenwahn ist vor den Fall gekommen. Gerade deswegen bin ich zuversichtlich, dass die IrakerInnen (und andere Voelker) ueber kurz oder lang ihre Geschicke in die eigenen Haende nehmen werden. Was dabei herauskommen wird ? - Wir werden sehen... Es bleibt spannend... ;-)


mart antwortete am 15.11.03 (15:26):

Nun, die irakischen Traditionen was eine Demokratie betrifft, die unter anderem gleiche Menschenrechte für jeden garantieren soll, sind nicht vorhanden. - aus welchen Gründen auch immer.

"Dhia al-Dabbass (Hoher Rat des islamischen Widerstands, SCIRI):

"Das Regime der Ba´th-Partei war eine absolute Diktatur. Diese Diktatur war nicht vergleichbar mit anderen Diktaturen der Welt. Dem iraqischen Volk wurden auch die einfachsten Rechte versagt. Das Regime infiltrierte alle Lebensbereiche und Belange der Bürger. Es war sogar in ihren Häusern allgegenwärtig. Das Ba´th-Regime wollte die absolute Kontrolle über die Bürger, die nur noch Sklaven des Regimes waren, das nur noch willkürlich handelte und das Volk in Kriege stürzte in die es gegen seinen Willen hineingezogen wurde. Die Wahlen im Iraq waren nur eine Farce um eine 100%ige Zustimmung zu erreichen.

Eine weitere Eigenschaft dieses Regimes war die ethnische Diskriminierung gegen die nichtarabischen Minderheiten, besonders gegen die Kurden im Iraq, die ja schon Mustafa Ramazan von der KDP beschrieben hat. Eine dritte Eigenschaft war die religiöse Diskriminierung gegen die Schiiten im Iraq. So wurden sowohl die Schiiten selbst, die die Mehrheit der Bevölkerung im Iraq bilden, als auch ihre religiösen Institutionen vernichtet. Das Regime verwandelte sich in den schlimmsten Feind der Mehrheit der Bevölkerung. Das Regime ließ etwa die Sümpfe im Südiraq trockenlegen, die etwa 50.000 Qadratkilometer bedecken und in denen 700.000 Menschen lebten. Diese Gebiete wurden völlig zerstört und ihre Bewohner vertrieben. In der heiligen Stadt Kerbala gab es etwa 350 schiitische Institutionen welche das Regime mit Dynamit sprengen ließ. Es handelte sich dabei um Schulen, Moscheen oder öffentliche Büchereien und nicht um politische Einrichtungen."

Und was das Selbstbestimmungsrecht von "Völkern" betrifft sollte man natürlich gleich bei den Kurden anfangen, die künstlich auf drei Staatsgebiete aufgeteilt leben.

Internet-Tipp: https://www.wadinet.de/analyse/iraq/demokratie.htm


BarbaraH antwortete am 15.11.03 (15:41):

Mitunter ist es ganz sinnvoll, einmal zurückzuschauen. Wie kam es überhaupt dazu, dass dieses Monster Saddam Hussein ein ganzes Volk unterdrücken konnte? Wer hat ihm zu dieser Macht verholfen?

Wolfgang wies schon darauf hin... hier ein Bericht im Spiegel:

>>Er gilt als Washingtons Staatsfeind Nummer eins - Saddam Hussein, der geschasste Despot aus dem Zweistromland, den die Supermacht per Steckbrief jagen lässt und lieber tot als lebendig von ihrer Suchliste streichen würde. Doch ausgerechnet einer der ranghöchsten Jäger, Pentagon-Chef Donald Rumsfeld, gehört zu jenen, die einst alles daransetzten, den Baath-Putschisten zu einem Machtfaktor im Nahen Osten aufzubauen.

Geheimunterlagen, die nach fast zwei Jahrzehnten erstmals ausgewertet wurden, belegen, wie sehr sich der irakische Diktator damals von Washington und vor allem von Rumsfeld zu einer Hegemonialpolitik ermutigt sehen musste, die schließlich ins mesopotamische Debakel von heute führte.<<

https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,274163,00.html

Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,274163,00.html


Wolfgang antwortete am 15.11.03 (15:45):

Wie gesagt, Mart: Die UNO-Resolutionen sind eindeutig... ALLEN Voelkern ist das Selbstbestimmungsrecht garantiert. KEINEM Volk ist es erlaubt, anderen Voelkern den eigenen Willen aufzudraengen - schon gar nicht mit Waffengewalt.

Dass das ein Prozess ist (und nie ein Zustand) und sich dieser Prozess immer wieder (hoffentlich zunehmend friedlicher) neu entwickelt, muss ich unter intelligenten Menschen sicher nicht extra erwaehnen.


schorsch antwortete am 15.11.03 (16:19):

BarbaraH antwortete am 15.11.03 (15:41):

"Mitunter ist es ganz sinnvoll, einmal zurückzuschauen. Wie kam es überhaupt dazu, dass dieses Monster Saddam Hussein ein ganzes Volk unterdrücken konnte? Wer hat ihm zu dieser Macht verholfen?..."

Frage dazu: Und Adolf Tausendjahr?


julchen antwortete am 16.11.03 (09:05):

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