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THEMA:   Heute vor 65 jahren - Reichspogromnacht: Interessanter Link zu rekonstruierten Synagogen

 26 Antwort(en).

tiramisusi begann die Diskussion am 09.11.03 (17:38) mit folgendem Beitrag:

Vielleicht passt diese Meldung gerade heute - speziell die jüdischen MitleserInnen und SchreiberInnen wird es interessieren:
Seit dem Brandanschlag auf die Synagoge in Lübeck 1994 arbeitet der damalige Architekturstudent der TU Darmstadt, Marc Grellert, an einem 3-D CAD Programm, um die in der Reichspogromnacht von Nazis verbrannten Synagogen zu rekonstruieren. Wie viel Mühe ihm das machen würde, konnte er vor 9 Jahren nicht einmal ahnen, denn von vielken Synagogen waren nicht einmal mehr die Grundrisse vorhanden,

Heute kann man weltweit im Internet mit einem Mouseclick zB die Kölner Synagoge virtuell "betreten": aus einem Presseartikel der dpa: "Große Kerzenleuchter an den Wänden, Balkone mit goldenen Ornamenten, darüber wölbt sich ein Kuppel in Blau mit goldenen Sternen. Das Bild wirkt seltsam künstlich. Kein Wunder, denn das reale Gebäude existiert schon lange nicht mehr. Wie viele Synagogen fiel es den Nazi-Brandstiftern in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 zum Opfer." ...

Das Archiv ist mittlertweile sehr umfangreich und jeder, der Informationen oder Bilder alter Synagogen, die von den Nazis vernichtet wurden, hat, kann diese direkt auf der Webseite hochladen oder eingeben. Marc Grellert ist für jede Mitarbeit von zeitzeugen dankbar.

Die Rekonstruktionen von 15 Synagogen bilden das Kernstück seines Deutschen Synagogen-Internet-Archivs, der ersten bundesweiten Bestandsaufnahme der ehemaligen jüdischen Gebetshäuser.

Die Motivation des jungen Architekten: «Ich wollte als angehender Architekt auch einen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten».

In einem ersten Schritt rekonstruierte Grellert mit sieben Kommilitonen drei Frankfurter Synagogen. Daraufhin fragten weitere Städte an, und so wurde mit Hilfe des Bundesbildungsministeriums ein Folgeprojekt mit 12 Synagogen zwischen München und Hannover aufgelegt. Daraus entstand eine Ausstellung, die bereits in der Bundeskunsthalle Bonn gezeigt wurde und im kommenden Jahr auf Welttournee gehen soll mit Stationen in Israel und den USA.

Was mit studentischem Engagement begann, ist jetzt in professionelle Bahnen gelenkt worden. Wenn heute eine Stadt eine dreidimensionale Nachbildung einer Synagoge bestellt, muss sie die Firma «Architectura virtualis» beauftragen und mehrere zehntausend Euro investieren.

Durch die Kontakte mit Zeitzeugen wuchs in Grellert die Idee, zusätzlich ein Internet-Forum zu entwickeln. So öffnete er im vergangenen Jahr am 9. November das Synagogen-Internet-Archiv. Aus der Literatur hat er mehr als 2000 Synagogen aufgelistet - wann sie erbaut wurden und was aus ihnen geworden ist. Zu diesen Basisinformationen kann jeder Besucher etwas hinzufügen.

Rund 1000 Beiträge sind in den vergangenen zwölf Monaten eingegangen: alte und neue Fotos, Erinnerungen von Zeitzeugen und sogar Informationen über Synagogen, die noch nicht aufgenommen waren. «Vor wenigen Tagen kamen historische Bilder aus Worms», erzählt Grellert: «Darauf ist gut zu sehen, wie Feuerwehrleute die Synagoge abbrennen lassen und nur versuchen, ein Übergreifen des Feuers zu verhindern.»

Hier geht es zu dem Angebot:

Internet-Tipp: www.synagogen.info


tiramisusi antwortete am 09.11.03 (19:54):

Interessante Anmerkung wäre vielleicht noch, dass zB die Synagoge von Dresden vom gleichen Architekten wie dem der Dresdner Oper, Gottfried Semper, 1840 geschaffen wurde und fortan als Beispiel für danach gebaute Synagogen in Grossstädten diente.

Aus dem unveränderten Nachdruck des Philo-Lexikons, dem Handbuch des jüdischen Wissens, von 1936:
Die grössten deutschen jüdischen Gemeinden in Deutschland lt Volkszählung 1933:
Berlin 160.564 Mitglieder = 3,8% der Ew
Frankfurt/M 26.158 " = 4,7%
Breslau 20.202 " = 3,2%
Hamburg 16,885 " = 1,5%
Köln 14.816 " = 2,0%
Leipzig 11.584 " = 1,6
München 9.005 " = 1,2

Der erste "Sonderzug" (so der damalige Fachjargon für die Züge, in denen die Juden aus dem Reich geschafft wurden) verliess am 18.10.1941 den Güterbahnhof Grunewald mit 1251 Juden. Mit dem 18.10.1941 begann die systematische Deportation der Juden aus Berlin. Berlin sollte "judenfrei" (so Joseph Goebbels, Gauleiter Berlins und Propagandaminister) gemacht werden. Die "Sonderzüge" mit den Berliner Juden fuhren von Oktober 1941 bis Frühjahr 1945 meist wöchentlich oder zeitweise auch täglich Richtung Osten. Allein vom Bahnhof Grunewald wurden in diesem Zeitraum über 50.000 Juden deportiert.
Vom Oktober 1941 bis zum April 1942 wurden die Juden in die Ghettos Lodz, Minsk, Riga und ins Warschauer Ghetto transportiert. Einige der Transporte dorthin endeten damit, dass die Juden am Bestimmungsort durch Massenerschiessungen umgebracht wurden, wie beispielsweise die 1035 Juden, die den Bahnhof Grunewald am 27.11.1941 verliessen und am Zielort Riga direkt hingerichtet wurden.
Ältere Juden, jüdische Veteranen des Ersten Weltkrieges oder auch prominente Juden wurden ab Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert. Von nun an rollten die Züge beinah täglich mit jeweils 50 oder 100 Berliner Juden in das Altersghetto Theresienstadt.
Ende des Jahres 1942 fuhren die Züge nur noch in das Vernichtungslager Auschwitz oder nach Theresienstadt. Vom Bahnhof Grunewald fuhren etwa 35 Züge mit 17000 Juden nach Auschwitz. für die Reichsbahn war der Transport der Juden eine rein geschäftliche Angelegenheit. Die Reichsbahn erhielt für jeden Juden 4 Pfennig pro Kilometer und bei einem Transport, der über 400 Personen beförderte, wurde ein Gruppentarif gewährt.

Die Geschichte Berlins ist mit der ver deutscher Juden eng verwebst. Seit 325 Jahren leben Juden in Berlin. Es begann 1671 mit einer Einladung durch den Großen Kurfürsten, der etwa 50 jüdische Familien folgten. Sie zogen in die kleine Residenz- und Provinzstadt an der Spree und gründeten eine Gemeinde. Bis in die Zeit der Weimarer Republik stieg die Zahl der jüdischen Berliner auf fast 170.000. Sie prägten der großstädtischen Kultur unübersehbar ihren Stempel auf.
Und heute? Heute hat die jüdische Gemeinde berlin etwa wieder 11.500 Mitglieder. 2002 wurden in Berlin 112 antisemitische Straftaten festgestellt worden. Geringe Aufklärungsquote ....
Warum ich das schreibe?
Weil ein paar Zahlen manchmal mehr sagen als die Polemik um Äusserungen, die für die einen klar antisemitisch, für andere nur eine Feststellung sind.


Wolfgang antwortete am 10.11.03 (11:36):

Die erfreuliche Nachricht: In Muenchen wird wieder eine (Haupt-)Synagoge + Gemeindezentrum gebaut (nachdem die ehemalige geschaendet und am 8. Juni 1938 von HITLER's Schergen geschleift wurde).

Die nicht so erfreuliche Nachricht: Die neue Synagoge laesst die Missverhaeltnisse in unserem Land deutlich werden... Rund vier mal soviel Sicherheitskraefte wie bei der Grundsteinlegung anwesende Gaeste mussten die Veranstaltung schuetzen. Der deutsche Bundespraesident und der bayerische Ministerpraesident und ein Vertreter Israels wurden eingeflogen (eigentlich ungewoehnlich, denn mir ist kein Fall bekannt, dass z. B. ein christliches Gemeindezentrum mit einem solchen diplomatischen Aufwand bedacht wurde). Fast 100 Millionen Euro wird der Bau kosten (auch ungewoehnlich fuer einen Verein mit knapp ueber 8000 Vereinsmitgliedern).

Wie schaut es woanders aus: Waehrend in Muenchen geklotzt wird und die religioese Toleranz in aller Munde war, wird in Berlin gekleckert und genoergelt... Dort bauen tuerkischstaemmige Muslime in Neukoelln ihre Moschee (in Eigenleistung fuer rund 1 Million Euro) und gegen den hinhaltenden Widerstand deutschstaemmiger Christen und Nicht-Christen und der Bauverwaltung. Zur Grundsteinlegung war niemand der Grosskopferten gekommen und hat von Toleranz gesprochen und davon, wie wichtig und erquickend muslimisches Leben in Deutschland sei.

In Deutschland wird derzeit viel geheuchelt.


tiramisusi antwortete am 10.11.03 (12:51):

nicht zu vergessen ist der geplante anschlag auf eben dieses gemeindezentrum, in dessen vereitelung bereits 13 rechtsradikale festgenommen und angeklagt wurden.

wolfgang: jeder jüdische kindergarten und jede jüdische schule, die es in deutschland zum glück wieder gibt, muss von sicherheitspersonal bewacht werden, eben WEIL es ständig drohungen gibt. DAS ist das wirklich "weniger erfreuliche"

und wenn so ein "staatsakt" daraus gemacht wird, leigt es vcielleicht daran, dass dieser staat einmal so viele gemeindezentren und synagonen verbrannt hat, lieber wolfgang? ich kann mich nicht erwehren, aber ich lese einen seltsamen unterton aus deinem beitrag.


Wolfgang antwortete am 10.11.03 (13:00):

@tiramisusi... Welchen 'seltsamen Unterton' liest Du denn aus meinem Beitrag heraus ? Kannst Du konkreter werden ?

P.S.: Nicht DIESER Staat hat einmal Synagogen verbrannt... Es war ein anderer Staat... Es war der Staat der HITLER-Bande.


Wolfgang antwortete am 10.11.03 (13:07):

Gerade gelesen: Die Deutschen halten sich mehrheitlich nicht fuer judenfeindlich. 79 Prozent sind einer aktuellen EMNID-Umfrage zufolge der Auffassung, dass die Deutschen juedischen Mitbuergern gegenueber positiv eingestellt sind.

Ist doch ein schoenes Ergebnis... Ich frage mich also: Warum wird von den Offiziellen permanent behauptet, in Deutschland gaebe es derzeit einen nennenswerten und sogar wachsenden Antisemitismus ?


tiramisusi antwortete am 10.11.03 (13:09):

der staat ist der selbe, die regierung hat gewechselt und die grenzen.


Wolfgang antwortete am 10.11.03 (13:35):

Das, tiramisusi, ist die Lebensluege unserer Offiziellen... Aber jede(r) weiss, dass unser Staat nicht derselbe ist... Wir haben nicht nur neue Regierungen und neue Grenzen. Wir haben eine neue Rechtsordnung, wir haben neue Eigentumsverhaeltnisse, wir haben neue Politiken, und, was am Wichtigsten ist, wir haben mehrheitlich und tief verankert in der Gesellschaft ein neues Denken.

Mit dem Staat von HITLER's Bande hat unser Staat praktisch nichts mehr gemein. Und das ist gut so. :-)


simba antwortete am 10.11.03 (14:56):

Dann möcht ich jetzt aber recht schön bitten mal zu akzeptieren, dass Österreich jetzt auch ein anderes Land ist und nichts mehr mit den Hitlerbanden zu tun hat!!


tiramisusi antwortete am 10.11.03 (15:08):

die usa sind immer noch der selbe staat wie vor 65 jahren, frankreich, schweden, italien..alle ... du wirst aus der rolle nicht rauskommen, wolfgang.
wer lügt sich denn da was vor? oder willst du dich einfach der verantwortung entziehen?
übrigens bemerkenswert, was du zum eigentlichen thema zu sagen hast . was du in deiner ersten antwort geschrieben hast, muss man sich einfach nur mal laut vorlesen - na wenn da keine unterschwelligen töne herausklingen.


Karl antwortete am 10.11.03 (22:38):

@ tiramisusi,

die BRG hat ein neues Grundgesetz. Das war ein radikaler Schnitt zum NS-Staat und ich glaube nicht, dass gesagt werden kann, der Staat sei noch derselbe. Das ist Unsinn.


tiramisusi antwortete am 10.11.03 (22:53):

achso, dann braucht sich dieser staat auch nich tmehr um verbrannte synagogen und so zu kümmern. danke, jetzt hab ichs verstanden .-)


Karl antwortete am 10.11.03 (23:43):

@ Tiramisusi,

soll ich auf diesen logischen Salto mortale überhaupt antworten? Die Tatsache, dass dieser Staat, die BRD, nicht mehr der NS-Staat ist, und dass er andere moralische Grundsätze hat, wird gerade dadurch deutlich, dass er sich der deutschen Geschichte gestellt hat und z.B. in Form des Kniefalls des ehemaligen Bundeskanzlers Brandt die Schuld anerkannt hat. Dies hat - auch wenn nichts wieder gutzumachen ist - zu konkreten Massnahmen geführt, wie Du auch wissen solltest.

Der Staat BRD ist nicht derselbe wie der NS-Staat, aber er hat die juristische Rechtsnachfolge angetreten und anerkannt. Er hat sich nicht aus der Verantwortung gestohlen und hat versucht, wenigstens finanziellen Schadenersatz zu leisten.

Die BRD ist der beste Staat, den es jemals auf deutschem Boden gegeben hat und darauf können wir auch stolz sein. Aber das ist kein Freibrief für die Zukunft. Gegen die Hohmanns und Günzels müssen wir weiterhin standhaft sein.


Karl antwortete am 10.11.03 (23:53):

Nachtrag: Wolfgangs Beitrag sollte uns schon zu denken geben. Während wir aus guten Gründen äußerst sensibilisiert die antisemitische Szene beobachten und den Anfängen wehren, sucht sich der alte Rassismus, die alte Intoleranz ein neues Feindbild, den Islam. Hier greifen die Schutz- und Abwehrreflexe nicht, die jede antisemitische Äußerung zu recht aufspüren und an den Pranger stellen. Antiislamismus ist "in" und darf ausgetobt werden.

Antiislamismus und Antisemitismus sind aber nur zwei Gesichter ein und derselben Grundhaltung.


Wolfgang antwortete am 11.11.03 (02:37):

Natuerlich haben wir einen voellig anderen Staat... Den besten, den es je gab in der deutschen Geschichte. Es sind auch neue Menschen da. Es gibt praktisch kaum noch jemanden, der noch lebt, der waehrend der Zeit der HITLER-Bande verantwortlich war fuer deren Verbrechen.

Die alte Leier, dass unser aktuelles Deutschland irgend etwas zu tun hat mit dem Deutschland der HITLER-Bande, zieht nicht mehr.

Die Lehre allerdings aus dem vergangenen Geschehen muss sein: JEDER Mensch hat seine Wuerde... NIEMAND darf aufgrund seiner Herkunft oder seiner Religion bevorteilt oder benachteiligt werden oder gar verfolgt oder misshandelt oder getoetet werden.

Pruefe jede(r) sich selbst, ob sie/er diese Lehre gelernt hat.


tiramisusi antwortete am 11.11.03 (07:59):

und deshalb bist du gegen das blöde brimborium um ein dämliches gemeindezentrum für ein paar juden in münchen und findest den islam viel lustiger oder was.


Karl antwortete am 11.11.03 (08:11):

@ tiramisusi,


deine Sprache ist einfach nur beleidigend und wird der Bedeutung des angesprochenen Problems nicht gerecht.
Wolfgang hat nur darauf hingewiesen, dass ein Ungleichgewicht besteht bei unserer Aufmerksamkeit gegen rassistische Gedanken und nichts deutet darauf, dass er das sagen wollte, was Du ihm boshafterweise in den Mund legst.


tiramisusi antwortete am 11.11.03 (08:27):

lieber karl, ich finde es absolut unangemessen, wenn wolfgang die tatsache der judenvernichtung und die zerstörung sämtlicher synagogen in deutschland damit vom tisch fegt, dass wir ja nun einen neuen staat haben und mit der geschichte unserer väter oder unserer eigenen erlebten geschichte nichts mehr zu tun haben. da dann den vergleich mit dem moscheenbau zu bringen halte ich für unangebracht. ist die "kristallnacht" für dich wirklichso unbedeutend und nur noch ein tag in der geschichte? es geht doch gar nicht darum, dass muslimen nicht die selbe aufmerksamkeit zu teil werden soll - nur: gibt es mehr muslime in diesem land, die zudem eine eigene "bürgerwehr" haben und ausserdem weit zahlreicher vertreten sind als jüdische mitbürger. nicht ihre moscheen wurden abgefackelt, nicht ihre geschäfte wurden geplündert, es waren die deutscher juden. und wenn mit dem gedanken "nie wieder" und "wehret den anfängen" der reichsprogromnacht gedacht wird, lieber karl, dann nicht mit dem hintergedanken, dass es nur für juden gilt sondern für alle, die wegen ihres glaubens oder ihrer rassenzugehörigkeit schon morgen wieder opfer sein könnten. ich glaube nicht, dass das nie wieder vorkommen wird - und wünsche keinem türken, dass man sein geschäft plündert oder ihm die arbeit verbietet, weil er "guten deutschen" den job wegnimmt. stimmungsmacher für solche geschichten gibt es genug.

boshaftigkeit sehe ich ganz woanders.


Karl antwortete am 11.11.03 (09:18):

Liebe Angelika,

ich habe Wolfgangs Posting nicht so verstanden, dass er mit der "geschichte unserer väter oder unserer eigenen erlebten geschichte nichts mehr zu tun haben" will. das ist m. E. bestenfalls eine Interpretation durch dich und deshalb solltest Du das auch nicht als Faktum hinstellen.

Gut finde ich, wenn Du sagst, dass die Gedenkfeiern " für alle" gelten, "die wegen ihres glaubens oder ihrer rassenzugehörigkeit schon morgen wieder opfer sein könnten.".

Das ist nämlich ein wichtiger Punkt. Wir wollen nämlich niemals mehr Synagogen brennen sehen, noch dass sich der "Rassismus" neue Opfer sucht, Moscheen oder Kirchen.

Mit freundlichen Grüßen

Karl


tiramisusi antwortete am 11.11.03 (09:25):

lieber karl, solltstest du mal nach berlin kommen so empfehle ich dir, dich möglichst viel in kreuzberg und marzahn in der nähe von kneipenstammtischen, schulhöfen und türkischen jugendclubs aufzuhalten, bring aber viel zeit mit - und hör dir mal die gespräche an, die dort so geführt werden. du bekämest den eindruck, dass es morgen schon wieder losgeht. nur - die türken werden sich unerbittlich wehren...


BarbaraH antwortete am 11.11.03 (09:39):

Die Gefahr besteht doch darin, dass wir bei der Diskriminierung einer religiösen Gruppe, nämlich der der Juden, aus gutem Grund höchst sensibel und besorgt reagieren, bei gleichen Vorkommnissen gegenüber anderen Religionsangehörigen, z.B. der der Moslems, gleichgültig wegschauen oder gar Beifall klatschen.

So verstehe ich Wolfgangs Beitrag. Wer aus der Vergangenheit lernen will, darf sich nicht neue "Juden" für seine Ängste suchen.


tiramisusi antwortete am 11.11.03 (10:19):

ach barbara - lies doch mal die überschrift zu diesem thread ... kennst du andere als jüdische synagogen?
ich sehe nur, dass bei jedem thema, das sich um juden dreht, entweder geschwiegen wird (wie zb beim gruss und glückwunsch zu jüdischen feiertagen) oder aber sofort ein gegenargument a la "ja aber die moslems bauen ihre moschee vom eigenen geld" eingefügt wird. mir musst du nichts von alten ängsten und neuen juden erzählen, ich sehe nur, dass zb die chassidische familie aus russland, die hier seit 2 jahren auf einem aussiedlerhof wohnt und die sich traditionell kleidet, unter dem gegröhle vereinter deutschen, kurdischen und türkischen kindern mutig ihre wenigen einkaufsbummel macht und sich kaum jemand um sie kümmert. ihr grosses glück ist, dass der besitzer des hofes ein grosser bauer aus der region ist, der hier das sagen hat und sie unter seinen persönlichen schutz genommen hat. die tatsache, dass ich ein wenig die sprache dieser leute spreche, sie öfter besuche und sie auch gerne zu mir kommen halte ich mit für einen grund, dass man mir vor kurzem aussen am haus die telefonleitung kappte, mir müll über den zaun schüttet und nette anonyme botschaften in den briefkasten wirft.
nein barbara, angst habe ich nicht - aber eine stinkwut im bauch. auf scheinheiligkeit, auf falsches vergessen und auf zerreden von tatsachen.


Wolfgang antwortete am 11.11.03 (11:54):

Die Deutschen haben nach dem fuer sie verlorenen Krieg ihre Hausaufgaben gruendlich gemacht und dabei, was ich beobachte, viel gelernt... Ein Beispiel (auch, weil es gerade eine gewisse Aktualitaet hat): Die 'I.G. Farbenindustrie AG' (das I.G. steht fuer 'Interessengemeinschaft').

Das war ein Zusammenschluss - erst ein Kartell, spaeter fusionierten die Beteiligten - der deutschen chemischen Industrie. Waehrend der Zeit der HITLER-Bande war das Unternehmen verstrickt in die nationalsozialistische Schreckensherrschaft (vgl. mein Webtipp). Nach dem Krieg wurde das Unternehmen zerschlagen und in Form der 'I.G. Farbenindustrie in Liquidation' (IG i. L.) weitergefuehrt.

Die IG i. L. kuemmerte sich um den Nachlass und zahlte Schadenersatz. Immerhin... Und nicht zu knapp... Eine tolle Leistung, finde ich, und, betrachtet man das Verhalten der Verantwortlichen anderer Laender, auch keine selbstverstaendliche Leistung. "Insgesamt erhielten 5855 ehemalige Häftlinge der IG Farben in 42 Staaten bis Anfang der 60er Jahre 27 841 500 Mark." (Quelle... 'Das moerderische Unternehmen' (von BERND WAGNER), SZ v. 11.11.2003).

Jetzt geht die IG i. L. endgueltig in Liquidation. Ihre Aufgabe ist erledigt. Die Buecher werden geschlossen. So ist das... Im Privaten, wie in der 'grossen' Politik... Alles hat einmal ein Ende (nur die Wurst hat zwei Enden). ;-)

Webtipp (diese Internet-Seite ist Teil eines Mahnmals der Stadt Dessau, die damit an die Produktion von Zyklon B in ihrer Stadt erinnern moechte)....

Zyklon-B - Mahnung und Erinnerung !
https://www.zyklon-b.info/

Internet-Tipp: https://www.zyklon-b.info/


tiramisusi antwortete am 11.11.03 (12:16):

gell wolfgang, mit geld lässt sich alles aufrechnen.


mart antwortete am 11.11.03 (13:31):

Nur als Denkanstoß gedacht:

Wann werden wohl die Moslems für den Bau von Moscheen und für die Bewachung moslemischer Einrichtungen ebenso viel Geld bekommen wie die paar Juden, die übriggeblieben sind?


Es ist übrigens Demagogie die Entschädigung von Zwangsarbeitern mit Entschädigungszahlungen an Juden zu vermengen. Welche Absicht steckt wohl hier dahinter?


Wolfgang antwortete am 11.11.03 (13:52):

Das, was die europaeischen Juden und die europaeischen ZwangsarbeiterInnen gemeinsam hatten, war ihr Leiden unter der deutschen nationalsozialistischen Schreckensherrschaft... Nicht jeder Jude, aber viele Juden (und andere Gefangene) waren ZwangsarbeiterInnen.

Entschaedigungszahlungen gingen an Opfer - unabhaengig davon, ob sie Jude oder Nicht-Jude waren. Allerdings hatten nicht alle Opfergruppen eine gleich starke Lobby. Folge: Viele (meist nicht-juedische) Opfer sind leer ausgegangen.

Die wenigen noch lebenden deutschen Vertriebenen und (meist nach Russland verschleppten) deutschen ZwangsarbeiterInnen warten heute noch auf irgend eine Entschaedigung aus den Laendern, deren Verantwortliche ihnen Leid angetan hatten.


mart antwortete am 11.11.03 (17:21):

Rund zehn Millionen Zwangsarbeiter hat es gegeben, das Gros davon Nicht-Juden aus Osteuropa.

Wieviele der jüdischen Zwangsarbeiter den Holocaust überlebt haben, ist umstritten (nach Schätzungen des Xenophobie- und Genozidforschung der Universität Bremen seien maximal 15 000 jüdische Zwangsarbeiter namentlich bekannt), aber auch, wieviele Zwangsarbeiter in welchen osteuropäischen Ländern heute leben.

Davon jedoch hängt die Verteilung der Gelder ab.
Zweiter Streitpunkt: Wieviel von den zehn Milliarden Mark geht oder ging tatsächlich an die Opfer, wieviel bleibt bei der JCC oder anderen Organisationen und Anwälten?

Die Auszahlungsmodalitäten sind in Deutschland im Gegensatz zu Österreich derartig absurd gemacht worden, daß zwangläufig das Geld in falsche Kanäle fließt und ein Streit zwischen den versch. Opfergruppen vorprogrammiert war. Absicht?