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THEMA:   Jammern auf hohem Niveau

 21 Antwort(en).

Wolfgang begann die Diskussion am 14.10.03 (10:56) mit folgendem Beitrag:

Wer aus dem Ausland Deutschland beobachtet, reibt sich wohl verwundert die Augen ob der deutschen Befindlichkeit... Ein wahres Jammertal muss das hier sein, glaubt man der veroeffentlichten Meinung.

Dagegen steht eine Meldung heute in der Financial Times Deutschland (FTD) mit dem schlichten Titel: "Deutsche sind Exportweltmeister" (vgl. Link). Die deutsche Wirtschaft exportiere erstmals seit elf Jahren wieder mehr als jedes andere Land auf der Welt. Die guenstige Kostenentwicklung sei ein Grund für die gute Performance.

So schlecht kann der Zustand der deutschen Volkswirtschaft also nicht sein. Trotzdem wird gejammert - immerhin auf hohem wirtschaftlichem Niveau. ;-)

https://www.ftd.de/pw/in/1066030065483.html

Internet-Tipp: https://www.ftd.de/pw/in/1066030065483.html


dino9 antwortete am 14.10.03 (11:42):

jammern u. meckern ist standard geworden.es gehöhrt zum guten ton.
unternehmerverbände müsten sich in grund u. boden schämen.
ihre lobby sorgt doch jetzt dafür mit dem sozialabbau das sie nun noch mehr verdienen können.
es kommt wieder der reine kapitalismus.
soziale marktwirtschaft ade.


rolf antwortete am 14.10.03 (12:34):

Nur dem Anwalt gehts wirklich schlecht, wenn er nichts zu klagen hat


Mechtild antwortete am 14.10.03 (17:26):

Das ist wohl wahr, was Du sagst.
Aber die Städte und Gemeinden haben wenig Geld und die Arbeitslosen und Geringverdiener haben auch wenig Geld. Die Städte und Gemeinden schließen Schwimmbäder, soziale Einrichtungen und Begegnungsstätten jeder Art. Einmal werden qualifizierte Arbeitsplätze abgebaut und es hat langfristig Einfluss auf das soziale Klima.
Die zunehmende Armut trifft unsere Generation nicht so stark, aber unsere Kinder und Enkel wenn sie keinen bezahlten Job bekommen, könnten davon betroffen werden. Es gibt heute schon Menschen, die 2 Jobs brauchen um leben zu können und die Schwarzarbeit blüht.
Wenn immer weniger Menschen Steuern zahlen und Sozialversicherungsabgaben zahlen, kann der Staat seine Aufgaben nicht mehr erfüllen und immer mehr Leistungen werden privatisiert. Es wird mehr Privatschulen, -universitäten, -schwimmbäder usw. geben, die nur von denen besucht werden können, die das Geld dafür haben.Die anderen müssen draussen bleiben.
Die Kinder- und Altersarmut wird steigen.


dino9 antwortete am 14.10.03 (19:31):

alles wie in der frühkapitalistichen zeit wird es werden. es wird wieder viele kinder geben die arbeiten gehen müssen. und schlafburschen.


schorsch antwortete am 15.10.03 (11:40):

Ich habe den leisen Verdacht, dass die Wirtschaft zutode gejammert wurde.....


Wolfgang antwortete am 15.10.03 (11:46):

Sie ist ja nicht tot, schorsch... Im Gegenteil, die deutsche Wirtschaft waechst und gedeiht praechtig (zu wessen Nutzen ist eine ganz andere Frage).

Jedenfalls scheint Jammern zum Geschaeft zu gehoeren. ;-)


BarbaraH antwortete am 15.10.03 (12:01):

Deutschland ist wieder Export-Weltmeister. Da werden sicher in einigen Vorstandsetagen die Sektkorken knallen. Diese Jubelstimmung darf auf keinen Fall bis zum Volk vordringen. Die angeblich so faulen, unfähigen Arbeitnehmer, die mit den meisten Urlaubs-und Krankentagen, könnten ins Grübeln kommen. Wer brachte eigentlich diese Rekordleistung zustande, wenn kaum jemand arbeitet?

Besser ist es, Arbeitnehmer klein zu halten und den Untergang der deutschen Wirtschaft in die Medien zu tragen. Menschen mit Schuldgefühlen mucken nicht auf. Sie bilden eine gefügige Masse, mit deren Hilfe sich lukrativ und problemlos verdienen lässt.


Wolfgang antwortete am 15.10.03 (12:23):

Zum Beispiel ueber die angeblich zu hohen deutschen Lohnkosten wird gejammert. Aber: Wie koennten wir Export-Weltmeister sein, wenn die Kosten insgesamt zu hoch waeren?

Des Raetsels Loesung: Deutschland hat zwar relativ hohe Lohnkosten pro Stunde, aber mit die niedrigsten Lohnkosten pro Stueck der Welt... Diese Lohnkosten - in der Fachsprache Lohnstueckkosten genannt, die Kosten, mit denen im Unternehmen kalkuliert wird - sind zum Beispiel niedriger als die in Portugal. Sogar niedriger als der EU-Durchschnitt aller 11 EU-Laender liegen unsere Lohnstueckkosten.

Tagein, tagaus fuettern extra dafuer angeheuerte Medienprofis aber die Oeffentlichkeit mit der Maer von den angeblich zu hohen deutschen Lohnkosten. Nur wer's glaubt wird selig... ;-)


Mechtild antwortete am 15.10.03 (14:42):

Es glauben wohl sehr viele und es wird benutzt zum Lohndumping und vor allem dazu Arbeitsstellen abzubauen. Man hat heute erreicht, dass es keine Solidarität unter den Arbeitnehmern mehr gibt. Der eine zeigt mit dem Finger auf den anderen und es herrscht großer Sozialneid untereinander. Die Arbeitnehmer sind mit sich selbst beschäftigt und sehen dabei nicht, wer das Geld bekommt, dass ihnen weggenommen wird. Zur Zeit sehe ich keine Person oder Organisation, die es schaffen könnte die abhängig Beschäftigten zu organisieren und für mehr soziale Gerechtigkeit in unserem Land und dieser Welt zu kämpfen.


tiramisusi antwortete am 15.10.03 (15:26):

man darf nicht vergessen, dass auch die zahlen der im ausland endgefertigten und zusammengeschraubten waren (von niedriglohnpersonal) einen grossen anteil am deutschen export hat ...


Wolfgang antwortete am 15.10.03 (16:11):

Das aendert aber nichts daran, Angelika, dass Deutschland relativ niedrige Lohnstueckkosten hat - dank hervorragender Ausbildung, guter Kapitalausstattung, innovativer Unternehmen,kurz: dank hoher Arbeitsproduktivitaet. All das fliesst ein in unsere brauchbaren bezahlbaren Spitzenprodukte in Spitzenqualitaet (die laengst nicht mehr nur aus zusammengeschraubten Teilen bestehen, sondern oft ganze Systemloesungen mit grosser Wertschoepfung darstellen).

Es aendert auch nichts daran, dass Deutschland ueber eine der fittesten Volkswirtschaften der Welt (vielleicht ueber die fitteste) verfuegt.

Und es aendert nichts daran, dass Jahr fuer Jahr gewaltige Vermoegenswerte neu geschaffen werden und diese profitabel verkauft werden und sich viel Geld bei denen ansammelt, die schon ueber viel Geld verfuegten.

Und gerade die jammern... Barbara hat in ihrem Beitrag dargelegt, warum das so ist.

Ich bin ueberzeugt davon, dass es nicht mehr allzuviele Menschen gibt, die auf die Jammertour hereinfallen.


Wolfgang antwortete am 15.10.03 (16:19):

Ich sehe das auch so, Mechthild... Die Beschaeftigten sind wie gelaehmt und lassen sich (ubrigens auch von ihrer "eigenen" Partei) am Nasenring durch die Manege fuehren. Sie sind sich zwar ihrer Probleme, aber noch nicht ihrer Kraft bewusst.

Das kann sich schnell aendern.

Geschichtliche Beispiele gibt es ohne Ende, dass Menschen sich erfolgreich wehrten, wenn sie in eine fuer sie immer unertraeglichere Situation gebracht wurden. :-)


dutchweepee antwortete am 16.10.03 (03:56):

Wolfgang! ...ich bin entäuscht! allgemein lese ich Deine Threads mit grosser Freude und Zustimmung, aber jetzt verfällst du DOCH inīs deutsche-jammer-geheul. WHAT THE HELL ist in Deutschland unerträglich?

...mal ganz davon abgesehen, dass ich es dem Bundesbürger nicht zutraue, Montags (in der Kälte) protestierend (vielleicht sogar mit ner Kerze in der Hand) auf den Strassen rumzulaufen (siehe 1989), um seine schrecklichen Lebensbedingungen zu ändern?

Der Bundesbürger setzt sich doch lieber in seinen BMW oder Daimler und fährt mit dem im Kreis rum, um gegen seine UNERTRÄGLICHEN Lebensbedingungen zu protestieren.


schorsch antwortete am 16.10.03 (09:34):

"Haltet den Dieb!" ist ein beliebter Schrei der Hochsitzhocker. Das Volk sucht gebannt nach dem Dieb - und inzwischen sackt der Hochsitzhocker die fette Beute ein.....


juergenschmidb antwortete am 16.10.03 (20:38):

jammern ist nicht deutsch, so denk ich
nicht indisch, welsch, nicht englisch, belgisch,
es auch nicht, ja da schau her,
nicht typisch für ein land, ein meer.

Mensch ist zwar in manchem gut,
hat viel am kasten, bäckt sich brot,
jedoch die Spezies, die hat auch Fehler,
Ein jeder neidet schnell den Teller,
dem anderen, der hat was drauf,
und er, er selbst geht leer tagtäglich aus.
Des Menschen Fehler ist sein Neid,
nicht mangelhafte Reinlichkeit,
nicht Mitleid oder andre Sachen,
die un- oder ihn sympatisch machen.
Den Jammer trifft man überall,
im China auch, auch im Ural,
am Tegernsee, in Graz, in Gmunden,
da dreht er freudig seine Runden.
In USA auch und in Rom, im Hamburger Hafenbecken,
überall ist er zu entdecken.
Der Jammer, ist ein menschliches Gesetz.
Er wird nie enden , auch nicht jetzt.


Medea. antwortete am 16.10.03 (21:01):

Hallo Schorsch -
ein Hochsitzhocker ist das ein Jemand auf einem Barhocker, weil auch hoch, oder hockt der auf einem Hochsitz im Verborgenen, um das ahnungslose Wild hinterrücks zu erlegen und als fette Beute heimzuschleppen?


schorsch antwortete am 17.10.03 (16:15):

Ab und zu missbrauchen auch Wilderer die Hochsitze (;--))))

Aber natürlich meine ich jene, die sich über das "gewöhnliche Volk" erhaben fühlen, die allgemein gültigen Regeln des Zusammenlebens missachten und das Volk zu ihrem alleinigen Vorteil missbrauchen.


dingo antwortete am 18.10.03 (03:10):

Nach dem ich gejammert habe fühle ich mich besser.


Wolfgang antwortete am 18.10.03 (17:22):

Es kommt ganz darauf an, dutchweepee, in welcher sozialen Lage Du Dich befindest (das duerfte ueberall so sein, nicht nur in Deutschland). Ich habe zum Beispiel ueberhaupt keinen Grund zum Jammern (habe das auch nicht getan), weil es mir wirtschaftlich sehr gut geht, besser als den meisten Menschen in diesem Land. Ich masse mir aber nicht an, meine Befindlichkeit auf andere Menschen zu uebertragen, die eventuell in einer ganz anderen, u. U. prekaeren sozialen Situation sind.

Ich pflege ueber den Rand meines kleinen persoenlichen 'Tellers' zu blicken. Die einschlaegigen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Es waechst nicht nur der Reichtum, die Armut und die Anzahl der Armen wachsen ebenfalls... Es kann mich nicht nur beruhigen, dass ich Gott sei Dank in den letzten Jahrzehnten unter den sogenannten Modernisierungsgewinnern war.


pilli antwortete am 23.10.03 (16:08):

keine ahnung obs hier paßt:

jammern wenn dafür geld bereitstehen sollte:

"Eigenheimzulage ohne Bauen"

diese werbemail erhielt ich heute und verstehe es einfach nicht...

trick oder tipp?

:-)

Internet-Tipp: https://https://www.geldanlagebrief.de/media/fid/01/


pilli antwortete am 23.10.03 (16:09):

sorry .-)

Internet-Tipp: https://www.geldanlagebrief.de/media/fid/01/