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THEMA:   Friedensnobelpreis für iranische Menschenrechtlerin

 46 Antwort(en).

tiramisusi begann die Diskussion am 10.10.03 (11:26) mit folgendem Beitrag:

Der diesjährige Friedensnobelpreis geht an die iranische Menschenrechtlerin Schirin Ebadi. Das teilte das Nobelkomitee heute in Oslo mit.

Die 54-jährige Juristin wird für ihren Einsatz bei der Demokratisierung des Iran und im Kampf um mehr Frauenrechte ausgezeichnet. Der Preis ist mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotiert.

Im vergangenen Jahr hatte der frühere US-Präsident Jimmy Carter die Auszeichnung erhalten. Ebadi ist die elfte Frau, die den Friedensnobelpreis zuerkannt bekommt.
.....

Eine sehr gute Wahl, wie ich finde - und vielleicht ein Zeichen in die richtige Richtung


mart antwortete am 10.10.03 (12:41):

Also, ich habe ein sehr beeindruckendes Interview mit dieser Frau vor längerem in der Zeitung gelesen - ich glaube, sie hat den Friedensnobelpreis echt verdient!

Ist es nicht bezeichnend, daß so viel Frauen den Friedensnobelpreis bekommen haben?


Minna antwortete am 10.10.03 (12:47):

@ mart,
nach Deiner Diskussion über Virentierchen und makromolekulare Piraten wirst Du den Preis auch bald bekommen.


mart antwortete am 10.10.03 (12:57):

Friedensnobelpreis für Piraten?-- ne


Karl antwortete am 10.10.03 (13:03):

Zur Preisträgerin. In obigem Link heißt es:

Ebadi habe "in einer Zeit der Gewalt stets die Gewaltfreiheit unterstützt", erklärte das Nobelkomitee. Als bewusst lebende Muslimin sehe sie keinen Konflikt zwischen dem Islam und der Achtung der Menschenrechte. Wichtig sei ihr stets der Dialog zwischen verschiedenen Kulturen und Religionen.

Als Rechtsanwältin, Richterin, Autorin und Aktivistin habe Ebadi in ihrer Heimat eine klare und deutliche Sprache gefunden, die weit über die Grenzen des Landes hinaus Wirkung entfaltet habe. Ebadi sei "eine Frau, die Teil der muslimischen Welt ist und auf die diese Welt stolz sein kann - zusammen mit allen, die für die Menschenrechte eintreten, wo immer sie auch leben."

Hoffen wir, dass dieses Zeichen aus Oslo verstanden wird.


Karl antwortete am 10.10.03 (13:07):

Ich sehe gerade, dass "oben" gar kein Link angegeben wurde. Hier ist er. Übrigens, der Nobelpreis ging an eine Frau mit Kopftuch ;-)

Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,269080,00.html


Wolfgang antwortete am 10.10.03 (13:08):

Ich freue mich natuerlich sehr, dass gerade Frau EBADI den Friedensnobelpreis bekommen hat. Das ist auch ein Zeichen gegen die FundamentalistInnen jeglicher Couleur. Diese praktizierende (uebrigens kopftuchtragende) Muslimin und tapfere Frau hat diesen Preis auch meiner Meinung nach verdient.

Frau EBADI sagte in einer ersten Stellungnahme: "Ich bin Muslimin, man kann also Muslim sein und die Demokratie unterstuetzen." - Genauso ist es... :-)


Karl antwortete am 10.10.03 (13:09):

Hier ist sie:

Internet-Tipp: " target="_new">


BarbaraH antwortete am 10.10.03 (13:23):

Wieder einmal eine sehr weise Wahl, die das Komitee aus 165 Vorschlägen getroffen hat. Hoffentlich fördert diese Auszeichnung tatsächlich den Dialog zwischen den verschiedenen Kulturen und Religionen. Ich glaube, das ist wohl das Wichtigste, was unsere Welt z.Zt. braucht.


Mechtild antwortete am 10.10.03 (15:27):

gute Entscheidung


cilia antwortete am 10.10.03 (15:55):

Irrtum, sie keine "kopftuchtragende" Muslimin. Das Kopftuch trägt sie nur im Iran, wo sie nach den geltenden Gesetzen dazu gezwungen ist. Sie hat weder heute in Paris, bei ihrem ersten Interview nach der Bekanntgabe des Nobelpreises, noch kürzlich in London - ebenfalls bei einem Interview ein Kopftuch getragen. Aber das ist heute sicherlich bei den Abendnachrichten nachzuvollziehen.


Felix antwortete am 10.10.03 (17:52):

Dieser Entscheid macht allen Gemässigten Mut. Typisch ist, dass es vorallem die ewiggestrigen Macho-Männer sind, die sie überall bekämpfen müssen. Denen wurde damit ein Dämpfer aufgesetzt!


Medea. antwortete am 10.10.03 (19:12):

Freue mich sehr, daß der Mut von Frau Schirin Ebadi, sich für Menschen- und Kinderrechte im Iran einzusetzen, mit dem Friedensnobelpreis anerkannt wurde.
An "unsere Männer" hier im Forum, die eigenartigerweise so etwas wie frohlocken, daß sie ein Foto mit "Kopftuch" auftreiben konnten :-))
selbst eine Menschenrechtlerin wie Frau Ebadi kann sich dem Verhüllungszwang in ihrem Lande nicht entziehen und ist klug genug, sich daran zu halten.
Wie hübsch sie wirklich ist, zeigen die Fotos, die außerhalb des Iran von ihr gemacht werden. Und wie jede andere Frau hat sie offensichtlich Freude an einer schönen Frisur und einem Lippenstift ... ;-))


Renate2 antwortete am 10.10.03 (22:02):

Eben, Medea!

Sie lebt außerhalb ihrer Gesellschaft in Frankreich und hat dennoch offensichtlich viel erreicht, um die uralten Sitten ihres Landes zu bekämpfen. Die nämlich mitnichten auf die religiösen Vorstellungen des Koran zurückgehen, zum Beispiel die Rolle der Frau und der Kinder in diesen Gesellschaften. Eine Muslima, die Vorbild sein kann. Gute Wahl des Nobelpreiskomitées.

Und weil wir gerade dabei sind: Wann endlich wird auch die Beschneidung von männlichen Säuglingen und Kindern als das zu den Akten gelegt, was es im Grunde ist: Eine überkommene Tradition aus neolithischen, mutterrechtlichen Vorstellungen mit ihren blutigen Opfern?
Und das Schächten von Tieren, ohne Betäubung?

Ich sehe diese Entscheidung für den Nobelpreis als einen Schritt in die richtige Richtung. Ein Fünkchen Hoffnung hat sich da aufgetan.

Schönen Abend noch,
Renate.


BarbaraH antwortete am 11.10.03 (00:12):

Lt. einem Bericht der Frankfurter Rundschau lebt Frau Ebadi in Teheran; sie hält sich jedoch gerade in Paris auf:

>>Ebadi lebt in Teheran und gilt als Vertreterin des Reformislam, dessen Interpretation mit demokratischen Grundwerten harmoniert.
......
Norwegische Politiker bezeichneten die Wahl als wichtiges Signal gegen "anti-islamische Hetze" und die Gleichsetzung von Islam mit Terror, die sich in vielen westlichen Gesellschaften ausgebreitet habe.<<

https://213.187.75.204/ressorts/nachrichten_und_politik/international/?cnt=319735

Internet-Tipp: https://213.187.75.204/ressorts/nachrichten_und_politik/international/?cnt=319735


BarbaraH antwortete am 11.10.03 (00:24):

Weitere Informationen über das Engagement von Frau Ebadi:

>>Ebadi ist die erste Persönlichkeit ihres Landes und die erste Muslimin, die am 10. Dezember mit dem mit 1,1 Millionen Euro dotierten Preis geehrt wird. Sie war zu Zeiten des Schahs die erste Richterin in Persien und wurde später sogar Vorsitzende des Richterbundes. Erst unter dem Druck der islamistischen Revolutionäre musste sie ihr öffentliches Amt aufgeben. Im Juni 2000 wurde sie im Zuge ihres Anwaltsmandats für zwei regimekritische Frauen wegen „Störung der öffentlichen Meinung“ vorübergehend inhaftiert. Sie lehrt heute an der Universität in Teheran und übernimmt als Anwältin politisch riskante Fälle.

Die Nachricht erreichte Ebadi in Paris, wo sie an einer Konferenz teilgenommen hatte. „Als Oslo angerufen hat, war es ein Schock“, sagte sie. „Und dann war ich sehr glücklich und froh.“ Sie betrachte den Friedensnobelpreis nicht nur als persönliche Bestätigung, sondern als Anerkennung für alle Menschenrechtler in Iran. Sie könne keinen Widerspruch zwischen dem Islam und den Menschenrechten erkennen. „Daher sollten auch die Religiösen diesen Preis begrüßen.“<<

https://www.sueddeutsche.de/sz/politik/red-artikel1546/

Internet-Tipp: https://www.sueddeutsche.de/sz/politik/red-artikel1546/


Wolfgang antwortete am 11.10.03 (00:27):

Kopftuch hin oder her... Hier geht es um Wichtigeres als um die Kopfbedeckung. Das Nobel-Komitee gab den Preis einer "Frau, die Teil der muslimischen Welt ist, und auf die diese Welt stolz sein kann", wie der Sprecher des Komitees in seiner Wuerdigung betonte. Frau EBADI sehe keinen Widerspruch zwischen dem Islam und den grundlegenden Menschenrechten. Sie sei eine ueberzeugte Muslimin.

Nun frage ich die, die bisher hier in diesen Foren genau das Gegenteil behauptet haben - naemlich die Unvereinbarkeit vom Islam und den Menschenrechten: Wie kriegt ihr das unter einen Hut... Wollt ihr an euren alten Behauptungen festhalten oder wollt ihr dieser Frau den noetigen Respekt zollen ? Beides zusammen geht naemlich nicht !


pilli antwortete am 11.10.03 (00:29):

nun...eine deutliche antwort an alle fundamentalisten!

wenn nur alle so vermitteln könnten. anstatt anprangern und mauern errichten, aufeinander zugehen und miteinander reden.

vielleicht ein anfang?


mart antwortete am 11.10.03 (00:52):

Wie kann man das noch besser ausdrücken? Gratulation!


Medea. antwortete am 11.10.03 (08:02):

Oh ja, lieber Wolfgang - beides geht sehr wohl .....
Frau Ebadi steht für einen Reformislam und legt ihn genau wie Basram Tibi ohne geistig einengende Beschränkungen aus. Sie war Richterin bereits unter Schah Reza, der ja sein Land auch vorsichtig "reformieren" wollte (jedenfalls das, was er darunter verstand) und durch seine Vertreibung scheiterte. Über den Schah und die Korruption im Lande brauchen wir wohl nicht zu diskutieren, das war damals nicht anders als heute, die Gefängnisse waren überfüllt mit Gegnern seines Regimes, heute sind sie es mit "Abweichlern" vom islamischen Glauben. Auch Frau Ebadi hat ja diese leidvolle Erfahrung machen müssen.....
Sie steht für mich für den anderen Islam, der die verkrusteten Strukturen aufbrechen will und den Menschenrechten zu dem ihnen zustehenden Platz verhelfen.
Ich bin sehr froh über diese kluge Entscheidung aus Oslo.
Eine würdigere hätte gar nicht gefunden werden können.


pilli antwortete am 11.10.03 (08:08):

thats Medea....

:-)


Karl antwortete am 11.10.03 (09:07):

Um es klar zu stellen: Mir gefällt Frau Ebadi ohne Kopftuch viel besser als mit. Ich persönlich finde Kopftücher nicht schön, aber bin kein Kopftuchjäger.

Wie Wolfgang richtig sagt, es geht um wichtigeres als um Kopftücher und das hat das Preiskomitee deutlich gesagt. Von Barbara wurde bereits zitiert, es soll ein Signal in zwei Richtungen sein, einerseits gegen die fundamentalistischen Mullahs in Teheran und anderswo und andererseits gegen diejenigen, die keine Gelegenheit auslassen, den Islam als Ganzes als intolerant und terroristisch zu diffamieren, so wie hier in den Foren auch bereits geschehen.

Die Wahl von Ebadi ist ganz hervorragend. Ein Papst, der schon von Amts wegen eigentlich für nichts anders als für Frieden sein kann, hat im Irakkonflikt zwar richtig gehandelt, aber er hatte keinerlei persönliche Repressalien zu befürchten. Frau Ebadi hingegen hat unerschrocken, die eigene Verletzlichkeit in Kauf nehmend vor Ort und nicht etwa nur in Paris - wie oben suggeriert - Stellung bezogen und Gefängnis in Kauf genommen.

Nehmen wir uns doch ein Beispiel an dieser muslimischen Frau in Bezug auf Zivilcourage und Einsatz für die Menschenrechte.

Ein schönes Wochenende wünscht Karl.


Wolfgang antwortete am 11.10.03 (10:39):

Ein Kommentar heute in der Frankfurter Rundschau (FR) von HANNES GAMILLSCHEG: "[...] Der Nobelpreis für Schirin Ebadi ist eine Anerkennung für ihren Kampf um die Gleichberechtigung der Frauen und um demokratische Rechte in der muslimischen Welt."

Und weiter:

"Doch er ist auch ein Signal gegen die anti-islamische Hetze, die seit dem 11. September 2001 nicht verstummen will. 'Er ist ein Zeichen, dass Islam mehr ist als Terror und Fanatismus', sagte Norwegens Ex-Premier Jens Stoltenberg. Denn die 56-jaehrige Anwaeltin ist kein Darling des Westens, keine Kritikerin, die ihre Wurzeln verleugnet. 'Ich bin Iranerin und stolz darauf', sagt sie, und sie bekennt sich als glaeubige Muslimin."

Quelle... "Im Namen der Frauen" (von HANNES GAMILLSCHEG), FR v. 11.10.2003

So weit das Zitat... Ich bin froh, dass jetzt von prominenter Seite und medienwirksam klargestellt wird, was viele Menschen, ich auch, immer gesagt haben: Es gibt keinen Gegensatz zwischen dem Islam und den Ideen von Menschenrechten und Demokratie. :-)


Wolfgang antwortete am 11.10.03 (14:16):

Noch ein Wort zu BASSAM TIBI... Damals, Medea, in einem anderen ST-Thema ("Die Angst vor den Tuerken... Oder, wie man Fremde macht", hast Du geschrieben, "[...] dass die Grenzen im Dialog mit dem Islam schnell erreicht sind." und TIBI als Deinen Zeugen genannt. Ich antwortete Dir:

Gerade BASSAM TIBI - der ja selber Muslim ist - solltest Du nicht fuer Dich als Kronzeugen auftreten lassen... Seit Jahren warnt TIBI vor einem Krieg der Zivilisationen, der sich aus dem Unvermoegen naehrt, für unterschiedliche Lebensweisen, Religionen und Traditionen Toleranz und Verstaendnis aufzubringen.

"Es gibt keine spezifisch deutsche Zivilisation. Es gibt eine deutsche, eine franzoesische Kultur, aber nur eine europaeische Zivilisation." - Dieser Gedanke stammt von TIBI. Und zur europaeischen Zivilisation gehoeren die in Europa lebenden Muslime und ihr Glauben, der Islam [...] Davor muss niemand Angst haben. Nur vor den Scharfmachern jeder Couleur muss man Angst haben und muss gegen sie und ihre Intoleranz und ihr Unverstaendnis aufstehen...


mart antwortete am 11.10.03 (15:29):

<< 'Er ist ein Zeichen, dass Islam mehr ist als Terror und Fanatismus', sagte Norwegens Ex-Premier Jens Stoltenberg.<<


Wurde hier tatsächlich behauptet, daß der Islam nur Terror und Fanatismus ist???


Wolfgang antwortete am 11.10.03 (16:48):

Im lesenswerten SPIEGEL-Interview sagt Frau EBADI u. a.: "[...] Nach meinem Verstaendnis ist der Islam absolut vereinbar mit einer modernen Demokratie. Das sollten gute Muslime auch in ihrem berechtigten Streben nach Freiheit beruecksichtigen."

SPIEGEL 42/2003 - 13.10.2003
INTERVIEW
"Die Zeit des Hasses ist vorbei"
SCHIRIN EBADI ueber Demokratie und Menschenrechte im Islam
https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,269395,00.html

Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,269395,00.html


mart antwortete am 11.10.03 (17:03):

Wolfgang,

Du hast erstaunliche Fähigkeiten!

Gott sei Dank ist das Zeitalter des Großinquisitors vorbei! Du beherrscht dafür die Taktik und die Tricks.


Wolfgang antwortete am 11.10.03 (17:40):

Ich moechte noch auf ein anderes Dokument hinweisen, das auf der Seite des Middle East Media Research Institute (MEMRI) angeboten wird:

MEMRI - Special Dispatch, 7. August 2003
Iran: Debatte über Frauenrechte
Von WAHIED WAHDAT-HAGH
https://www.memri.de/uebersetzungen_analysen/laender/iran/iran_frauen_07_08_03.html

Dort wird Frau EBADI, die sich bekanntlich besonders fuer die Rechte der im Iran oder anderswo unterdrueckten Frauen einsetzt, mit folgenden Worten zitiert:

"Manche sagen, dass dies [die ungleiche 'Wertung' von Mann und Frau, W. M.] ein islamisches Gesetz sei. Aber Fatwas, wie die von Ayatollah Sanei sagen uns, dass das nicht stimmt. Denn der Islam ist gegenueber der Frau nicht so grausam. Der Islam ist die Religion der Gleichberechtigung. Daher muessen wir unter Hinzuziehung von Experten, unabhaengig und ohne zu überstuerzen die Gesetze neu ueberpruefen. Woher kommen die Unterschiede? Hat der Islam diese Unterschiede befuerwortet? Nein, es ist die patriarchale Kultur, die sich in unseren Gesetzen niederschlaegt."

Internet-Tipp: https://www.memri.de/uebersetzungen_analysen/laender/iran/iran_frauen_07_08_03.html


BarbaraH antwortete am 11.10.03 (17:43):

Frau Ebadi ruft ihre Glaubensbrüder und -schwestern auf:

"Die Zeit des Hasses ist vorbei. Der Islam ist absolut vereinbar mit einer modernen Demokratie. Das sollten gute Muslime auch in ihrem berechtigten Streben nach Freiheit beruecksichtigen."

Wo ist das Verhalten eines Großinquisitors zu erahnen, der Taktik und Tricks beherrscht, wenn man diese Worte zitiert?

Ich kann da nur Bauklötzer staunen....


mart antwortete am 11.10.03 (17:46):

Ein guter Inquisitor erreicht, daß Beschuldigte das bekennen was sie nie gesagt und getan haben und das verleugnen, was sie immer schon behauptet haben.


Medea. antwortete am 11.10.03 (18:08):

Frau Schirin Ebadi , die ihr Studium in Teheran und Frankreich absolvierte, ist eine engagierte Streiterin für Kinder- und Frauenrechte und politisch Verfolgte. Ihr Amt als erste weibliche Richterin im Iran mußte sie als Folge der islamischen Revolution aufgeben. Sie arbeitet seither als Anwältin. Sie hat Gefängnis, Hausarrest und andere Repressalien in Kauf genommen.
Ihr Hauptanliegen ist zu erreichen, daß sich Islam und die Einhaltung der Menschenrechte nicht ausschließen, da sie aus bitterer Erfahrung weiß, wohin das führt. Sie vertritt die Auffassung, daß Menschenrechte und Islam kein Konflikt an sich sind, sondern das bestimmte Männer in islamischen Ländern die Religion mißbrauchen, um andere zu unterdrücken.
Die Zukunft wird zeigen, ob der Friedensnobelpreis eine wichtige Schützenhilfe in ihrem Kampf um mehr Demokratie in der islamischen Welt ist.


mart antwortete am 11.10.03 (22:20):

That`s it and nothing else!

Ich wünsche der Friedensnobelpreisträgerin in ihrem Bemühen um Menschenrechte ähnliche Erfolge wie Berta von Suttner, die den Friedensgedanken zu einer internationalen Bewegung mit breiter Massenwirkung machen konnte - und hoffentlich sind ihre Bemühungen von einem lange anhaltenden Erfolg gekrönt.

Hoffentlich wird Schirin Ebadi in den vor allem betroffenen Ländern nicht zu Tode geschwiegen. Ich bin froh, daß der Welt diese Frau bekannt wird, die wahrscheinlich mehr für den Frieden erreichen kann als so mancher Preisträger vergangener Jahre.


mart antwortete am 12.10.03 (08:48):

Und hoffentlich wird die Zuteilung des Friedensnobelpreisträgerin an eine außergewöhnliche Mulsima nicht als Einmischung des Westens in innere Angelegenheiten gesehen.


Wolfgang antwortete am 14.10.03 (22:51):

Natuerlich sieht das iranische Regime der Mullahs die Preisverleihung als politische Demonstration (was sie ja auch ist) an und wird propagandistisch darauf aus sein, dies als Einmischung in iranische Angelegenheiten darzustellen.

Heute - nach etlichen Tagen des Schweigens - hat sich Praesident KHATAMI (einer der moderateren islamistischen Fundamentalisten) zu Wort gemeldet und Frau EBADI "gewarnt".

Die Mullahs muessen viel Angst haben.

Ich denke, Frau EBADI wird sich nicht einschuechtern lassen und den Preis nutzen und waehrend der Preisverleihung deutliche Worte an die iranische Fuehrung richten und die auffordern, endlich eine Politik zu beginnen, die sich an den Menschenrechten ausrichtet.


Medea. antwortete am 14.10.03 (23:10):

Oh weh,

wie ist das "gewarnt" zu verstehen?
Ich habe darüber hier nichts gelesen oder gehört.


mart antwortete am 14.10.03 (23:20):

"Khatami: "Preisverleihung politisch motiviert"

Zuvor hatte sich Präsident Mohammed Khatami erstmals zur Preisverleihung an Ebadi geäußert und von einer rein politisch motivierten Entscheidung gesprochen.

Khatami erklärte vor Journalisten, er freue sich darüber, dass gerade eine Iranerin geehrt worden sei. Der Nobelpreis sei ihr jedoch nur aus politischen Erwägungen verliehen worden. Er hoffe, dass die Auszeichnung dem Wohl des iranischen Volkes und der ganzen Welt diene.


Im Grunde aber sei der Friedensnobelpreis nicht viel wert - im Gegensatz zu den anderen Nobelpreisen, die für wahre Leistungen vergeben würden."

Internet-Tipp: https://derstandard.at/?id=1449909


Wolfgang antwortete am 14.10.03 (23:23):

Das ist die dpa-Meldung, Medea, wiedergegeben unter anderem in der Frankfurter Rundschau (FR) v. 15.10.2003, auf die ich mich in meinem Beitrag beziehe. Hier ein Auszug aus dem FR-Artikel:

IRAN

Khatami ermahnt Nobelpreistraegerin Ebadi

Teheran/Paris · 14. Oktober · dpa · Fuenf Tage nach Vergabe des Friedensnobelpreises an die Teheraner Anwaeltin Schirin Ebadi hat Irans Praesident Mohammad Khatami am Dienstag erstmals offiziell reagiert und vor einem Missbrauch der Auszeichnung gewarnt. "Alle Iraner, ich eingeschlossen, freuen sich darueber, dass der Preis an eine Iranerin ging. Aber alle Friedensnobelpreistraeger sollten auch die wahren Schaender von Frieden und Menschenrechten aufdecken", erklaerte er. "Frau Ebadi kommt aus einer religioesen Familie, und ich hoffe, dass sie die Interessen Irans und der islamischen Welt im Auge behaelt und keinerlei Missbrauch der Auszeichnung zulaesst", sagte Khatami.

[...]


Wolfgang antwortete am 14.10.03 (23:26):

Wie gesagt: Die iranischen Mullahs muessen viel Angst haben... Aber jetzt gilt es, den Friedensnobelpreis propagandistisch zu nutzen. Ich bin zuversichtlich, dass Frau EBADI das tun wird.


Wolfgang antwortete am 15.10.03 (00:56):

Die Neue Zuercher Zeitung (NZZ) berichtet heute ueber den Empfang, den ein paar Tausend begeisterte IranerInnen der neuen Friedensnobelpreistraegerin bei ihrer Rueckkehr auf dem Teheraner Flugplatz bereiteten (vgl. Link).

"Dieser Preis gehoert nicht mir. Er gehoert dem ganzen iranischen Volk. Er gehoert allen, die sich um Menschenrechte und Demokratie bemueht haben", sagte Frau EBADI laut diesem Bericht.

Schlechte Zeiten fuer die Mullahs... :-)

https://www.nzz.ch/2003/10/14/al/page-newzzDLSA5NP3-12.html

Internet-Tipp: https://www.nzz.ch/2003/10/14/al/page-newzzDLSA5NP3-12.html


Medea. antwortete am 15.10.03 (08:47):

Frauenfeindlicher geht's nimmer ....
Was mag sich Präsident Mohammed Khatani dabei gedacht haben, als er sagte, daß er sich zwar freue, daß dieser Preis einer Iranerin verliehen wurde, aber "im Grunde nicht viel wert sei, im Gegensatz zu anderen Nobelpreisen, die für wahre Leistungen vergeben würden ..."
Da bleibt einem doch die Spucke weg ... :((
Aber Freude bei den Mullahs und den Regierenden hieße ja auch, einzugestehen, daß im Iran so manches im Argen liegt, für das sie veranwortlich zeichnen.


mart antwortete am 16.10.03 (09:43):

Es geht hier um Menschenrechte und das was darunter verstanden werden kann:

Die Menschrechtserklärungen, die der "Islam" auf verschiedenen Konferenzen, beschlossen hat, unterscheiden sich in einigen Punkten von der Menschenrechtskonvention der UNO.

Hier folgt die Analyse eines Punktes, der zum Verständnis wichtig ist: (von Daniela Wagner im Rahmen einer Seminararbeit)



"Ein Reizthema in islamischen Staaten sind die Menschenrechte oder besser gesagt die europäischen individuelle Menschenrechte.

Die Organisation der islamischen Konferenz hat zweimal die islamischen Menschenrechte niedergeschrieben, welche von den Mitgliedstaaten anerkannt werden. Ich will hier den ersten Artikel des Menschenrechtskonzepts zitieren welches 1990 auf einer Versammlung in Kairo bekannt gegeben wurde



Artikel 1: ,,Alle Menschen sind gleich in Sinne der grundlegenden Menschenwürde sowie der Grundrechte und Grundpflichten, ohne jede Diskriminierung Aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Sprache, religiösem Glauben, politischer Zugehörigkeit, sozialem Status oder anderen Erwägungen. Wahrer Glaube ist die Garantie für den Genuß solcher Würde auf dem Weg zur Vollkommnung des Menschen,..


Bis auf den letzten Satz stimmt die Vorstellung der Menschenrechte mit denen der westlichen Welt überein. Aber im letzten Satz, also ,,wahrer Glaube ist die Garantie für den Genuß solcher Würden ...", macht sich die große Verquickung von Politik und Religion in der islamischen Welt klar.

Eigentlich spricht man sich also für die individuellen Menschenrecht und sogar für die Religionsfreiheit aus, aber als Bedingung hierfür nimmt man den ,,wahren Glauben".

Da der Islam einen Absolutheitsanspruch seiner Religion sieht, kann man eigentlich davon ausgehen, das hiermit des Islam als ,,wahrer Glaube" gemeint ist.

Ähnlich Versuche der Erklärung der Menschenrechte werden und wurden auch von einigen Intellektuellen gemacht, wobei hier entweder so argumentiert wurde, das die Menschenrechte ein urislamischer Gedanke ist oder,

dass diese westlichen Menschenrechte vollkommen abgelehnt wurden und man im Islam andere Menschenrechte sieht, nämlich keine individuelle, sondern dass das Recht der Gemeinschaft vor dem des Einzelnen geht, dass das Individuum also zu Not zum Wohle der Gemeinschaft leiden muss oder sich selbst zurück nehme muss und das Werte wie Ehre, Wertschätzung der Frau, Vergabe von Almosen, die Familie u.a. mehr dem islamischen Verständnis entsprechen und das der Westen mit seiner Dekadenz und falschen Freizügigkeit diese nicht einhält."

Internet-Tipp: https://www.hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/poi/23053.html


Wolfgang antwortete am 16.10.03 (10:08):

Frau EBADI jedenfalls (und mit ihr viele iranische WiderstaendlerInnen) steht fuer die Menschenrechte, die von den Vereinten Nationen (UNO) verabschiedet wurden und seit dieser Zeit weltweit als internationales Recht gelten.

Sie - selber Muslimin - sieht auch keinen Widerspruch zur islamischen Religion... Wohl aber versuchen die Islamisten (also die, die den Islam als politische 'Religion' fuer ihre Zwecke missbrauchen) eigene 'Menschenrechte' (was natuerlich deren Neusprech ist) zu kreieren und behaupten frech, die Menschenrechte der UNO seien nicht kompatibel zum Islam.

Aber das ist Propaganda... Genau die gleiche Propaganda, die auf der anderen fundamentalistischen Seite auch verwendet wird.


mart antwortete am 16.10.03 (10:33):

Also, Du sagst hier, daß die Menschenrechtserklärungen, die islamische Konferenzen und Interessentenvertretungen zu verschiedenen Zeiten gemacht haben, nur von "Islamisten" kreiert worden sind?

Bist Du wirklich dieser Meinung?


BarbaraH antwortete am 16.10.03 (10:57):

Im iranischen Volk gärt es. Mit der Wahl von Mohammed Chatami hatte man große Hoffnungen zu einer Demokratisierung verbunden. Diese wurden bitter enttäuscht. Mutige Pressevertreter werden öffentlich ausgepeitscht, hingerichtet oder zu langen Haftstrafen verurteilt. Trotzdem lässt sich dieses Volk nicht einschüchtern.

Durch die Nutzung des Internets gelingt es heute nicht mehr, verbotene Zeitungen zum Schweigen zu bringen. Immer mehr Haushalte verfügen über Satellitenempfang, der vor Jahren noch bei hoher Strafe verboten war. Man schätzt, dass etwa 1,75 der 64 Millionen Iraner im vergangenen Jahr Zugang zum Internet hatten.

Die strengen Kleidervorschriften für junge Frauen werden durch nach hinten verrutschte leichte Tücher, enge Jeans und Turnschuhe umgangen. Der Chador wird nur noch selten getragen. Diese mutigen jungen Frauen lassen sich auch nicht mehr zwangsverheiraten. Der Trend geht zum Studium. Da die Schulen für Mädchen und Jungs getrennt sind, trifft man in der Universität auf einmal auf das so fremd gemachte andere Geschlecht. Der Campus wird somit zur größten Singlebörse des Landes.

Wenn man sich die ungeheure unterdrückte Kraft dieses so mutigen und starken Volkes vor Augen führt, ahnt man, was die Verleihung des Friedensnobelpreises im Iran bewirken kann:
er könnte ein wirksames Werkzeug zum Sprengen der Fesseln dieses Volkes werden.

Internet-Tipp ZEIT-Artikel:
Medien im Iran kämpfen um die Menschenrechte an vorderster Front
https://www.zeit.de/2003/42/medien_iran

Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2003/42/medien_iran


Wolfgang antwortete am 16.10.03 (11:08):

Ich setze auch grosse Hoffnungen in die WiderstaendlerInnen im Iran (und anderswo), Barbara... Denn fuer mich steht fest, dass es keine Demokratie und keine Politik der Menschenrechte dort geben wird, so lange, wie das Regime der in diesem Fall islamistischen Fundamentalisten die Macht hat.

Das gilt uebrigens auch fuer andere Staaten, z. B. Saudi Arabien mit seiner besonders ueblen 'Staatsreligion' - der Wahhabismus. Ueberall, wo angeblich von 'oben' beseelte 'Gotteskrieger' (egal welcher Couleur) die Macht haben, ist ihre Politik gekennzeichnet von Gewalt.

Die Menschenrechte bleiben dabei auf der Strecke.


mart antwortete am 16.10.03 (11:33):

Wolfgang, mich würde eine Antwort von Dir auf meine Frage vom 16.10.03 (10:33)interessieren.

Wenn hier über Menschenrechte gesprochen wird, ist es m.E. schon von Interesse, ob diese Menschenrechtsdeklaration von der UNO in allem dem islamischen Verständnis entspricht oder wo eventuell leicht unterschiedlich Texte zur Grundlage der Diskussion gemacht werden.


mart antwortete am 18.10.03 (08:15):

Wolfgang,

keine Antwort ist auch eine Antwort.