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THEMA:   Warum duerfen Deutsche nicht auf ihre Vertreibung hinweisen?

 41 Antwort(en).

Wolfgang begann die Diskussion am 18.09.03 (10:26) mit folgendem Beitrag:

Zur Zeit tobt ein Streit um ein Denkmal fuer von Polen und Tschechen und anderen nach dem 2. Weltkrieg vertriebene Deutsche. In Berlin soll es gebaut werden, so der Wunsch der InitiatorInnen.

Das offizielle Deutschland ist entruestet oder ziert sich. Das offizielle Polen und Tschechien (und wohl auch die Mehrheit der PolInnen und TschechInnen) lehnen den Bau eines deutschen Denkmals in Deutschland strikt ab.

Ich meine: Es ist Zeit, dass Deutsche oeffentlich auch mittels eines Denkmals aeussern duerfen, dass es unter ihnen nicht nur Taeter gab, sondern auch viele Opfer.


Gudrun_D antwortete am 18.09.03 (10:47):

Wolfgang

wem ist damit gedient,wenn immer wieder -auch durch Denkmale-
daran erinnert wird,wie furchtbar für viele Menschen die Vergangenheit war?
Mit dem "immer wieder" werden alte Wunden aufgerissen.

Sinnvoller sehe ich,an der Zukunft so zu arbeiten,die Jugend dahingehend zu erziehen,dass Verständnis und Achtung für einander selbstverständlich werden.
Darin sehe ich auch eine Möglichkeit der Vergangenheitsbewältigung!

Eine Wunde,in der immer wieder gebohrt wird,kann nicht heilen!
Gudrun,die auch der Überzegung ist,dass das Geld sinnvoller ausgegeben werden kann,als für teure Gedenkstätten!


hugo1 antwortete am 18.09.03 (11:35):

@ Gudrun_D So wie ich Dich verstehe sollte man in solchen Fällen fragen: Wem nützt ein Denkmal ?

,,da bin ich mir nicht so ganz sicher ob auch die Frage nach dem Vergessen oder Erinnern gestellt werden sollten
Also wem nützt das schnelle Vergessen. Ich für meinen Teil bin weder durch solcherart Gedenken zu schocken, noch himmelhoch jauchzend darüber.
Am Sonntag den 22.Juni 1945 wurden wir aus unserem Haus hinter der Neiße durch Soldaten der Roten Armee zum Wegzug veranlasst ( 1 Stunde Zeit ,den Kinderwagen zu Packen und die Grenze zu erreichen).Das gleiche passierte einer polnischen Familie 1939, als sich Stalin und Hitler die Gebiete östlich der Masuren teilten. Diese poln.Familie bekam ca 1949 als Entschädigung für Ihre Verluste unser Haus zugesprochen und mußte da einziehen. Bis in die 60iger Jahre hofften sie vergeblich auf eine Rückkehr in Ihr Zuhause und investierten deshalb natürlich nicht in das Haus. Deshalb gelangten viele deutsche Grenzbewohner zur verkorksten Meinung: "Die Polen seien schlampig, faul und lassen Alles verkommen-sog. polnische Wirtschaft"
,,wen und wozu sollte also ein Denkmal für Vertriebene animieren ?


Wolfgang antwortete am 18.09.03 (11:37):

Meine Frage hat den Hintergrund, Gudrun, dass ganz selbstverstaendlich ein riesiges Denkmal zur Erinnerung an die Judenverfolgung und -ermordung in Berlin aufgestellt wird, eine andere Opfergruppe aber wegen ihres Wunsches nach einem eigenen Denkmal gescholten wird.

Warum aber soll an die einen Opfer moeglichst oft erinnert werden, waehrend die anderen Opfer moeglichst schnell vergessen werden sollen?


Ruth antwortete am 18.09.03 (12:03):

Selbstverständlich dürfen wir Deutsche die Vertreibung unserer Landsleute und das damit verbundene Elend nicht vergessen und sollen an einer Wiedergutmachung bzw. Entschädigung der seinerzeit Enteigneten arbeiten.

Trotzdem hinkt m.M. nach der Denkmalvergleich. Es ist wohl nicht ganz gleich, ob vertrieben (in diversen Fällen auch bestimmt auf ganz grässliche Weise) oder gemordet, gefoltert und nicht nachzuvollbares Leid verursacht worden ist.
Ein Denkmal im eigenen Land zu schaffen könnte bestimmt - bei einem, von der Bevölkerung getragenem Wunsch - realisiert werden. Ob es nun jemandem nützt oder nicht.

Ich empfehle im übrigen den Besuch von Yad Vashem in Jerusalem, jedoch ohne weiteren Kommentar.


Gudrun_D antwortete am 18.09.03 (12:28):

Wolfgang

dass immer wieder neue Denkmale gebaut werden müssen,halte ich für unsinnig.
Vor allem dann,wenn,wie das von Dir erwähnte Unsummen kosten wird,die unser Staat gar nicht zur Verfügung hat!

Lange Jahre habe ich mit dem Chor-z.B.-am Kriegerdenkmal in Eis und Schnee gesungen,hörte den Reden zu,---dachte dabei an meinen Vater,der 1944 vor einem Munitionszug herreitend beschossen wurde-nirgendwo konnte für ihn ein Grab geschaufelt werden.----
Natürlich habe ich nicht nur in dieser einen Stunde an meinen Vater gedacht!
Wer selber Schreckliches erleben oder mit ansehen musste,kann das auch nicht vergessen.Man lebt weiter,kann sich auch am Leben freuen,aber immer wieder erinnert man sich.

Hugo1
nicht nur die Vertriebenen haben Land,Hab und Gut verloren!
Wie so viele,haben auch wir in langen Bombennächten alles
verloren.
Was hätte es für einen Sinn,immer wieder nur zu klagen?
Menschen,die geliebt wurden und sterben mussten oder gequält wurden, können und wollen wir nicht vergessen!
Sie leben in unserer Erinnerung weiter.
Es liegt aber an jenen,die Schreckliches erlebten,dafür Sorge zu tragen,dass das in der Zukunft vermieden werden kann.
Und das ist nicht durch Denkmalbauten möglich,lange Reden,die immer wieder alte Wunden aufreissen und auch Hass bringen.
Überall in der Welt ist Terror,Mord,Hass und Unverständnis.

Was haben da Denkmale für einen Sinn?

M.E. wäre es sinnvoller,die Menschen,und vor allem die Jugend sich verstehen und achten zu lehren,anstatt Vergangenes immer wieder aufleben zu lassen.
Wie selbstverständlich spielen Kleinkinder verschiedener Rassen und Hautfarben miteinander.
Das sollte gefördert werden,indem im Elternhaus und auch in der Schule dahingehend erzogen wird.

Mir graust,wenn ich an den abgrundtiefen Hass denke,den z.B. der Irakkrieg ausgelöst hat.
Statt des Denkmalkults sollten viel mehr Verständigungsmöglichkeiten geboten werden!
Dass in unserer multikulturellen Welt die Jugend spielend und lernend einander achten kann,ist wichtig!
Dafür kann gar nicht genügend Geld ausgegeben werden!
Dass junge Menschen einander ihre Sitten und Religionen gleichwertig anerkennen lernen!

Das schaffen keine Denkmale oder schwülstige Reden,auch keine Blumenkränze!
auch kein:wir haben so gelitten,was haben wir alles verloren.....

Dazu brauchen wir Vorbilder,Eltern,Lehrer,Räumlichkeiten,in denen sie gemeinsam mit einander umgehen kernen.


mart antwortete am 18.09.03 (13:27):

<<Ich meine: Es ist Zeit, dass Deutsche oeffentlich auch mittels eines Denkmals aeussern duerfen, dass es unter ihnen nicht nur Taeter gab, sondern auch viele Opfer.<<


Es könnte sogar sein, daß die Opfer auch gleichzeitig Täter waren, oder die Täter auch Opfer -- so kompliziert kann es sein!


Gudrun_D antwortete am 18.09.03 (13:29):

Ach,Mart

"Die Deutschen"

sind wir nicht alle Menschen?????

Mir gefällt ganz einfach das Täter-Opfer-Geschrei nicht!

Lass uns doch "menscheln"


mart antwortete am 18.09.03 (13:39):

Ich bin auch dafür darauf hinzuweisen, daß die Vertreibung der Sudetendeutschen aus Tschechien -- nicht ganz ? rechtmäßig und vielleicht auch etwas grausam erfolgt ist.

Ich bin auch dafür darauf hinzuweisen, daß diverse Völker in der Türkei in Konzentrationslagern gelandet sind, andere - vielleicht - auch etwas grausam verjagt worden sind.

Ich bin auch dafür auszusprechen und Denkmäler dafür zu setzen, daß auch aus Slowenien schon während des erstens Weltkriegs deutschsprechende Menschen verjagt worden sind. Wer weiß das überhaupt noch?

Also wir werden die Welt alsbald übersät haben mit einer Unmenge Denkmäler, sinnigerweise oft direkt nebeneinander an all die Grausamkeiten, die Menschen gegangen haben. Könnte vielleicht eine ganz gute Idee sein!


Wolfgang antwortete am 18.09.03 (14:06):

Die Vertreibungen der Deutschen aus Tschechien und Polen waren nicht nur "nicht ganz rechtmaessig und vielleicht auch etwas grausam", sondern sie waren rechtswidrig und grausam, so, wie bisher alle Vertreibungen egal wo rechtswidrig und grausam waren.


Wolfgang antwortete am 18.09.03 (14:13):

Der deutsche Schriftsteller GUENTER GRASS hat ein Vertriebenen-Mahnmal als "eine europaeische, keine nur deutsche Aufgabe" bezeichnet. Dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" erklaerte er, er halte Berlin für keinen geeigneten Standort. "Der polnische Vorschlag Breslau ist eine Moeglichkeit. Mir waere lieber: Frankfurt an der Oder oder Goerlitz - dort, wo die Grenze ist", sagte er. Auch Polen, Tschechen, Griechen, Tuerken und Armenier sollten an dem Denkmal beteiligt sein, meinte GRASS.

Unlaengst hatte sich die CDU-Vorsitzende ANGELA MERKEL fuer Berlin als Standort eingesetzt und damit Bundeskanzler GERHARD SCHROEDER (SPD) widersprochen, der am liebsten das Problem gar nicht haette, weil er aussenpolitische Schwierigkeiten fuerchtet.


Medea. antwortete am 18.09.03 (14:45):

@ Wolfgang

in dieser Frage bin ich total mit Dir einig - auch an Millionen Deutschen ist großes Unrecht begangen worden - das die Welt nicht vergessen darf.

Der jüngste Bruder meines Vaters, 16jährig, ist in der damaligen Tschechoslowakei "verschollen", wahrscheinlich totgeschlagen wie so viele deutsche Zivilpersonen. Auch für ihn und meinen auf der Flucht verstorbenen Großvater und die kleine Tochter meiner Cousine, die beide an den Straßenrand in den Schnee gelegt wurden, weil der Treck weiterziehen mußte und meine von den Russen vergewaltigten Tanten möchte ich, daß öffentlich erinnert wird - in unseren Herzen sind sie sowieso unvergessen.
Und die Vertreibungen der Millionen aus Schlesien, dem Sudentenland, aus Ungarn, der Donauschwaben und der Siebenbürger Sachsen und aus anderen deutschen Provinzen dürfen nicht vergessen werden .... und das Argument schert mich einen Teufel, daß das alles auf Hitler und seine Vasallen zurückzuführen ist - es ist großes Unrecht geschehen, und genau das muß inzwischen auch ausgesprochen werden dürfen - genauso, wie Deutschland um die ermordeten Juden und Zwangsarbeiter trauerte.
Das geplante Mahnmahl sollte diesesmal für das an Deutschen verübte Unrecht erinnern.


Karl antwortete am 18.09.03 (15:45):

Wenn ich nichts falsch verstanden habe, dann soll das Mahnmal an Vertreibungen europaweit erinnern, nicht nur, aber auch an die Vertreibung der Deutschen. Die Befindlichkeit der Polen kann man vielleicht verstehen, wenn man sich die Ängste vorstellt, der große Nachbar könnte etwas zurückfordern. Diese Furcht ist aber nach den Ostverträgen m.E. unbegründet.


hugo1 antwortete am 18.09.03 (17:11):

Verübtes Unrecht, großes Unrecht, Grausamkeiten durch Vertreibung,,,
wer darf sich davon freisprechen besonders als Deutscher ?
Jeder für sich als Individuum hat sicher genügend echte Gründe, fadenscheinige Parolen, 100%ige Beweise, Beispiele usw sofort parat daß Er, seine Verwandten oder Bekannten Opfer von grausamen Vertreibungsaktionen geworden sind und vielleicht noch heute darunter zu leiden haben. Als Teil einer Nation könnte man sich schon eher etwas (aber nur ein kleines Etwas) mitschuldig fühlen. Das setzt jedoch vorraus das es überhaupt jemanden gibt, der sich schuldig fühlt (ich kenne Niemanden der das ausspricht). Daß die bei Kriegsbeginn "Zuerstvertriebenen, Zuerstdrangsalierten" sich im Recht fühlen auf Ihre Opferrolle hinzuweisen ist wohl unbestritten. Das diese Menschen in Ihrer "Notzeit" einen begründeten Haß auf Ihre Besatzer anstauten ist mir einleuchtend und das Sie bei der ersten Besten "Gelegenheit" ausrasteten und sich völkerrechtlich gesehen total danebenbenahmen (weil sie zumeist die relativ oder total Unschuldigen in die Finger bekamen) ist aus meiner Sicht verständlich. Beispiel: Was konnten die schon seit Generationen in den Gastländern lebenden Deutschen in Ungarn, Rußland u.a. für den durch die Nazis verursachtem örtlichen Volkszorn ? aber sie mußten es mitausbaden.
Die europäische Geschichte ist eine ständige Geschichte von Vertreibungen. Wenn alle dafür berechtigten Denkmäler errichtet worden wären, und diese noch stehen würden ,auch Deutschland wäre übersät davon....übrigens gibt es nicht viele Lander ,in welchen politisch-nicht religiös-motivierte Denkmäler der letzten Jahrhunderte nicht bei jedem Regierungsumsturtz oder Politikrichtungswechsel gestürmt und geschliffen worden sind.(In Kuba stehen gut anzusehende alte Reiterstandbilder von negativ besetzten Helden, jedoch mit einer entsprechenden Tafelinschrift versehen-- zu DDR Zeiten wurde zwar fast Alles was ans Dritte Reich erinnerte geschliffen, die Denkmale der vorherigen Zeiten blieben zumeist -wenn auch oft ungepflegt-jedoch vom Abriß verschont. Wie gehen wir eigentlich gegenwärtig mit diesen Zeugnissen der Vergangenheit um ? bestimmt mit sehr subjektiven Einstellungen.


wanda antwortete am 18.09.03 (18:22):

Görlitz fände ich ideal, dort ist auch Polen und Tchechien nicht weit weg. Aber darüber wird man die Bürger nicht befragen.


heinzdieter antwortete am 18.09.03 (19:28):

Die Erstellung eines Denkmals zur Erinnerung der Vertreibung ist überfällig.
Es soll ein Denkmal sein, dass daran errinnert und auch die Erinnerung wachhält,daß Millione Deutsche zu unrecht vertieben worden sind.
Die Diskussion wird z.Z. unter den Aspekt geführt, dass die Vertiebenen Frauen, Kinder, Säuglinge an dem Allem was geschehen ist mitschuldig sind.


Mechtild antwortete am 18.09.03 (21:29):

Ist es nicht sinnvoller ein Denkmahl gegen den Krieg zu setzen und aufzuzeigen wie viel Leid ein Krieg Menschen antut, als für alles was passiert und wo Menschen Leid geschehen ist in einem Krieg ein separates Denkmal aufzustellen?
Wenn man all das Leid was im 2. Weltkrieg geschehen ist, darf doch keiner unserer Generation und der Generation unserer Kinder mehr für einen Krieg eintreten.
Denkmähler gibt es genug und es ist nicht möglich für jedes Unrecht das geschehen ist ein Denkmahl zu setzen und es hilft auch wenig.


mart antwortete am 18.09.03 (21:50):

<<Denkmähler gibt es genug und es ist nicht möglich für jedes Unrecht das geschehen ist ein Denkmahl zu setzen und es hilft auch wenig.<<

Denkmäler gibt es vor allem für die Sieger und nicht für die Besiegten und Verjagten.

für jedes Unrecht, das geschehen ist, wird ein Denkmal vielleicht nicht möglich sein. Aber ich glaube, es wäre schon notwendig, an die gröbsten Verstöße gegen die Menschlichkeit zu erinnern - und nicht nur mit einer kleinen Gedenktafel an irgendeinem Haus.

Es würde dem unerhört kurzem Gedächtnis der Menschenheit und den Nachgeborenen helfen zu erkennen, daß wir alle auf blutgetränktem Boden leben; und ist auch eine, wenn auch nur symbolische Anerkennung von erlittenem Leid.


Medea. antwortete am 18.09.03 (23:37):

Denkmäler gegen den Krieg (1870/71, 1914-1918, 1939-1945)
gibt es in fast jedem kleinen Dorf - und das ist auch gut so. Es gibt Bestrebungen, auch der ermordeten Kinder der Zwangsarbeiterinnen mit einem eigenen Denkmal zu gedenken - auch dieses Unrecht darf nicht in Vergessenheit geraten -
aber auch die Millionen der verjagten, der vertriebenen Deutschen bedürfen der Erinnerung ebenso wie aller anderen, denen Denkmäler zugestanden werden. Sechzig Jahre danach ist es an der Zeit, dieses Tabuthema zu einem Politikum zu machen - und gegen das Vergessen zu erinnern.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal auf das Buch "Eichendorffs Scheune" hinweisen, von mir vorgestellt unter "Literatur" - das Schicksal dieses Jungen steht symtomatisch für die Millionen von vertriebenen deutschen Menschen.


mart antwortete am 19.09.03 (08:56):

<<Denkmäler gegen den Krieg (1870/71, 1914-1918, 1939-1945)
gibt es in fast jedem kleinen Dorf - und das ist auch gut so.<<

Ich kenne eigentlich nur Kriegerdenkmäler, die an die für das Vaterland einen Heldentod gestorbenen Teilnehmer gedenken--


schorsch antwortete am 19.09.03 (09:18):

Das schönste Denkmal, das man sich selber setzen kann, ist das Andenken im Herzen seiner Mitmenschen....

Schorsch


Medea. antwortete am 19.09.03 (09:30):

Dennoch, mart, sind es Denkmäler, die an Kriegstote erinnern, sie vor der Vergessenheit bewahren sollen -

Bei den Vertreibungen hat es ebenfalls unzähle Tote, die genaue Zahl wird wohl nie zu ermitteln sein, gegeben - das darf ebenso wenig verschwiegen werden.


mart antwortete am 19.09.03 (09:48):

Medea,

genau diese Meinung habe ich vertreten -

in meiner Phantasie sehe ich eine Kurzgeschichte eines Ortes oder eines Gebietes, mit dem Gedenken an die wegen ihres Glaubens vertriebenen Einwohner, der stattgefundenen Progrome, der wechselhaften nationalen Zugehörigkeiten usw. Wahrscheinlich unmöglich durchzuführen, aber Historiker und Lokalhistoriker hätten hier m.E. eine sehr fordernde Aufgabe. - So etwas wie Stein gewordene Geschichte.

Offenbar kenne ich nur Kriegsdenkmäler, die den namentlich angeführten Helden beider Weltkriege in einem Ort gewidmet sind.


Wolfgang antwortete am 19.09.03 (12:59):

Jedes Leiden ist ein besonderes Leiden und jeder Tod eines Menschen ist ein besonderer Tod eines besonderen Menschen... Deshalb ist es auch nicht sinnvoll, finde ich, in ein Denkmal allzuviel an Bedeutung 'hineinzupacken'. Ein Denkmal gegen den Krieg - ganz allgemein und unhistorisch und ohne exakte Benennung der Opfer, denen gedacht werden soll - ist keins mehr, sondern eine Alibi- oder Feigenblattveranstaltung.

Keine der Schandtaten, die sich Menschen gegenseitig angetan haben, darf mit der anderen gleichgesetzt oder verrechnet werden (obwohl es selbstverstaendlich Aehnlichkeiten oder Vergleichbarkeiten gibt, ueber die geredet werden muss). Keine der Schandtaten steht rangmaessig ueber der anderen und darf dazu benutzt werden, bestimmten Opfern eine Opfer-Sonderrolle zu verschaffen

Deshalb meine ich, dass es an der Zeit ist, dass auch die deutschen Vertriebenen in aller Form und oeffentlich an einem Ort ihrer Wahl 'ihren' Opfern ein Denkmal setzen.

Die Zeit ist vorbei, wo sich die Deutschen als Dukaten-scheissende schuldbewusste Esel durch die Manege ziehen lassen. Die Welt muss zur Kenntnis nehmen, dass es deutsche Taeter gab, aber auch Deutsche Opfer wurden und es russische, polnische und tschechische (die Aufzaehlung ist nicht komplett) Taeter gab (so, wie diese Voelker auch viele Opfer zu beklagen haben und sie diesen gedenken).


Mechtild antwortete am 19.09.03 (13:46):

@ Wolfgang,
hältst Du es wirklich für sinnvoll ein Denkmal speziell für „deutsche“ Opfer zu fordern? Sind nicht alle Völker, die irgendwie vom 2. Weltkrieg betroffen waren Opfer? Leidet nicht die Bevölkerung in jedem Land unter dem Krieg und profitieren nicht auch Menschen in fast jedem Land von einem Krieg?
Ich habe Schwierigkeiten mit den vielen nationalen Denkmälern. Hat man nicht die vielen deutschen Zigeuner und deutschen Kommunisten, die in den Konzentrationslagern umgekommen sind, häufig verschwiegen wenn von den ermordeten Juden die Rede war? Warum setzt man nicht den Menschen ein Denkmal, die unter einem Krieg gelitten haben? Wo ist der Unterschied, ob eine deutsche, eine polnische oder eine russische Familie vertrieben wurde, oder ob eine deutsche Frau von einem russischen oder amerikanischen Mann vergewaltigt wurde? Soldaten haben in jedem Krieg Frauen vergewaltigt, dass gehört zu den „normalen“ Kriegsverbrechen, die nie bestraft wurden. Den Soldaten wurde trotzdem eine Denkmal gesetzt.


Wolfgang antwortete am 19.09.03 (14:07):

Ich kann nur auf meinen Beitrag vor Deinem verweisen, Mechtild... Es gibt viele Opfergruppen, die m. E. nach etwas voellig Selbstverstaendliches tun, wenn sie - in welcher Form auch immer, z. B. mittels eines Denkmales - ihren Opfern gedenken wollen.

Verblueffend an der ganzen Diskussion ist ja, dass man nur den deutschen Vertriebenen Knueppel in den Weg wirft... Stell' Dir einmal das Geschrei vor, wenn die deutsche Regierung so verrueckt waere und es wagen wuerde, sagen wir polnischen Opfergruppen reinzureden, wenn diese irgendwo in Polen ein Denkmal aufstellen wollen.


heinzdieter antwortete am 19.09.03 (20:02):

Hier pflichte ich Wolfgang voll und ganz bei.
Polen Tschechen u.a. geht der Bau eines Denkmals nichts auch garnichts an.
Diese Nationen hatten Denkmäler erstellt; und das zurecht. Jeder Nation steht es zu, den Opfer zu gedenken.


Mechtild antwortete am 19.09.03 (22:12):

Als 1995 serbisches Militär in Srebrenica tausende Zivilisten tötete, sah die Welt zu. Heute wird Bill Clinton dort ein Denkmal einweihen. Überlebende werden ihm zusehen. Dann gehen sie zurück in ihre zerstörten Häuser, wo kaum Hilfe ankommt.
Wäre es nicht sinnvoller das Geld, das der Besuch von Clinton + das Denkmal kostet den Menschen für Wohnung + Kleidung zur Verfügung zu stellen?


mumme antwortete am 19.09.03 (22:37):

Mir ist von einem Denkmal nichts bekannt.Es ist aber ein Zentrum gegen Vertreibung geplant.Empfehle daher den Link:

www.z-g-v.de

dort ist alles nachzulesen. Guten Abend mumme


julchen antwortete am 20.09.03 (06:28):

Warum steht es ueberhaupt zur Debatte und warum
wird ueberhaupt die Frage gestellt:
Warum DUERFEN Deutche nicht auf ihre Vertreibung
hinweisen?
Warum soll das was Schandhaftes sein?
Warum stellt man nicht Denkmaeler auf ohne einen
Mist drauf zu geben wem das nicht passend ist?

Ich sag Euch warum:
wegen der gleichen Mentalitaet die Trauerfeiern fuer
den 11. September als Showbusiness abtun und der Meinung sind dass
man ein zerrissenes Stueck Fahne doch wohl mal
verbuddeln sollte!

Was ist denn nicht richtig mit der Idee mittels eines
Denkmals denen Recht zu tun, die unschuldig in
den Wogen des Krieges untergingen und nichts dazu
beigetragen haben als einfach nur im Weg gewesen
zu sein?
Meine Oma war auch im Weg!
Sie verlor auch ihr juengstes Kind auf dem Marsch
von Asch nach Hessen und hatte keine Ahnung
wo Ihr Mann und ihre beiden anderen Soehne waren.
War das Ihre Schuld?
Nonsense!
Sollte sie sich schaemen vertrieben worden zu sein,
nur weil sie Sudeten-Deutsche war?
Nonsense!

Anstatt anderen Leuten den Ratschlag zu geben genauso bucklig zu sein und sich seiner selbst
zu schaemen, sollte man sich vielleicht mal
ein bisschen grade aufrichten und sagen: Jetzt langt's!
Und jetzt hoeren wir auf den Hintern der Welt zu kuessen!

Ich erlaube mir das zu sagen, da man sich auch erlaubt mir zu sagen dass meine Fahne nichts ist
als ein zerrupfter Fetzen bedruckten Stoffes!

Egal wie zerrupft, es ist meine Fahne, was seht Ihr
denn wenn Ihr die Deutsche Fahne anschaut?


chatti antwortete am 20.09.03 (19:38):

Egal, ob wir nun für oder gegen ein Denkmahl für die Vertriebenen sind, in meinen Augen ist es
jedenfalls
„unsere“ Entscheidung
ob und wo wir es bauen wollen.


heinzdieter antwortete am 20.09.03 (19:44):

Ganz gleich ob Denkmal,Mahnmal,Gedenkstätte oder wie man auch dieses sagen wir man Mahnmal auch nennen will,es soll die Bedeutung haben, die Nachwelt zu erinnern, dass auch die deutsche Bevölkerung unter dem Regime des 3. Reiches gelitten hat und durch andere Völker Unrecht erlitten hat.Ich glaube dies ist doch der Sinn dieser Diskussion bzw Meinungsaustausches.

Lassen wir mal ausnahmsweise in diesem Fall andere Völker bei diesem Thema aussen vor.


pilli antwortete am 20.09.03 (19:55):

seit wann können "Völker" unheil anrichten ?

sind es nicht menschen, die falsch oder richtig handeln, sodaß unrecht erst geschehen kann?


Medea. antwortete am 21.09.03 (08:17):

Gerade ist das Mahnmal unter Beteiligung von Bill Clinton in Bosnien eingeweiht worden, das an die Greueltaten der Serben an den moslemischen Männern erinnern soll.

Erinnern gegen das Vergessen - die Millionen deutscher Vertriebener haben ebenfalls das Recht auf ihren eigenen Gedenkstein/Gedenkstätte.


BarbaraH antwortete am 25.09.03 (20:00):

Ich habe heute auf ntv bei Maischberger etwas mehr über dieses geplante Denkmal gehört. Nicht unsere Regierung plant ein Denkmal für Vertriebene in Berlin sondern der Bund der Vertriebenen. Niemand kann einem Verband die Aufstellung eines Denkmals, das er auf seine Kosten errichten lässt, verbieten. Schröder und Fischer haben lediglich ihre Bedenken geäußert, weil hier einseitig auf das Leid der deutschen Vertriebenen hingewiesen werden soll. Sie plädieren für ein Gedenken aller Vertriebener des 20. Jahrhunderts, erwarten zumindest einen Hinweis auf die Ursachen der Vertreibung der Deutschen, was der Bund der Vertriebenen jedoch ablehnt.

Die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, sprach heute bei Maischberger von der "Individualschuld" Hitlers am 2. Weltkrieg. Sie vertrat die Ansicht, dass die Vertreibung deutscher Bürger nicht mit den durch deutsche Kriegsführung begangenem Unrecht in Verbindung gesehen werden dürfe. Außerdem wich sie der Frage nach Forderungen auf Entschädigung und Wiedergutmachung für die Vertriebenen aus.

Anlässlich der EU-Osterweiterung sagte sie:

>>Ich stelle fest, dass nicht alle Beitrittsländer die Menschenrechtsnormen erfüllen. Nach wie vor gibt es in vier Ländern Vertreibungs- und Entrechtungsgesetze, die ihre Wirkung bis zum heutigen Tage entfalten.<<

für mich erweckte ihr Verhalten den Eindruck, dass durch ein Denkmal der Anspruch der Vertriebenen auf Entschädigung bzw. Rückgabe untermauert werden soll. Von den Menschen, denen damals schreckliches Leid zugefügt wurde, leben heute nur noch ganz wenige. Wenn ihre Kinder oder gar Enkel heute von den Kindern und Enkel der Täter, die oft auch zugleich Opfer waren, Entschädigung bzw. Rückgabe der Immobilien ihrer Eltern und Großeltern fordern, geht das an meinen Vorstellungen für ein zusammenwachsendes Europa im Gedenken an die Leiden durch Vertreibung und Krieg vorbei.

Ich fände eine Tafel gut, auf der an die Millionen Opfer sämtlicher Kriege des 20. Jahrhunderts erinnert wird. Diese Tafel sollte in möglichst vielen europäischen Städten als Mahnmal aufgestellt werden, damit jedem bewusst wird, dass Kriege niemals eine Lösung.... sondern nur unsagbares Leid über Menschen bringen.

https://www.bund-der-vertriebenen.de/presse/index.php3?id=48

Internet-Tipp: https://www.bund-der-vertriebenen.de/presse/index.php3?id=48


schorsch antwortete am 26.09.03 (10:08):

Denkmähler? Man stellt sie auf - man enthüllt sie - man trinkt auf sie - man geht an ihnen vorüber......nur die Tauben lieben sie!


Tobias antwortete am 26.09.03 (15:33):

Hinweisen schon aber kein Denkmal.
Ab Mai 2004 kann in der EG jeder Bürger dort wohnen wo er will. Sollte es Vertriebene geben die in ihre alte Heimat zurück wollen, steht ihnen nichts mehr im Weg.

Hat jemand mal daran gedacht, wieviele Familien durch Bombenangriffe in Köln, Hamburg Berlin Würzburg usw aus ihrer Heimat, Wohnungen vertrieben wurden. Viele haben diese Vertreibung mit dem Tod bezahlt, und die, die überlebt haben, erhielten keinen Pfennig Ausgleich für Vertreibung. Hat da mal jemand nach Denkmal gerufen ?

Hätte die Vertreibung aus Osteuropa nicht stattgefunden hätten unsere vertriebenen Mitbürger 50 Jahr Kommunismus erlebt. Wäre dies eine Alternative gewesen ?


BarbaraH antwortete am 26.09.03 (16:42):

Dass Menschen, die ausgebombt wurden, keinen Pfennig bekommen haben, ist nicht wahr. Meine Eltern sind in Hamburg ausgebombt. Sie erhielten als Lastenausgleich einen Betrag, von dem sie sich immerhin einen Schrank und eine Schlafcouch kaufen konnten.

Statt Denkmal würde ich lieber den Begriff Mahnmal wählen. Nachwachsende Generationen werden durch ein Mahnmal an die grauenhaften Auswirkungen von Kriegen der Vergangenheit erinnert und hoffentlich sensibilisiert, sich mit Geschichte auseinander zu setzen.... vorallem keine Politik zu Unterstützen, die Kriege als politisches Mittel akzeptiert.


Tobias antwortete am 26.09.03 (17:05):

Hallo Barbara, warum immer gleich jemanden der Lüge bezichtigen ? Die Verhältnisse in der amerikanisch besetzten Zone Bayern waren da etwas anders. Glück in Hamburg gehabt.( Streich bitte Hamburg aus meiner Auflistung.)
Meine Eltern, damals mit 6 Kindern wurden aus Österreich wegen deutscher Staatsbürgerschaft ausgewiesen - vertrieben.
Nur wenige Habseligkeiten konnten wir aus unserem Haus mitnehmen. In Deutschland wurden wir nicht als Flüchtlinge anerkannt weil meine Eltern in Franken geboren wurden. Darum bekamen wir nicht mal ein Übergangsgeld noch einen Flüchtlingsausweis obwohl Vaters gespartes Geld uns in Innsbruck abgenommen wurde.


tiramisusi antwortete am 27.09.03 (10:24):

vielleicht sollte man statt eines toten monuments, das einfach nur herumsteht, lieber eine stiftung gründen, die vertriebenen auf aller welt hilft - unabhängig von glaube, pass und parteibuch. so eine art sos-kinderdorf für vertriebene. DAS wäre im sinne der vertriebenen, egal von wo nach wo, wirklich etwas, das ihr angedenken in angemessener weise aufrecht erhält...


Wolfgang antwortete am 30.09.03 (21:03):

In der Tat, Barbara, gibt es mittlerweile die "Preussische Treuhand GmbH & Co.". Das ist ein Unternehmen, das die Rueckgabe enteigneten Grundbesitzes in den Herkunftsgebieten der deutschen Heimatvertriebenen notfalls mit Sammelklagen erreichen will.

Eine besondere Problematik sehe ich darin nicht (zumal die Vertriebenverbaende nichts mit diesem Unternehmen zu tun haben, wie sie sagen). Jeder Mensch hat das Recht, zu klagen oder andere rechtliche Mittel zu benutzen.

Den deutschen Vertriebenen ist Unrecht geschehen... Genau das gleiche Unrecht, das anderen Vertriebenen geschehen ist. Dass Vertriebene ihre widerrechtlich enteigneten Immobilien haben wollen oder einen Ersatz dafuer, ist voellig normal. Alle anderen Opfergruppen handeln entsprechend. Warum sollen die deutschen Vertriebenen das nicht tun?


BarbaraH antwortete am 01.10.03 (00:49):

Die damals aus ihrer Heimat Vertriebenen leben in der Regel längst nicht mehr. Es sind ihre Erben, oder gar die Erben ihrer Erben, die diese Heimat nur aus Erzählungen kennen und heute ein Geschäft wittern, wenn sie Ansprüche anmelden könnten.

Deutschland hat diesen grauenhaften Krieg begonnen, der unsagbares Leid über viele Millionen Menschen brachte. Sollen heute die Nachkommen der oft ebenfalls aus anderen Gebieten Vertriebenen, zu diesen von Deutschen verlassenen Gütern Hingetriebenen, um ihre Heimat bangen, weil sie nach 60Jahren gerichtliche Auseinandersetzungen fürchten müssen?

Marion Gräfin Dönhoff ruft in ihrem Buch "Kindheit in Ostpreußen" dazu auf, die Heimat zu lieben, ohne sie besitzen zu wollen. Dem kann ich mich nur anschließen.