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THEMA:   "Schattenrepublik Türkei"

 27 Antwort(en).

Medea. begann die Diskussion am 16.09.03 (16:15) mit folgendem Beitrag:

Was ich heute in meiner Tageszeitung über eine Studie der Handelskammer Ankara lese, ist schon bemerkenswert:
"Mit einer Schattenwirtschaft wie der türkischen, bräuchten selbst die USA die Hilfe des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Satte 66 Prozent des türkischen Bruttoinlandsproduktes werden schwarzerwirtschaftet - im Vergleich zu knapp 17 Prozent in Deutschland und jeweils rund zehn Prozent in Österreich und der Schweiz. Fast jeder zweite türkische Beschäftigte arbeitet schwarz. Die Handeslkammer beziffert den Anteil der Schwarzarbeiter auf 46 Prozent.
Obwohl die Bevölkerung explodiert, ist die Zahl der Steuerzahler in den vergangenen 20 Jahren gesunken. Korruption, Bestechlichkeit und Betrügerei verschlingen weitere Milliardensummen. Rund ein Drittel aller Investitionsgelder fließt nach den Ergebnissen der Handelskammer in Schmiergelder und Bestechung. Bauruinen im ganzen Land zeugen von halbseidenen Investitionsprojekten, mit denen rund 130 Milliarden Dollar in den Sand gesetzt wurden - und deren Rettung würden weitere 335 Milliarden Doller erfordern.
Circa 40 % aller Gebäude sind schwarz gebaut - und das in einem Land, von dessen Fläche mehr als 90 % akut erdbebengefährdet sind.
Auch die türkischen Stadtwerke und Strombetreiber gucken in die Röhre; weil die Bewohner vieler Schwarzbauten sich heimlich an die Stromleitungen klemme, wird fast ein Viertel der verbrauchten Elektrizitätnicht bezahlt.
Der Chef der Handelskammer Ankara, Sinan Aygün, klagt, "Die wahre Türkei lebt im Schatten der schwarzen Türkei und leider ist dieser Schatten größer als die wahre Türkei". Mit einer solchen Schattenwirtschaft, warnt Aygün, könnten weder der Staat noch seine Bürger je wahren Wohlstand erreichen.

Dieser Bericht scheint mir schon interessant zu sein vor dem Hintergrund der Beitrittsverhandlungen zur EG.


hugo1 antwortete am 16.09.03 (17:55):

@ Medea,,,diese vielen unfertigen, mehrstöckigen Gebäude ohne Dach, werden durch die Türken mit Bedacht und absichtlich nicht fertiggestellt. Es gibt wohl ein Steuergesetz, wodurch erst dann die Steuer für ein Haus fällig wird, wenn das Dach fertig ist. Dementsprechend ,baut man eben ein oder zwei Etagen,, lässt die hässlichen Moniereisen oben rausgucken im Vorgriff auf weiter zu bauende Etagen und zieht schon viele Jahre vor Fertigstellung in das halb-bzw absichtlich nicht fertiggestellte Haus-man spart Steuern.Im Gegensatz dazu beeilen sich normalerweise die Investoren beim Bau mit Hotels usw, da sie ja erst Geld verdienen mit den komplett fertigen Gebäuden.
übrigens , mein bisheriger Eindruck von den Türken- sie sind zumeist sehr fleißig, geschäftstüchtig und notgedrungen sparsam. ( Wenn man über Land fährt sieht man die vielen gebückten Feldarbeiterrücken z.B bei der Baumwollernte in größter Hitze-leider auch die hunderte, abgabebereite, tagelang wartenden baumwollbeladenen Fuhrwerke).


Wolfgang antwortete am 16.09.03 (20:17):

"Nach dem Bargeldansatz haben besonders die suedeuropaeischen Laender einen relativ hohen Anteil an Schattenwirtschaft (25-30 Prozent des offiziellen BIP). Die skandinavischen Laender und Belgien haben Anteile von ca. 17 bis 19 Prozent. Deutschland liegt mit 16 Prozent des BIP im mittleren Feld. Die Laender Schweiz, USA, Japan, Oesterreich sind im unteren Drittel vertreten. Der ungewichtete OECD-Durchschnitt liegt bei 16,7 Prozent in den Jahren 1999/2000." (Quelle... Schneider 2001, zit. n. Schlussbericht der Enquete-Kommission "Globalisierung der Weltwirtschaft - Herausforderungen und Antworten", 4.9.1.5 Exkurs: Schattenwirtschaft als Teilbereich der informellen Arbeit)

Fuer die meisten VolkswirtschaftlerInnen ist es uebrigens eine ausgemachte Sache, dass die sogenannte Schattenwirtschaft in ENTWICKELTEN Volkswirtschaften in hohem Masse wohlfahrtssteigernd und mitnichten sozialschaedigend ist.

Die nie satt zu kriegenden FinanzministerInnen sehen das naturgemaess anders. *fg*


Mechtild antwortete am 16.09.03 (22:12):

Die Schattenwirtschaft ist aus Arbeitnehmersicht heute eine Katastrophe. Firmen arbeiten mit Arbeitern aus Billiglohnländern und drücken die Preise. Den Gewinn haben nicht die ArbeiterInnen, die sich für wenig Geld krumm legen, sondern die Firmeninhaber. Ich glaube nicht, dass das in den skandinavischen Ländern so läuft, oder dass die heutige Schattenwirtschaft wohlfahrtsteigernd ist. Die, die daran verdienen sind reich genug und die ArbeiterInnen werden ausgebeutet. Die Steuern, die durch die Schattenwirtschaft verloren gehen sind nicht das eigentliche Problem. Lohndamping und der Verlust von regulären Arbeitsplätzen ist viel schlimmer.


Wolfgang antwortete am 16.09.03 (22:45):

Das ist kein Fall von 'Schattenwirtschaft', Mechtild, den Du beschreibst... Dieses Lohndumping ist voellig legal. Auftraggeber schreiben einen Auftrag europaweit aus (fuer staatliche Auftraggeber ist das sogar vorgeschrieben) und entscheiden sich oft (aber nicht immer) fuer den guenstigsten Anbieter, der ueblicherweise Steuern und Sozialabgaben bezahlt, aber eben auch niedrigere Loehne.

'Schattenwirtschaft' ist illegal... Wohlfahrtssteigernd ist die 'Schattenwirtschaft' insofern, als sie Werte schafft, die aufgrund hoher Steuern und Sozialabgaben legal ueberhaupt nicht geschaffen wuerden.


schorsch antwortete am 17.09.03 (09:38):

Zu den Armierungseisen, die überall in südlichen Ländern auf halbfertigen Bauten zu sehen sind. Es gibt einen weiteren Grund dafür: Eine Familie rechnet damit, dass später ein Sohn oder eine Tochter auch noch bauen möchte. Dann wird einfach mittels der verrosteten Eisen weiter aufgestockt und wieder die Eisen weiter nach oben gezogen - damit auch noch ein weiteres Familienmitglied weiterbauen kann....


Medea. antwortete am 17.09.03 (11:27):

.... und so entstehen dann im Laufe der Zeit die reinsten "Hochhäuser", die bei den häufigen und stärkeren Erdbeben in sich zusammenfallen und die Menschen unter sich begraben ....


Wolfgang antwortete am 17.09.03 (12:21):

Leben kann u. U. gefaehrlich sein... Besonders in Erdbebengebieten. ;-)


Wolfgang antwortete am 17.09.03 (12:39):

Noch ein paar Zahlen zur Schattenwirtschaft in Deutschland... Das ist DIE boomende 'Branche' schlechthin. Waehrend die offizielle Wirtschaftstaetigkeit derzeit um gerade mal rund 1 Prozent waechst, so waechst die inoffizielle Wirtschaftstaetigkeit um satte 5-6 Prozent.

Das Volumen der Schattenwirtschaft in Deutschland wird auf rund 370 Mrd. Euro (2003) geschaetzt.

Wie gesagt: In entwickelten Volkswirtschaften (dort, wo die sozialen Sicherungssysteme und die anderen staatlichen Leistungen einen hohen Stand haben und durch die Abgaben im offiziellen Wirtschaftsbereich einigermassen abgedeckt sind) ist die Schattenwirtschaft wohlfahrtssteigernd.

Eine Illusion ist es, die Schattenwirtschaft 'austrocknen' zu koennen und zu meinen, diese Wirtschaftstaetigkeit koennte eins zu eins in den offizellen Wirtschaftsbereich integriert werden. Das Gegenteil wird eintreten: Je mehr die Schattenwirtschaft 'ausgetrocknet' wird, desto geringer wird der gesamte Wohlstand (der sich immer aus diesen beiden Komponenten zusammensetzt).

Quelle der Zahlen... Institut fuer Angewandte Wirtschaftsforschung: "Aktuelle Prognose zur Entwicklung der Schattenwirtschaft in Deutschland im Jahr 2003", Tuebingen, Pressemitteilung v. 29. Januar 2003


Mechtild antwortete am 17.09.03 (12:44):

Meinst Du mit Schattenwirtschaft, wenn Menschen auf dem Land ihr Häuschen in Nachbarschaftshilfe schwarz bauen lassen? Klar ist das kein Problem und schafft Mehrwert. Das Europaweit ausgeschrieben werden muss finde ich auch okay. Die Subunternehmer, die einen Bau mit Schwarzarbeitern aus Osteuropa hochziehen, zahlen für diese Arbeiter keine Sozialabgaben. Der Mehrwert würde auch entstehen, wenn der Bau mit ordentlich versicherten Arbeitern hochgezogen würde, nur auf anderen Konten.


Wolfgang antwortete am 17.09.03 (13:16):

Ob es ins eigene rechtschaffene Weltbild passt oder nicht, Mechtild: SchwarzarbeiterInnen (und deren AuftraggeberInnen) interessiert in aller Regel nicht, welche rechtlichen oder oekonomischen Folgen aus den eigenen illegalen Wirtschaftstaetigkeiten entstehen. für sie ist wichtig, dass sich aus der illegalen Taetigkeit ein zusaetzlicher Nutzen ergibt (der per definitionem immer groesser ist als der Erwartungswert der angedrohten Strafen).

Solange auf (legale) Arbeit Abgaben bezahlt werden muessen, stellt die Schwarzarbeit immer eine vorteilhafte Alternative fuer die Beteiligten dar.

Dass sich das in ENTWICKELTEN Volkswirtschaften wohlfahrtsteigernd auswirkt, haben viele Untersuchungen bewiesen.

Ich gehe noch einen Schritt weiter: Ohne die Schattenwirtschaft wuerden noch weit mehr Menschen arm sein. Oder anders ausgdrueckt: Wer diese Quelle von Einkommen 'austrocknen' will, sollte sich darueber im Klaren sein, dass er hauptsaechlich die unteren und mittleren EinkommensbezieherInnen trifft (denn die oberen EinkommensbezieherInnen haben sich eh' legal weitgehend von der Abgabenlast befreit).


Mechtild antwortete am 17.09.03 (13:46):

@Wolfgang
ich habe noch nie etwas gegen Schwarzarbeiter gehabt, wenn es um die Menschen geht. Ich kann subjektiv auch den Schwarzarbeiter aus Osteuropas sehr gut verstehen. Mir geht es um unsere Wirtschaft. Der Staat vergibt Aufträge mit unseren Steuergeldern. Davon sollen die Menschen in der Region und der Mittelstand Arbeit haben. Die Kommune spart Geld, weil sie weniger Ausgaben für Arbeitslose hat. Die Geschäfte im Umkreis haben mehr Umsatz, weil die Menschen wieder verdienen. Bei der Vergabe des Auftrags an das billigste Unternehmen bekommt eine große Firma den Auftrag und damit auch den Gewinn. Das verstehe ich unter Globalisierung und das finde ich nicht gut. Wenn ich den Aufträge an ein regionales Unternehmen gebe, kann es günstiger sein, auch wenn der Kostenvoranschlag höher ist. Kleine Firmen aus Osteuropa bieten doch bei der Vergabe von Aufträgen meist nicht mit.


hugo1 antwortete am 17.09.03 (17:45):

Nach ß 1 des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks ist es nur den natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet ein Handwerk als stehendes Gewerbe auszuführen, wenn diese in der Handwerksrolle eingetragen sind. Werden handwerkliche Leistungen ohne Handwerksrolleneintragung durchgeführt, begeht man eine Ordnungswidrigkeit. Zitat Ende.
,,ich find diese juristische üblicherweise beamtendeutsche Definition ist ein dehnbarer Begriff
unter "stehendes Gewerbe" findet Google primär erstmal das Gewerbe Prostitution.--macht mich etwas stutzig, ich dachte bisher immer mehr an horizontales Gewerbe,aber das kann auch an meinen unzulänglichen Kenntnisssen in dieser "Beziehung" liegen.
Als "gelernter" DDR Bürger hab ich mit und in Sachen "Schwarzarbeit" so meine Probleme. Da wurde in den Schulen das Fach polytechnischer Unterricht eingeführt.Damit wurde mittelbar erreicht, daß Jeder (stimmt natürlich nicht-es gibt öfter Leute mit 2 linken Händen-)in die Laage versetzt wurde sich handwerklich mehr oder weniger selber zu helfen. (und natürlich den Nachbarn)
Zu meiner großen Freude kam mit der Wende für uns nun die totale Bastlerfreiheit mit den unbegrenzten Baumarktangeboten des Westens. Man brauchte nur noch zuzugreifen (wenn mann die entspr.Kohle hatte)und das "Herz,was willst du mehr" Werkeln, von früh bis spät konnte endlich beginnen.Sämtliche beim Trabbireparieren erlernten Fähig-und Fertigkeiten sollten nun total in der Praxis ausgespielt werden und nun diese Blockade, dieser Schock, das Ende vieler Hoffnungen durch das Wort Schwarzarbeit,,,,,ich versteh die Welt nicht sehr ,dafür die Türken um so mehr. Nur Schiller bekommt für mich einen anzüglichen Touch mit seiner unbedachten Formulierung "Die Axt im Hause,,,,)


seewolf antwortete am 17.09.03 (20:34):

"Das Geld muß im Dorf bleiben..." - diese uralte Regel hat auch heute Gültigkeit. Wenn deutsche Arbeitnehmer ihr Geld per Konsum an ausländische Stellen liefern, haben deutsche Arbeitgeber immer weniger Anlaß, für die Kinder der deutschen Arbeitnehmer Arbeitsplätze oder Ausbildungsplätze vorzuhalten - sie müssen Kapazitäten abbauen. In erster Linie darf man von deutschen öffentlichen Auftraggebern erwarten, daß sie regionalen Firmen Aufträge erteilen, sonst würde das Investitionsgebot des Grundgesetzes keinen Sinn machen (Neuverschuldung nur in Höhe der Investitionen).

Ich habe neulich einem älteren Herrn vorgehalten, daß er nicht hier zuhause zum Friseur geht, sondern nach Lübeck fährt, wo der Haarschnitt angeblich 2,-- ä weniger kostet (beachtliche Einsparung alle 4 Wochen, nicht wahr?)und ihn gefragt, ob er ernsthaft glaube, daß seine Enkelin in ihrer und seiner Heimatstadt als Friseurin eine Stelle finden werde...

DAS sei ja was ganz anderes - meinte er indigniert.

Na ja - alle machen so weiter - und die jungen Leute hauen irgendwann notgedrungen ganz ab.


Wolfgang antwortete am 17.09.03 (22:27):

Es scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben: Wir leben in einer globalisierten Welt... Viele Agierende unserer Volkswirtschaft haben den engen Raum eines Dorfes oder einer Stadt verlassen. Die, die lokal Dienste oder Waren anbieten, haben schon noch ihren Platz. Aber viele koennen wirtschaftlich nur ueberleben, wenn sie regional oder sogar global agieren.

Bisher ist dieser Weg der deutschen Volkswirtschaft ganz gut bekommen. :-)


Mechtild antwortete am 18.09.03 (12:24):

Ich halte es auch für übertriebenen Lokalpatriotismus, wenn man nicht mehr in die nächste Stadt zum Frisör gehen soll. Schließlich ist ein Frisör ja auch so etwas wie ein Beichtvater.
Aber wo uns die Globalisierung volkswirtschaftlich gut getan hat sehe ich nicht. Wir haben eine Verarmung von immer größeren Teilen der Bevölkerung und gleichzeitig werden die Reichen immer reicher. Die Gewinne aus der größeren Konkurrenz kommen nicht den ArbeitnehmerInnen zu gute, sondern nur den Managern der Konzerne.


mart antwortete am 18.09.03 (13:16):

Seewolf,
<<In erster Linie darf man von deutschen öffentlichen Auftraggebern erwarten, daß sie regionalen Firmen Aufträge erteilen<<

Schon einmal was von Ausschreibungs- und Vergaberegeln gehört?


Gudrun_D antwortete am 18.09.03 (13:20):

Seewolf
lach,wieviel Fahrgeld gibt denn der nach Lübeckfahrende
aus,um 2Euro beim Friseur zu sparen?


Gudrun_D antwortete am 18.09.03 (13:27):

hugo1

"Schwarzarbeit" ist nur dann so zu bezeichnen,wenn diese gegen Entlohnung ausgeführt wird,ohne dass der Arbeitende
angemeldet ist bei den diesbezüglichen Ämtern.
Heimwerkeln kannst Du bei Dir und Deinen Freunden,Verwandten immer!
Vorausgesetzt,Du wirst dafür nicht bezahlt!
Die,denen Du hilfst,sollten aber eine gute Haftpflichtversicherung haben!

Könnte auch Hilfe brauchen,wohne aber zu weit weg;-)
also,heimwerkerbastle ich so,wie ich grad kann....


seewolf antwortete am 18.09.03 (21:55):

Wolfgang -

viele ehemals "örtlich" Agierende haben längst aufgegeben. Deshalb gibt es ja kaum noch die - mittlerweile so sehr vermißten - kleineren Geschäfte/Firmen/Betriebe in Wohn-Nähe; darunter leidet zunehmend doch gerade die nicht mehr so mobile Bevölkerung. Weitere Effekte dieser "Bewegung" sind offensichtlich.

Globalisiert werden in erster Linie die makro-ökonomischen Funktionen: die internationalen Konzerne haben schon sehr lange daran gearbeitet - zuvörderst die Öl-Industrie und Energiewirtschaft.

Das hat jedoch nichts damit zu tun, wohin die Bürger ihr (Konsum-)Geld schaffen, welches letztlich wirtschaftliche Impulse dort auslöst, wo es ankommt.


hugo1 antwortete am 18.09.03 (22:45):

@ Seewolf,,,,,viele ehemals "örtlich" Agierende haben längst aufgegeben,,,,vielleicht waren sie bei der Preisgestaltung zu schüchtern?
Hab gestern einige Preisberichte gelesen im Net,da können einem die Haare zu Berge stehen.
im Tsim Sha Tsui Nachtclub in Hongkong kostet ein Bier ab 20 Euro
20 Grad warmes Bier in Plastikbechern für läppische 60 Euro gab es beim Grand-Prix-Wochenende in Monaco.
,,ab einer bestimmten Preisforderung des Verkäufers oder Gastwirtes krampft sich bei mir die Hand ums Portemonaie und läßt keine Öffnung zu. Vielleicht würde sich das Verhältnis zum Geld schnell ändern, wenn man es nicht selbts verdienen müsste.
Morgen flieg ich in die Türkei, da kostet die Flasche Bier 75 Eurocent,,,,da hab ich einen Traum: ich kaufe 100 Flaschen Bier für 75 Euro,fahre dann nach Monaco und verkaufe sie für-weil ich ja kein Wucherer bin- nur 50 Euro die Flasche, also für 5000 Euro, das reicht für Hin-und Rückfahrt Rentenbeiträge Steuern und Urlaub am östlichen Mittelmeer ,,,,,nu wach ich leider auf und seh die von Dir geschilderten Probleme der "Tante-Emma-Laden-Besitzer"
ich möchte nicht mit Ihnen tauschen. Viele mühen sich von früh bis spät und kommen trotzdem auf keinen grünen Zweig, weil sich das wirtschaftliche Umfeld zu Ihren ungunsten verändert hat, auch ohne die,die Eigeninitiative zermürbende sozial.Planwirtschaft vor der Wende.


seewolf antwortete am 19.09.03 (11:06):

Hugo1 - es sind ja weniger die Probleme der "Tante-Emma-Läden", bzw. deren Betreiber - es sind die Probleme der Bevölkerung, die ohne die kleineren Geschäfte/Bankfilialen/Telefonzellen in für SIE erreichbarer Nähe zusehen muß, wie sie sich mit dem alltäglich Notwendigen versorgen kann. Es sind die Probleme der jungen Leute, die an ihrem Wohnort keinen Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz mehr finden. Es sind die Probleme der Familien, die infolgedessen immer früher "auseinandergerissen" werden - Junior muß von Senior wegziehen wegen Job ... usw... eine Kette von Konsequenzen.


Wolfgang antwortete am 19.09.03 (11:13):

Der real existierende Kapitalismus... ;-)


seewolf antwortete am 19.09.03 (14:01):

"Der real existierende Kapitalismus..." der sogenannten Verbraucher, Wolfgang :-)


Wolfgang antwortete am 19.09.03 (14:42):

Da widerspreche ich Dir sicher nicht, seewolf... Alle - Produzenten und Konsumenten - optimieren ihre eigene kleine oder grosse wirtschaftliche Welt. Jeder versucht, das fuer ihn Nuetzliche guenstig zu tun. Fuer alle soll aus dem eigennuetzigen Tun ein moeglichst grosser kollektiver Gesamtnutzen entstehen (unabhaengig vom Willen der dabei Beteiligten). Das ist der Kern der kapitalistischen Idee.

Ich erinnere an ADAM SMITH's (1776) "An Inquiry into the Nature and the Causes of the Wealth of Nations" - Du kennst das grundlegende Werk sicherlich.

Bis auf den heutigen Tag werden SMITH's NachfolgerInnen nicht muede, darauf zu verweisen, dass diese Idee zu einem enormen Wohlstand fuer fast alle Gesellschaftsschichten in den entwickelten kapitalistischen Laendern gefuehrt hat.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die deutsche Ostseekueste von diesem stetig steigenden Wohlstand nichts abbekommen hat. Wenn ihr aber in Schleswig Holstein wirklich wirtschaftlich am Boden liegt, hilft wohl nur eins: Global denken und Auswandern nach Bayern! :-)))


seewolf antwortete am 19.09.03 (17:07):

Wolfgang - Schleswig-Holstein geht es nicht wesentlich anders als anderen Bundesländern :-) ...

Die Frage ist doch letztlich, was man unter Wohlstand verstehen will.

Überzeichnet gesagt: wenn jeder 3 Autos hat, aber keiner weiß, wo er sie parken soll - wenn jeder 6 Fernseher hat, aber keiner mehr Lust hat, eine Sendung in Ruhe zuende zu sehen - wenn 1/3 der Bevölkerung zu dick ist, aber keiner Lust hat, sich mit gesunder Ernährung ernsthaft zu beschäftigen - usw..., so ist das m.E. ein fragwürdiger "Wohl"-Stand.


Wolfgang antwortete am 19.09.03 (19:45):

Probleme gibt's... *staun* - Wir hatten im Jahr 2000 in Deutschland ein Volkseinkommen von insgesamt 2.945.620. Mio. DM... Das entspricht einem Volkseinkommen je Einwohner von 35.861 DM bzw. einem Volkseinkommen je Erwerbstätigen von 76.577 DM. (Quelle der Zahlen... Bundesministerium fuer Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.): Statistisches Taschenbuch 2001, Bonn, Stand: Juni 2001)

Nicht schlecht, sage ich. Damit waren die Deutschen weltweit gesehen ziemlich weit vorne.

Freilich sind das Durchschnittswerte, die nicht fuer alle Deutschen gleichermassen gelten (immerhin definierte man im gleichen Jahr rund 13 Prozent aller Deutschen als arm).

Trotz allem ist festzustellen: Der grossen Mehrheit der Deutschen geht es gut, auch denen, die zu den unteren Einkommenschichten gehoeren, ja, selbst die Aermsten haben bei uns (per Sozialhilfe) so viel, dass sie ein Leben ohne existentielle Not und in Wuerde fuehren koennen. Ausserdem verdienen etliche Menschen (gerade aus den unteren Einkommenschichten) noch etwas 'schwarz' dazu, was natuerlich in keiner Statistik erscheint, ihnen ihr wirtschaftliches Leben aber erleichtert.

Gemessen an den Lebensbedingungen der Menschen in der sogenannten 2. und 3. Welt sind das geradezu paradiesische Zustaende.

Eigentlich ist das doch ein Grund, froh zu sein, in dieser seltenen Wohlstandsinsel leben zu duerfen. Oder, sehe ich das falsch?


Mechtild antwortete am 19.09.03 (19:59):

@ Wolfgang
Das siehst Du nicht falsch. Wir klagen auf hohem Niveau. Wir wollen unseren Wohlstand erhalten und deshalb klagen wir. Klagen hilft zwar nicht, aber es ist immer noch besser als nicken. Was kommt danach? :-))