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THEMA:   Neues Beamtentum für neue Schule?

 5 Antwort(en).

emilwachkopp begann die Diskussion am 09.09.03 (03:15) mit folgendem Beitrag:

Richtige Winter gibt das bei uns ins südliche Norddeutschland eigenlich gar nich mehr. Vunwegen den Abtreibungsaffekt. Wo die füher maal frische Luft hingetrieben is, das weiss ich auch nich. Wahrscheinlich haben die ganzen Industrien die vergiftet. In Paris konnt man den Mist nu in Sommer kaum noch atmen. Jedenfalls nich einatmen. Aber wie und was und warum weiss ich auch nich so, weil ich kein Biologiker bin.
Ich habe mich als jungen Mann viel für fremde Planeten, Sterne und Himmelskörper unbekannter Herkunft intressiert. Tzeins Fickschen wird das heut genannt. Damals nannte man das noch Ockultismus. Und ins Mittelalter war sowas ganz verboten, weil man von sowas nichts wissen durfte. Ausser Gott, der durfte sowas lesen. Aber verstehn tu ich trotz meine autonom didaktischen Bemühungen nichts von die Astrologie, weil ich kein Astronaut bin.
Sich ganz und gar selber ausbilden is gut und schön. „Autodilettanten“ nennt man die, die sich selbst und fast ohne fremde Hilfe veredelt haben. Aber ich bin neuerdings zu die Einsicht gekommen, dass man besser doch in eine Schule geht. Denn könn die ein Tipps geben, was man lesen soll und wie das zu verstehen is. Jeden Krimskrams zu lesen, der Dir unter die Foten kommt, da wird blos Murks aus. Wenn ich zun Beispiel nich zwischen Biologie und Geologie unterscheiden kann, weil ich nich weiss was was is, denn weiss ich auch nich auf welches Gebiet ich mein Wissen eigenlich hab. Und ich denk denn vielleicht ich bin auf den Weg ein guter Biologiker zu werden, weil ich schon grob ein Dreieck von ein Viereck unterscheiden kann. Oder umgekehrt: Ich denk ich bin ein guter Geologe, weil ich weiss, dass ich Traubenzucker ins Blut hab.

Ich bin nich besonders gebildet. Oder das is noch schlimmer und ich bin es doch, aber weiss blos nich, auf welches Gebiet. Aber ein Gebiet gibt das doch, wo ich über Bescheid weiss: Bier. (Theoretisch wull nich so, ehrer praktisch.)
Wieviele Bierkästen meine erlamten Schultern in mein langes Leben getragen haben, das hab ich nie gezählt. Rund 100 000 000 nimm ich an. Insgesamt also. Nich auf einmal.
Mach mir das mal erst mal einer nach!
Natürlich hab ich auch manchen Liter weggegurgelt. Aber das gehörte damals zu mein Beruf mit dazu. Wer nich trinkfest war, der durfte nich Bierkutscher werden, sondern blos Beamte. Als Faustregel also. Gesetzlich festgelegt war das meines Wissens nich.


emilwachkopp antwortete am 09.09.03 (03:20):

Jedenfalls weiss ik dat denn nich mehr, falls das doch so war.
Aber blendende Ausnahmen von die Regel hat das auch damals schon gegeben. Ich weiss noch, der Lehrer, den wir in die dritte Klasse hatten, da durfte man nie ganz vorne sitzen, sonst hätten seine Ausdünstungen ein ganz besäuselt gemacht. Gelernt hat man bei den auch nichts, weil der in sein Dusel meist in Fächer unterrichtet hat, die wir gar nich hatten. Latein, Altengriechisch und Hübriäisch! Sowas hatte man doch damals garnich an die Hilfsschulen. Wahrscheinlich wusste der gar nich mehr, an welche Schule er eigentlich war. So kam mir das jedenfalls oft vor. „Mein vorzüglich zelebres Auditorium“, hat er uns manchmal angeredet. In die dritte Klasse!! Der kann ja nur noch innere Bilder gesehn haben.

Jedenfalls war das für uns Schüler immer mal eine schöne Erholung, wenn Latein oder Altengriechisch oder Hübriäisch dranwar. Wir wussten ja denn, dass der Unterricht nich für uns bestimmt war und konnten uns denn mit was anderes beschäftigen: Klapperjazz, Knobeln oder Schiffe versenken..
Gemerkt hat er das nie. Einmal, das weiss ich noch, hat er nich mal gemerkt, dass gar kein Schüler mehr da war. Wir waren nümlich schon längst zur Pause auf den Schulhof. Und als wir wieder zurückkamen, da war er da oben immer noch am Wirbeln.
„Draussen bleiben!“ hat er uns angebrüllt. „Seht Ihr nicht, dass hier unterrichtet wird?“
Und wir ganz verdattert: „Wir sind doch Ihre Schüler.“
„Ach, so ist das! Dann stellt Euch bitte der Reihe nach Euren neuen Klassenkameraden vor.“
„Ik heet Emil Wachkopp.“
Und denn ging so ein Gelache und Gebrülle los, dass der Lehrer alles nach uns geschmissen hat, was nich niet- und nagelfest war. Aber diese Gewalttat kreide ich ihn schon darum nich an, weil sie in ein Ausnahmezustand begangen worden is. Sowas soll in die besten Familien vorkommen.
Aber alles in allen war er ein sehr guter Lehrer. Jedenfalls war er nich streng. Zumindest is nie jemand vorsetzlich erschlagen worden. Du konnst zwar auch ohne Ausnahmezustand für eine falsche Antwort mal ein Schlüsselbund oder den Papierkorb an den Kürbis kriegen. Das wull schon. Aber das war denn auch schon an die Grenze. Schärfere Gewaltmassnahmen hat er nie ergriffen. Wahrscheinlich konnt er das in sein Dusel auch gar nich mehr.
Doch, fällt mir graad wieder ein. Sein Pult hat er mal in ein Wutanfall zertrümmert. Aber das war, weil er beim Rumlatschen da immer gegengeditscht is, und das hatte nichs mit uns Schüler zu tun.

Ich wollt mit die Geschichte eigenlich blos sagen, dass das damals auch schon gute Beamten gegeben hat, obwohl die schwer gesoffen haben. So ganz stimmte die Faustregel denn wull doch nich. Aber ich will die heutigen Beamten auch gar keine Vorschriften machen. Die werden schon ganz von allein merken, wieviel reingeht. Und wenn nich, denn kriegen sie das durch beharrliche Übung spitz.
Früher hiess das immer: Dienst is Dienst und Schnaps is Schnaps. – Aber das darf natürlich nich so radikal ausgelegt werden, dass sich das nich jederzeit gut kombinieren lässt. Einige Extremisten gab das wull damals schon, die das so gedeutet haben wollten. Aber die normalen Menschen haben das flexibler ausgelegt. Und normale Menschen hat das auch früher schon gegeben. Unter uns Arbeiter. Aber unter die Beamten auch manchmal.


tiramisusi antwortete am 09.09.03 (08:07):

;-) danke emil, du hast mir mit deinem köstlichen beitrag den tag gerettet und nich sehr an "Kuddel Schnööf" alias Jochen Steffen erinnert ... so achtersinnige Gedankens können man eben bloss aus dem Norden kommen!
Gruss aus der Heide -

Angelika


emilwachkopp antwortete am 10.09.03 (01:22):

Dank Di schöön, Deern!

Jochen Steffen. Kiek, dat harr ik binah vergeten. Aver nu, wo ik den Naam hör, fallt mi dat wedder in. Ik heff den Jochen Steffen sien Bild domaals ümmer an'e Inköpstasch dregen. Aver dat is nu lang her.
Of dat aver noch vörn or eerst na'n eersten Weltkrieg west is, dat heff ik nu in't Öller vergeten. Aver een goden Jung is he west. Do kannst Di op verlaten.
Schöne Gröten ut Hamburg

Emil


emilwachkopp antwortete am 10.09.03 (01:26):

Kiek Di dat an.

Die haben mir gleich zweinmal gedruckt.
Denn haben die Beamten in dies Forum mein Beitrag wull schon gelesen und voll verstanden.


tiramisusi antwortete am 10.09.03 (08:51):

Tschä min Jung, so is dartt, wenn man die Fingers zu lange op de tasten drückt, dann kümmt datt twee mol hier in den Kasten! :-)

Und den Beamten kann man sowas gar nicht oft genug safen und schreiben. Ist doch faszinierend: Als beamter wurd man älter und irgendwan auch leistungsschwächer und kriegt immer mehr Geld, ohne dass man sich weiterbilden muss. Das letzte Paradies für Sesselpupser ...

Aber nochmal zu Jochen Steffen und Kuddel Schnööf mit seinen achtersinnigen Gedankens: Hier ein Link zu einer Seite, auf der ein bisschen an ihn erinnert wird:

Internet-Tipp: https://www.gerdgruendler.de/Erinnerung%20an%20J.%20Steffen.html