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THEMA:   Wertebeliebigkeit und Wertekonsens

 52 Antwort(en).

mart begann die Diskussion am 31.08.03 (20:45) mit folgendem Beitrag:

Euro-Islam – Hilfe für die Integration


Nach den Anschlägen vom 11. September werden Sicherheitsrisiken bei der deutschen Zuwanderungsdebatte unterschätzt, meint Islam-Experte Bassam Tibi. Einen an demokratischen Werten orientierten Euro-Islam hält er für den Weg, Probleme bei der bislang unzureichenden Integration islamischer Zuwanderer zu lösen.
(Bassam Tibi ist Mitgründer der Deutsch-Türkischen Stiftung)


Von 1960, dem Beginn der Anwerbung türkischer „Gastarbeiter", bis heute ist die Islam-Diaspora in Deutschland von ein paar tausend Migranten auf etwa 3,5 Millionen angewachsen. In Europa lebten 1950 ca. 800 000 Muslime, heute über 15 Millionen. Es bleibt eine Herausforderung, die wachsende islamische Gemeinde zu integrieren, sie so ins gesellschaftliche Leben einzubinden, dass sie sich nicht mehr als Fremde, sondern als europäische Bürger fühlen und wahrgenommen werden. Ist dies möglich?


An dieser Frage scheiden sich die Geister, und ich – selbst Muslim und Migrant – bin jenseits des deutschen Pro und Contra der Auffassung, dass dies unter besonderen Bedingungen möglich ist. In Paris 1992, Sydney 1997 und Berkeley 1999 habe ich in internationalen Projekten über die sich wandelnde Identität Europas unter dem Einfluss islamischer Zuwanderung mein Konzept vom Euro-Islam entwickelt. Mein Buch „Islamische Zuwanderung“, dessen zentrale These im Untertitel „Die gescheiterte Integration“ steht, enthält dieses Konzept für eine Gesellschaftspolitik im Lichte der Anschläge vom 11. September. Auf dem von Bundeskriminalamt und FBI durchgeführten Kongress über internationalen Terrorismus wurden die Fakten auf den Tisch gelegt:

Die Anschläge in New York und Washington wurden in der deutschen Islam-Diaspora vorbereitet.

Aufgrund ihrer Vergangenheit verbieten sich die Deutschen ein Konzept zur Integration von Fremden, das eine Leitkultur als Wertekonsens über Demokratie und Zivilgesellschaft verbindlich macht.

Die Folge dieser Haltung: Wertebeliebigkeit und falsch verstandene Toleranz. Das größte US-Magazin „Newsweek“ klagt: In Deutschland gebe es ein „Tolerieren des Untolerierbaren". Das ist der Grund, warum die terroristischen Islamisten Deutschland als Ruhezone ausgesucht haben.

Nach der islamischen religiösen Doktrin darf sich ein Muslim keiner nicht-islamischen Gemeinschaft einfügen. Dieses Verbot fördert islamische Parallelgesellschaften, die im Rahmen der Zuwanderung entstehen und von Islamisten als Hinterland missbraucht werden. Gegen dieses Sicherheitsrisiko nutzt nur eine Integrationspolitik für Migranten, die über das Erlernen der Sprache und den Erwerb eines deutschen Passes hinausgeht, indem sie eine verbindliche Werteorientierung bietet.

Diese muss auf Migranten eine Anziehung ausüben, was nur gelingt, wenn sie europäische Werte enthält, die islamisch begründet sind. Eine solch reformerische Interpretation des Islam, die ihn mit Europa verbindet, ist der Euro-Islam. Dieser kann sich in eine europäische Leitkultur einfügen.

Eine sich an diesem Konzept orientierende Integrationspolitik ist weit Erfolg versprechender im Kampf gegen den Terrorismus als jedes militärische oder polizeiliche Vorgehen.

Ich habe den Eindruck, dass die Deutschen – die jetzt ohne gesellschaftlichen Konsens ein „Zuwanderungsgesetz" bekommen sollen – ihre Angelegenheiten regeln, als wären sie allein auf der Welt. Sie lernen nicht von der international geführten Debatte über diese Problematik – dies verleitet zu Sonderwegen.


mart antwortete am 31.08.03 (20:52):

Fortsetzung:

Mit der Einwanderung kommen auch Konflikte

Als Beispiel möchte ich zwei Probleme der Migration nennen, die in der deutschen Zuwanderungsdebatte kaum berücksichtigt werden.

Erstens bedeutet Migration, dass ein Land damit nicht nur benötigte Arbeitskräfte, sondern auch Konfliktpotenziale aufnimmt. Mit den islamischen Zuwanderern kommen auch Fundamentalisten. Und zu importierten Konflikten gehört auch der eskalierende Nahostkonflikt – wie Ausschreitungen bei der propalästinensischen Demonstration vom 13. April 2002 in Berlin belegen.

Integration der Zuwanderer ist das zweite Problem. Zwischen diesem und dem erstgenannten besteht ein Zusammenhang: Weil Integration Sicherheitsrisiken verringert.

Migranten, die sich mit dem Aufnahmeland identifizieren, tragen die Konflikte ihrer Herkunftsregion nicht in ihre neue Heimat.

Die „Neue Zürcher Zeitung“ schrieb im Leitartikel über die Einfuhr des Antisemitismus durch Migration:

„Diejenigen, die heute in Frankreich Synagogen verwüsten und ähnliche Verbrechen begehen, sind in der Regel wohl Beurs arabischer Herkunft, sie sind aber in Frankreich geboren, aufgewachsen und haben die französische Staatsbürgerschaft erworben. Viele führen jedoch eine Randgruppen- und Ghetto-Existenz ... Sie gehören – in ihrer eigenen Wahrnehmung und in derjenigen ihrer Umgebung – nicht zur französischen Gesellschaft, haben nicht teil an deren Wohlstand und teilen nicht deren Werte."


Was lernen wir daraus für Deutschland? Wir müssen es als Sicherheitsrisiko anerkennen, dass durch das Aufflammen des Nahostkonfliktes nicht integrierte Zuwanderer eine „Gelegenheit zur Rache" sehen. Dieses Problem wird im deutschen Zuwanderungsgesetz, worin Probleme der Integration auf Sprachkurse reduziert werden, nicht erkannt. Politiker streiten vorrangig um die Finanzierung, anstatt um weitreichende Konzepte für die Integration. Experten wissen, dass die aus Nordafrika stammenden französischen Beurs besser Französisch als Arabisch sprechen. Dies gilt auch für viele nicht integrierte Türken der dritten Generation hierzulande. Und der Ägypter Mohammed Atta aus Hamburg, Anführer des Anschlages in New York am 11. September, sprach fließend Deutsch.
Herrscht Wertebeliebigkeit, gibt es keine Leitkultur. Daraus resultiert die Unfähigkeit der Aufnahmegesellschaft, Muslime zu integrieren. Die Deutschen können da von anderen Ländern lernen. Vorrangig die USA und Australien setzen Maßstäbe für eine Einwanderungspolitik. Dabei handelt es sich vor allem um das Recht, eine Auswahl der Migranten zu treffen und um die Bindung der Migration an eine Prozedur.
Multikulturalismus und seine Wertebeliebigkeit kommen ursprünglich aus den USA. Doch nach dem 11. September sind dort neue Gesetze und Verwaltungsvorschriften zur Regelung der Immigration erlassen worden. Zwar war es auch früher schon so, dass nicht jeder, der in die USA immigrieren wollte, auch aufgenommen wurde, denn für die Migration bestehen regulierende Prozeduren. Zusätzlich werden jetzt in den USA Einwanderer sicherheitspolitisch überprüft. Islamisten werden nicht als Flüchtling anerkannt. In Europa findet jeder politische Flüchtling Aufnahme – hier bestehen Sicherheitsrisiken, wie wir zur Zeit in Frankreich beobachten. Die werden auch dadurch deutlich, dass die Spur von Djerba unter anderem nach Deutschland führt.

Unter Leitkultur verstehe ich eine der Integration von Migranten dienende Werteorientierung, die jede Gesellschaft benötigt. Um Migranten klarzumachen, dass nicht jeder nach seinem eigenen Belieben, unter Rückgriff auf seine Zugehörigkeit zu einer fremden Kultur handeln kann, hoffe ich heute, nach dem 11. September, auf Neuaufnahme der Migrationsdebatte.


mart antwortete am 31.08.03 (20:57):

Fortsetzung:

Nur wenn die europäische Zivilisation zu ihren demokratischen, liberalen Werten als Orientierung steht und diese verteidigt, kann sie Migranten aus nicht-westlichen Zivilisationen eine Leitkultur der Integration zu bieten.

Ihr liegen fünf zentrale Werte zugrunde: Trennung von Religion und Politik, Demokratie, Menschenrechte, religiöser und kultureller Pluralismus und Zivilgesellschaft. Diese Werte müssen für alle Menschen, die in Europa leben, verbindlich sein.

Wenn die Europäer keine Leitkultur haben wollen, bieten die Zuwanderer, vor allem die islamischen, ihre eigene Leitkultur als Alternative. Das heißt, dass europäische Werte durch islamische, also durch die Gottesgesetze der Scharia, ersetzt werden. Das kann auf eine Islamisierung Europas hinauslaufen.

In einem Essay im „Spiegel“ nannte ich das Verhältnis von Scharia und Grundgesetz als eines zwischen „Feuer und Wasser". Als Muslim trete ich zwar für die Aufnahme des Islam als dritter Religion in Europa ein, möchte diese aber eindeutig in einen europäischen Rahmen eingeordnet, das heißt als Euro-Islam reformiert wissen. Dieser orientiert sich an einer europäischen Leitkultur.


Eine Toleranz der Wertebeliebigkeit, die alles zulässt, ist falsche Toleranz. Gemäß diesem Verständnis könnte ich zum Beispiel in Europa nach meinen orientalischen Vorstellungen leben. Würde mich jemand daran hindern wollen, dann könnte ich gegen ihn den Vorwurf des Rassismus erheben.

Dies wird deutlich, wenn zum Beispiel die Ablehnung nicht-westlicher Werte als Rassismus inkriminiert wird, während die Zurückweisung der europäischen Werte durch islamische Zuwanderer als Identitätsbewahrung „tolerant" interpretiert wird.


Zu dieser falschen Toleranz gehört die sich in Deutschland und anderswo in Europa, im Gegensatz zu den USA, verbreitende Fehldeutung der Terroranschläge in New York und Washington. Dabei wird die Schuld an diesem Terrorakt, anstatt den islamischen Terroristen, dem Westen zugeschrieben. Das Verbrechen wird auf diese Weise als eine Folge der Globalisierung heruntergespielt.


Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, möchte ich betonen, dass ich eindeutig für Migration eintrete. Europa braucht wegen sinkender Geburtenrate Zuwanderung von außen. Nur setze ich mich dafür ein, dass diese geregelt und an ein Konzept für die Integration der Migranten gebunden sein muß.
Nur so können die Europäer auf die Herausforderung vorbereitet sein.

Die Wertebeliebigkeit erlaubt den Migranten, ihre jeweilige Kultur in Europa auszuleben, auch wenn diese mit der Demokratie und der Trennung von Religion und Politik in Konflikt steht. Die Folge ist eine Balkanisierung des Gemeinwesens. Dazu kommen der Verlust der eigenen zivilisatorischen Identität Europas sowie entsprechende Konfliktpotenziale.

Parallelgesellschaften und demokratisches Gemeinwesen vertragen sich nicht. Parallelgesellschaften gefährden den inneren Frieden. Sie schließen jede Integration islamischer Zuwanderer aus. Das Sicherheitsrisiko der Balkanisierung ist bereits unübersehbar.

Internet-Tipp: https://www.dtsinfo.com/deutsch/p200206/Seite12.htm


Medea. antwortete am 31.08.03 (22:07):

@ mart

Ein schwieriges, hier wohl kaum zu diskutierendes Thema, auch wenn es längst auf breiter, gesellschaftlicher Ebene überfällig ist.

Mit Bassam Tibi (hier umstritten), spricht ein international anerkannter Schriftsteller, ein Muslim und Migrant, dem doch wohl unterstellt werden darf, sich in der Mentalität seiner moslemischen Glaubensbrüder und -schwestern auszukennen. Tibis größtes Anliegen ist es, eine Möglichkeit zur Integration von Millionen Moslems in Europa zu finden, die er sich in einer Form von Euro-Islam vorstellen kann, ohne das die von vielen befürchteten Parallelgesellschaften entstehen. Nach seiner Auffassung müßte dem aber eine umfassende Diskussion über das unterschiedliche Werteverständnis dieser beiden Kulturen vorausgehen. Das scheint aber in Deutschland fast unmöglich zu sein, da sofort mit dem Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit operiert wird. Schon das Wort Leitkultur scheint aus unseliger Vergangenheit derart überfrachtet, daß es schnell wieder in der Versenkung verschwand, so konnte dieser Begriff nie richtig neu definiert werden.
Das Wort Toleranz wird immer und ständig angewandt - wir Deutsche werden uns noch eines Tages zu Tode tolerieren. :-((
für mich ist es interessant zu beobachten, daß sich hier im ST stets die gleichen Personen mit dieser schwierigen Situation befassen und die Mehrheit - aus welchen Gründen auch immer - schweigt, obwohl im Familien- und Freundeskreis oder auch in den Kneipen sehr wohl die Lage in Deutschland diskutiert wird.
Wer will sich schon offen dem Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit aussetzen, der ja stets schnell zur Hand ist. Und ich hoffe, daß der mich jetzt nicht auch gleich wieder treffen wird. :-((


Karl antwortete am 31.08.03 (22:34):

Hallo Mart,


was ist nun wörtliches Zitat, was deine Meinung? Ìch will jetzt nicht kleinlich sein und bei so einem wichtigen Thema auf eine Wörterbegrenzung verweisen, aber um Copyrightprobleme zu vermeiden, wäre es besser, Du würdest auf den entsprechenden Link verweisen anstatt hier seitenlang zu zitieren.

Zur Sache: Bassam Tibis Meinung halte ich für interessant. Sie zeigt m.E., dass im Islam Strömungen existieren, die sehr wohl an einem friedlichen Zusammenleben Interesse haben und nach Wegen suchen, wie dies geschehen könnte. Hierüber zu diskutieren ist wichtig.

Gerade die unterschiedlichen Strömungen im Islam wurden hier teilweise aber negiert und der Islam völlig undifferenziert als nicht-wandlungsfähig hingestellt. Dies war die Haltung, die m.E. zu recht als dem Wesen nach als rassistisch bezeichnet wurde.

Mit freundlichen Grüßen

Karl


mart antwortete am 31.08.03 (23:39):

Alles stammt aus dem angegebenen Link und sind die Worte von Bassam Tibi.


Da er in vielen kulturellen Welten zu Hause ist, würde er es sicher als die typisch deutsche Crux ansehen, dass jemand hier imstande ist, in seiner Argumentation rassistische Elemente zu finden.

Das ist natürlich eine Sache der Definition, aber auch sehr typisch für das Dilemma, in das sich die Deutschen hineinmövriert haben.

Nun mir kommt vor, dass der Rassismusvorwurf das wesentliche Merkmal der deutschen Leitkultur darstellt, wodurch jede echte Auseinandersetzung abwürgt wird und leider unter der glatten Oberfläche hin und wieder gefährliche Wogen emporgeschwappt werden.


Karl antwortete am 31.08.03 (23:44):

Wer bitte schön hat Bassam Tibi einen Rassismus Vorwurf gemacht?

Ziemlich ratlos, Karl


felix antwortete am 01.09.03 (02:19):

@ mart
mich würde vorallem deine eigene Meinung interessieren. Bassam Tibi können wir wirklich auch selber nachlesen.
An anderer Stelle habe ich immer wieder auf die Schwierigkeit hingewiesen, dass Menschen, die fest mit Glaubensinhalten indoktriniert wurden, unfähig gemacht wurden, selber zu denken und freie Entscheidungen zu treffen. für sie wird es fast unmöglich anzunehmen, dass Andersgläubige von der Wahrheit nicht ausgeschlossen sein müssen.
Dadurch werden streng Gläubige zu einer leicht manipulierbaren Masse ... wie die Geschichte klar zeigt.
Mit Hilfe der Bereitschaft der meisten Menschen an irgend etwas Höheres zu glauben, haben es die religiösen Gruppen immer wieder verstanden Macht und Gewalt über Andersgläubige auszuüben.
Um ein friedliches Zusammenleben auf dieser Erde zu ermöglichen, ist noch viel Aufklärungsarbeit notwendig. Nur mit einer Ethik mit grosser Akzeptanz sehe ich für die Menschheit eine Chance.
Die heutigen Kirchen und Religionsführer arbeiten mit aller Macht dagegen.


julchen antwortete am 01.09.03 (02:36):

Auch ich finde keine Anschuldigung des Rassismus
gegen B. Tibi - hier.
Und sehe auch beim besten Willen nicht wo er sich
dessen schuldig gemacht haben koennte.

Schliesslich ist er ein Mann der in 2 Welten lebt,
in Beiden zu Hause ist und versteht wo es auf der
einen, respektive der Anderen Seit wohl zwischen-
menschlich hakt.
Was die Gruende dafuer sind -
und vor allem Wie man der Sache zu beiderseitigen
Zufriedenstellung eventuell beikommen koennte.
Ebenso zeigt er auf was negative Konsequenzen sein koennten wenn man die bestehenden Probleme
ignoriert.

Ich stimme mit Mart ueberein, dass echte Auseinandersetzungen durch voreilige "Rassisten"-
Schreierei gar nicht erst zustande kommt.
Wir haben das wohl in den letzten Themen hier
vor dem Umbau gesehen.

Medea hat recht, es ist noch lange keine Fremdenfeindlichkeit wenn man sich mit einer Sache
befasst, seine eigenen Besorgnisse dazu aeussert,
sich wundert ob andre diese Besorgnisse teilen
und ob diese von der "anderen" Seite ebenso
erhoben werden. (Und dem ist sicherlich so!)

Aus Angst Rechtsradikal, Rassist und Fremdenfeindlich genannt zu werden gar nichts zu
sagen - ist die denkbar schlechteste Unterlage ein
friedliches Verstaendnis zwischen Menschen verschiedener Kulturen wachsen zu lassen.

Mart sagt: Das Wort Toleranz wird immer und ständig angewandt - wir Deutsche werden uns noch eines Tages zu Tode tolerieren. :-((

Ja, vor allem dann, wenn man denen mit Schweigen nachgibt, die immer sooo schnell bei der Hand sind
jede Frage, jedes wundern ueber die Situation,
jede kleine Unzufriedenheit mit den Vorgaengen,
als "Volksverhetzung" zu interpretieren.

Ich moechte nicht dass mich irgendjemand nun
verkehrt versteht (hoffentlich bekomme ich das so raus,
dass man versteht wie ich das meine):

Also, einer der gaengigsten Schlagwoerter hier war
immer "Wehret den Anfaengen"....
Damit stimme ich voellig ueberein - nur

- ist es nicht auch ein schlechter Anfang wenn man
wegen vergangener Geschehen nun sooooooo zur
Toleranz gezwungen wird, dass man wieder nichts
sagt????

Die eine Seite ist nur tolerant, die andre Seite steht
(vielleicht) voellig verunsichert daneben,
und weiss nicht was sie von diesem Verhalten denken
soll.
Scheint mir das B. Tibi das eigentlich damit sagen
wollte, dass beide Seiten sagen muessen was sie
wollen und brauchen, damit sie sich einigen koennen.

Hoffentlich stehe ich nun nicht im Fettnaepfchen :))


mart antwortete am 01.09.03 (08:00):

Offensichtlich sind Bassams Tibis Worte doch mißverständlich, da


<<Gerade die unterschiedlichen Strömungen im Islam wurden hier teilweise aber negiert und der Islam völlig undifferenziert als nicht-wandlungsfähig hingestellt. Dies war die Haltung, die m.E. zu recht als dem Wesen nach als rassistisch bezeichnet wurde.<<<


hl antwortete am 01.09.03 (08:48):

tja, die ungewollten oder auch gewollten Missverständnisse..

Ich habe Karls Worte so verstanden:

<<Gerade die unterschiedlichen Strömungen im Islam wurden hier
""in den Foren des Seniorentreffs""
teilweise aber negiert und der Islam völlig undifferenziert als nicht-wandlungsfähig hingestellt. Dies war die Haltung, die m.E. zu recht als dem Wesen nach als rassistisch bezeichnet wurde.<<<


Karl antwortete am 01.09.03 (09:06):

@ mart,

da ich dich für intelligent genug halte, besonders da du Kenntnis der vorhergehenden Diskussionen hast, bin ich überzeugt, du hast meinen Text ebenso verstanden wie hl, so dass ich deine Interpretation nur als boshaft bezeichnen kann.

@ hl,

danke für die Richtigstellung. Nach dem Lesen meines Beitrags muss ich zugeben, dass ein neuer Leser der Foren ohne Kenntnis der Vorgeschichten den Text so hätte verstehen können, wie Mart es vorgibt.


schorsch antwortete am 01.09.03 (11:33):

Ausser Thema eine Frage an julchen: Drückst du die Return- (Eingabe-) Taste am Ende einer Zeile?


mart antwortete am 01.09.03 (11:59):

Lieber Karl,

Etliche Beiträge versch. Leute sind sofort von der Clique Linker ähnl. mißinterpretiert worden, wie ich Deinen Beitrag mißinterpretiert habe.

Du siehst, es ist nicht gerade angenehm, sich gegen absurde Vorwürfe verteidigen zu müssen, besonders wenn das öfters passiert.

Es ist auch nicht Jedermanns Sache, als Lügner bezeichnet zu werden und alles, was als "Rechtfertigung" dazu gesagt wird, sofort in der Schublade des Rassismus eingeordnet zu finden. --- Begründung: " mit Rassisten darf man nicht argumentieren! Wehret den Anfängen!"

Diese Clique an Gutmenschen lassen keine gr. Fähigkeiten zum differenzierten Denken erkennen.


Karl antwortete am 01.09.03 (12:54):

@ Mart,


wenn wir uns angewöhnen, immer "worst case"-Interpretationen durchzuführen, wird das hier unerquicklich. Ich jedenfalls versuche eher genau das Gegenteil, auch wenn es dadurch nicht immer gut wird ;-).

Also meine Bitte: Wenn es Missverständnisse gab, lasst uns diese aufklären und nicht neue hinzufügen.

Mit freundlichen Grüßen

Karl


schorsch antwortete am 01.09.03 (18:21):

Frage an mart: Wie kannst du beurteilen, wer in diesem Forum Linker oder Rechter sei?

Oder anders gefragt: Sind bei dir einfach all jene MitschreiberInnen Linke, die nicht deiner Meinung sind?


Medea. antwortete am 01.09.03 (19:54):

lach Schorsch, was für eine Frage ;-))
ich bin überzeugt, daß auch Du sie Dir längst im Laufe der Zeit beantworten kannst ...., dazu bedarf es keiner allzu großen Menschenkenntnis .-)

Es ist wie beim Walzertanzen, mal links und mal rechts herum, was liegt Dir mehr?
Übigens: nach landläufiger Meinung (die ja auch nicht stimmen muß) sind es eher die "Linken", die Schwierigkeiten mit den Meinungen Andersdenkender haben ;-))


Karl antwortete am 01.09.03 (22:05):

Das ist mir neu, Medea.

Aber vielleicht ist das politische Spektrum gar keine Linie, sondern ein Kreis. Geht man zu weit in die Extreme trifft man sich wieder.


Wolfgang antwortete am 01.09.03 (22:42):

FRANZ-JOSEF STRAUSS - bekanntlich selbt ein rechter Extremist - hat das Problem der Lage der Extreme schon vor langer Zeit geloest... Wo ich bin, sagte er, ist die politische Mitte. Nach diesem Verfahren arbeiten alle Extremisten, denn kaum jemand will sich als solcher zu erkennen geben. ;-)


mart antwortete am 02.09.03 (00:09):

"Kein Gemeinwesen kann sich auf Dauer gegen extremistische Angriffe verteidigen ohne Bezug auf letzte Geltungen, d.h. auf Grundwerte, auf nachhaltig erstrebte Leit- und Zielvorstellungen."


Felix antwortete am 02.09.03 (00:40):

Da geistern noch eigenartige Auffassungen herum ... was politisch "links" sein soll.
Bei uns in der Schweiz ist die "Linke" die Seite der Aufgeschlossenen, Sozial-Engagierten und bei der Rechten finden wir die Konservativen, Nationalistischen Ewiggestrigen ...
Sind in der BRD die Seiten etwa vertauscht? ... Medea!


Medea. antwortete am 02.09.03 (07:29):

So ähnlich wie in der Schweiz ist die landläufige Definition von links, rechts, mitte, mitte links, mitte rechts, mitte mitte - auch in Deutschland.
Schorschs Frage hat mich nur amüsiert, da ich ihm das Wissen um die Dinge schon zutraue :-))
Und so habe ich mir erlaubt, nicht alles gleich so bierernst zu nehmen.
Einen guten Morgen an alle.


Felix antwortete am 02.09.03 (10:12):

Solange die Grundwerte einer Gesellschaft weitgehend darin bestehen, seine eigenen materiellen Werte und seinen täglichen Komfort zu vermehren und die Solidarität mit den Unterprivilegierten und Habenichtse zu schmälern .... solange wir also in diesem "Raubtierkapitalismus" verharren ... wird ein friedliches Zusammenleben Utopie bleiben.
Dies ist eine typisch "linke" Meinung! Was ist schlecht daran?


Ebba antwortete am 02.09.03 (10:39):

Lieber Felix,
kannst Du eine typisch "rechte" Meinung ebenso übersichtlich ausdrücken (nur zum Vergleich)? Das würde mich sehr interessieren.


Medea. antwortete am 02.09.03 (11:39):

Gar nichts ist schlecht daran, lieber Felix - als Grundwert dem Raubtierkapitalismus zu huldigen, finde ich genau wie Du verachtenswert. Es führt auch wieder zum Eingangsthema ein wenig zurück, steht hier doch "Wertebeliebigkeit und Wertekonsens" zur Diskussion.


Wolfgang antwortete am 02.09.03 (11:53):

Der Kapitalismus war ja nie ein 'Wert', sondern eine Organisationsform zum kollektiven Produzieren gesellschaftlichen Reichtums und zur individuellen Aneignung desselben. Dass der Kapitalismus ihm spezifische Verhaltensweisen erzeugt, duerfte niemanden wundern.

Was unter die Raeder gekommen ist, ist eine besondere Spielart des Kapitalismus... Manche nennen diese Spielart den 'rheinischen' Kapitalismus - einen Kapitalismus, der in Deutschland von seinen 'Erfindern' auch gerne 'soziale Marktwirtschaft' genannt wurde.

Wie gesagt: Dieser Kapitalismus ist passé heutzutage. Ein anderes (mehr angelsaechsisches) Modell hat sich auch hier durchgesetzt. Dadurch wurden andere Werte schick... Zum Beispiel, dass der Mensch immer mehr als oekonomisches Objekt angesehen wird, das sich unbedingt anzupassen hat an Kapitalverwertungsinteressen.

Fuer den Profit und die wenigen Profiteure ist das eine gute Sache. Fuer die vielen Verlierer - darunter befindet sich auch die Natur - ist das Spiel aber nicht gewinnbringend.


BarbaraH antwortete am 02.09.03 (12:26):

Dabei verstößt der heute gelebte Kapitalismus gegen unser Grundgesetz. Dort heißt es in Artikel 14(2):

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Heute ist diese im Grundgesetz verankerte Pflicht für viele Macher in unserer Gesellschaft nur noch eine Lachnummer.

Irgendwo las ich kürzlich, dass eine Arbeitnehmerin im unteren Lohnbereich mehr Steuern bezahlt als die Firma BMW und viele andere Konzerne, die im vergangenen Jahr 0 Euro zahlten... in Worten: Null...


BarbaraH antwortete am 02.09.03 (12:33):

Ein linker Link zur Vertiefung :-)

>>Steuerausfälle ohne Ende

Die selbstverschuldete Finanzkrise des Staates

Die Finanzkrise des Staates ist nicht durch übermäßig gestiegene Ausgaben, sondern ausschließlich durch - weitgehend selbstverschuldete - Einnahmeausfälle verursacht. Ohne die massiven Unternehmensteuersenkungen und den Verzicht auf die Vermögensteuer hätte Spielraum für erhebliche wachstumssteigernde Mehrausgaben bestanden, ohne die Verschuldungsgrenzen zu überschreiten.

https://www.verdi.de/steuergerechtigkeit

Internet-Tipp: https://www.verdi.de/steuergerechtigkeit


Mechtild antwortete am 02.09.03 (13:54):

@ barbara
Ich sehe das auch so, würde es jedoch krasser formuliere. Es sind bewusst herbeigeführte Einnahmeausfälle zu Gunsten der Besserverdienenden auf Kosten der Normal- und Schlechtverdienenden, die zu der Finanzkrise geführt hat. Die jetzt vorhandene Finanzkrise wird dazu genutzt, dass die ArbeitnehmerInnen die geplanten Kürzungen (Lohnkürzungen, Arbeitszeiterhöhungen und Kürzungen im Renten - +Gesundheitssystem) als notwendig ansehen damit es zu keinen sozialen Unruhen kommt.


Felix antwortete am 02.09.03 (15:17):

Hallo Ebba,

ganz einfach:

Wer diese Meinung nicht verteten kann steht eben eher "rechts*.

&:>))


Ebba antwortete am 02.09.03 (17:20):

Ach so ist das, Felix. Danke, jetzt weiß ich bescheid.
Dann arbeiten also "die Rechten" grundsätzlich gegen ein friedliches Zusammenleben der Menschen, oder wie darf ich das verstehen?

Mir scheint, Du hast eine etwas schlichte Vorstellung davon, was *rechte* und was *linke* Denkungsart ist.
Sozial engagierte Menschen gibt es in allen Lagern, ebenso wie *Raubtierkapitalismus* überall zu finden ist.


mart antwortete am 02.09.03 (18:26):

Barbara,

<<Dabei verstößt der h e u t e g e l e b t e Kapitalismus gegen unser Grundgesetz.

Dort heißt es in Artikel 14(2):
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.<<

Dieses ist eine ungerechtfertige Pauschalierung, daher diskriminierend und gehört gelöscht.


Felix antwortete am 03.09.03 (00:37):

@ Ebba
verstehen kein es ... nix Humor ... schade!
&:>(

@mart

Wer soll was löschen? Geht's noch!


mart antwortete am 03.09.03 (10:38):

Felix,


Ziel der linken Ideologen ist es – unter anderem- , konservative demokratische Strömungen als "rechtsextrem" zu diffamieren.

Unter dem Begriff „rechtsextrem“ wird alles subsumiert, was politisch nicht eindeutig links ist. Konservative demokratische Meinungen werden reflektorisch als „rechtsextrem“ bezeichnet und damit diffamiert. Dadurch soll „bewiesen“ werden, dass der Faschismus in der Mitte der Gesellschaft zuhause ist und dass nicht nur alle rechtsextremistischen Bestrebungen – berechtigterweise – bekämpft werden müssen, sondern dass auch die Bundesrepublik Deutschland ein mit ihren ideologischen Vorstellungen nicht vereinbares Feindbild darstellen.

aus https://www.verfassungsschutz.niedersachsen.de

Linksextremismus:
<<Der freiheitliche Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland und die Gesellschaft werden in einer angeblich ungebrochenen faschistischen Tradition mit dem NS-Staat gesehen, dessen ökonomische und politische Strukturen erhalten geblieben und weiterentwickelt worden seien.
Autonome Zusammenschlüsse nutzen die berechtigte öffentliche Empörung über rechtsextremistische und fremdenfeindliche Straftaten für eigene politische Ziele.

Sie versuchen nachzuweisen, dass der Rechtsextremismus ein notwendiges, ein unausweichliches Merkmal der Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik darstelle, und sprechen dem als faschistisch und rassistisch charakterisierten politischen System der Bundesrepublik Deutschland die Fähigkeit ab, Rechtsextremismus erfolgreich bekämpfen zu können.


Über die politische Instrumentalisierbarkeit hinaus erfüllt der autonome antifaschistische Kampf eine wichtige organisationsinterne Funktion: er ist für den Zusammenhalt des autonomen Spektrums von herausragender Bedeutung.

Die von einem „revolutionären Antifaschismus“ geprägten Aktionen der Autonomen konzentrieren sich nicht nur auf rechtsextremistische Strukturen, sondern auch auf das diese Strukturen angeblich fördernde kapitalistische System.

Das Thema Antirassismus ist in den Mittelpunkt der Agitation der autonomen Szene gerückt.

Die Aktionsfelder Antifaschismus und Antirassismus stehen im ideologischen Verständnis der Autonomen in einem unmittelbaren Zusammenhang.

Die Ursachen für Rassismus werden gleichfalls nach autonomer Ideologie in der von Klassengegensätzen, Ausbeutung und Unterdrückung geprägten kapitalistischen Gesellschaft gesehen.

Dem demokratischen Rechtsstaat wird hierbei vorgeworfen, durch seine vermeintlich rassistische Grundausrichtung rechtsextremistische Strukturen zu fördern.<<

Internet-Tipp: https://www.verfassungsschutz.de/news/linksfolder.pdf


Felix antwortete am 03.09.03 (10:55):

@ mart

... und was soll das mit mir zu tun habe? Wenn du mich als "linksaussen" empfindest .... müsstest du sehr weit rechts angesiedelt sein!

Wenn du meine Beiträge vielleicht einmal ohne vorgefasste Meinung nochmals sorgfältig analysieren würdest .....


mart antwortete am 03.09.03 (11:14):

Felix, meine Antwort bezieht sich auf deine Bemerkung vom 02.09.03 (00:40):


<<Da geistern noch eigenartige Auffassungen herum ... was politisch "links" sein soll.
Bei uns in der Schweiz ist die "Linke" die Seite der Aufgeschlossenen, Sozial-Engagierten und bei der Rechten finden wir die Konservativen, Nationalistischen Ewiggestrigen ...<<

Nun, ich entschuldige mich dafür, daß ich dich persönlich angesprochen habe. Ich habe Deine Äußerungen bisher nie als extrem empfunden, daher bist Du der falsche Adressat.

Leider gibt es hier aber einige Leute, deren Wortwahl und Argumentation aber in diejenige Richtung gehen, die der deutsche Verfassungsschutz als gefährliche Strömung ansieht.


Ebba antwortete am 03.09.03 (11:14):

Tut mir leid, lieber Felix, mir ist entgangen, dass Deine Antwort humorvoll gemeint war.
Ich entschuldige mich für meine unfreundliche Reaktion.
Grüsse, Ebba


BarbaraH antwortete am 03.09.03 (12:10):

Ich habe darauf hingewiesen, dass der inzwischen auch in unserem Lande gelebte Kapitalismus, in dem multinationale Konzerne im Gegensatz zum kleinen Arbeitnehmer keine Steuern mehr zahlen, gegen unser Grundgesetz Artikel 14(2) verstößt. Nach Aussage von mart sähe der deutsche Verfassungsschutz dieses bereits als "gefährliche Strömung" an....

Ich wage es trotzdem, einen in meinen Augen sehr weisen Menschen zu zitieren, der uns ermahnt:

>>Stillhalten ist tödlich

Eine Lehre des Krieges gegen Irak: Die "Alternative Völkergemeinschaft" muss die Machteliten der Welt zum Frieden bewegen / Von Horst-Eberhard Richter
........
Was die Aufklärungsarbeit anbetrifft, so ist es durchaus richtig, nach wie vor mit dem Finger auf die Eigendynamik des Turbokapitalismus in der Form des neoliberalen Systems als Zwangsursache für permanente Kriegsbereitschaft zu zeigen. Es ist ja richtig, dass dieses System auf Machtegoismus fixiert ist und neuerdings der Globalisierung eine Richtung vorgibt, die zur zusätzlichen Erweiterung der Kluft zwischen Arm und Reich führt. Und es ist richtig, dass diese Dynamik aus sich heraus kriegsbegünstigende Spannungen vermehrt. Die transnationalen Konzerne üben direkt, aber auch indirekt über die von ihnen gesteuerten Medien einen übergroßen Einfluss auf die Politik und auf das Massenbewusstsein aus. Dieses System hat sich noch verhärtet, nachdem die totalitären Deformierungen des Sozialismus im Osten zusammengebrochen sind.<<

https://www.frankfurter-rundschau.de/fr_home/startseite/?cnt=291394

Der Verfassungsschutz wird doch wohl die Frankfurter Rundschau lesen oder sollten wir ihn informieren :-)

Internet-Tipp: https://www.frankfurter-rundschau.de/fr_home/startseite/?cnt=291394


Felix antwortete am 03.09.03 (16:12):

Hallo mart und ebba ..

"Châpeau" pflege ich bei einer solchen Korrektheit zu sagen!

Es grüsst Felix und nicht etwa "followup", der Mail-Geist!


BarbaraH antwortete am 04.09.03 (09:57):

Wie war das noch mit dem Artikel 14(2) Grundgesetz?

>>Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.<<

Was die Deutsche Bank darunter versteht, ist heute in Spiegel-online zu lesen:

>>Chef Ackermann droht mit Steuerflucht

Die Deutsche Bank macht Druck auf die Bundesregierung. Weil ihm die Steuerbelastung in Deutschland zu hoch ist, droht Vorstandschef Josef Ackermann damit, den Hauptsitz des größten deutschen Geldinstituts von Frankfurt ins Ausland zu verlagern.....

...Im zweiten Quartal hätten die Steuern 46 Prozent der Profite der größten deutschen Bank aufgefressen, berichtet die "Financial Times" (FT). "Wir müssen einen Weg finden, unsere Steuerbelastung zu verringern", sagte Josef Ackermann laut FT gestern in Frankfurt. "Wenn das bedeutet, dass wir unser Geschäft in Länder verlagern, in denen die Steuern niedriger sind, sehen wir uns gezwungen, das zu prüfen."

Die Worte Ackermanns geben früheren Gerüchten neue Nahrung, nach denen die Deutsche Bank ihren Hauptsitz nach London oder New York verlagern will und damit erhebliche Spannungen mit der deutschen Politik riskiert. Bereits jetzt fährt die Deutsche Bank zwei Drittel ihrer Gewinne in Übersee ein und führt fünf ihrer sieben Geschäftsbereiche von England und den USA aus.

Die Deutsche Bank stellte laut "FT" gestern Abend jedoch klar, dass die Verantwortung, die Steuerbelastung zu verringern, nichts an der Verpflichtung ändere, die Bundesregierung bei den Reformprogrammen im Rahmen der Agenda 2010 zu Unterstützen...<<

https://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,264236,00.html

Was heißt das übersetzt?
Wenn ihr (die Regierung) nicht spurt, verlassen wir Deutschland. Trotzdem werden wir Euch auch weiterhin drängen (Unterstützen), die Maschen des sozialen Netzes in Deutschland zu vergrößern....

Wen hatte das Wahlvolk doch gleich an die Spitze gewählt? Rot/Grün oder die Deutsche Bank?

Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,264236,00.html


mart antwortete am 04.09.03 (16:26):

Barbara, du hast öfters auf folgendes hingewiesen:

<<Ich habe darauf hingewiesen, dass der inzwischen auch in unserem Lande gelebte Kapitalismus, in dem multinationale Konzerne im Gegensatz zum kleinen Arbeitnehmer keine Steuern mehr zahlen, gegen unser Grundgesetz Artikel 14(2) verstößt<<

Nun die Vereinbarkeit des globalisierten Kapitals mit dem deutschen Grundgesetz Artikel 14, insbesondere mit 14(2)ist eine echt interessante Frage.


Ich bin sicher, daß Du hier aber einem Irrtum unterliegst - sowohl der Begriff "Eigentum" als auch der Begriff "Sozialbindung" trifft hier nicht zu.


BarbaraH antwortete am 04.09.03 (20:05):

mart,

mein voriger Beitrag über den Einfluss von Herrn Ackermann, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, zeigt doch sehr genau die "Sozialbindung".... oder korrekter die "Sozialentbindung"...

>>Die Deutsche Bank stellte laut "FT" gestern Abend jedoch klar, dass die Verantwortung, die Steuerbelastung zu verringern, nichts an der Verpflichtung ändere, die Bundesregierung bei den Reformprogrammen im Rahmen der Agenda 2010 zu Unterstützen...<<

Die Deutsche Bank droht der Bundesregierung mit der Verlegung ihres Hauptsitzes ins Ausland, falls die Steuern für die Wirtschaft nicht noch weiter gesenkt werden. Gleichzeitig sagt sie ihre Unterstützung für die Umsetzung der Agenda 2010 zu, nämlich dass die Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau gesenkt wird, dass die Sozialabgaben nicht mehr je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen sondern "privatisiert" werden, dass die Arbeitslosen... auch die von der Deutschen Bank auf die Straße gesetzen... unter erheblichen Druck gesetzt werden, etc.

Da kann man doch wirklich nicht sagen, dass sich das Kapital in Deutschland nicht um soziale Fragen kümmert :-(

Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,264236,00.html


mart antwortete am 04.09.03 (20:48):

Barbara, ich gebe dir gerne recht und habe immer die Meinung vertreten, daß Kapitalflüsse, so wie sie heute rund um die Welt möglich sind, unerhört zerstörerische Wirkungen haben, ebenfalls die Verlagerung von Geschäftsaktivitäten entsprechend den jeweilig günstigsten Bedingungen

Wenn du aber in dieser Hinsicht die Meinung vertritts, daß das entgegen dem Grundgesetz Artikel 14(2), dann hast du einfach unrecht. Schau dir die Entscheidungen und Kommentare dazu an!


BarbaraH antwortete am 04.09.03 (22:16):

Im Grundgesetz heißt es:

>>Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen<<

Allein das Wort "soll" ist sehr breit auslegbar. Wer sollte dagegen konkret klagen?

Bei diesem Artikel handelt es sich doch eher um einen Appell... um den Geist einer Gesellschaftsordnung... um das Fundament, auf dem eine für alle lebenswerte Gemeinschaft aufgebaut werden kann.

Leider interessiert sich heute kaum noch jemand für diesen Geist.
Das Fundament hat inzwischen tiefe Risse bekommen....


mart antwortete am 04.09.03 (23:56):

Es hängt nicht am Wort "soll".

Es ist die Frage, was unter Eigentum verstanden wird und wie die Abgrenzung gegenüber der ersatzpflichtigen Enteignung gezogen wird. Es handelt sich um konkrete zu duldende Dinge, die sich vor allem auf Grundstücke beziehen.


z.b.
Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz muss der Grundstückseigentümer die Sicherungsmaßnahmen auf eigene Kosten durchführen lassen (11 A 12542/96). Es komme nicht darauf an, ob der Verantwortliche den gefährlichen Zustand selbst verschuldet oder verursacht habe. Der Eigentumsschutz des Grundgesetzes räume dem Eigentümer nicht nur Rechte ein, sondern erlege ihm auch Pflichten zum Wohle der Allgemeinheit auf. Im Rahmen dieser Sozialbindung müsse der Eigentümer die Gefahr eines Felssturzes beseitigen, die von seinem Grundstück ausgehe.
Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. Oktober 1997 - 11 A 12542/96

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übrigens:

https://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,257270,00.html
FISKAL-SENSATION

Deutschlands Konzerne zahlen wieder Steuern 15. Juli 2003

Die Wirtschaft scheint wirklich langsam den Weg aus dem Jammertal zu finden. Nun haben die Konzerne in Deutschland sogar erstmals seit 2001 begonnen, wieder nennenswert Körperschaftssteuern zu zahlen.

Internet-Tipp: https://www.unister.de/Unister/wissen/sf_lexikon/ausgabe_stichwort13380_211.html


Wolfgang antwortete am 04.09.03 (23:57):

Anfaenglich in Deinen Beitraegen hast Du richtig gelegen, Barbara, denn die Sozialbindung des Eigentums gem. Art. 14 GG (in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot Art. 20 GG) ist kein blosser Appell an die Beteiligten... Die Richtung wird durch das Grundgesetz (GG) verpflichtend fuer Alle und eindeutig festgelegt. Dass diese beiden Artikel in der gesellschaftlichen Praxis staendig neu konkretisiert werden muessen und der Weg dahin moeglichst frei von Beschraenkungen sein soll, ist selbstverstaendlich.

Aber noch einmal: Der Sozialbindung seines Eigentums darf sich kein Eigentuemer entziehen... Er kann dieses oder jenes tun mit seinem Eigentum; immer aber weist das Grundgesetz die Richtung. Verlaesst der Eigentuemer diese Richtung, setzt der Eigentumer also sein Eigentum bewusst zum Schaden der Gemeinschaft ein, verstoesst er gegen materielles Recht.

Ich erinnere an das Mietrecht, wo es viele Einschraenkungen gibt, und ein Eigentuemer eben nicht nach Lust und Laune mit seinem Haus- oder Wohnungseigentum verfahren darf.

Das Grundgesetz ist kein unverbindliches Pamphlet mit Appellcharakter... Alle Beteiligten haben sich im Sinne unserer Verfassung zu verhalten.

P.S.: Das 'soll' im Grundgesetz steht (anders als in der Umgangssprache) synonym fuer 'muss'.


Wolfgang antwortete am 05.09.03 (00:03):

Dass es eine Sensationsmeldung ist, dass seit Jahrzehnten praechtig verdienende deutsche Konzerne wieder anfangen, Steuern zu zahlen (wenn auch in geringem Masse), zeigt, wie unertraeglich weit sich Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit voneinander entfernt haben.

Marktfundamentalisten werden das begruessen... Wer sich aber um unser Gemeinwesen sorgt, dem muessen alle Alarmglocken laeuten.


BarbaraH antwortete am 05.09.03 (00:35):

Wolfgang,

wenn ich Dich richtig verstehe, würde die Deutsche Bank eindeutig gegen das Grundgesetz Artikel 14(2) verstoßen, wenn sie ihr Eigentum (ihren Hauptsitz) zum Schaden der Allgemeinheit - allein aus steuerlichen Gründen - in das Ausland verlegen würde.... und dieser Verstoß könnte sogar gerichtlich geahndet werden?


Wolfgang antwortete am 05.09.03 (00:56):

Im Sinne des Grundgesetzes handeln diese Leute sicher nicht. Dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen, ist oft sehr schwer... Zumal, wenn die Profitinteressen maechtiger Menschen gegen das Recht stehen. Vielleicht gibt es irgend wann einmal ja eine gesellschaftliche Situation, in der alle Betroffenen von solchen unternehmerischen Entscheidungen sagen: Das machen wir nicht mehr mit. Ich denke, dann gaebe es auch ein Gericht, das die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen wuerde.

Vor solchen gesellschaftlichen Situationen haben die Herrschenden Angst. Sie tun alles, dass solch eine Situation nicht Wirklichkeit wird.


mart antwortete am 05.09.03 (07:57):

Na schön, dass ihr euch einig seid, dass unter „Eigentum“ der Hauptsitz einer Firmenzentrale zu verstehen ist und nicht das, was normativ gesetzlich festgelegt wurde.

Es wundert mich nur, dass ihr die in euren Augen eindeutigen Verstöße gegen das deutsche Grundgesetz nicht von den Stellen klären lässt, die dafür zuständig sind.

In Österreich wäre der Verfassungsgerichthof zuständig.

Vorschlag:
Fordert doch gleich auch Art. 14 (3) GG ein.
"Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig".
Ist es für die Allgemeinheit erforderlich, kann der Staat als letztes Mittel das Eigentum auch entziehen.

Nach eurer Lese wäre das in diesen und ähnl. Fällen möglich; womit der Kommunismus wieder munter aufleben könnte.

Aber bitte, auch in diesem Fall „keine Steine werfen“, sondern überzeugen, und den Rechtsweg einhalten.


BarbaraH antwortete am 05.09.03 (10:17):

mart,

wenn der Bogen weiter permanent überspannt wird, nähern wir uns vielleicht allmählich der Besinnung auf den von Dir zitierten Grundgesetz-Artikel. Im Moment gibt es noch zu viele Fette, die die Bewegung scheuen. Zur Abspeckung wird ja bereits allerhand unternommen.

Es gibt viel zu tun - warten wir`s ab....


Wolfgang antwortete am 05.09.03 (12:15):

Ist es zu fassen, welche revolutionaeren Moeglichkeiten unsere Verfassung bietet... *staun* + *fg*

Man darf halt nicht, wie das oft so treffend gesagt wird, mit beiden Fuessen auf ihm draufstehen, sondern man muss das Grundgesetz aufheben und auch mal drin lesen.


mart antwortete am 05.09.03 (12:35):

Nun, das habe ich als Österreicher für Euch getan; aber leider, lesen allein ist zuwenig -- es gehört schon eine Minimalportion juristischen Wissen dazu.

Z.B. das der Allgemeingebrauch von Wörtern nicht unbedingt den juristischen Begriffen entspricht: in unserem Beispiel "Eigentum", "Sozialbindung" usw.

Ich warne vor dem anglikanischen System, bei dem Laien und Staatsanwälte sich als Richter aufspielen dürfen.