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THEMA:   Verbitterung

 11 Antwort(en).

Jürgen Oetting begann die Diskussion am 18.08.03 (20:44) mit folgendem Beitrag:

Hallo,

ich habe gerade mal wieder einen neuen Text ins Netz gestellt. Kann man wohl trefflich drüber streiten:

VERBITTERUNG ....

... über die Trennung von Psychologie und Soziologie.
Anmerkungen zu einer soeben erfundenen Krankheit

https://de.geocities.com/oettingjuergen/Verbitterung.html

Gruss
Jürgen Oetting

Internet-Tipp: https://de.geocities.com/oettingjuergen/Verbitterung.html


Medea. antwortete am 18.08.03 (22:34):

Hallo Jürgen,

sehr interessant, diese neue Krankheit, die Du uns hier vorstellst.....
Die posttraumatische Verbitterungsstörung (PTED) bricht also aufgrund einer persönlichen Kränkung aus. Nun, es bleibt abzuwarten, ob hier im Seniorentreff die Erkrankungen zunehmen, insbesondere im Hinblick auf die häufigen Kränkungen, denen einige Mitglieder von wiederum anderen Mitgliedern ausgesetzt sind. ;-)
Lächeln, obwohl Rachegedanken gehegt werden..., klingt nach chinesischer Gewohnheit - "immer nur lächeln" - doch wie's da drinnen aussieht, geht niemand was an ....
Interessante Fallstudien scheinen sich anzubahnen - das eröffnet ein völlig neues Arbeitsgebiet auf dem Sektor der medizinischen Betreuung von forengeschädigten Seniorinnen und Senioren.... ;-))
(Nicht ganz ernstzunehmender einer besorgten Medea.)


Wolfgang antwortete am 18.08.03 (23:44):

Hallo, Juergen... Ich habe mit Interesse Deinen Text gelesen. Fuer mich ist es erfrischend, wenn jemand sich Gedanken und Muehe macht und hier in den Foren andere an seinen Gedanken teilhaben laesst.

Ich denke, es ist klar, dass gesellschaftliche Strukturen und Ereignisse Menschen praegen, ja ihnen sogar (nicht nur aeusserliche) Verletzungen beibringen koennen. Ob man so weit gehen soll, eine neue Krankheit zu kreieren, ist, finde ich, Geschmacksache oder manchmal auch wirtschaftliches Kalkuel. M. E. nach reicht es, die gesellschaftlichen Missstaende anzuprangern und eine politische Gegenmacht aufzubauen, die den individuell Betroffenen eine Moeglichkeit bietet, die sie krankmachenden Verhaeltnisse zu aendern.

Noch eine Bemerkung am Rande... Es gibt nicht nur gesellschaftliche Strukturen, die psychische Stoerungen ausloesen koennen, sondern umgekehrt gibt es auch psychische Stoerungen, die gesellschaftliche Strukturen erzeugen und/oder verstaerken koennen. Ein Beispiel: Zur Zeit grassiert massenhaft bei westlichen Frauen die Angst vorm muslimischen Mann... Mit dieser Angst wird Angst gemacht, die politisch genutzt wird. Bewusst ist es den Wenigsten, dass sie selbst das Problem sind und nicht die, auf die sie ihre Hysterie projezieren.


schorsch antwortete am 19.08.03 (08:55):

In den Kriegsjahren waren wir voll damit beschäftigt über die Runden zu kommen. Jeder Tag brachte neue Herausforderungen. Wir hatten keine Zeit, verbittert zu werden......


Medea. antwortete am 19.08.03 (09:38):

Es ist wohl weniger die Angst der europäischen Frauen vor dem beschnittenen muslimischen Mann, denn nach häufig zu hörender Meinung soll das Vergnügen für beide Partner dadurch ungleich schöner sein (?) ;-) - es ist wohl mehr die Furcht vor der eventuellen Einstellung den Frauen gegenüber, sie als nachgeordnetes Wesen zu betrachten .....


Karl antwortete am 19.08.03 (10:03):

... was ja wohl individuell abzuklären wäre. Es soll diese Furcht ja auch u.U. bei Christen berechtigt sein.


Medea. antwortete am 19.08.03 (10:31):

Völlig dacor, Karl, den muslimischen Mann habe nicht ich ins Gespräch gebracht.
Also zur Klarstellung: A l l e Männer dieser Welt können unter Umständen in der Lage sein, die Frau als nachgeordnetes Wesen zu sehen und zu behandeln......


Wolfgang antwortete am 19.08.03 (11:05):

Im diesem Zusammenhang moechte ich an einen der ganz grossen Wissenschaftler von den Wissenschaften vom Menschen erinnern - an SIGMUND FREUD (1856-1939). Eines seiner brandaktuellen Werke gibt es Online (s. Link):

Die Zukunft einer Illusion (von SIGMUND FREUD, 1927)
https://home.t-online.de/home/ReinerHoffmannKC/illusio1.htm

Einige kurze Auszuege daraus:

"Waehrend die Menschheit in der Beherrschung der Natur staendige Fortschritte gemacht hat und noch groessere erwarten darf, ist ein aehnlicher Fortschritt in der Regelung der menschlichen Angelegenheiten nicht sicher festzustellen [...]."

"Um es kurz zu fassen, es sind zwei weitverbreitete Eigenschaften der Menschen, die es verschulden, daß die kulturellen Einrichtungen nur durch ein gewisses Maß von Zwang gehalten werden können, naemlich, dass sie spontan nicht arbeitslustig sind und dass Argumente nichts gegen ihre Leidenschaften vermoegen."

"Man mag es bezweifeln, ob und in welchem Ausmass ein anderes Kulturmilieu die beiden Eigenschaften menschlicher Massen, die die Fuehrung der menschlichen Angelegenheiten so sehr erschweren, ausloeschen kann. Das Experiment ist noch nicht gemacht worden. Wahrscheinlich wird ein gewisser Prozentsatz der Menschheit - in folge krankhafter Anlage oder uebergrosser Triebstaerke - immer asozial bleiben, aber wenn man es nur zustande bringt, die kulturfeindliche Mehrheit von heute zu einer Minderheit herabzudruecken, hat man sehr viel erreicht, vielleicht alles, was sich erreichen laesst."

"Es steht zu erwarten, daß diese zurückgesetzten Klassen den Bevorzugten ihre Vorrechte beneiden und alles tun werden, um ihr eigenes Mehr von Entbehrung los zu werden. Wo dies nicht moeglich ist, wird sich ein dauerndes Mass von Unzufriedenheit innerhalb dieser Kultur behaupten, das zu gefaehrlichen Auflehnungen fuehren mag. Wenn aber eine Kultur es nicht darüber hinaus gebracht hat, daß die Befriedigung einer Anzahl von Teilnehmern die Unterdrueckung einer anderen, vielleicht der Mehrzahl, zur Voraussetzung hat, und dies ist bei allen gegenwaertigen Kulturen der Fall, so ist es begreiflich, daß diese Unterdrueckten eine intensive Feindseligkeit gegen die Kultur entwickeln, die sie durch ihre Arbeit ermoeglichen, an deren Guetern sie aber einen zu geringen Anteil haben. Eine Verinnerlichung der Kulturverbote darf man dann bei den Unterdrueckten nicht erwarten dieselben sind vielmehr nicht bereit, diese Verbote anzuerkennen, bestrebt, die Kultur selbst zu zerstoeren, eventuell selbst ihre Voraussetzungen aufzuheben."

"Es braucht nicht gesagt zu werden, dass eine Kultur, welche eine so grosse Zahl von Teilnehmern unbefriedigt laesst und zur Auflehnung treibt, weder Aussicht hat, sich dauernd zu erhalten, noch es verdient."

"Wir moegen noch so oft betonen, der menschliche Intellekt sei kraftlos im Vergleich zum menschlichen Triebleben, und recht damit haben. Aber es ist doch etwas Besonderes um diese Schwaeche; die Stimme des Intellekts ist leise, aber sie ruht nicht, ehe sie sich Gehoer geschafft hat. Am Ende, nach unzaehlig oft wiederholten Abweisungen, findet sie es doch."

Internet-Tipp: https://home.t-online.de/home/ReinerHoffmannKC/illusio1.htm


Wolfgang antwortete am 19.08.03 (11:12):

@Medea... Wenn Du jetzt noch geschrieben haettest, alle MENSCHEN dieser Welt koennen unter Umstaenden in der Lage sein, andere MENSCHEN als nachgeordnete Wesen zu sehen und zu behandeln, waerest Du der Wirklichkeit ein ganzes Stueck entgegen gekommen. ;-)


Medea. antwortete am 19.08.03 (14:04):

@ Wolfgang - lach -
was erwartest Du von Frauen ????
Einen Kotau nach dem anderen :-)
Habe ich nun alle Männer dieser Welt diffamiert ???


maggy antwortete am 19.08.03 (19:20):

und wenn schon medea......
hinter jedem starken Mann steht doch eh eine noch
stärkere Frau :-)


Jürgen Oetting antwortete am 19.08.03 (20:14):

Hallo Forum,

bin gerade von einer Riesenradtour zurück gekommen (hab' nämlich Urlaub) und sehe allerlei Reaktionen auf mein Posting. Ich mache jetzt eine Sammelantwort und kommentiere das, von dem ich mich angesprochen fühle.

Medea schrieb nicht ganz ernstgemeint von Verbitterungen die aus den Listendiskussionen hier resultieren könnten. Ich bin ja nur selten hier und hatte bislang den Eindruck, dass es im Seniorenforum deutlich freundlicher und sachlicher zugeht als in Foren, die ich auch schon am Hals hatte.

Wolfgang schrieb:

>M. E. nach reicht es, die gesellschaftlichen
>Missstaende anzuprangern und eine
>politische Gegenmacht aufzubauen,
>die den individuell Betroffenen eine
>Moeglichkeit bietet, die sie
>krankmachenden Verhaeltnisse zu aendern.
Meine ich auch. Ich fürchte nur, dass genau das nicht geschehen wird und kann, wenn das Leiden an den gesellschaftlichen Verhältnissen zu einer individuellen Krankheit gemacht wird. Das ist ja das strukturell hinterhältige an solchen Krankheitskonstruktionen...

Wolfgang schrieb dann auch als Beispiel:
>Zur Zeit grassiert massenhaft
>bei westlichen Frauen die Angst
>vorm muslimischen Mann...
Nicht nur bei den Frauen, das finde ich zu isoliert gesehen. Es herrscht gesellschaftlich "gemachte" Angst vor muslimischen Menschen.

schorsch meint dann:
>In den Kriegsjahren waren wir voll
>damit beschäftigt über die Runden
>zu kommen. Jeder Tag brachte neue
>Herausforderungen. Wir hatten keine
>Zeit, verbittert zu werden......
...und auch keine Zeit, psychisch krank zu werden. Viele der "leichten" psychischen Krankheiten, der Neurosen also, sind (nach meiner Meinung) ein Produkt von zu viel Zeit und Muße. Ein Wohlstandprodukt sozusagen.

Medea befasst sich dann noch kurz mit den Vor- und Nachteilen der Beschneidung (bei muslimischen Männern). Dazu habe ich auch eine Meinung, die ist aber höchst subjektiv "abendländisch" und gehört in den Details nicht hierher.

Schliesslich zitiert Wolfgang dann Freud, zum Beispiel:
>Wahrscheinlich wird ein gewisser
>Prozentsatz der Menschheit - in folge
>krankhafter Anlage oder uebergrosser
>Triebstaerke - immer asozial bleiben, (...)
Das halte ich - mit Verlaub gesagt - für Schwachsinn, zumindest für höchst unsoziologisch (siehe meinen Text: "VERBITTERUNG ... über die Trennung von Psychologie und Soziologie. Anmerkungen zu einer soeben erfundenen Krankheit" - https://de.geocities.com/oettingjuergen/Verbitterung.html). Bevor jemand asozial bleiben kann, muss er es ja erst einmal werden. Und wie der Name "asozial" schon sagt, definiert das die Gesellschaft...

Ich wünsche einen schönen Abend
Jürgen Oetting