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THEMA:   Streit um Bürgerversicherung

 11 Antwort(en).

UrsulaB begann die Diskussion am 04.08.03 (13:43) mit folgendem Beitrag:

In der Auseinandersetzung der Parteien um eine langfristige Reform des Gesundheitswesens wächst der Widerstand gegen eine Bürgerversicherung:

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hält dieses Konzept für "unausgereift", Angela Merkel (CDU) spricht von einem "absolut falschen Weg" und Guido Westerwelle und Wofgang Gerhardt (FDP) drohen sogar mit rechtlichen Schritten.

für eine Bürgerversicherung dagegen plädieren die GRÜNEN, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), der Gesundheitsexperte der CDU Horst Seehofer sowie "weite Kreise" der CSU ...

Was meint Ihr:
Kann die Einführung einer "Bürgerversicherung" auf lange Sicht die Lösung zur Finanzierung unsere Sozialsysteme sein? Was spricht dafür, was dagegen?

Ursula

Internet-Tipp: https://de.news.yahoo.com/030803/12/3kipj.html


Barbara antwortete am 04.08.03 (14:23):

Eine Bürgerversicherung wäre in meinen Augen wünschenswert... allerdings taugt sie nicht als Sparmodell. Kurzfristig kommt zwar mehr Geld in die Kassen, weil sehr viel mehr Menschen einzahlen werden, langfristig kommen auf die junge Generation dadurch jedoch noch weitere Lasten hinzu, denn wer einzahlt erwirbt auch Ansprüche, die erfüllt werden müssen... und das müsste die junge Generation dann auch noch schultern.

Das Problem unserer Gesellschaft ist die schrumpfende Zahl der Jungen bei einer ständig steigenden Zahl von Rentnern, die außerdem auch noch eine längere Lebenserwartung haben. Daran ändert eine Bürgerversicherung überhaupt nichts. Die Zeit ist überreif einmal junge Menschen zu fragen, warum sie sich ihren Wunsch nach Familie nicht erfüllen, denn die meisten wollen Kinder.... Aber dieses Thema ist noch nicht wieder dran... schließlich stehen keine Wahlen vor der Tür...


mulde antwortete am 04.08.03 (17:42):

Bürgerversicherung hin – Bürgerversicherung her

Richtig wie Barbera es sagt die Jungen werden immer weniger und alte Menschen
die fürsorge benötigen immer mehr.
Niemand kümmert es groß, das Leute, die nie die untere Stufe des Otto Normalverbrauchers kennen gelernt haben.
nun empfehlen wie der Mensch betreut werden soll
Die beraten und empfehlen doch was eine Regierung tun soll.
Keiner von denen wird mit 900 ä seinen Lebensabend bestreiten müssen.
Keiner dieser Experten braucht sich Sorgen zu machen ob er mit 75 Jahren
Noch ausreichend medizinisch betreut wird -- er bezahlt ja das!!

Niemand bemängelt das fehlen von Arbeitsplätzen - so wie zu wenig Junge Menschen im Arbeitsprozess stehen - genauso ist es mit Arbeit überhaupt.
Nur der Otto Normalverbraucher muß es ständig hören wenn Du nicht Spurst----- wir verlagern die Produktion in das Ausland.
Keiner der ach so Vaterlands treuen Wirtschaftsbosse denkt in Wahrheit daran,sein eigenes Land aus der Misere zu helfen.
Da kann eine Regierung noch soviel die Wirtschaft entlasten
Wenn der Wirtschaftsboss keine sofortigen Gewinne auf dauer erkennt geht er nach einem anderem Standort.
Der moderne Wirtschaftsboss handelt nach dem Spruch
"was kümmert mich Weib und Kind -- sollen sie betteln gehen - wennsie hungrig sind."
Wenn die Eu Erweiterung im Jahr 2004 erfolgt werden weiter hier
Produktionsstandorte wegfallen und damit aber auch Einkünfte für den Staat und für Ottos Familie
Nur darüber beschwert sich niemand.
Ja die Politik macht keine Anstalten dies mit einem Gesetz zu unterbinden.
Das ist aus meiner Sicht das größere Problem in deu


schorsch antwortete am 05.08.03 (09:16):

Das grösste Problem für jede Versicherung: In Zeiten des Überflusses gehen zwar auch Gelder im Überfluss ein. Aber diese werden grosszügig unter die "Hohen Tiere" verteilt, die in dieser Versicherung das Sagen haben. Kommen dann Notzeiten, gehen 1. weniger Gelder ein und 2. schmilzt dann jener Stock, den die "Hohen Tiere" mildtätig übrig gelassen haben, wie Schnee an der Sonne....


Wolfgang antwortete am 07.08.03 (01:17):

Ich möchte auf eines Deiner Argumente eingehen, mulde... Du wirfst 'unseren' 'Wirtschaftsbossen' vor, dass sie so etwas wie vaterlandlose Gesellen seien, von denen keiner willens ist, seinem eigenen Land aus der Misere zu helfen.

'Wirtschaftsbosse' haben in unserem kapitalistischen Wirtschaftssytem aber eine völlig andere Funktion... Sie sollen nicht ihrem Land, sondern ihrem Unternehmen dienen. Die meisten Grossunternehmen werden weder national finanziert noch geführt, noch produzieren und vertreiben sie ihre Produkte national.

Dein Vorwurf geht also an der sozialen Wirklichkeit vorbei.

Noch problematischer ist Dein Vorschlag, internationale Geschäfte - z. B. Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern - per Gesetz zu verbieten. Eine im Kern an nationalen deutschen Belangen ausgerichtete Volkswirtschaft würde mit ziemlicher Sicherheit die Basis unseres Wohlstandes in kürzester Zeit vernichten. Massenarbeitslosigkeit wäre die Folge. Um diese wieder zu beseitigen, müsste es dann eine Art Planwirtschaft geben - ein nationaler Sozialismus. Den aber hatten wir schon... Mit verheerenden Folgen...


schorsch antwortete am 07.08.03 (09:23):

Konzerne werden ja nicht aus dem Boden gestampft, sondern entwickeln sich meist aus kleinen Betrieben, z.B. aus Gewerben. Zuerst ist der Unternehmer (Handwerker) noch mit dem Dorf oder der Stadt verbunden, in dem/der er sein Gewerbe hat. Erst wenn der Betrieb dann expandiert - und meist erst in der zweiten oder dritten Generation - verlieren die Inhaber den Bezug zur Heimat. Da sie Verbindungen zur ganzen Welt aufgebaut haben, oft auch bereits in anderen Ländern Niederlassungen haben und dort "nach dem Rechten gesehen" haben, wird der Bezug zur Heimat noch kleiner und verschwindet schliesslich in der Bedeutungslosigkeit. Da brauchts nur noch den berühmten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, und schon bricht der einstige "Nationalheld" seine Zelte in der Heimat ab, hinterlässt dort Chaos und Hoffnungslosigkeit und beginnt in einem neuen Land seine Pionierrolle von neuem. Aber nicht mehr als kleiner Unternehmer, sondern als Teil des dortigen Systems - und sei es ein korruptes.....


Wolfgang antwortete am 07.08.03 (10:37):

Was das wirtschaftliche Leben betrifft, gibt es kein 'hiesiges' oder 'dortiges' Leben. Nur noch im Kleinbetrieb ist so etwas zu finden. Schon mittelstaendische Unternehmen agieren in aller Regel international. Dazu kommt, dass ab einer bestimmten Unternehmensgroesse wiederum in aller Regel EigentuemerInnen und FuehrerInnen der Unternehmen nicht mehr identisch sind.

So ist z. B. der Chef von DaimlerChrysler - der Herr SCHREMPP - nicht der Eigentuemer, sondern ein Angestellter des Unternehmens. DaimlerChrysler ist im Besitz von europäischen, amerikanischen und weiteren internationalen Investoren. Der Konzern hat zwar seinen Hauptsitz (noch) in Deutschland, hat aber Produktionsstaetten in 37 Laendern. Die Autos des Automibilkonzerns werden vermarktet unter den Markennamen Maybach, Mercedes-Benz, Chrysler, Jeep, Dodge, smart, Freightliner, Sterling, Western Star, Setra und andere. Verkauft werden die Autos in rund 200 Laendern. Strategische Partner sind die Mitsubishi Fuso Truck and Bus Corporation, die Mitsubishi Motors Corporation und die Hyundai Motor Company. Die DaimlerChrysler Aktie wird an allen wichtigen Aktienmärkten der Welt gehandelt, darunter die Boersen New Yorks, Frankfurts und Tokios. Die Geschaeftssprache innerhalb des Konzerns ist - egal, wo auf der Welt, auch in Deutschland - einheitlich Englisch. Jetzt sage mir mal eine(r), wie und vor allem warum unter diesen Umstaenden der Herr SCHREMPP eine nationale deutsche Unternehmenspolitik bewerkstelligen soll. ;-)


mulde antwortete am 07.08.03 (11:41):

Wolfgang
Auf welchen Abendkurs hast Du diese Weisheiten erlernt.?
Deine Argumentation ist doch wohl, sehr eigenartig!

Da Du mich direkt benannt hast, will ich auch auf meine Art antworten.
Ich gehe davon aus, Du hast nie am eigenen Leibe erleben müssen, das Dein Arbeitsplatz wegen Verlagerung der Produktion in das Ausland weggebrochen ist.
Denn jemand dem das passiert ist, würde nie ein Loblied auf die Entscheidungen der Bosse singen.
Lies mal den Thraed von Schorsch - er lebt in der Schweiz kommt aber dem Übel
viel näher – welches Du noch nicht mal im Ansatz erreichst.
Du schreibst „öö Dein Vorwurf geht an der sozialen Wirklichkeit vorbei!
Aber Wolfgang wohl eher Du!
Oder mußt Du so schreiben? Deine Argumentation ist fern aller Erfahrungen der breiten Masse in unseren Lande..
Man könnte fast meinen „Wessen Brot ich ess – dessen Lied ich sing!
Zu Deinem Versuch nationaler Sozialismus zu deuten!
Frage hier zu : hast Du persönlich dadurch Schaden erlitten – hast Du konkrete eigene Erfahrungen damit ?
Ein Beispiel aus den neuen Ländern - in Thüringen schließt ein Betrieb
weil der/die Besitzer es lukrativer finden ihre Produktion von Kindersitzen für Autos
in Tschechien anzusiedeln ( siehe Schorch)
Was meinst Du sind jetzt dort Versicherungs einkommem dazu gekommen. oder doch nicht?
Du sagst sicherlich nicht mein Problem dazu gibt es ja
das Arbeitsamt also doch der Staat!
Ein Chef xyz kümmert sich noch um seine Belegschaft und dem dazu gehörigen Umfeld.
Eine AG hat einen Aufsichtsratsvorsitzenden, dem Interessieren nur die Produktionszahlen ----
nicht mal mehr was - wo und wie produziert wird.
Klappt das dann nicht so wie er sich das vorstellt (bedenke ein Aufsichtsrat verspürt nie
selbst die Wirkungen seiner Fehler) ruft er laut und deutlich Staat rette mich oder ich gehe ins Ausland
Fazit Der /die Bosse erwarten zwar Hilfe vom Staat - sind aber in den seltensten Fällen bereit dem Staat zu helfen.
Egal wie die Nebenerscheinungen waren Dein so geschmähter nationale Sozialismus
gab zu mindest soziale Sicherheit- ist die jetzt besser geworden?
Vergiss bitte in Deinen Überlegungen nicht eine Firma wie Quelle Versand bezog ihre
„Privileg“ Artikel Jahrzehnte lang aus dem nationalen „Sozialismus“
Ziehe auch in Deinen Überlegungen das Jahrzehnte lange Embargo der „West“-Staaten
gegen die Staaten mit dem nationalen Sozialismus, mit ein,
und bitte mehr einsichten nehmen in die“politische Ökonomie“


Barbara antwortete am 07.08.03 (12:57):

Ich meine, lieber mulde, Du schlägst hier auf den falschen ein.... nämlich den Überbringer der schlechten Nachricht.

Wolfgang hält uns doch nur Tatsachen vor Augen. Solange es das Gegenmodell des Kommunismus gab, zeigte sich der Kapitalismus gezügelt... es galt, den Wettbewerb um das bessere Modell zu gewinnen. Nun fehlt das Gegengewicht und wir erleben Kapitalismus pur. Dabei sind alle Gejagte... Gejagte der globalen Geldmärkte. Schafft ein Vorstand die Gewinnvorgaben nicht, wird er abgelöst oder aber das Unternehmen wird aufgrund des "günstigen" Preises an der Börse von anderen übernommen, um rationalisiert bzw. zerschlagen zu werden.

In diesem System sind alle Gejagte. Wolfgang Grupp, der Inhaber von Trigema, hält Börsengänge daher für äußerst gefährlich. Vielleicht wäre die Lösung für einige Unternehmen, lieber langsam von eigenem Geld zu wachsen, als sich mit fremdem Geld über die Börse zum Gejagten zu machen. Diesen Rat können jedoch nur kleinere Unternehmen annehmen und nicht Multis...

Ein funktionierender Kommunismus wäre mein Traum.... leider ist der ja wohl ausgeträumt... weil sich die Menschen nun einmal egoistisch und unsolidarisch verhalten.

Zur Philosophie von Wolfgang Grupp
https://archiv.tagesspiegel.de/archiv/12.08.2002/163523.asp

Internet-Tipp: https://archiv.tagesspiegel.de/archiv/12.08.2002/163523.asp


Wolfgang antwortete am 07.08.03 (12:57):

Nein, mulde, es war kein Abendkurs... Ich habe Ökonomie (als Aufbaustudium) in einem Diplomstudiengang 'Wirtschaftsingenieurwesen' an einer deutschen und englischen Universität mit Abschluss studiert (Schwerpunktfaecher Statistik und Oekonometrie).

Zu Deiner Frage, ob ich es schon einmal erlebt habe, dass mein Arbeitsplatz ins Ausland transferiert wurde... Habe ich... Der ging damals (nebst 1.400 weiteren Arbeitsplaetzen) nach Frankreich bzw. nach England. Ich wollte wegen meiner Familie nicht nach Frankreich mitziehen (was moeglich war), also habe ich mir einen anderen Job gesucht. Viele Arbeitsplaetze habe ich uebrigens selbst wegrationalisiert ins billigere oestliche Ausland. Auch heute bin ich beteiligt an Prozessen, die man flapsig bezeichnet mit 'Organisationen schlanker machen' - das ist eine vornehme Umschreibung dafuer, dass Arbeitskraefte ueberfluessig werden.

Es ist auch nicht so, dass ich ein 'Loblied auf die Entscheidungen der Bosse' singe. Ich versuche, die soziale Wirklichkeit (u. a. am Beispiel von DaimlerChrysler) zu beschreiben... Diese Wirklichkeit ist nicht wegzudiskutieren und jeder - vom 'Boss' bis zum Produktionshelfer - ist in irgendeiner Art daran beteiligt (wenn auch mit unterschiedlichen Anteilen und Folgen).

Auch Dein Einwand, der real existierende nationale Sozialismus haette zumindest soziale Sicherheit geboten, wurde durch die Wirklichkeit widerlegt... Am Ende des Experiments gab es den Bankrott der gesamten Ost-Volkswirtschaft... Und es gab Millionen Ostdeutsche, die aus gutem Grund nichts Eiligeres zu tun hatten, als mit fliegenden Fahnen zum kapitalistischen Westen ueberzulaufen.

Dein letzter Einwand, dass es eine Art Embargo gegeben habe zwecks Niederwerfung der DDR, ist auch nicht richtig (Du erwaehnst selbst das Beispiel 'Quelle'). Kein Land hat mehr profitiert von den Absatzmaerkten in Westdeutschland als die DDR. Dazu kam noch, dass die DDR mit immensen Geldbetraegen der Bundesregierung gesponsort wurde. Ohne die westdeutsche Staatsknete waere der ostdeutsche Staat noch eher zahlungsunfaehig gewesen.

Ich habe manchmal den Verdacht, die BuergerInnen der DDR haben ihren MARX und ENGELS nicht richtig gelesen. Denn dann muessten sie eigentlich wissen, welchen Gesetzmaessigkeiten Unternehmen in einer kapitalistischen Volkswirtschaft unterworfen sind.


pilli antwortete am 07.08.03 (13:29):

hi Mulde

gestern abend sprach Manfred Krupp in der ARD den kommentar zum tagesgeschehen und er nannte den begriff:

"Wirklichkeitsverweigerung"

ich meine, er hat recht mit dieser deutung der zur zeit herrschenden auflehnung quer durch alle bevölkerungsschichten.


schorsch antwortete am 07.08.03 (16:21):

Wie Wolfgang Grup, der Inhaber von Trigema, halte auch ich die Börsen als eines der Hauptübel unseres kapitalistischen Systems. Da werden künstliche Werte geschaffen, die mit der Wirklichkeit überhaupt nichts mehr gemein haben. Ein Kurs ist so lange oben, so lange genügend Dumme da sind, die an die Höhe des Kurses glauben. Wehe wenn deren Glaube Reissaus nimmt. Dann setzt eine Kettenreaktion ein: Jeder will verkaufen und keiner kauft mehr. Dann ist ein Kurs eines an der Börse gehandelten Papieres noch genau so viel Wert wie eine Kartoffel, wenn sie als Überangebot auf den Markt kommt.