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THEMA:   Die selektive Wahrnehmung

 14 Antwort(en).

Werner A. Sedelmaier begann die Diskussion am 23.08.01 (20:41) mit folgendem Beitrag:

Die selektive Wahrnehmung

Davon handelt dieser Text. Es ist der Versuch einige Menschen zu beschreiben, oder anders gesagt, die Abwesenheit selbiger. Nicht daß sie physisch abwesend wären, das nun weniger - wir nehmen sie schlicht nicht wahr. Das bedeutet: Diese Menschen wandern direkt vom Sehnerv in den Mülleimer, ohne den belastenden Umweg durch das Gehirn.

Bestimmt ist Ihnen das Kastensystem in Indien ein Begriff. Bestimmt sitzen Sie auch Abends im Kreise Ihrer Lieben vor dem Fernseher und verdammen die soziale Ungerechtigkeit eines solchen Systems. Bravo sage ich! Sehr anständig von Ihnen. Solche sozialen Gemeinheiten gehören angeprangert. Ich will da gerne mit gutem Beispiel voranschreiten. Also: "Ich prangere das ungerechte Kastensystem in Indien an!"

Lassen wir mal außen vor, daß dieses System so unverrückbar zur indischen Kultur gehört, wie die Weimarer Republik zu unserer. Vergessen wir für einen Moment, daß auch die sogenannten niederen Kasten in Indien dieses System nicht in Frage stellen. Mal ehrlich, die Jungs haben zwar die Atombombe, sind aber im Grunde ihres Herzens schließlich nur Wilde. Vielleicht macht das der Mangel an Rindfleisch. Im Ernst: Wer sein Steak heilig spricht, der kann eigentlich nicht alle beisammen haben. Oder wie?

Zurück zum Kastensystem. Sind Sie anders als das Mitglied einer höherstehenden Kaste in Indien? Sie persönlich? Nein. Kein Stück. Es tut mir in der Seele weh, Ihnen das so sagen zu müssen, aber Sie sind genauso versnobt wie der Arzt in Kalkutta oder New Delhi. Ziemlich traurig was? Schließlich hält man sich ja für aufgeklärt, zivilisiert und tolerant. Denkste...

Bei uns läuft das nur etwas dezenter ab. Das schimpft sich dann Zivilisation und ist nur unwesentlich grausamer. In Indien besteht der Unterschied in einem farbigen Punkt auf der Stirn, in Deutschland in der Farbe der Kreditkarte. Nicht relevant also, um nicht zu sagen recht drollig, weil es eben keinen Unterschied gibt.

Wann haben Sie beispielsweise Ihren letzten Penner gesehen? Entschuldigung, Ihren letzten Obdachlosen. Wir sind ja tolerant. Also wann? Nicht nachdenken, spontane Antworten sind gefragt. Ich würde mal spontan auf heute tippen. Natürlich haben Sie ihn nicht wirklich wahrgenommen. Warum auch? Der durchschnittliche Obdachlose nervt, ist besoffen und stinkt. Außerdem labert er einen voll weil er 'ne Mark haben, eine Obdachlosenzeitung verkaufen oder einfach nur reden will.

Hey - ich bin jeden fast jeden Tag im Englischen Garten, oder am Hauptbahnhof - ich kann das beurteilen. Da gibt es die Jungs rudelweise. Massen von hoffnungslosen Gesichtern auf einem Haufen. Ziemlich deprimierend, wenn man da jeden Tag darauf achten würde, oder? Tut man aber nicht. Wir haben unser eigenes Kastensystem - im Kopf, fest verankert.

Selektive Wahrnehmung nennt man das. Ganz praktische Sache, sie hilft uns dabei, Dinge nicht zu sehen, die wir nicht sehen wollen. Früher war sie dazu angedacht, um Dinge auszublenden, die man seelisch nicht verkraftet. Wir haben das weiterentwickelt. Vom Überlebensinstinkt zum Gute-Laune-Bewahrer. Nicht mal so doof, was...

Sind Sie deswegen nun grausam? Gleichgültig? Irgendwie zu sehr mit eigenen Sorgen beschäftigt um andere wahrzunehmen? Sind Sie gar, was keinesfalls unterstellt werden soll, ein mit Vorurteilen belasteter Mensch, dem jegliche Toleranz fehlt?

Ich sage Ihnen: Sie sind ganz normal. Ist das nicht beruhigend?


Karl antwortete am 23.08.01 (20:58):

Hallo Wese,


eigentlich wollte ich mich ja bis zum Urlaubsende zurückhalten, aber Du hast ein wichtiges Thema angeschnitten, dass nämlich unsere Normalität (oder besser "Natur"?) eine der Hauptursachen für unsere Probleme darstellt, die wir gleichzeitig wieder hervorragend (aufgrund unserer Natur) verdrängen können.

Da die Strukturen unserer Gesellschaften eben nicht nur der Natur aufgepfropft sind, sondern diese teilweise reflektieren, ist es so schwer, sie zu ändern. Jeder Revolutionär oder Reformerer sollte das bedenken, sonst muss er scheitern.

Ich will hiermit nicht sagen, dass die Welt nicht verändert (verbessert?) werden sollte, weil es sinnlos ist, sondern nur, dass jedes Gesellschaftssystem, wenn es uns gefallen soll, auch unsere "menschliche Natur" berücksichtigen muss - oder hat jemand Hoffnung diese zu ändern?

MfG Karl


Wolfgang antwortete am 24.08.01 (12:56):

Lebende Systeme - so auch der Mensch - haben eine ganz besondere Fähigkeit: Sie können sich SELBST organisieren. Autopoiese nennen die Fachleute dieses Phänomen. So sind Lebewesen also in der Lage, nicht nur statisch in einer einmal vorgefundenen Natur zu existieren, sondern sie können auch dynamisch sein und Natur - ihre ganz spezifische Natur - schaffen. Die Evolution des Menschen spielt sich folglich nicht nur in der "Natur" ab, in einem Bereich, der streng getrennt wäre von der Kultur. Der Mensch lebt in zwei "Welten" und eine bedingt die andere... Er IST und WIRD... Er ist Natur und schafft selbst wieder Natur.

Solches Denken (das noch nicht sehr verbreitet ist) führt zu einem revolutionären Schluss: Der Mensch ist für seine Wahrnehmung, für sein Wissen, für seine Wirklichkeit voll verantwortlich. Der Mensch ist nicht Sklave einer angeblich "menschlichen Natur", die nicht veränderbar wäre. Er ist nicht Sklave seiner Gene, um es einmal populär auszudrücken. Menschen haben alle Freiheiten, sich ihre Welt selbst zu schaffen; sie müssen nicht nur auf Vorgegebenes reagieren. Lange Zeit haben die Menschen die Verantwortung für ihr Tun Göttern oder einem Gott in die Schuhe geschoben. Neuerdings schieben viele Menschen und bestimmte Wissenschaftsschulen die Verantwortung wieder ab, diesmal auf eine angeblich böse und zerstörerische "menschliche Natur". Wir können liebevoll, klug, produktiv, aufbauend sein; wir können auch voller Hass, dumm, unproduktiv, zerstörend sein... Wir müssen nicht in einem Unrecht und Naturzerstörung produzierenden Wirtschaftssystem leben. Wir können gerechtere und weniger naturzerstörende, ja nachhaltige Produktions- und Konsumtionsstrukturen schaffen... Wir werden uns entscheiden müssen.

Der Mensch als Sklave seiner Gene?
https://www.internationalesozialisten.de/kk22/gene.html

(Internet-Tipp: https://www.internationalesozialisten.de/kk22/gene.html)


Karl antwortete am 24.08.01 (13:16):

Lieber Wolfgang,


ich stimme Dir zu. Ich betone selbst in einer Zeit, in der die Bedeutung der Gene eher überschätzt wird, dass wir nicht die Sklaven unserer Gene sind. Wir Menschen tendieren nur leider dazu, immer von einem Extrem ins andere zu verfallen. Ich habe oben geschrieben, dass "die Strukturen unserer Gesellschaften eben nicht nur der Natur aufgepfropft sind, sondern diese teilweise reflektieren", dazu stehe ich, auch dazu, dass wir nicht wirklich erfolgreich gegen unsere Natur, die existent ist, ein ideologisches Zwangsgesellschaftssystem errichten können.

Als Beispiel:

1. Wir alle, ich eingeschlossen, stimmen spontan zu, wenn gefordert wird, dass die Chancen aller Neugeborenen gleich sein sollen.

2. Die meisten von uns (ich eingeschlossen) lieben besonders unsere Kinder und Enkelkinder und sind motiviert, alles zu tun, um IHNEN ein besseres Leben zu ermöglichen (weshalb wir sie in unseren Testamenten gegenüber anderen bevorzugen).

Der Widerspruch zwischen 1 und 2 ist offensichtlich. Kinder reicher Eltern haben es leichter, das ist ungerecht. Wenn wir das aber ändern würden, würden wir den Menschen viel Motivation wegnehmen, aktiv zu sein und Wohlstand zu schaffen. Die Kunst der Politik wird es sein, hier einen optimalen mittleren Weg zu finden.

Der Mensch ist nicht notwendigerweise der Sklave seiner Gene (seiner Natur). Aber er kann es sein, wenn er sich über deren Wirkung nicht klar ist.

MfG Karl




ElsaB antwortete am 24.08.01 (21:04):

Lieber Werner,
ich feue mich, daß Du Dir über unsere selektive Wahrnehmung und unsere Eigenbeteiligung an den sozialdarwinistischen Tendenzen, mit denen wir heute leben und die noch um Vieles steigerungsfähig sein werden, Gedanken machst. Aber was ist zu tun mit der Hackordnung in unseren eigenen Köpfen? Ich bin doch sehr skeptisch, Besserung durch Politiker zu erwarten, wie Karl, mein Vorantworter, es tut . Die haben Ihre Gage und Ihr eigenes Vorwärtskommen im Kopf, womit sich am am status quo nichts ändert.
Was also, frage ich Dich, ist zu tun???

Liebe Grüße
ElsaB


Werner A. Sedelmaier antwortete am 24.08.01 (23:00):

Zum Beitrag von ElsaB:

Um es gleich zu sagen, ich kann Deine allerletzte Frage einfach nicht beantworten. Es wäre vermessen von mir. Aber ich kann Dir gerne sagen, was meine ureigenste Meinung dazu ist. Ich möchte meine Antwort in zwei Teile aufgliedern.

1. Die Beurteilung fremder Kulturen

Wir sollten es uns endlich abgewöhnen, Menschen zu bemitleiden, die einer wesentlich älteren und wohl auch vielfältigeren Kultur angehören, als wie wir selbst. Es mag ja sein, daß das zitierte Kastensystem in Indien, im Vergleich mit der europäischen "Egalite" gewisse Nachteile aufweist. Aber, wie Du selbst sagst, auch bei uns ist nicht alles perfekt. Deshalb sollte man sehr vorsichtig sein, bevor man eine fremde Kultur bewertet.

Wir versteigen uns viel zu oft und viel zu leicht in einen kolonialen Ethnozentrismus. Damit wird kulturwissenschaftlich, das europäische Phänomen bezeichnet (seit der Erschließung Nordamerikas), die Kultur des Abendlandes über alle anderen Kulturen zu erheben. Für mich ist das die Wiege des Fremdenhasses schlechthin. In Wirklichkeit ist es aber eine selbstüberschätzende, selektive Wahrnehmung von Individuen, oder von ganzen Gruppen von Menschen, mit überwiegend gemeinsamen Identifikationsmerkmalen.

2. Die individuelle Betrachtung

Wir sind Menschen. Wir nehmen ständig irgend etwas wahr. Und im gleichen Augenblick beginnen wir auch schon zu selektieren. Den ganzen Tag prasseln optische, akustische und andere Eindrücke auf uns ein. Im selben Moment selektieren wir sie, weil wir einfach nicht in der Lage sind alles bewusst zu verarbeiten.

Das kann man sehr leicht an sich selbst beobachten. Gehe mal mit offenen Augen spazieren. Es werden Dir vielleicht 200 oder 300 Leute begegnen, die wenigsten davon wirst Du bewusst wahrnehmen. Es könnten genau so gut Mauern aus Stein sein, die Dir entgegenkommen. Im Augenblick sind es nur bewegliche Hindernisse.

Wir haben eine besondere Fähigkeit entwickelt und können unsere Wahrnehmungsfilter auf fast alles erweitern. Vermutlich ist das sogar notwendig, weil es physisch nicht anderes verkraftbar wäre.

Letztlich benutzen die Menschen heute, wenn man der Wissenschaft glaubt, weitaus weniger Prozent ihres Gehirns als früher, weil wir eben weniger bewusst leben. An der ganzen Umweltproblematik ist es das bestens erkennbar.

Besonders die Dinge, die uns emotional berühren, ob sie nun
angenehme oder unangenehme Gefühle in uns erzeugen, werden spontan selektiert. Ganz allein deswegen, weil wir sie auch wahrgenommen haben. So einfach ist das.

Ich bin am Ende meiner Gedanken. Es tut mir leid, ich konnte, wie ich bereits anfangs gesagt habe, Deine Frage nicht beantworten. Aber wenn ein paar Leute über dieses Thema nachdenken, dann habe ich mein Ziel erreicht. Mehr wollte ich nicht.


Doris Routliffe antwortete am 25.08.01 (18:55):

Als ich das erste Mal nach Indien reiste, sagte mir mein Freund (er ist Inder und lebt zwischen Indien und Nordamerika): " Urteile nicht, beobachte nur". Das war ein ausgezeichneter Rat, denn ich konnte mit offenen Sinnen wahrnehmen, ohne sofort meinen "westlichen Maßstab" anzulegen. Es war mir auch moeglich, die fuer uns entsetzliche Armut zu sehen, ohne (wen??) dafuer verantwortlich zu machen. Es ist dabei zu bedenken, dass die Inder, aufgrund ihrer Religion ihr Schicksal als vorbestimmt akzeptieren.
Ich stimme Werner zu, wir sollten nicht immer ohne Ueberlegung andere Kulturen verurteilen, besonders solche, die seit Jahrtausenden bestehen.
Ich glaube ebenfalls, dass Menschen nicht von Natur aus oder aufgrund ihres genetischen Erbes oder ihrer gesellschaftlichen Position dazu verurteilt sind, arm und obdachlos zu leben. Ich traf in Indien einen Bueroangestellten, der in der "unberuehrbaren Klasse" geboren war. Er hatte sich durch persoenliche Anstrengung und Studieren gesetzlich das Anrecht darauf verdient, dieser Klasse zu entrinnen. Dazu war allerdings die Aenderung seines Names erforderlich (der ehemalige liess seine Herkunft erkennen)und der totale Abbruch von Beziehungen zu seiner Familie. Ich hatte keine Gelegenheit, ihn ueber die Gruende dafuer zu befragen.
Beiden Reisen in Indien waren jedenfalls ein unvergeßliches Erlebnis.


M.Threin antwortete am 26.08.01 (19:01):

Die Diskussion über die selektive Wahrnehmung ist sehr interessant und ich halte alle Aspekte, die bisher gesagt wurden für wichtig. Ich möchte noch auf einen Aspekt näher eingehen. Selektive Wahrnehmung ist notwendig, um die Menge der Einflüsse, die auf uns einströmen zu sortieren. Kinder müssen das sehr früh lernen und es ist auch sehr interessant zu beobachten, wie sie es lernen. Die Reizüberflutung in der modernen Gesellschaft ist heute ein großes pädagogisches Problem.
Negativ wird selektive Wahrnehmung erst, wenn ich nicht mehr bereit bin, neue Dinge aufzunehmen, nur noch das wahrnehme, was ich kenne. Wenn ich nicht mehr bereit bin mir über fremde Ding Gedanken zu machen, sonder sofort mit meinem Urteil da bin, ohne die Dinge von verschiedenen Seiten zu betrachten und die Besonderheit jeder Situation, wie z.B. fremde Kulturen mit zu berücksichtigen. Also jede Situation mit meinem subjektiven Werturteil angehe.


Wolfgang antwortete am 28.08.01 (12:27):

Ich möchte den Gedanken von Mechtild aufgreifen... Negativ wird selektive Wahrnehmung erst, wenn ich nicht mehr bereit bin, neue Dinge aufzunehmen... - Genau so ist es: In dem Moment, in dem ich mich als Teil eines prinzipiell unveränderbaren Systems oder Zustand eines Systems begreife, gebe ich meine Freiheit und meine Verantwortung für das gerade vorgefundene System oder seinen Zustand auf. Doch: Niemand und nichts bestimmt, was wir wahrzunehmen haben, und wie wir es wahrzunehmen haben.

Der Physiker und Philosoph Hans-Peter DÜRR nennt das "lebendige Wahrnehmung". Es entstehen Dinge und sie vergehen sofort wieder. Strukturen sind nicht so fest, wie sie scheinen. Der sicherheitssuchende Mensch - wohl die Mehrzahl unserer ZeitgenossInnen - erstarrt in Ehrfurcht vor Autoritäten. Er traut sich nicht, der Macht entgegenzutreten. Er verschenkt seine Lebendigkeit. Dabei könnte er seine scheinbaren Sicherheiten, seine Vorurteile, seine festgefahrenen Denkmechanismen aufgeben. Wenn da nicht die Angst vor der Veränderung und der Verantwortung wäre... "In der Schwebe verweilen" - das ist auch ein Gedanke von DÜRR. Mir gefällt das: Eine gewisse Zeitspanne in der Schwebe verweilen und dort die Wirklichkeit mitgestalten; aber nicht, die scheinbare Wirklichkeit nur gläubig wahrzunehmen. So will ich das für mich: Eine gewisse Zeit leben, aber nicht von Anfang an tot sein... :-)

SWR2 - Zeitgenossen - Hans-Peter DÜRR
https://www.swr2.de/zeitgenossen/sendungen/2000/07/02/index.html

(Internet-Tipp: https://www.swr2.de/zeitgenossen/sendungen/2000/07/02/index.html)


Roberto antwortete am 28.08.01 (18:51):

Was Werner A. Sedelmaier hier als Problematik aufwirft ist nicht uninteressant. Mir erscheint aber vieles zu konstruiert und ein wenig zu durchschaubar in seiner Tendenz.
Das indische Kastensystem herzunehmen um auf die Situation der Penner in München zu verweisen, ist sicher gut gemeint, geht aber an der Sache völlig vorbei.
Das Kastenwesen ist zwar in den Augen des westlichen Menschen ungerecht und barbarisch, wird aber offensichtlich in Indien von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert.
Das beweisen die Wahlen in der letzten Zeit. Die Parteien der Linken und die traditionelle Congress - Party von Gandhi und Nehru werden nicht mehr gewählt. Rückbesinnung auf „traditionelle Werte“ und somit religiöser Fundamentalismus ist der neue Trend in der Indischen Union.
Bei den „ Pennern“ muss man auch genau unterscheiden ob es sich um obdachlose Trinker handelt, die jede Sozialbindung verloren haben, oder um diese jungen Typen, die schlicht und ergreifend arbeitsscheu sind. Die jeden, der abhängig beschäftigt ist, für einen „Spießer“ oder einen Idioten ansehen.
Originalton Herr Sedelmaier:
„Hey - ich bin jeden fast jeden Tag im Englischen Garten, oder am Hauptbahnhof - ich kann das beurteilen. Da gibt es die Jungs rudelweise.“

Nach meiner Meinung ist für diese „Jungs“ Betteln oder „Ameisenhandel“ mit Rauschgift al-lemal attraktiver als ein graues „Spießerleben“ mit täglich morgens aufstehen und zur Arbeit gehen. Durch normale Arbeit bekommt man nicht soviel Kohle um sich mit Heroin und anderen Suchtmitteln zu versorgen. Ganz abgesehen von dem modischen Outfit; wie Nasenringe und Tätowierung.
Es ärgert mich, dass gegen diese Typen nicht vorgegangen wird, mit dem Ziel diesen jungen und durchaus arbeitsfähigen Leuten ein arbeitsloses Leben auf Kosten der Allgemeinheit nicht mehr zu gestatten.
Manchmal hat man das Gefühl, dass besonders in Bayern, dieser Personenkreis benötigt wird, um das von Unternehmerverbänden und den von ihnen bezahlten Parteien lang ersehnte Ziel: Abschaffung jeder Art von Sozialhilfe durch den Staat und die Gemeinden, zu erreichen.
Je mehr von diesen jungen Asozialen wahrgenommen werden, die sich vornehmlich in der Bahnhofsgegend und auf belebten Plätzen aufhalten, um so mehr wird die Forderung laut, generell jede Art von Sozialhilfe zu streichen.
Denn erst dann wären die Arbeitslosen und die wahrhaft Armen und die Hilflosen gezwungen, zu den Arbeitsbedingungen und zu den Schundlöhnen die der „Mittelstand“ anbietet, zu arbeiten.
Wir können fast froh sein dass dieses System der selektiven Wahrnehmung so funktioniert, wie es geschildert wurde. Wäre es anders und so wie Herr Werner A. Sedelmaier es viel-leicht gerne hätte, würden die Populisten wie ein Herr Haider in Kärnten und die Herren Stoiber und Beckstein wieder eine neue Spielwiese haben und ein aktuelles Problem das „uns“ Rot-Grün beschert hat.
Also ist es doch besser, dass jeder seiner Art der Selektion nachgeht und dass, wenn es sich nicht vermeiden lässt, einige in dem „Mülleimer“ des „nicht gesehen werden“ fallen.
Dies wäre allemal besser als eine Hetzjagd gegen die Armen und die hilflosen alten Menschen, denen dann die Sozialhilfe auf Grund der Schmarotzerei einiger dieser „Jungs“, genommen werden soll.


Werner A. Sedelmaier antwortete am 28.08.01 (21:07):

Zu Roberto:

Gut Roberto, nun haben Sie also Stellung bezogen. Das ist durchaus in Ordnung. Nicht in Ordnung ist aber, daß Sie etwas in meinen Beitrag hineininterpretieren, was ich nicht gesagt habe.

Sie bringen Ihre Kritik in sehr subtiler Weise zum Ausdruck, der mich doch allzu sehr an Haarspalterei erinnert. Ich zitiere:

" Mir erscheint aber vieles zu konstruiert und ein wenig zu durchschaubar in seiner Tendenz."

Ich habe meinen Beitrag als "Text" bezeichnet. Folgedessen ist er notgedrungen auch konstruiert. Was denn sonst? Welche Tendenz Sie zu erkennen glauben, das weiß ich leider nicht. Ich selbst wollte zum Nachdenken anregen. Ein konkretes Ziel habe ich ansonsten nicht damit verfolgt. Leider machen Sie nur eine vage Andeutung, vermutlich nur um der Kritik willen, oder?

"Das indische Kastensystem herzunehmen um auf die Situation der Penner in München zu verweisen, ist sicher gut gemeint, geht aber an der Sache völlig vorbei."

Sie haben eigentlich nichts verstanden! Es spielt doch überhaupt keine Rolle, daß ich in meinem Beitrag auf das indische Kastensystem hingewiesen habe. Ich hätte auch die Landbevölkerung von Andalusien nehmen können. Oder die Indianer von Nordamerika. Es wäre Ihnen wahrscheinlich auch nicht recht gewesen.

Dann folgt Ihr endloser Monolog zu Pennern, Asozialen, Arbeitsscheuen, Rauschgiftsüchtigen und so weiter... Alles wird durch Ihre Denkschablone gepresst. Selbst das modische Outfit kommt nicht ungeschoren davon. Und dann wird, was zu erwarten war, die rot-grüne Regierung beschimpft. Das ist der Tenor Ihres Beitrages, wie ich ihn verstehe.

Mein Fazit dazu lautet so:

Eigentlich haben Sie überhaupt keine eigene Meinung. Sie plappern Stammtischparolen nach. Und Sie erdreisten sich zur Beurteilung von Menschen, von denen Sie nichts wissen.

Machen Sie ruhig weiter so! Und glauben Sie mir, ich habe Sie tatsächlich wahrgenommen. Sehr selektiv sogar!


M.Threin antwortete am 28.08.01 (21:38):

Lieber Roberto,
ich möchte nur auf einen Punkt in Deinem Beitrag eingehen, den ich so nicht stehen lassen kann und will. Die jungen „Asozialen“, die Du am Bahnhof siehst musst Du Dir aber genauer ansehen, bevor Du sie als Schmarotzer beschimpfst. Bevor ein Mensch obdachlos wird, hat er schon sehr viel erlebt und arbeitsfähig ist er dann ganz bestimmt nicht mehr. Die jungen Drogenabhängigen haben alle eine Geschichte und erst wenn Du die kennst, darfst Du Deine Meinung sagen. Über einen anderen Menschen urteilen dazu hat man nie das Recht.
Nur 2 Fakten als Sachinformation:
-Weist Du, das viele psychische Krankheiten bei jungen Menschen zwischen 15 und 17 beginnen? Kannst Du nicht verstehen, das einem jungen Menschen eine beginnende Krankheit Angst macht und er versucht sie mit Drogen zu verdrängen? Dass das nicht geht ist ein anderes Thema.
-Weist Du das auch die Drogenkriminalität eine organisierte Kriminalität ist und skrupellose Geschäftemacher aus Profitgier Drogen an Kinder verkaufen um sie abhängig zu machen? Die, die wirklich an dem Drogengeschäft verdienen sind meist nicht abhängig.
Bitte mache Dich sachkundig, bevor Du eine Gruppe Menschen so beschimpfst. Die drogenabhängigen, jungen Penner sind auch nicht die, die dem Arbeitsmarkt fehlen und unserem Sozialstaat zugrunde richten.
Mechtild


Roberto antwortete am 29.08.01 (11:44):

Zu den Zuschriften von Werner A.. Sedelmaier und M.Threin

Lieber M.Threin, sehr geehrter Herr A.Sedelmaier,
zunächst möchte ich bitten meine Ausführung genau zu lesen.
Ich glaube nicht, wenn ich den "heiligen Kühen" also den jungen Menschen, die nicht arbeiten wollen, keine Sozialhilfe mehr zugestehen will, dass ich deshalb jeden jungen Penner beschimpfe.
Dass dieser Personenkreis eine "Geschichte" hat, glaube ich auch.
Eine "Geschichte" hat wohl jeder. Wenn ich aber immer die "Geschichte" zur Bewertung heranziehe, dürfte wohl kein Mensch von einem Gericht schuldig gesprochen werden. Er kann ja nichts dafür, die Umstände sind schuld.
Das kann dann ja für alle gelten, vom gewöhnlichen Kriminellen bis hin zu den Kriegsverbrechern. So einfach darf man es sich nicht machen.
Auch der 60 jährige Buchhalter und die 45 jährige Sekretärin die auf Grund ihres Alters von einem Unternehmer auf die Strasse geschmissen wurden haben eine "Geschichte" für die sich aber niemand interessiert. Die vielen Arbeitslosen und Ausgesteuerten und tausende von Kleinstrentnern die gegenwärtig noch Unterstützung erhalten, die aber, wenn es so weitergeht, demnächst keine soziale Unterstützung mehr erhalten werden. Darum geht es in erster Linie!
Jeder hat seine Geschichte, nur wenn es sich um einen alten Menschen handelt, ist die Geschichte nicht von Bedeutung und interessant. Es ist ja nur ein Grufti oder Verwesi!
Da "rechnet" es sich doch nicht, Mitleid zu haben, oder Geld für medizinische oder therapeutische Maßnahmen auszugeben.
Denn die "Jugend" ist dass Maß aller Dinge!
Man muss nur eine Zeitung aufschlagen, seitenweise "Jugendprobleme" und alles Mitleid der Welt für diese Armen. Wenn alte Menschen in Pflegeheimen wegen Personalmangel nicht mehr zum Clo gebracht werden können und empfohlen wird in Windeln zu scheißen, ist das natürlich kein Thema zum Diskutieren und zum Protestieren.

So nun habe ich erneut die armen "Jungs" endlos, in einem Monolog beschimpft. Außerdem habe ich mich erfrecht meine "Denkschablone" zu benutzen. Was bilde ich mir eigentlich ein, einseitig Partei für die älteren zu ergreifen und das "nachzuplappern" was viele der Senioren bewegt.
Pfui, das tut man nicht.

Außerdem, wie kommen Sie, Herr Sedelmaier dazu, mir vorzuwerfen, dass ich mich erdreiste an den jugendlichen Pennern Kritik zu üben. Mir sind das Schicksal und die Probleme der alten Menschen einfach wichtiger als das der Jungen. Die haben zu ihrem Glück sehr viele Helfer, vom Reklamefernsehen angefangen, bist zu jeder Art von Unterstützung von Staat und Gemeinde. Ich finde das auch so richtig und ich bin es denen bestimmt nicht neidig.
Meine äußerung über Rot-Grün, haben sie offensichtlich nicht richtig selektiert
Aber nehmen sie bitte zur Kenntnis:
Senioren first!

Roberto


Werner A. Sedelmaier antwortete am 29.08.01 (13:31):

Hallo Roberto,

viel möchte ich nicht mehr dazu sagen. Sie reden pausenlos am eigentlichen Thema: "Selektive Wahrnehmung" vorbei.

Ich mag es auch nicht, wenn Sie mich absichtlich falsch zitieren:

"Außerdem, wie kommen Sie, Herr Sedelmaier dazu, mir vorzuwerfen, dass ich mich erdreiste an den jugendlichen Pennern Kritik zu üben."

Die Worte "jugendliche Penner" finden Sie in meinem Beitrag nirgends. Ich habe von "Menschen" geschrieben.

Ich kann meine Zeit sinnvoller verbringen, als mit Ihnen auf einem solchen Niveau zu diskutieren. Bleiben Sie einfach bei ihrer jetzigen Geisteshaltung. Ich bin kein Weltverbesserer!

Damit ist diese Diskussion für mich beendet!


Erna Ecker-Philippi antwortete am 29.08.01 (18:36):

Ich habe die vorausgehenden Aufsätze mit Interesse gelesen. Ich möchte sie nicht weiter kommentieren, sondern einen Aspekt anfügen, der mir wichtig erscheint.
Ein Mensch ist von Natur aus nicht in der Lage, ein Ganzes mit allen seinen Teilen sofort zu erfassen. Er nimmt nur einen Gesamteindruck auf, der ihn gefühlmäßig irgendwie berühren kann. Sofort setzt dann die selektive Auswahl ein.
Er muss nach und nach einzelne Elemente fixieren, um sie zu identifizieren, dann kann er vergleichen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten erkennen, kann Schlüsse ziehen. Nach der Wahrnehmung mit den unterschiedlichen Sinnen, setzen Denkprozesse ein, die auch zur Abstraktion fähig sind. Meines Erachtens beruht alles Lernen auf der selektiven Wahrnehmung, die bei verschieden Menschen verschiedenartig abläuft, je nach Interesse des Einzelnen. So bauen sich die vielseitigen Wissenschaften auf, weil jede von ihnen mit einer anderen selektiven Auswahl beginnt.
Dieses Lernen beginnt schon im Säuglingsalter und endet erst mit dem Tod.