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THEMA:   Hat der Frieden in Nahost eine Chance?

 13 Antwort(en).

Karl begann die Diskussion am 05.06.03 (07:39) mit folgendem Beitrag:

Zur Zeit vernehmen wir neue Töne aus Nahost. Scharon hat den Palästinensern das Recht auf ein zusammenhängendes Staatsgebiet zugebilligt und den Rückzug aus illegalen Siedlungen im palästinensischen Gebiet angekündigt. Der palästinensische Ministerpräsident Mahmud Abbas schwor der Gewalt ab, es werde keine militärische Lösung des Nahostproblems geben.

Hat der Frieden in Nahost plötzlich eine Chance?

Diese wird wohl stehen oder fallen mit der Konsequenz der amerikanischen Regierung, unter deren Druck diese verbalen Zugeständnisse gemacht wurden. Ob Abbas die terroristischen Gruppen und Scharon die radikalen Siedler in Zaum halten können (oder wirklich wollen), wird sich erst noch zeigen müssen. Zu wünschen wäre es, besonders bei Scharon habe ich so meine Zweifel, z.B. was versteht er unter legalen Siedlungen?

Aber bereits die verbalen Fortschritte werfen Fragen auf. War dieses Ergebnis nur durch einen völkerrechtswidrigen Krieg im Irak erreichbar oder hätte die Macht der USA nicht auch schon vorher genügt, um die Parteien zu Verhandlungen zu zwingen? Wurde die Wirtschaftsmacht ebenso konsequent in die Waagschale geworfen?

Dies sind berechtigte Fragen, allerdings der Vergangenheit. Die Welt hat schon viele Wandlungen von Saulus zu Paulus gesehen, warum soll dies nicht auch bei Bush und Scharon möglich sein. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Dem Nahen Osten wäre eine solche Wandlung zu gönnen.

Geben wir dem kleinen Friedenspflänzchen eine Chance ohne den Bezug zur Realität zu verlieren. Bis zur Anerkennung eines gleichberechtigten palästinensischen Staates durch Israel und dem Ende des Terrors durch palästinensische Gruppen ist es noch ein weiter Weg.

Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,251527,00.html


mechtild antwortete am 05.06.03 (13:51):

@Karl,
Dein Optimismus sollte ansteckend sein. Die Menschen im nahen Osten brauchen Hoffnung und eine Lebensperspektive. Nur habe ich weder Vertrauen zu Scharon, noch zu Bush. Beide passen nicht in das Bild, was man von Friedenstiftern hat. Aber hoffen und glauben muss man,
Hoffnung und Glauben haben nichts mit der Realität zu tun und sollen die Fähigkeit haben Berge zu versetzen, warum nicht auch Frieden zu stiften.


Wolfgang antwortete am 05.06.03 (13:51):

Nein, Karl, das ist kein "Friedenspflänzchen", sondern SHARON's alte Strategie, die Palästinenser in einer Art Homelands einzusperren (s. The Palestanine Monitor, Special: Roadmap Section, https://www.palestinemonitor.org/Special%20Section/Road%20Map/Sharons_plan.htm). Seit über dreissig Jahren verfolgt SHARON diesen rassistischen Plan einer "ethnischen Säuberung". Jetzt erstmals bekommt er dafür die Unterstützung der amerikanischen Regierung.

Die Zeit ist günstig für die Imperialisten... Die arabischen Völker wurden erneut vernichtend geschlagen und gedemütigt. Militärisch - also auch politisch - haben sie den Besatzern praktisch nichts mehr entgegenzusetzen (ausser vielleicht einige terroristische Attentäter gegen sogenannte "weiche Ziele").

Ich möchte auf einen Artikel hinweisen, den die israelische Journalistin AMIRA HASS (die in Ramalla in der besetzten West Bank lebt) geschrieben hat, und der in der israelischen Zeitung Ha'aretz veröffentlicht wurde (The state Sharon is talking about (by AMIRA HASS), Ha'aretz v. 28.05.2003). Ein Zitat daraus:

"Die Palästinenser sind erschöpft von dem ungleichen Kampf mit Israel, einer weltklasse Militärmacht. Wahrscheinlich werden sie sich entscheiden, da keinerlei Alternative in Aussicht steht, einen Bantustan-Staat, der weitere Hunderttausende Flüchtlinge aufnehmen wird, zu akzeptieren. Die abgeschlossenen Camps werden Armut und wirtschaftliche Not erzeugen, ohne Raum für weitere Entwicklungen. Ob ihre Kinder sich dazu entschließen werden, in 'Frieden' innerhalb erstickender Enklaven zu leben, das ist eine völlig andere Frage."


schorsch antwortete am 05.06.03 (15:20):

So lange es den Nahen Osten gibt, so lange werden hüben und drüben Ultras am Werk ihr eigenes Süpplein kochen und Menschen in den Selbstmord schicken!
Das Höchste, was dort zu erreichen sein wird, ist eine Friedliche Koexistenz auf niedrigem Niveau.....


Wolfgang antwortete am 05.06.03 (18:24):

Der von ihren Marketingleuten so genannte "Friedensweg", der uns derzeit von den BUSH- und SHARON-Kriegern präsentiert wird, wird nie und nimmer zum Frieden führen. Ein Frieden ist auch gar nicht beabsichtigt. Die Palästinenser sollen ruhig gestellt werden. Dazu will man sie endgültig einsperren in Homelands. Nur möchte man nicht sagen, dass das Homelands sein sollen - vergleichbar den Homelands damals in Südafrika, als dort die Neger von ihren weissen Herren wie in grossen Konzentrationslager gehalten wurden. Also nennen die BUSH- und SHARON-Krieger die geplanten Homelands euphemistisch "Staat".

Das wird - wenn überhaupt - ein palästinensischer "Staat" von Israels Gnaden sein. Ein "Staat", dessen "Regierung" Israels Statthalter der Macht sein wird.

Nein, am alten, nicht hinnehmbaren und für die Palästinenser rechtlosen Zustand wird sich durch die Installation solch eines "Staates" nichts ändern. Das Problem dieser Region wird bleiben. Das Problem ist der westliche Imperialismus. Das Problem wird repräsentiert durch die imperialistischen Kriegsherren BUSH und SHARON. Der Kampf gegen den Imperialismus wird noch lange dauern. Ob der Kampf erfolgreich sein wird, oder ob die Imperialisten siegen werden, vermag zur Zeit noch niemand vorherzusagen. Bekanntlich ändern sich mitunter die Bedingungen dramatisch unter denen gekämpft werden muss. :-)


Wolfgang antwortete am 05.06.03 (20:47):

Übrigens gibt es auch israelische FriedensaktivistInnen (wenn es auch noch viel zu wenige sind). Einer von ihnen ist der 19-jährige HAGGAI MATAR. Er sitzt gerade in einem israelischen Militärgefängnis und wartet auf seine Gerichtsverhandlung. Ihm droht eine 3-jährige Haftstrafe, weil er den Kriegsdienst verweigert, um nicht auf Palästinenser in den besetzten Gebieten schiessen zu müssen.

HAGGAI ist einer der Gründer von SHMINISTIM - ISRAELI YOUTH REFUSAL MOVEMENT. Diese Gruppe von SchülerInnen ruft alle MitschülerInnen auf, ebenfalls den Kriegsdienst zu verweigern.

HAGGAI braucht Eure Hilfe. Seine Mutter - ANAT MATAR - sagt in einem Interview (veröffentlicht auf der Website von ZNet Deutschland - https://www.zmag.de/article/article.php?id=656 ):

"Das Wichtigste: Bringt jeder offiziellen Stellungnahme oder Warnung, usw. kritisches Misstrauen entgegen. Nehmt ihnen ihre Slogans vonwegen 'nötige' 'Sicherheitsmaßnahmen' nicht einfach ab; diese Maßnahmen kosten nur immer noch mehr Menschenleben - in den USA, in Israel, im Irak, überall. Das Zweite: Zeigt euern Kindern das Leid der Menschen, zeigt ihnen den Schmerz, der ihnen zugefügt wird, zeigt ihnen, was unsere Regierung [gemeint ist die israelische Regierung, W. M.] anrichtet - verheimlicht diese Tatsachen nicht - aus Angst, unsere zarten Kinder könnten schlecht träumen."

Ihr könnt Euch mit HAGGAI MATAR und seinen MitstreiterInnen via Mail an SHMINISTIM in Verbindung setzen: shministim@hotmail.com.

Shministim
Israeli Youth Refusal Movement
https://www.shministim.org/english/index.htm

Internet-Tipp: https://www.zmag.de/article/article.php?id=656


Medea. antwortete am 06.06.03 (06:55):

Wolfgang:
Ich teile Deine pessimistische Stimmung nicht.
Neuanfänge müssen oft auf kleinsten Niveau gemacht werden und dieser wird besonders schwer werden, da das erste kleinste Pflänzchen so etwas wie vertrauensbildende Maßnahmen sein muß. Gibt es aber erst einmal einen Beginn, von beiden Seiten getragen, wenn auch mit vielen Abstrichen, kann im Laufe der Zeit aus dem kleinen Pflänzchen eine größere Pflanze werden, regelmäßig beiderseits gepflegt und sich so weiterentwickeln. Nicht nur die Israelis haben eine Bringeschuld, desgleichen gilt für die Palästinenser. Ich lasse mir meinen Optimismus, eine beiden Seiten gerechtwerdende Lösung zu suchen und auch zu finden, nicht so schnell nehmen.


Barbara antwortete am 06.06.03 (11:11):

Es tut mir leid, aber an ein von Scharon und Bush liebevoll gepäppeltes Pflänzchen kann ich nicht glauben. Bush will wiedergewählt werden. Welche Gründe für eine zweite Amtszeit könnte er seinem Volk verkaufen? Ist Afghanistan gelöst? Wo bleibt die demokratische Lösung für das irakische Volk? Nicht einmal jubeln wollen diese undankbaren Menschen über ihre Erlösung. Und daheim leidet das einfache Volk unter den enormen Kosten seiner Kreuzzüge. Der Sozialabbau, der sich z.Zt. in den USA abspielt, ist skandalös.

Da wird ein Pflänzchen mit reichlich Kunstdünger medienwirksam aufgepeppt und dem Wahlvolk als großartige Leistung des Friedenspräsidenten verkauft. In endlosen Gesprächen wird nun bis zu den Wahlen das Image des Gutmenschen Bush aufgebaut... schließlich möchte er sich als oberster Kämpfer der Guten gegen das Böse in der Welt verkaufen.

Langfristig gesehen schauen die Wachstumsaussichten für dieses Pflänzchen schlecht aus. Das palästinensische Volk wird weiter gedemütigt und zermürbt... ohne Hoffnung auf Unterstützung von außen, denn die Welt wird es weiter hinnehmen. Sie hat sich längst daran gewöhnt.


Wolfgang antwortete am 06.06.03 (13:09):

Ich halte es mit RICHARD CHAIM SCHNEIDER. Der schreibt heute in der Süddeutschen Zeitung (siehe Link):

"Frieden also im Heiligen Land? Noch lange nicht. Noch sehr lange nicht."

SZ - 06.06.2003
Schönes Theater
Akaba war der Beginn des amerikanischen Wahlkampfes
Von RICHARD CHAIM SCHNEIDER
https://www.sueddeutsche.de/sz/feuilleton/red-artikel1597/

Internet-Tipp: https://www.sueddeutsche.de/sz/feuilleton/red-artikel1597/


Barbara antwortete am 11.06.03 (19:08):

Nein, nach Frieden sieht es wirklich nicht aus:

>>17 Tote bei Bombenanschlag - Israel antwortet mit Raketen

Neues Blutvergießen in Nahost: In der Innenstadt Jerusalems explodierte ein voll besetzter Bus. Bei dem Selbstmordanschlag starben mindestens 17 Menschen. Israelische Kampfhubschrauber holten umgehend zum Gegenanschlag aus. In Gaza wurden dabei mindestens sieben Palästinenser getötet.<<

Spiegel-online
https://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,252480,00.html

Und nun darf wieder diskutiert werden, welcher Anschlag die Reaktion auf welchen Anschlag war....

Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,252480,00.html


Medea. antwortete am 11.06.03 (20:05):

Ist das aus dem Gesagten nicht eindeutig?

...Zuerst explodierte der Bus in Jerusalem ....
Trauer.


rolf antwortete am 11.06.03 (20:34):

Nichts ist eindeutig:
Jeder geht soweit zurück, daß die anderen angefangen haben


Barbara antwortete am 11.06.03 (21:20):

@ medea.

Und was war gestern mit den israelischen Raketen auf ein Auto, wobei eine Mutter mit Kind getötet wurde?

Wie rolf schon sagt, jeder wird auf den anderen zeigen.... und so wird es wohl bis in alle Ewigkeit weitergehen.


Wolfgang antwortete am 11.06.03 (22:42):

"Tod den Israelis!" skandieren sie in Gaza-Stadt. "Tod den Arabern!" skandieren sie in Jerusalem. Alle haben sie ihre guten Gründe dafür, den jeweils anderen den Tod zu wünschen. Alle sind sie Teil des Problems, das sich mächtig aufgebaut hat seit den 20er, 30er Jahren, als das zionistische Projekt eines jüdischen Staates auf "heiligem Boden" (wie sie sagen) erstmals Gestalt annahm.

Das Morden wird noch lange, lange weitergehen. Auch nur an einen Friedensprozess zu denken, wäre vermessen. BUSH's Wahlkampfshow hat gerade mal eine Woche für ein paar Schlagzeilen gesorgt (worauf auch prompt wieder einige hereingefallen sind). Aber das ist ja der Sinn solcher Shows... Mit der Wirklichkeit haben die nicht mehr allzuviel zu tun.