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THEMA:   Gebt Europa eine Chance

 9 Antwort(en).

Barbara begann die Diskussion am 19.05.03 (09:41) mit folgendem Beitrag:

Sechs Mitglieder des P.E.N. (Poets, Essayists, Novelists) diskutierten in Schwerin, wie die neue Weltordnung aussehen könnte. Die Teilnehmer: der Ost- und Abrüstungsexperte Egon Bahr, die Islamkundlerin Gisela Kraft, der Journalist Shi Ming (China), der Germanist Leszek Szaruga (Polen) sowie die Schriftsteller Gerd Heidenreich und Johano Strasser beklagten den Verlust von Werten. Die erste und einzige Weltmacht USA habe bewiesen, dass sie die Fähigkeit habe, nach eigenem Gutdünken weltweit Kriege zu führen und diese auch zu gewinnen.

Alles drehe sich nur noch um Macht, Märkte und Menschen, wobei nach den eigentlichen Sehnsüchten der Menschen nicht mehr gefragt werde. Der Zeitpunkt sei gekommen, wo Europa sich endlich zu seinen Werten bekennen müsse. Dabei müssten die geistigen Werte des alten Europa zu den Fundamenten eines neuen Europas werden. Unser überzeugendes Menschenrechtsmodell müsse überall und immer vertreten werden. Was Europa am dringendsten brauche, sei eine geistige Diskussion.

Hat Europa diese Chance?
Mich würde Eure Meinung dazu interessieren.

https://www.ostsee-zeitung.de/po/start_164996.html

Internet-Tipp: https://www.ostsee-zeitung.de/po/start_164996.html


schorsch antwortete am 19.05.03 (10:27):

So lange wir es nicht fertig bringen, andere Europäer als uns gleichwertig zu betrachten, so lange haben wir auch keine Chance, ein Gegengewicht zu den USA aufzubauen.....


Barbara antwortete am 19.05.03 (10:42):

Schorsch,

Gerd Heidenreich sagt dazu:
„Kulturgröße hängt davon ab, wie sie auch andere Kulturen achtet.“

Gerade dieser Punkt gehört m.M.n. doch schon zu einer Wertediskussion.....


Karin antwortete am 19.05.03 (11:26):

Schorsch, ich habe grosse Mühe, die polnische Politik zu verstehen!!!
Einerseits betrachtet man ( historisch ) deutsche und russische Expansionsgelüste als ihr prägendes Trauma, andererseits nimmt man für sich das Recht ( zusammen mit amerikanischen hegemonial Gelüsten) ein fremdes Land zu überfallen und den Menschen ihre Dominanz aufzuzwingen.
Wir sollten doch alle lernfähig sein. Diese Politik zeigt das alte Europa mit dem überheblichen elitären Anspruch.


Barbara antwortete am 19.05.03 (12:24):

Vielleicht kann ein Impuls von der heutigen "Berliner Rede" unserer Bundespräsidenten Johannes Rau ausgehen.

Die FAZ schreibt dazu:

>>Zu den wichtigsten Herausforderungen, die bewältigt werden müßten, zählte er: die Globalisierung, die Bevölkerungsentwicklung, die Migrationsbewegungen, die Gefährdung natürlicher Lebensgrundlagen, die organisierte Kriminalität und den internationalen Terrorismus, die großen Epidemien wie Malaria und Aids und auch die Angst vieler Menschen vor dem Verlust ihrer kulturellen Wurzeln. „All diese Herausforderungen haben eines gemeinsam: Sie lassen sich nicht mit militärischen Mitteln lösen.“<<

https://www.faz.net/s/RubA24ECD630CAE40E483841DB7D16F4211/
Doc~E24E545A4B9544E34B29DF039CB0B0AEB~ATpl~Ecommon~Scontent.html


Barbara antwortete am 19.05.03 (15:27):

Karin,

mir geht es in Bezug auf Polen genau wie Dir....

Insofern haben die Worte Gerd Heidenreichs ein ganz besonderes Gewicht:
Was Europa am dringendsten brauche, sei eine geistige Diskussion.


schorsch antwortete am 19.05.03 (17:46):

Karin antwortete am 19.05.03 (11:26):

"...Schorsch, ich habe grosse Mühe, die polnische Politik zu verstehen!!!
Einerseits betrachtet man ( historisch ) deutsche und russische Expansionsgelüste als ihr prägendes Trauma, andererseits nimmt man für sich das Recht ( zusammen mit amerikanischen hegemonial Gelüsten) ein fremdes Land zu überfallen und den Menschen ihre Dominanz aufzuzwingen...."

Komisch, dass man da offenbar einen Unterschied macht bei Polen, USA/England aber schon nicht mehr erwähnt....


Barbara antwortete am 20.05.03 (23:32):

Unter dem Aspekt "Haben Märkte eine Moral?" diskutieren dieser Tage in Hamburg weltweit anerkannte Ökonomen und Sozialwissenschaftler über den Kapitalismus im Zeitalter der Globalisierung.

Das Hamburger Abendblatt interviewte Prof. Dr. Max Miller, einen Hamburger Soziologie-Professor und Mitinitiator der Konferenz, über die Themen der Konferenz "Worlds of Capitalism".

ABENDBLATT: Wie der Titel Ihres Kongresses nahe legt, gibt es ganz unterschiedliche Formen des kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells. Gibt es einen guten und einen schlechten Kapitalismus?

DR. MAX MILLER: Der Kapitalismus beinhaltet eine Marktwirtschaft, und Märkte kennen an sich keine Moral. Das macht sie ja gerade so effizient. Aber Gesellschaften funktionieren eben nicht wie Märkte. Zumindest nicht Gesellschaften, wie wir sie haben wollen: offene, demokratische, rechtsstaatliche und an sozialer Gerechtigkeit orientierte Gesellschaften. Solange es um den freien Verkehr von Kapital, Waren und Arbeit geht, ist Globalisierung eine epochal zukunftsträchtige Sache. Wenn es aber um Umweltschutz, Nachhaltigkeit, soziale Wohlfahrt, Gesundheitsvorsorge, Bildung, Geschlechterbeziehungen und vieles mehr geht, dann sieht man schnell, wie begrenzt die so genannten Selbstheilungskräfte des Marktes sind. Nur wenn weltweit gültige institutionelle Regeln entwickelt werden, kann das Raubtier im Kapitalismus gebändigt werden.

Das gesamte Interview ist zu lesen unter
https://www.abendblatt.de/daten/2003/05/20/166804.html

Internet-Tipp: https://www.abendblatt.de/daten/2003/05/20/166804.html


Barbara antwortete am 31.05.03 (00:15):

Prominente europäische Intellektuelle veröffentlichen heute gemeinsam in namhaften Zeitungen ihre Vorstellungen zu einer künftigen europäischen Außenpolitik. Der Wortführer der Initiative, Jürgen Habermas, begründet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gemeinsam mit Jacques Derrida warum jetzt der geeignete Moment dazu gekommen ist.

Der Artikel ist heute in der FAZ erschienen:

https://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/
Doc~ECBE3F8FCE2D049AE808A3C8DBD3B2763~ATpl~Ecommon~Scontent.html

>>Nach dem Krieg: Die Wiedergeburt Europas / Von Jacques Derrida und Jürgen Habermas

Zwei Daten sollten wir nicht vergessen: nicht den Tag, an dem die Zeitungen ihren verblüfften Lesern von jener Loyalitätsbekundung gegenüber Bush Mitteilung machten, zu der der spanische Ministerpräsident die kriegswilligen europäischen Regierungen hinter dem Rücken der anderen EU-Kollegen eingeladen hatte; aber ebensowenig den 15. Februar 2003, als die demonstrierenden Massen in London und Rom, Madrid und Barcelona, Berlin und Paris auf diesen Handstreich reagierten. Die Gleichzeitigkeit dieser überwältigenden Demonstrationen - der größten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges - könnte rückblickend als Signal für die Geburt einer europäischen Öffentlichkeit in die Geschichtsbücher eingehen.<<

Gleiches Thema in Spiegel-online unter:
https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,250868,00.html

Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,250868,00.html


Barbara antwortete am 31.05.03 (23:04):

Der amerikanische Philosoph Richard Rorty mahnt in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung die Europäer, gegenüber der Bush-Regierung standhaft zu bleiben:

>>Washington wird alle Kräfte aufbieten, um die EU-Mitglieder zu entzweien und zu verhindern, dass die Courage Kerneuropas der übrigen EU zum Vorbild wird.

Denn das Letzte, was Washington will, ist ein Europa, dessen Einigkeit und Selbstsicherheit es befähigt, die amerikanische Hegemonie in Frage zu stellen. Wenn also die Bürger und Regierungen Kerneuropas so handeln, wie Habermas und Derrida es erhoffen, wird Washington jeden Trick anwenden, sie wieder auf Kurs zu bringen, das heißt: bereitwillig, wie früher, sich das Votum ihrer Länder in der UN von den Entscheidungen von Rice und ihren Kollegen im National Security Council vorschreiben zu lassen. Denn Bushs Beratern schwant, dass sie niemals in der Lage gewesen wären, die amerikanische Öffentlichkeit für eine Zustimmung zum Krieg gegen den Irak zu gewinnen, hätte die EU zusammengehalten – hätten also die Regierungen ihrer Mitgliedsstaaten einmütig und lautstark Bushs Abenteurertum zurückgewiesen.

Wenn aber die Bürger und die Regierungen Europas jetzt nicht die Stunde nutzen, wenn sie sich nicht konsequent gegen den amerikanischen Unilateralismus wenden, so wie sie es am 15. Februar manifestiert haben, dann wird wohl Europa nie wieder eine entscheidende Rolle bei der künftigen Gestaltung der Welt spielen.<<

https://www.sueddeutsche.de/sz/feuilleton/red-artikel618/

siehe auch Spiegel-online:

>>Warum Europa Bush widerstehen muss

Mit einem flammenden Aufruf mahnt der amerikanische Philosoph Richard Rorty die Europäer, gegenüber der Bush-Regierung standhaft zu bleiben. Amerikas Anspruch auf weltweite Vorherrschaft sei ein schrecklicher Fehler. Wenn Europa jetzt nicht zusammenhalte, werde es nie wieder eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Welt spielen.<<

https://www.spiegel.de/politik/debatte/0,1518,251089,00.html

Internet-Tipp: https://www.sueddeutsche.de/sz/feuilleton/red-artikel618/